Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 

 


 

Theater Regensburg
Spielzeit 2002 / 2003

Bertolt Brecht - Kurt Weill

'Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'

Weder Brechtig, noch prächtig
In diesem Mahagonny ist der Hund verreckt



Juuso Hemminki und Ilonka Vöckel umringt vom Chor.
(Foto: Zitzelsperger)


Prima la musica dopo le parole?

Diese Frage machte Clemens Krauß durch die Figur des La Roche Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts in von Richard Strauss vertontem 'Capriccio' zum Thema.

In den 30ern führte sie langsam zum Bruch zwischen Brecht und Weill.

Während Kurt Weil schon 1927 als 'Mahagonny' entstandenes Werk mit Texten von Brecht als Oper verstanden wissen wollte und auch entsprechende Regieanweisungen gab, dass es sich bei diesem Werk um abgeschlossene musikalische Formen handele, fühlte sich Bertolt Brecht zum Textdichter degradiert.

Große Ensembles, getragen von einem großen Orchester unterstreichen den Charakter des Werkes als Oper. Weill findet Anlehnungen an verschiedene Stilrichtungen der Musik und doch herrscht letztlich der 'Song' vor wie schon aus der Dreigroschenoper bekannt.

Bereits 1929 stellte Weill 'Mahagonny' dem Leiter der Kroll-Oper, Otto Klemperer, vor - man war sich über die Uraufführung in Berlin einig, doch bald darauf war Klemperer nicht mehr so begeistert und so fand die Uraufführung am 9. März 1930 in Leipzig mit eingedeutschten Rollennamen statt. Man wollte versuchen, die Nazis nicht noch mehr als es sich dann doch ergab, auf den Plan zu rufen.

Die Vorstellung endete eben in Leipzig mit einem Skandal. Nach dem 2. Weltkrieg hatte Mahagonny trotz langer Absenz auf den Spielplänen Erfolg, auch wenn die Kritik an Zügellosigkeit, Gewalt und Grausamkeit nicht mehr so in Mode war und das Publikum sich mehr an alles gewöhnte, was nicht einmal so im wirklichen Leben vorkam.

Siehe 'Don Giovanni' und 'Troubadour' kürzlich in Hannover. Letztere Inszenierung dürfen Jugendliche nur mit schriftlicher Erlaubnis der Eltern besuchen.

Und in Regensburg ? Nahm man sich der Maxime an: "Nicht das Dargestellte, sondern die Darstellung entscheiden letzten Endes über Wert und Unwert von Kunst?"

Die Besetzung mit dem Opernensemble gibt dem Regensburger Publikum die Möglichkeit, bedingt durch die mittlere Tessitura der Partien, ohne Angst um hohe Töne haben zu müssen, dem Ablauf des Brecht'schen Lehrstücks zu folgen.

Da der Regisseur meist große Aktionen für die Darsteller vermeidet, Solisten wie Chor häufig zu Stehkonvents versammelt, wird auch unterbunden, das Werk auf den Zuschauer übertrieben effektvoll wirken zu lassen, zumal auch Textverständlichkeit der Darsteller weitgehend vermieden wird.

Endlich gibt der Regisseur den Technikern viel Zeit, umzubauen, was das Publikum dankbar honoriert, denn es folgt aufmerksam den Aktionen im Dämmerschein und zeigt ihm, wie sicher man ein Stück durch diese Löcher in die Länge ziehen kann, einen gemächlichen Ablauf sicherstellt sowie Tempo und Biss vermeidet.

Juuso Hemminki und Ilonka Vöckel
(Foto: Zitzelsperger)

Diesen Eindruck unterstreicht auch der Sprecher, der eben nicht hurtigen Schenkels über die Bühne hastet, sondern gemütlich - 'nur net hudeln' oder quasi 'andante moderato' seine Kommentare gibt.

Dass die Ansagen so menschlicher rüberkommen als wenn sie über den Hurrikan-Lautsprecher verkündet werden, dokumentiert die Rücksicht der Leitung des Hauses, das Publikum nicht unnötig anzustrengen oder gar zu erschrecken.

Das allerdings gelingt durch das Abfeuern von mehreren Pistolenschüssen durch Jim Ahoney dann doch, die ein gerade begonnenes sanftes Entschlummern, bedingt durch die Gemütlichkeit der Inszenierung, abrupt beenden.

Interessant nur drei Details: die neue Holzfälleraxt, eben aus dem Baumarkt geholt und noch nie mit einem Baum in Berührung gekommen und der nicht vernehmbare aber doch wahrscheinliche Schrei von Requisite und Abendspielleitung: "[...] ich habe ihm das Beil nicht geben können [...]" oder das wie Zinnsoldaten aufrechte, voll sich dem Hurrikan hingebende, Stehen des Chores, dass Hängen von Jim Mahoney auf die bewährte, so überaus anschauliche Weise mit Puppe in Zollners 'Räuber'-inszenierung'.

Ob die Brauerei 'Eichenhofener' als Sponsor gewonnen werden konnte, hatte man schwer angenommen, aber im Programmheft kein Hinweis darauf. Vielleicht wird dieses Bier ja im Theater gerne getrunken!

Dies Wenige dokumentiert wie sehr der Regisseur seit seiner letzten Inszenierung mit dem Stück vertraut wurde und wie sehr die Anschauung der Aufführung der Hamburgischen Staatsoper nachwirkt, in der die Prinzipalin unter Konwitschny und Metzmacher die Witwe Begbick war.

Das Orchester ist oben, hinter der Bühne, hinter Gaze und auch Vorhang versteckt, somit sicher abgedeckt, dass Glanz des Klangs tunlichst verhindert wird.

Das Dirigat hob sich von den schmissigen, knackigen Tempi in der Aufnahme unter 'Onkel Wilhelm' Brückner-Rüggeberg erheblich ab, so dass eine gewisse Atemlosigkeit des Publikums ob der Rasanz der musikalischen Leitung der Regensburger Aufführung, nicht zu befürchten war und eben eine solche auch durch die Szene tunlichst vermieden wurde.

Dass in der Loge 7 im ersten Rang die letzte Reihe frei blieb, gab dem Oberspielleiter Schauspiel - frei nach Wilhelm Busch - die Möglichkeit "[...] traulich im Familienkreise sitzt man da und flüstert leise [...]" die Inszenierung mit seiner Frau zu kommentieren und kräftig abzuhusten. Einem normalen Zuschauer würde empfohlen, "Zu Hause zu bleiben"! Disziplin wo kämen wir da hin.

Aber hier gilt K.D. Köhlers ehemalige und alles entschuldigende Mahnung: "S'ist doch Schauspiel !!!"

'O Moon of Ratisbona .....' 

(Dieter Hansing)

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing