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Announcement Berliner Ensemble
Mit:
Klaus Maria Brandauer (Dorfrichter Adam), Tina Engel (Marthe Rull), Larissa Fuchs (Liese), Roman Kanonik (Ruprecht), Michael Kinkel (Büttel), Ilse Ritter (Brigitte), Michael Rotschopf (Licht), Stephan Schäfer (Ein Bedienter), Andreas Seifert (Veit Tümpel), Martin Seifert (Gerichtsrat Walter), Marina Senckel (Eve), Ninja Stangenberg (Margarete)
und 12 Hühner
Regie: Peter Stein
Bühne: Ferdinand Wögerbauer
Kostüme: Anna Maria Heinreich
Musik: Arturo Annecchino
Dramaturgie: Anika Bárdos, Viktoria Göke
Foto: Jim Rakete
Mit: Klaus Maria Brandauer, Larissa Fuchs, Ninja Stangenberg, Roman Kanonik, Tina Engel
„Wenn ihr selbst, Dorfrichter Adam, den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr nicht eifriger allen Verdacht von Euch auf jenen jungen Mann hinwälzen als jetzt.“ Wie wahr die Aussage des strengen Gerichtsrats Walter tatsächlich ist, weiß nur der angesehene Dorfrichter Adam selbst. Schließlich war er es, der versucht hat, sich der Jungfer Eve gefügig zu machen, um dann auf der Flucht vor dem gehörnten Verlobten den Krug zu zerbrechen. Jetzt ist Gerichtstag und vor ihm stehen eine aufgebrachte Frau Marthe Rull mit dem zerbrochenen Krug und Tochter Eve und deren Verlobter Ruprecht mit seinem Vater. Marthe beschuldigt Ruprecht ihn vermeintlich spätabends „in flagranti“ bei ihrer Tochter Eve im Zimmer überrascht zu haben, wobei der wertvolle Krug zerbrochen ist. Täter und Richter zugleich, redet und richtet sich Adam wegen Eve um Kopf und Kragen...
Übernommen
am
15.1.2009
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Ei, Henker! seht! Ein
liederlicher Hund war's -
Kennt das Volk seinen Kleist? -
Leider nein?
Ob nun am Theater im 'Kaff im
Tal der Ahnungslosen' oder in
der Hauptstadt der Republik -
das Publikum lacht bei
Textstellen, die der
Theaterbesucher im Grunde zu
kennen hat.
Man geht in eine
Klassiker-Vorstellung, um zu
sehen, was macht der Regisseur,
wie wirkt das, was er inszeniert
auf der Bühne, in welchem
Bühnenbild und letztlich, wie
wird das ganze von den
Darstellern umgesetzt.
Also schon erschreckend, wie das
Publikum dem eigentlichen Stück,
eben aus Unkenntnis, gegenüber
steht.
Ähnliches war auch bei der
'Nora'-Produktion in der
Karasek-Bearbeitung in
Regensburg zu erleben.
Schüler besuchten
'Nora'-Vorstellungen und
amüsierten sich. Das Problem der
Frau im 19. Jahrhundert - von
Ibsen hier deutlich dargestellt
- war den Schülern
offensichtlich über den Text des
Werkes nicht vermittelt worden.
Was lernen die da in den Schulen
eigentlich?
Wenn dann noch die Darstellung
eines Werkes durch die Mode der
Verheutigung aus dem Kontext
gerissen wird, kann kaum Bildung
entstehen.
Das Theater wird seinem Auftrag
nicht gerecht.
Stattdessen darf es zur
Selbstbefriedigung von
Regisseuren und Intendanten
Steuergelder verplempern.
1808 fanden die Weimarer
überhaupt keinen Zugang zu
Kleist's Werk 'Der zerbrochne
Krug'.
Goethe hatte als Intendant es
auch noch einer Oper - 'Der
Gefangene' - nachgestellt.
http://www.oper-um-1800.uni-koeln.de/einzeldarstellung_fassung.php?id_fassungen=957&herkunft=
Den 'Krug' teile Goethe in drei
Akte, so dass die Zuschauer ganz
offensichtlich ermüdet waren, um
den Kleist'schen Versen mit der
nötigen Aufmerksamkeit folgen zu
können.
Die nachfolgenden Produktionen
in den Jahren bis 1822 fanden
nur unter schwierigen
Bedingungen statt und Hebbel
verteidigte 1850 kurz vor seinem
Tod Kleist und seinen 'Krug' als
er das Publikum beschimpfte -
nur dieses könne durchfallen,
nicht jedoch das Werk.
Die Textfassung am BE in Berlin
enthält Eigenwilligkeiten,
Eigenschöpfungen seien sie nun
einstudiert oder sich jeweils
aus der Situation im Spiel
ergebend.
Extempores?
Dass aber ein gewaltiger Strich
dem Stück und hier der Rolle der
Marthe Rull den Boden unter den
Füßen wegreißt als ihr Text im
letzten Auftritt
Frau Marthe
Sagt doch, gestrenger
Herr, wo find ich auch
Den Sitz in Utrecht der
Regierung?
Walter
Weshalb, Frau Marthe?
Frau Marthe empfindlich.
Hm! Weshalb? Ich weiß
nicht -
Soll hier dem Kruge
nicht sein Recht
geschehn?
Walter
Verzeiht mir!
Allerdings. Am großen
Markt,
Am Dienstag ist und
Freitag Session.
Frau Marthe
Gut! Auf die Woche stell
ich dort mich ein.
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gestrichen ist und dem Stück den
Schlusspunkt nimmt - ist
unverständlich.
Frau Marthe will Genugtuung für
ihren Krug.
Dass der Schuldige, eben der
Richter Adam, "der den Krug
zerschlug" gefunden wurde,
reicht ihr nicht.
So kreisen die Darsteller den
Dorfrichter auf der
schneebedeckten Hinterbühne ein,
hängen ihn an ein vom
Schnürboden bereits
herabhängendes Seil, er wird
hochgezogen.
Und was soll mir das?
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Ich freue mich, wenn es
erträglich ist.
Ausgeschlossen, alle
Veränderungen mitzuschreiben und
dann nachzuvollziehen.
Der Text wird verstümmelt, wie
es gerade passt.
Er gerät aus dem Sprachfluss,
den Kleist so sorgsam aufbaute.
Und wo beginnt 'Schmirato'?
Aber die Vorstellung lebt.
Und so: Wen kümmert's - das
Publikum nicht, das will sich
amüsieren, will den Star sehen.
Und der legt Kohlen auf, schürt
das Feuer, das er selber gleich
von Anfang an entzündet hat und
seine Verve überträgt er auf die
Mitspieler.
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Was tu ich jetzt? Was laß ich?
Hühner im Gerichtsraum -
anliegend Schlafstube von
Margarete -
Ninja
Stangenberg - und
Lise -
Larissa Fuchs - die
dem Dorfrichter zugetanen Mägde.
Das Federvieh wird weggeräumt.
Die beiden Frauen greifen zu,
packen an, langen hin, wenn und
wo es nötig ist, Würste aus der
Registratur, Damast und
Niersteiner und
von der fetten pommerschen
Räuchergans
auf den Tisch, schlecht in
keiner Beziehung scheint es
ihnen, bei diesem Dorfrichter zu
gehen. Seine
Einkleidung zeigt
Schwierigkeiten, zum Schließen
des Hosenlatzes sind gleich Lise
und Margrete zur Stelle - beiden
hantieren an Adam mit Wonne
herum.
Klaus
Maria Brandauer - der
Dorfrichter, gewaltig an Statur
und in der Tongebung seiner
Stimme - mal hoch im Diskant,
mal grunzend brummelnd, mal
einschmeichelnd leise, dann
wieder höhnisch die Rede führend
- torkelt mit seinem Klumpfuss
durch den Gerichtsraum, versorgt
sich selbst,
wickelt sich ein und verwickelt
sich in sein Gerede und sein
Tun.
Dass der Star die Möglichkeit
nutzen würde, 'dem Affen Zucker
zu geben', war zu erwarten.
Es ist aber nicht so, dass er
das Ensemble an die Wand spielt,
das steht machtvoll neben ihm,
nutzt jede Möglichkeit, sich mit
ihm zu messen. Seine
Stehgreifaktionen, Einwürfe,
können allerdings irritieren, so
dass Stichworte und
Anschlusstexte nicht schnell
genug kommen oder sich auch
überlappen.
Es scheint den Dorfrichter nicht
groß zu interessieren, der
Gerichtsrat Walter werde zur
Revision heute erscheinen - er
grummelt weiter vor sich hin -
keck und geradezu fröhlich nimmt
er die Herausforderung an:
'Gut, Gevatter! Jetzt gilt's
Freundschaft'.
Etliches wie
Ihr
wißts, schwieg auch der große
Demosthenes. Folgt hierin seinem
Muster.
Und bin ich König nicht von
Mazedonien,
ist gestrichen, so bleiben
Fragmente.
'Adam Brandauer' quietscht,
quäkt herum - zwängt sich in die
Schuhe - lässt es sich auch in
der heikelsten Situation nicht
nehmen, bei seinen Mägden mal
eben gehörig hinzulangen. Die
juchzen dazu.
Und mit Eve wird einfach mal
geschmust so im Vorbeigehen.
Es fällt ihm ein und in höchsten
Tönen trompetet er, die Katze
habe ja in seine Perücke
gejungt, das Schwein, die 'R'
rollt er genüsslich, schrill
lacht er auf, da er auf die
Kanaillen kommt, die sich balzen
und jungen, wo ein Platz sei.
Und an der Vorstellung haben
lachend auch die Mägde ihren
Spaß.
Beim
...
brauchst du nichts zu sagen.
Verstehst
du mich?
schlägt er, ganz ohne das bisher
gehörte Pathos, sanfte
Umgangstöne an wie auch beim
nachfolgenden, nachdenklich
vorgetragenen
Mir träumt', es hätt ein Kläger
mich ergriffen.
Die Begrüßung von Gerichtsrat
Walter:
durch Adam, freudig, geradezu
jubelnd, in höchsten Tönen
Willkommen, gnäd'ger Herr, in
unserm Huisum!
Das anschließende
Kein
Traum, der heute früh Glock
achte noch
Zu solchem Glücke sich
versteigen durfte.
i
wie auch
Und alles liest, ich weiß, den
Puffendorf;
sind dann wieder
gestrichen.
Adam hat keine Chance, Eve auf
sich einzustimmen - wohl kommt
ihn alles übel an und er muss
sich übergeben, und das einfach
so zum Fenster hinaus. Dann
wieder säuselnd zu Eve und als
die ihn abweist, sein Wünsche
anzuhören, faucht er sie mit
Hör du, bei Gott, sei klug, ich
rat es dir
lauthals an.
Der Aufforderung, ein öffentlich
Verhör zu beginnen, bereitet ihm
Schwierigkeiten
Verflucht! Ich kann mich nicht
dazu entschließen -!
Es klirrte etwas, da ich
Abschied nahm -
Voller Verwirrung kommt der Pips
zu früh, schon beim 'es hat ein
Perlhuhn mir den Pips', statt
Es hat ein Perlhuhn mir,
Das ich von einem Indienfahrer
kaufte,
Den Pips: ich soll es nudeln,
und verstehs nicht,
dann fügt er ein - seht - ein
Und meine Hühner
- seht -
nenn ich meine Kinder.
Gerichtsrat Walter raunt er die
Frage zu
Befehlen Ew. Gnaden den Prozeß
Nach den Formalitäten, oder so,
Wie er in Huisum üblich ist, zu
halten?
Keck tönt sein
- So nimm, Gerechtigkeit, denn
deinen Lauf!
als ginge das alles ihn
garnichts an , ihm könne ja
nichts geschehen - oder hat
'Adam Brandauer' hier in der
Gestaltung der Rolle reinsten
Übermut zur Hand?
Der Kastellan wird zum bloßen
Haumeister, dem
Auch das. Ihr seid nicht für
Formalitäten.
fügt er formlos ein -
"Ich auch
nicht" - hinzu wie auch
ein -
"Gut" - zum mehr brauch
ich nicht.
Beim
Bin ich noch heut kein Jota
abgewichen
setzt er das heute nach, so dass
daraus wird
"bin ich noch kein Jota
abgewichen - heute!"
Adam mit großem Ausdruck
der 'Sandrock' nicht unähnlich
Frau
Marthe Rull, tragt eure Klage
vor!
wie auch
Das Reden ist an Euch
Und beschwörend, hingehaucht
Seid doch vernünftig, Kinder.
Heiter, geradezu jubelnd in
höchsten Tönen:
Und nicht gefangen, denk ich,
nicht gehangen.
Bedauerlich, dass die Sorge
Adams, doch durchschaut zu
werden, nicht erkennbar wird.
Von
Den Krug meinthalb mag er
ersetzen, oder nicht.
bis zum
Verzeiht, Ihr Herrn.
ist ist Zeit genug, hier eine
entsprechende Regung aufzubauen.
Es macht dem Darsteller
natürlich viel mehr Spaß, für
die Zuschauer die heitere Seite
auszuspielen, allenfalls bei den
Gesprächen mit Eve die Stimme zu
senken und in ein Flüstern
überzugehen, dass aber die Sorge
ihn sehrt, wird nicht erkennbar,
der Sprung aus dem Fenster - das
war's dann.
Schreiber Licht
-
Michael Rotschopf -
hoch aufgeschossen, schlank von
Gestalt, segelt in einem
voluminösen Mantel mit
hochgestelltem Kragen herein und
mit zickigem Sing-Sang-Ton fragt
er und redet schlau daher.
Mit einem 'Fazoletto' hantiert
er herum, tupft hier am Kinn,
mal dort am Näschen, ringt die
Hände und bis auf ein paar
Verbeugungen wirkt er wenig
servil als weiland Max
Gülstorff.
Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr
auch von mir?
Aber doch nicht bloß Dorfrichter
- er doch nicht.
Er weiß, dass er der eleganteste
der Schönen ist und sich bald
alles zu seinen Gunsten
entwickeln wird. Allerdings wird
es jetzt auch Zeit.
Pfingsten
Neun Jahre, daß ich im Justizamt
bin.
Gerichtsrat Walter
- Martin
Seifert - ein seriöser,
distinguierter Herr mit leicht
arroganter Sprache fragt nach
den Kassen des Gerichts, aus der
vorgegebenen
Inundations-Kollekten-Kasse
wird eine profane
Überschwemmungskasse und aus
Hanfriede
ein Hanfried.
Er will dem Dorfrichter noch im
letzten Moment eine Brücke bauen
Herr Richter Adam,
Habt Ihr mir etwas zu vertraun,
So bitt ich, um die Ehre des
Gerichtes,
Ihr seid so gut, und sagt mirs
an.
Es zieht bei Adam nicht.
Ruhig auf seinen Gaststuhl
sitzend, meint man in seinem
Gesicht ihn bei den großen
Szenen der anderen abschweifen
zu sehen - bis zum Stichwort.
Wie er spitzlippig säuselt, wie
beschwichtigend er auf Marthe
einredet, nachdem die sich ein
andres Gericht suchen will:
Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was
geschah dem Krug?
Was? - Was geschah dem Krug im
Feuer
Von Anno sechsundsechzig? Wird
mans hören?
Was ist dem Krug geschehn?
Exemplarisch wie über die
Sprache gestaltet wird - es geht
nicht nur darum den Text
abzuliefern und die 25 Reihe
akustisch zu erreichen.
Der Auftritt des Büttels
- Michael
Kinkel - schreckt auf -
war das Publikum möglicherweise
vom sanften Säuseln des
Gerichtsrats zuweilen doch ein
wenig weggetreten und des
Gerichtsdieners im Text nicht
vorgegebenes, energisches 'Ruhe'
soll das Schwatzen der Kläger im
Vorraum eindämmen.
Tina
Engel als Marthe Rull
- lautstark wird von ihr
vermittelt, wo es lang gehen
soll - Ruprecht oder Eve,
Richter oder Rat - alles hört
auf ihr Kommando.
Dir weis ich noch einmal, wenn
wir allein sind,
Die Zähne! Wart! Du weißt noch
nicht, wo mir
Die Haare wachsen! Du sollsts
erfahren!
Voller Wut über den zerbrochnen
Krug, lauthals, in schneller
Rede, diese in den Wortkaskaden
sich überschlagend, trägt sie
vor und ist auch voller Zweifel
an den Möglichkeiten dieses
Gerichts.
Sie bleibt auch im Spiel dran,
wenn sie nichts zu sagen hat.
Ihrem Gesicht liest man ab, was
in ihr passiert und was ihr
nicht passt.
Aber das
Willst du etwa
Die Fiedel tragen, Evchen, in
der Kirche
Am nächsten Sonntag reuig Buße
tun?
durch Strich verloren.
Frau Marthe setzt zum
Was diesem Krug geschehen, auch
beschreibe,
ein "ist" hinein und so
entsteht ganz ohne Kleist das
Was diesem Krug geschehen -
"ist", auch beschreibe.
Und aus dem
Der Krüge schönster ist entzwei
geschlagen.
wird am
16.1.2009 im BE
"Der schönste aller Krüge ist
entzweigeschlagen"
Gänzlich fehlt in Frau Marthes
Klage
Dort wischten seine beiden
Muhmen sich,
Der Franzen und der Ungarn
Königinnen,
Gerührt die Augen aus; wenn man
die eine
Die Hand noch mit dem Tuch empor
sieht heben,
So ists, als weinete sie über
sich.
Hier im Gefolge stützt sich
Philibert,
Für den den Stoß der Kaiser
aufgefangen,
Noch auf das Schwert; doch jetzo
müßt er fallen,
So gut wie Maximilian: der
Schlingel!
Die Schwerter unten jetzt sind
weggeschlagen.
Vergessen oder gestrichen?
Auch nicht gesprochen
Sein Schatten nur fällt lang
noch übers Pflaster.
Hier standen rings, im Grunde,
Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt,
und Spießen,
Aus dem
Hier standen rings, im Grunde,
Leibtrabanten,
Mit Hellebarden, dicht gedrängt,
und Spießen,
Hier Häuser, seht, vom großen
Markt zu Brüssel,
wird
Hier standen rings, die Häuser,
seht,
vom großen Markt zu Brüssel,
Auch
nett, nur kein Kleist,
vielleicht ein echter Stein?
Und von
eigenem Gelächter unterbrochen,
trägt sie mit eigenem Einschub
vor
Hier guckt
noch ein Neugier'ger aus dem
Fenster
-
raus -:
Doch was er jetzo sieht, das
weiß ich nicht.
Das
Erlaubt! Wie schön der Krug,
gehört zur Sache!
wird verändert zum
"Wie schön
der Krug ist, das gehört zur
Sache"
Worauf 'Adam Brandauer' ein
zustimmendes "Ja" ertönen lässt.
und statt
Ein würd'ger Wassergeuse.
ein
Zur Sache, wenn's beliebt
hinzufügt.
Und das ist eigentlich alles
während der 'Verhandlung',
deswegen spricht sie Gerichtsrat
Walter an und will wissen
Sagt doch, gestrenger Herr, wo
find ich auch
Den Sitz in Utrecht der
Regierung?
Die eigentliche Aufklärung wie
sie sich diese vorstellt,
zumindest die Möglichkeit
hierzu, hat man ihr gestrichen.
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Zwei Augenblicke mit der Dirn
allein
Nicht weniger überzeugend als
die Mutter: die Tochter Eve von
Marina
Senckel.
An der sanften, lieblichen Eve,
die mit der Unschuldsmiene, an
der zerren förmlich Bräutigam
und Frau Marthe.
Sie leidet, die
junge, die typische Sentimentale
- hat sie sich doch so für das
Leben ihres Ruprecht eingesetzt.
War sie fast sogar soweit,
'Schändliches' zu ertragen.
Der Dorfrichter mit seinen
Hühnern, die er seine Kinder
nennt, die oft den Pips haben
und die sie nudeln soll, damit
die wieder auf die Beine kommen.
Wie oft schon kam er und bat
dringlich um Hilfe, sonst wäre
ihm das Huhn verreckt.
Die einzige Möglichkeit für den
Alten an die Junge ranzukommen
und jetzt die große Gelegenheit
- das Attest, das ihr von ihm
versprochen wird, um den
Ruprecht vor Batavia zu retten.
Marina Senckel hat sich
verstrickt im Wunsch und in der
Problematik der Umsetzung einer
illegalen Bestätigung, denn sie
weiß auch, dass der Medicus wie
auch der Dorfrichter ihr etwas
Getürktes aushändigen wollen.
Und dafür mit dem Dorfrichter
ins Bett?
Es schaudert sie bei dem
Gedanken - aber wie den Ruprecht
retten sonst:
Krepiert'- ich weiß an welchem
Fieber nicht,
Wars gelb, wars scharlach, oder
war es faul.
Und der, der Ruprecht Tümpel von
Roman
Kanonik,
der vierschröt'ge Schlingel,
poltert zwischen allen herum,
wird handgreiflich -
der braucht sich ja nun nicht
zu fürchten, da ist Eve zu
ängstlich,
die werf ich übern Haufen.
Dieser Mann, der 'wie ein Baum'
- nicht auf den Mund gefallen
und bewiesen hat er, dass ein
Dorfrichter ihm, dem Ruprecht,
nicht im Dunklen begegnen sollte
so reiß ich
Jetzt mit dem Stahl eins
pfundschwer übern Detz ihm.
Dass sich die Sache dann
aufklärt - dazu hat Ruprecht
nicht viel beigetragen. Auf die
Schliche ist er dem Adam nicht
gekommen.
Vater Tümpel -
Andreas
Seifert - ein
liebenswerter Alter, ist ganz
bei der Sache, den Ruprecht, den
Wilden rauszuholen und da gibt
es auch schon mal einen Knuff
Halts Maul, sag ich.
Dann aber auch die Wendung
Küßt und versöhnt und liebt
euch;
Und, wenn ihr wollt, mag
Hochzeit sein!
An
Stephan
Schäfer kommt niemand
vorbei.
Er meint
Ich glaub, die Kerls sind toll.
Er
hat sich um den Gerichtsrat zu
kümmern und wenn Licht meint, er
könne dem Besuch den Mantel
abnehmen, so irrt er.
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Schafft Frau Brigitt herbei,
Herr Richter Adam!
Die im Stück alles aufklärende,
Ihr Herrn, der Ruprecht, mein'
ich, halt zu Gnaden,
Der wars wohl nicht. Denn da ich
gestern nacht
die alle Großen spielten - auch
Sie ist Frau Brigitte.
Eine muntere norddeutsche 'Seute
Deern' stellt sie vor, die, nach
der Thomas Bernhard sein
'Ritter, Dene, Voss' betitelte.
hört ich die Jungfer
Gedämpft, im Garten hinten,
jemand schelten:
Wut scheint und Furcht die
Stimme ihr zu rauben.
»Pfui, schäm Er sich, Er
Niederträchtiger,
Was macht Er? Fort! Ich werd die
Mutter rufen«;
Als ob die Spanier im Lande
wären.
Drauf: Eve! durch den Zaun hin:
Eve! ruf ich.
Was hast du? Was auch gibts? -
Und still wird es:
Nun? Wirst du antworten? -
»Was wollt Ihr, Muhme?«
Was hast du vor? frag ich. -
»Was werd ich haben?«
Ist es der Ruprecht? -
»Ei so ja, der Ruprecht.
Geht Euren Weg doch nur.« -
So koch dir Tee.
Das liebt sich, denk ich, wie
sich andre zanken.
Wie 'die Ritter' die Stimme
verstellt, mal die Eve ist -
dann wieder sie selber.
Sie strahlt so viel Zuversicht
aus, dass die Sache aufgeklärt
wird, ob nun der Teufel es war,
Als ob sich eine Sau darin
gewälzt;
Und Menschenfuß und Pferdefuß
von hier,
Und Menschenfuß und Pferdefuß,
und Menschenfuß und Pferdefuß,
Quer durch den Garten, bis in
alle Welt.
Hierauf: Herr Schreiber Licht,
sag ich, laßt uns
Die Spur ein wenig doch
verfolgen, sehn,
Wohin der Teufel wohl entwischt
mag sein.
»Gut«, sagt er, »Frau Brigitt,
ein guter Einfall;
Vielleicht gehn wir uns nicht
weit um,
Wenn wir zum Herrn Dorfrichter
Adam gehn.«
der im Gericht durchpassiert.
Und wie sie dem Schreiber Licht
immer ins Wort fällt, seine
Texte wiederholt, fast übern
spitzen Stein stolpernd, mit
ganz vorn sitzendem Zungen-R-
nachplappert - allein das, ein
Kabinettstück.
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Tut Eure Schuldigkeit, sag ich,
zum Henker!
Die Szenerie stimmt mit dem
Kupferstich von von Jean Jaques
Le Veau nach dem Gemälde von
Louis-Philibert Debucourt
überein.
Der Tisch für den Schreiber quer
im Raum, daneben der
Richterstuhl, dem Publikum
zugewandt.
Ferdinand Jögerbauer
schafft so dem Regisseur eine
Umgebung, dem Betrachter wohl
bekannt - ein intimerer Raum für
das eigentliche Gericht und
daneben das Volk.
Übereinstimmung so, aber auch
bis hin zum Teppich als Auflage
für den Tisch des Schreibers.
Freundlich die Wand im
Hintergrund des Raumes - gut für
die Spieler, kann durch diesen
Schallreflektor hier ruhiger,
leiser gesprochen werden, um die
Rückwand des Zuschauerraumes zu
beschallen, ohne durch
permanentes Sprechen auf der
Stütze, dem Text die Intimität
zu nehmen.
Dass diese Wand am Ende
hochgezogen wird, dahinter die
schneebedeckte Bühne zeigt, auf
der Adam mit der, den Rücken
peitschenden, Perücke das Feld
durchpflügt, macht deutlich -
alles ist Kunst was ihr saht.
Und der Krug - auf diesem
kleinen Loch soll all' das
abgebildet gewesen sein, was
Frau Marthe da schildert?
Sehr unwahrscheinlich.
Die Kostüme der
Anna Maria Heinreich
- so kann man sich Huisum kaum
vorstellen - sauber die
Kleinbauern und die
Hühnernudlerin und der Schreiber
- keiner kam zur
Vorstellungs-Verhandlung gerade
vom Feld oder aus dem Stall,
alle und adrett in der
Sonntagsnachmittags-vor-der
Haustür-steh-Kluft.
Nur der Dorfrichter hat ein Loch
im Kopf.
Regisseur
Peter Stein
schafft mit den Spielern des BE
eine Ausnahme-Produktion, er
lässt ohne modischen
Regie-Theater-Firlefanz oder gar
Schmuddel-Theater-Graus - ohne
Unbehausungs-Koffer, ohne
Kalaschnikows, ohne Nazi-Gemache
- das Stück spielen.
Ein homogenes Krug-Ensemble
schafft ihm die Möglichkeit, die
Gruppe, wie auch den einzelnen
Darsteller - in Momenten
herausragend - zu zeigen,
aufspielen zu lassen.
Die Szene lebt - kein bloßes
Deklamieren, kein Abseitsstehen,
ein einziges Miteinander zur
Freude des Publikums.
Er nimmt den selten gespielten
Variant mit zum Text - Eve und
der Gerichtsrat haben ohne die
Anwesenheit des Dorfrichters,
die Möglichkeit, Erklärungen zu
geben und sich nochmals zu
zeigen.
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Facit:
Peter Stein und das Ensemble des
BE haben den Berlinern und
Sonstigen, wie Gästen und
Touristen, Heinrich von Kleist
und sein Lustspiel 'Der
zerbrochen Krug' näher, den Text
jedoch nicht nahe gebracht, denn
der steht allein im Textbuch,
gesprochen wurde nicht der reine
Kleist.
Jeder wird sich trotzdem gern an
diesen Abend erinnern und unter
dem Aspekt der
Spielplangestaltung mit
ELVIS LEBT.
UND SCHMIDT KANN ES BEWEISEN
und
30 JAHRE: POLT UND DIE BIERMÖSL
BLOSN
im Hause
'Peymann's-Bunte-Bühne'
erinnern, denn immerhin wird das
Stück gespielt und dem Text
nicht irgendetwas - wie sonst wo
gängige Praxis - übergestülpt.
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