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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

 

 

 

Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH

Bemerkungen eines Vollzahlers zur Umsetzung von

'Kabale und Liebe'

von Friedrich Schiller

Preview 06.09.2017 und Premiere 08.09.2017
 

 

'Das fehlte noch …'


Announcement Nds. Staatstheater Hannover GmbH

Zitat

 

Kabale und Liebe

von Friedrich Schiller

anschl. Premierenfeier

Premiere | Junges Schauspiel | ab 15 | Fr 08.09.17 | 19:30 | Ballhof Eins

Als der 22-jährige Friedrich Schiller, in Stuttgart frisch zum Regimentsarzt ernannt und mit Hof und Adel gut bekannt, die Stadt zum zweiten Mal verlässt, um der Uraufführung seines Erstlingswerkes 'Die Räuber' in Mannheim beizuwohnen, wird er prompt vom Herzog verhaftet und erhält Schreibverbot. Doch schon während der Inhaftierung schmiedet er Ideen für sein zweites Stück, Luise Millerin, das später unter dem Titel Kabale und Liebe uraufgeführt wird.

Es ist die Geschichte einer Liebe als Politikum, die sich einerseits gegen die Heuchelei der Machthabenden richtet, andererseits gegen das duldsam ausharrende Bürgertum, welches das blutsaugerische System stabilisiert, indem es als Gottesordnung akzeptiert, was doch nur faules Menschenwerk ist. Eine Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, destruktiv, masochistisch, provokant und jenseits herrschender Moralvorstellungen. Eine Liebe, die tödlich endet…

Kabale und Liebe ist eine wütende Anklage gegen Ausbeutung, Menschenhandel und (moralische) Misswirtschaft - und ein heißblütiges Plädoyer für die Überwindung scheinbar unüberwindbarer Grenzen und für ein selbstbestimmtes Leben.

FRIEDRICH SCHILLER (1759 –1805) Der Zeitgenosse und Freund Goethes gilt als »der deutsche Freiheitsdichter«. Nach einem abgebrochenen Jura- und einem vollendeten Medizinstudium und seiner Flucht aus Stuttgart gelangte er über die Stationen Mannheim, Leipzig und Dresden nach Weimar. Zu seinen bekanntesten Werken gehören sein Erstling Die Räuber, die Wallenstein-Trilogie und Don Carlos.

Regie Jan Friedrich + Bühne und Kostüme Alexandre Corazzola + Musik Felix Rösch + Video Philipp Kronenberg + Dramaturgie Barbara Kantel
 

Luise Sophie Krauß + Ferdinand Daniel Nerlich + Miller Christoph Müller + Wurm Silvester von Hösslin + Päsidentin Beatrice Frey + Lady Milford Johanna Bantzer + Kalb Philipp Kronenberg

 

Zitatende

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Das Bild des Landdistrikts zwischen dem Meinhardter Wald im Osten bis zum Schwarzwald bei Hornberg im Westen, im Süden von der Schwäbischen Alb bis zu den Flüssen Kocher und Jagst im Norden war geprägt von den Geldbeschaffungsmaßnahmen, die Herzog Carl Alexander im frühen 18. Jahrhundert anstellte, seinen Hofstaat zu finanzieren.

Er engagierte den Bänker Joseph Oppenheimer, der die Gelder für Kriege, Feste und Bälle, sonstige Lustbarkeiten zu beschaffen hatte.
Die enge Bindung des katholischen Herzogs an den Juden Oppenheimer rief die evangelische Bevölkerung auf den Plan, die sich durch die herzogliche Verwaltung bevormundet sah.

Die offiziell zur Verfügung stehenden Gelder reichten nicht. So musste 'außer der Reihe' Geld beschafft werden und hierfür sorgte Joseph Oppenheimer.

1939 gab Goebbels den Auftrag zur Verfilmung des Stoffes um Joseph Oppenheimer, der sich an der bereits 1934 entstandenen englischen Verfilmung Jud Süss nach dem 1925 erschienenen gleichnamigen Roman von Lion Feuchtwanger anlehnte.

 

 

 


Veit Harlan

sah sich im Schatten seiner Filme, als er 1960
eine Beschreibung seines Lebens herausgab.
Alle waren gezwungen, mitzuspielen.

Das Deutsche Historische Museum hat für sein Leben und seine Karriere eine andere Version zur Verfügung.
https://www.dhm.de/lemo/biografie/veit-harlan

Filme wie:
’Der Herrscher’, ’Jugend’, ’Verwehte Spuren’, ’Jud Süß’, ’Der große König’ ’Die goldene Stadt’, ’Immensee’, ’Opfergang’ und ’Kolberg’
entstanden und wurden von der Parteileitung wie auch von Teilen der Bevölkerung begeistert aufgenommen.


Als Regisseur des neuen Films, deutete er den Inhalt im nationalsozialistischen Sinn um.

Das Ergebnis lässt sich an den Tagebucheinträgen von Goebbels nachlesen:


Zitate

„Mit Harlan und Müller den Jud-Süßfilm besprochen.
Harlan, der die Regie führen soll,
hat da eine Menge neuer Ideen.
Er überarbeitet das Drehbuch nochmal.“

Tagebuch 5. Dezember 1939

„… Besonders der Jud-Süßfilm ist nun von Harlan großartig umgearbeitet worden …“

Tagebuch vom vom 15. Dezember 1939

„Mit Marian über den Jud-Süß-Stoff gesprochen. Er will nicht recht heran, den Juden zu spielen. Aber ich bringe ihn mit einigem Nachhelfen doch dazu.

Tagebuch 5. Januar 1940

Muster der neuen Judenfilme geprüft. 'Rothschild' gut.
'Jud Süß' von Harlan mit Krauß und Marian hervorragend.

Tagebuch vom 26. April 1940

„Harlan Film ‚Jud-Süß‘. Ein ganz großer, genialer Wurf.
Ein antisemitischer Film,
wie wir ihn uns nur wünschen können.
Ich freue mich darüber.“

Tagebuch vom 18. September 1940

 


Den Film zu besetzen, stellte sich als schwierig heraus.
Die von Goebbels Preferierten lehnten wie Ferdinand Marian ab. Selbst Harlan versuchte sich durch eine Kriegsfreiwilligenerklärung der Verpflichtung als Regisseur zu entziehen, bei seiner Frau Kristina Soederbaum – vom Volksmund damals als ’Reichwasserleiche’ bezeichnet – schob er die körperliche Schwäche nach einer gerade überstandenen Entbindung vor.

Entgehen konnte Goebbels Wunsch nur Emil Jannings, da Harlan dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda klar machen konnte, nicht neben Eugen Klöpfer auch noch einen weiteren korpulenten Darsteller wie Jannings dem Publikum anbieten zu können.
Werner Krauss wollte nur dabei sein, wenn er alle ’Juden-Rollen’ spielen dürfe und sich keine ’Judennasen’ ankleben müsse. So kam es dann auch, er spielte den Sekretär Levy, den Rabbi Loew, den Schächter Isaak auch den Alten am Fenster und die alle ohne angeklebte Nasen.

Gegen die Rolle des Herzogs Karl Alexander von Württemberg wehrte sich Heinrich George, ein weiterer körperlich mächtiger Mann. Er meinte Goebbels gegenüber, er wolle nicht schon wieder wie im Schiller-Film - als er auch den Landesherrn spielen musste -, eine Schattenfigur sein, er habe es satt, „Scheusale zu spielen und dass nicht der Jud Süß in dem Film der Minderwertige sei, sondern der Herzog.“ (Veit Harlan, ’Im Schatten meiner Filme’, 1966, Mohn Verlag)



Heinrich George als Herzog Carl Alexander von Württemberg

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Als der real existierende Herzog Carl Alexander – eben der, den Heinrich George dann auf Befehl Goebbels’ doch spielte – 1737 plötzlich verstarb, konnte der 1728 erstgeborene Sohn Carl Eugen als Neunjähriger die Regentschaft nicht übernehmen. Zum Vormund wurde zunächst Carl Rudolf aus einer Seitenlinie - der sich aber sich zu alt für die Regierungsgeschäfte fühlte - und danach Karl-Friedrich von Württemberg-Öls bestimmt.

Carl Eugen wurde mit seinen Brüdern nach Potsdam an den Hof von Friedrich II. zur Erziehung gegeben. Der aber ab 1740 mit der Führung des ersten schlesischen Krieges beschäftigt, war also zeitweise nicht an der Spree.
Carl Eugen lernte dort aber alles, was zur opulenten Führung eines Hofes erforderlich war, er sah es sich ab und übertrug es auf den herzoglichen Thron in Ludwigsburg.

Wie seinem Vater reichte auch ihm nicht das Geld für die Hofhaltung, die er aus seinem Elternhaus und dem Hof Friedrichs II. in Potsdam gewohnt war.

Geldquellen wurde gesucht und so wollte man auch hier der Anfrage des Königs von England nachkommen, Truppen für den englischen Krieg in Amerika zur Verfügung zu stellen – was sich als äußerst schwierig zu bewerkstelligen herausstellte:
 

 

 
Als man das Anerbieten des Herzogs annahm, war man:

Zitat
„ … von der falschen Voraussetzung ausgegangen, daß dessen stehendes Heer doppelt so groß als das versprochene Kontingent sei, in welchem Irrtum er durch einen im englischen Kriegsministerium befindlichen Bericht des Hauptmanns Pleydell bestärkt wurde. Dieser Offizier hatte nämlich Stuttgart Anfang September 1775 besucht und war offenbar durch die glänzende Außenseite der württembergischen Residenz, durch den Herzog und seine Minister geblendet worden; er hatte die auf dem Friedensfuß stehende Armee des Herzogs auf 5500 Mann geschätzt und sich äußerst anerkennend über die guten Eigenschaften der Truppen, die schönen Kasernen, die prächtigen Uniformen und die guten Pferde ausgesprochen.

Anders lautete die Lesart, die jetzt Faucitt bei genauerer Besichtigung gab:

»Ich wurde«, schreibt er am 7. Februar 1777 von Stuttgart, [Fußnote] »dem Herzog am Tag meiner Ankunft von Ansbach [3. oder 4. Februar] vorgestellt. Er versprach mir sofort, dem König die 3000 Mann zur festgesetzten Zeit zu liefern; die Minister versicherten aber, daß dieses Versprechen sich unmöglich erfüllen lasse. Ich bedauere, daß meine Verhandlungen an diesem Hof voraussichtlich zu nichts führen werden. Der Herzog ist nicht imstande, ein Drittel der in Aussicht gestellten Truppen zu liefern. Sein Kredit und seine Finanzen sind bei einer so niedrigen Ebbe angekommen, daß er, selbst wenn er die Truppen auszuheben vermag, unmöglich gute Waffen und Uniformen anschaffen kann, um sie fürs Feld auszurüsten. Seit ich in Deutschland bin, habe ich schon viel von den ruinierten Verhältnissen des Herzogs gehört; ich finde jetzt die weitgehendsten Schilderungen bestätigt, namentlich aber sind seine Mittel so erschöpft, daß er gar nicht an die Ausrüstung eines Korps für Amerika denken kann. Seine ganze Armee besteht aus 1690 Mann (Offiziere und Unteroffiziere nicht mit eingeschlossen). Die Kavallerie beträgt 410 Mann; die Infanterie 1060 und die Artillerie 220 Mann. Ein Infanterieregiment hat im Durchschnitt 240 Mann und ein Kavallerieregiment 120 Mann! Ein großer Teil der Soldaten ist beurlaubt. Was bei den Fahnen steht, ist der steif, alt und dekrepiert gewordene Überrest aus dem letzten Krieg. Um die Desertion zu verhindern, gibt man den Soldaten, deren Zeit längst abgelaufen ist, ihre fällig gewordene Löhnung nicht. Ihre Waffen stammen aus dem letzten Krieg, sie sind von allen Kalibern, dabei abgenutzt und wertlos.

Ihre Feldausrüstung und Zelte sind von noch schlechterer Beschaffenheit. Die Offizierszelte sind in Stücke geschnitten und in verschiedene Formen gebracht, um bei den ländlichen Festen des Herzogs zu dienen. Ohne neue Zelte können sie gar nicht marschieren.
Zitatende

Friedrich Kapp:
Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika
http://gutenberg.spiegel.de/buch/-7425/9

 

 

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Aus der Situation heraus, die er dann 1780 und auch schon vorher täglich vor Augen hatte, entwickelte Schiller das Stück ’Luise Millerin’ und lehnte die Figuren an Personen an, die ihm seit Kindheit im näheren oder weiteren Umfeld begegneten. So haben der nicht auftretende Fürst und der Präsident Ähnlichkeit mit dem Herzog und einem intriganten Hofbeamten, die Milford hat Bezug zu Franziska von Leutrum, der späteren Franziska von Hohenheim.

Das Schauspiel zeigt den Adel und das Bürgertum, somit den Zusammenprall der Gesellschaftsschichten und die Liebesgeschichte, die sich zur Tragödie, aus diesem Gefälle heraus, entwickeln musste.

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Im Herzogtum Württemberg lebten zur Zeit Schillers ca. 450.00 Einwohner, die ihren Wohnsitz in den ländlichen Gebieten und den Städten wie Stuttgart mit 22.000 Einwohnern, Tübingen mit ca. 6.000, Ludwigsburg mit mit ca. 5.000, Göppingen mit 4.000 hatten.

Die Menschen verdienten als Landarbeiter oder Handwerker wenig.
Die geringen Stände brauchten aber etwa 350 Gulden zum Auskommen einer vierköpfigen Familie, Städter dagegen schon 1.000 Gulden.
Ein Pfarrer verdiente etwas 260 Gulden jährlich, ein Lehrer an einer niederen Schule 100 Gulden - was bedeutete: das Existenzminimum wurde nicht erreicht, so dass zum Arbeitslohn immer noch ein Zugewinn auf einem Stück Feld zum Eigenverbrauch oder Verkauf von Naturalien wie auch durch sonstige Tätigkeiten erwirtschaftet werden musste.

Die Residenz Stuttgart war um 1760 - Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar geboren - unter Carl Eugen ein enges Städtchen an beiden Ufern des Nesenbachs, von einer hohen Mauer umgeben. Zwischen den Häusern lagen Gärten, die Straßen mit Kopfsteinpflaster ohne Gehsteige, Brunnen, aus denen die Bewohner ihr Trinkwasser holten, neben Dunghaufen und herumlaufendem Vieh.

Die Bewohnerschaft setzte sich zusammen aus Weingärtnern, Schuhmachern, Schneidern, Bäckern, Metzger, die in jeweiligen Zünften zusammengefasst waren.

Die Standespyramide gab vor, wo sich die Bewohner einzurichten hatten. Ganz oben der Herzog mit seinem Hof und dem Adel, Militärs und hohen Beamten, der Klerus. Diese Spitze machte etwa ein Prozent der Bevölkerung aus. Danach etwa 20 Prozent niedrige Beamte, Kaufleute, Bankiers, Notare, Lehrer, Handwerker, Händler. Die größte Bevölkerungsgruppe gehörte den Bediensteten wie Landarbeitern - und den Leibeigenen an.
Außerhalb dieses Regelwerks lagen die Menschen ohne Wert, die Schinder, Henker, Bettler und das fahrende Volk.

Bildungsmöglichkeiten für die Masse gab es außer den Schulen kaum, dem Adel blieb es vorbehalten, seine Kenntnisse zu erweitern.

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Schon während der Schulzeit beschäftigte sich Schiller mit Literatur, verfasste Gedichte und erste Prosaschriften. So hätte es für ihn eine Auszeichnung sein müssen, vom Landesherrn Carl Eugen nach der Lateinschule in Ludwigsburg auf die Karlsschule übernommen zu werden. Er sah es allerdings anders, denn - das Umfeld betrachtend - ergaben sich für ihn Probleme, die auch durch den strengen militärischen Dienst hervorgerufen wurden, dem er ausgesetzt war.
Freiheiten wurde keine gewährt, seine Dichtungen fertigte er im Geheimen an.
Er studierte zunächst Jura, wandte sich dann der Medizin zu und wurde 1780 zum Militärarzt bestellt.
1781 entstanden ’Die Räuber’

http://www.telezeitung-online.de/
Bemerkungen_zur_Produktion_'Die_Raeuber'_-_Theater_Regensburg_01.12.2012.htm


veröffentlicht mit fingierten Verlagsorten Frankfurt und Leipzig.
Wolfgang Heribert von Dalberg, dem Intendanten des Nationaltheaters Mannheim wurde das Stück vom Buchhändler Schwan, der es dann später auch druckte, zugespielt. Dalberg nahm das Schauspiel in den Spielplan, wo es am 13. Januar 1781 uraufgeführt wurde, allerdings mit der vom Intendanten geforderten Verlegung aus der aktuellen Zeit des Ende des siebenjährigen Krieges ins Spätmittelalter als Kaiser Maximilian den ewigen Landfrieden für Deutschland stiftete. Schiller selbst hat diese Verlegung im Brief an Dalberg vom 12. Dezember 1781 kritisiert, musste sich aber fügen, um die Produktion seines Werkes nicht zu gefährden.

Ohne Urlaub reiste Schiller zur Uraufführung nach Mannheim, kehrte heimlich zurück nach Württemberg. Da diese Reise nicht entdeckt wurde, meinte er nochmals zu einer Repertoirevorstellung fahren zu können. Hier nun nahm er Henriette von Wolzogen, ihr Sohn Wilhelm war Schulkollege an der Karlsschule -  und die Hauptmannswitwe Louise Dorothea Vischer mit zu seinen ’Räubern’, die dann wegen Krankheit im Mannheimer Ensemble nicht stattfinden konnte.
Schillers Verlassen des Dienstortes wurde diesmal entdeckt und er vom Herzog zu vierzehn Tagen Arrest abgeurteilt.
Während der Zeit entstanden die Anfänge des 'Fiesco' und der 'Luise Millerin'. Beide nahm Dalberg zur Uraufführung an.

'Kabale und Liebe', statt 'Luise Millerin' - Iffland schlug die Titeländerung vor - kam am 13. April 1784 zuerst in Frankfurt am Main heraus, zwei Tage später dann in Mannheim.

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Die Bühne im Nds. Staatsschauspiel Hannover zeigt eine überdimensionierte Tonne, senkrecht stehend, aufgeschnitten, so dass durch Einschübe drei Spielebenen möglich werden. Daneben der normalen Bühnenboden, also eine vierte Spielebene.
An der Tonne oder Rotunde oder Litfasssäule – wie immer man es nennen will - montiert sind Raffvorhänge, Projektionsflächen, außenliegende Treppen, in ihr eine Wendeltreppe.

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Fazit

Die Rolle eines Mannes durch eine Frau verkörpern zu lassen, ist nicht neu.
In Frankfurt am Main war in der Robert-Wilson-Inszenierung des 'Lear' die Titelrolle mit Marianne Hoppe besetzt und in Hannover spielte Sabine Orléans den 'Othello'.

Dass nun Jan Friedrich als Regisseur den Präsidenten zur Präsidentin macht, ist ein Gag oder man hatte keinen Väterspieler für diese Rolle?
Allerdings dürfte ein Mann kaum diese Süffisanz in die Interpretation bringen wie es hier eine Frau zu tun in der Lage ist. Das vorwurfsvolle Aufzeigen, für wen sie denn das alles getan habe, soll zur Rührung führen und Ferdinand auf ihre Linie bringen. Es gelingt trotz tränenumflorter Stimme nicht.

Die Darsteller in diese Stahlkonstruktion - übrigens wieder einmal eine fabelhafte Leistung der Schlosser in den Werkstätten - der Rotunde zu zwängen, verdichtet das Spiel.
Verstärkt wird die Unmittelbarkeit, wenn dann noch mit Handkamera Nahaufnahmen fabriziert werden, die aber ihren Effekt verlieren, wenn Bild und gesprochenes Wort - also Ton - nicht übereinstimmen, also nicht lippensynchron projiziert wird.

Dass Striche einen Text komprimieren, ist klar und legal, solange das Stück nicht völlig ausfranst wie es 'Die Räuber' in Regensburg zu erleiden hatten.

Wenn man aber in Publikationen, die das Publikum auf die Produktion vorbereiten, vorgibt
 

 

Auszug aus ‘Spielzeit’ 09/2017
KABALE UND LIEBE von Friedrich Schiller

 


Schiller muss man unbedingt machen, wie Schiller ihn geschrieben hat. im Unterschied zu Goethe, dessen ‚Faust' ich in Mannheim auf die Bühne gebracht habe und der einiges zulässt, kann man bei Schiller keine Szenen weglassen.

 


man dürfe keine Szenen weglassen, dann fragt man sich, warum die Dramaturgie und der Regisseur ausgerechnet die entscheidende Kammerdiener-Szene streichen.
Gibt es im Ensemble des Nds. Staatsschauspiels Hannover keinen, der diese Altersrolle übernehmen kann?

Die Szene gibt doch der Milford den Anstoß zur Entsagung, sieht sie doch hier besonders deutlich, wie mit dem Verkauf oder dem Verleih von Soldaten Geld gemacht wird, um beispielsweise den ihr geschenkten Schmuck zu bezahlen.

Historisch ist festgestellt, dass Soldatenverkäufe üblich waren. Der von Carl Eugen auf dem Hohenasperg inhaftierte, die Zustände in Württemberg mit ihren Herrschern und ihrer Dekadenz kritisierende, Friedrich Daniel Schubart schreibt in seiner 'Teutschen Chronik' von 1776,
- dass der Landgraf von Hessen-Kassel 450.000 Taler für 12.000
  Soldaten aus seinem Land bekommt,
- dass der Herzog von Braunschweig 56.000 Taler für 3.964 Mann
  erhält,
- dass 20.000 Hannoveraner
  und 3.000 Mecklenburger für 50.000 Taler für Amerika bestimmt
  sind und
- dass der Kurfürst von Bayern 4.000 Mann dem englischen König überlässt.

Schon 1757 verkaufte der Herzog von Württemberg - also Carl Eugen - 6.000 Mann für sechs Jahre an Frankreich und 1786 stellte er Truppen der holländischen Ost-Indien Kompanie zur Verfügung.

Warum fehlt also in Hannover die Kammerdienerszene, die den Hintergrund des Absolutismus in der damaligen vorrevolutionären Zeit verdeutlicht?

In dem Trepp-auf, Trepp-ab auf dem Wendel in der Rotunde auf der Bühne des Nds. Staatsschauspiels geben die aufs Wenige gekürzten Texte kaum wieder, dass - durch Forschung als historisch nachgewiesen - der Minister Samuel Friedrich Graf Montmartin seinen Vorgänger mittels gefälschter Briefe als Hochverräter verhaften und einkerkern ließ.

In der HAZ vom 11. September 2017 stand, es gäbe in der hannoverschen Fassung doppelt so viele Tote wie in der Schiller'schen Originalfassung.

Zwei Tote - Ferdinand und Luise - sind vorgegeben. In Hannover wird auch der Hofmarschall von Kalb ermordet (warum eigentlich?).
Das sind dann drei - und wer ist der/die vierte Tote?

Es hieß, es habe so ausgesehen, als sei die Milford auch gestorben.
So wird das Publikum vom Regisseur in die Irre geführt.

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Schon in der Spielzeit-Beilage der HAZ wurde geschimpft:
Zitat
"Das bürgerliche Trauerspiel schlechthin, dem Bildungskanon des Bürgertums zugehörig. Lektüre unzähliger Schüler-Generationen, die ratlos bis verzweifelt der schillerschen Sprache und dem historischen Setting gegenüberstanden und -stehen."
Zitatende

Was schlägt denn das nach unten geöffnete Feuilleton für den Deutschunterricht vor?
Popsongs oder Witze von Comedians?

Aber keine Sorge, ein Regisseur vom 'German-Trash-Theater' nahm sich ja des Stückes an und verwurstete es zu einer modischen Vulgär-Ekel-Show.

Hat man Proben und Konzeptionsgespräche erlebt, weiß man, wie es funktioniert.

Hier also:
Die Adligen sind Blutsauger: herrlich, dann machen wir Vampire daraus. Dann versteht es auch der Dümmste!
Und so tragen dann alle Adligen Vampirzähne, die Präsidentin lutscht Blut-am-Eis-am-Stil, Knoblauch und der angespitzte Pfahl kommen auch zum Einsatz und Wurm hat ein Auge auf Luise, so bekommt er ein Stielauge eingesetzt.
Der Hofmarschall von Kalb ist tuntig, also trägt er Korsage, Stöckelschuhe und Spitzenstrümpfe.  Das versteht auch der Dümmste!
Ferdinand geht es nur um die Defloration von Luise, also ist ihr Kittel blutig und sie darf einen blutigen Tampon verschlucken.

Wurm wischt sich seinen Achselschweiß in die Haare, was so besonders erotisierend wirken soll und er wischt ein blutbesudeltes Messer an dem Brief ab, den Kalb für Ferdinand als Adressat fallen lässt.
Dicker aufgetragen geht nimmer.
Das versteht auch der Dümmste!

Sprachlich wird entweder genuschelt oder geschrieen, dabei besteht das Ensemble aus begabten, professionellen Leuten, die Besseres verdient haben.
So kamen auch viele Leute aus der Vorstellung, es war ihnen speiübel und sie dachten in Bezug auf die Schauspieler: "Ach die Armen!"
Und dann wird ihnen beim bevorstehenden Intendantenwechsel wahrscheinlich auch noch gekündigt.

Dabei war doch am
Montag, den 26. Oktober 2009 veröffentlicht worden:

"Die Staatstheater Hannover sind hervorragende Theater mit engagierten Mitarbeitern. Ich freue mich darauf, die Häuser mit meinen künstlerischen Geschäftsführerkollegen Dr. Michael Klügl und Lars-Ole Walburg weiter voran zu bringen."

Und jetzt sind die Häuser leer inszeniert, weil das Grundkonzept der Stücke unter Missachtung des Bildungsauftrages und Verschwendung von Steuergeldern nicht realisiert, sondern irgendetwas auf das jeweilige Werk, sei es durch dramaturgische Mätzchen oder fehlleitende Bühnenbauten, draufgeklatscht wird.

Man könnte in dem sich hier verselbständigenden Bühnenbild - dieser Rotunde - in Hannover auch 'Hänsel und Gretel' oder 'Pension Schöller' spielen.
Warum nimmt man 'das Ding' nicht für die kommende 'Aida'?
Die Titelträgerin ganz unten, in der Mitte Königstochter Amneris und ganz oben Oberpriester Ramfis.

Diese rationelle Nutzung von Bühnenbildern müsste doch ganz im Sinne von Jürgen Braasch, dem Verwaltungsdirektor der Nds. Staatstheater Hannover GmbH sein!?
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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