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    Bemerkungen eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von

        Friedrich Schiller

      
    'Die Räuber'
       
    am Theater Regensburg
       
    Repertoirevorstellung 01.12.2012

         'Totale Verarsche'

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    Schiller griff die Situation der Menschen in Böhmen, Franken und Sachsen in der Zeit ab 1763 - nach dem Siebenjährigen Krieg - auf, nach dem sich ehemalige Soldaten der jeweiligen Kriegsparteien zu marodierenden Räuberbanden zusammentaten, Länder verunsicherten und verwüsteten, die schon durch die Kriegseinflüsse schwer getroffen waren.

    Dem Mannheimer Intendanten Wolfgang Heribert von Dalberg, der das Stück, mit Auflagen, zur Uraufführung annahm, war die Nähe zur damaligen Gegenwart zu groß.

    Auch soll sich zu Schillers Studienzeit im Kurpfälzischen ein dem Stück sehr ähnlicher Vorgang abgespielt haben, den Schiller aus anderer Quelle als Schubarts „Zur Geschichte des menschlichen Herzens“ entnahm.
    Inwieweit Schubart auch den Vorgang kannte und daraus sein 'Geschichtgen' entwickelte, lässt sich nicht mehr ableiten.

    Angeblich lebte im hochherrschaftlichen Haus der Reichsritter von Sickingen ein Graf Karl Anton, der von seinen beiden Söhnen eingesperrt gehalten wurde, wobei die beiden Familienmitglieder Menschlichkeit außer Acht ließen.

    Die Verbindung des Intendanten von Dalberg zum Hause von Sickingen lässt den Schluss zu, dass er als Theaterleiter keinen Vorwand zu Kritik zulassen wollte, zumal auch Herzog Carl Eugen von Württemberg die Zusammenhänge kennen musste.
    Somit verlangte Dalberg von Schiller, die Handlung ins ausgehende Mittelalter zur Zeit Maximilians I. - als der ewige Landfriede in Deutschland 1495 errichtet ward - zu verlegen.
    Außerdem vertrat der Mannheimer Intendant nach außen hin die Meinung, dass solch eine Angelegenheit wie die in der Pfalz, sich niemals in der Gegenwart oder Vergangenheit in Franken, Sachsen oder Württemberg zugetragen haben könnte.
    Schiller wehrte sich gegen derartige Verlegungen des Stückes in andere Zeiten aus Gründen der Staatsräson.
    Am 3. November 1781 schrieb er an Dahlberg, er wünsche dies nicht, denn 'Alle Charaktere sind zu aufgeklärt zu modern angelegt, daß das ganze Stück untergehen würde, wenn die Zeit, worin es geführt wird, verändert würde.'

    Der Dichter wäre wohl entsetzt, sähe er, was bis heute mit seinen Räubern angestellt wurde und wird.

    Piscator hatte 1926 in seiner Inszenierung die 'Räuber' gestrafft, alle Szenen, die das Private der Familie Moor betrafen, strich er und reduzierte die Handlung auf ein Drama, wobei er aus den Räubern eine Gruppe von Revoluzzern machte, es mangelte damals an Revolutionsstücken, so dass Autoren und Inszenatoren gerne hier auf Bewährtes wie Schiller zurückgriffen.
    Die Produktion spielte auf einer Traugott-Müller-Simultanbühne, so dass z.B. unten Hermann - von Franz für die Mitteilung von Karls Tod - vorbereitet, oben gleichzeitig die Szene 'Alter Moor' mit Amalia gezeigt wird. Wenn solche Aktionen zu häufig an einem Abend vorkommen, gleiten sie ins 'Allerweltsgemache' ab und irritieren das Publikum.

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    Das MGT Berlin schrumpft 2012 das Ensemble auf drei Personen - als habe man in der Hauptstadt nicht genügend Schauspieler - 'die Räuber' sitzen zunächst unerkannt im Publikum und füllen damit Plätze, die damit nicht verkauft werden können, treten in einen Dialog mit den Darstellern.
    Auf Franz'ens Frage: 'Ist euch auch wohl?' quakt eine vorlaute 'Tussi' entsprechend den Vorgaben, ein 'Ja' in den Raum, dass der Unbedarfte meint, die Antwort käme spontan aus der Zuhörerschaft und die spiele hier mit.
    Vor der isolierten Karl-Szene - als einem quasi dritten Akt - springen die 'Ernst-Busch-Schüler' dann aus ihren Sitzen und eilen aus dem Publikum auf die Bühne.

    Diese - im MGT - als leichte Schräge nach hinten ansteigend, ein paar Scheinwerfer, gelegentlich ein Sessel, zum Schluss ein paar Baumgerippe. In diesem 'Aufbau' spulen die Drei - jeder für sich, jeder monologisiert für sich - gemeinsame Auftritte gibt es nicht - ihren Text ab und zeigen die Choreographie. Dadurch, dass Zitate anderer Autoren eingebaut werden, findet sich der stückfremde Zuschauer nicht zurecht und der 'Kenner' ist schockiert - etliche suchen daher ihr Heil in der Flucht aus dem Zuschauerraum - und
    das während der Vorstellung.

    http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=7193:die-raeuber-antu-romero-nunes-eroeffnet-die-saison-am-maxim-gorki-theater-mit-einem-klassikerversteckspiel-nach-friedrich-schiller&catid=38:die-nachtkritik&Itemid=40

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    Regensburg lässt unter seinem neuen Theaterdirektor die eben inthronisierte Schauspieldirektorin eine Einführung abhalten.

    In der Theaterzeitung, Seite 5, lässt sie vermelden, dass in Schillers 'Räuber' wie in antiken Stücken über Gewesenes in Form der Teichoskopie (das Wort verwendet sie nicht, da sie wohl davon ausgeht, dass dieses in Regensburg nicht bekannt ist) berichtet wird. Jeder versuche, sich 'zu den anderen Figuren ins Verhältnis zu setzen.'
    Hier begänne nun die Inszenierung. Die in Teilen mit den Schauspielern erarbeitete Textfassung konzentriere sich auf den Akt des Sprechens als Identitätsbeweis der jeweiligen Bühnenfigur, mit welcher Haltung der/die einzelne Ziele verfolge, Intrigen spinne, manipuliere, überzeuge, verletze und dies letztendlich spiele.
    Dabei würden durch Doppelbesetzungen - (hier sehr geehrte Frau Schauspieldirektorin geht es nicht um Doppelbesetzungen - nicht jede Rolle ist mit zwei oder mehreren Darstellern/Innen mehrfach besetzt, sondern jede/r Darsteller/In spielt mehrere Rollen also Doppel- oder Mehrfach-Rollen, verkörpert eben mehrere Rollen) - Vorgänge konzentriert und verschärft.

    Doppelrollen - warum nicht, nur, wenn alle die gesamte Vorstellung über in denselben Kostümen auftreten, muss dies zur Verwirrung des Publikums führen.
    Wer das Stück nicht kennt, ist völlig irritiert, wer es kennt, kommt sich 'verarscht' vor.
    Nicht nur das Beibehalten des Outfits, sondern auch der Vortrag der Texte in leierhaftem Runterbeten und gelegentlichem Posieren wie für ein Modejournal schließt eine differenzierte Darstellung der Figuren aus.

    Wie gestaltet z.B. Thomas Birnstiel den Unterschied zwischen Maximilian von Moor - also dem 'alten Moor' - zum Räuber Schwarz?
    Eben überhaupt nicht!
    Wer den Ablauf des Stückes nicht kennt, nicht verifizieren kann, wann ist der Darsteller mit welchem Text, mit welcher Rolle beschäftigt, ist - und das eben nicht nur bei dieser Figur - völlig 'lost'.

    Herausgestellt:
    Geradezu haarsträubend die Amalia.
    Dass man der Darstellerin, die schon mit dieser Rolle regelrecht - auch ihrer Gestik - ringt, auch noch den Kosinsky im Kostüm der Amalia gibt, den sie dann überzeugend 'rüberbringen' soll, kann man nur als Fehlentscheidung einstufen.

    Das Publikum wird zum Ende des Abends allein durch das ständige und immer schneller werdende Drehen der Bühne - mal Wald, mal Salon bei Moors - zunehmend unruhig, vor allem aber, weil sich die Texte den Rollen nicht zuordnen lassen und sich damit verständlicherweise Unmut breit macht.

    Wenn schon der Regisseur,
    laut Regensburger 'Kulturjournal' Heft 11/2012, erläutert, er kenne 'Die Räuber', das Stück, nicht, es sei auch nicht Lesestoff in der Schule gewesen, es  gebe bei ihm 'immer wieder blinde Flecken trotz regen Theaterbesuchs' - und der übernimmt dann die Spielleitung, ist auf die Mitwirkenden auch in Bezug auf den vorzutragenden Text angewiesen, nach dem Motto: 'Bietet an!'

    Man braucht sich nicht zu wundern, das dann ein solches Gemurkse unter Aufsicht einer neu ernannten Schauspieldirektorin und eines einstimmig gewählten Theaterdirektors - gell Frau SPD-Neuner, Sie waren doch in der Findungskommission - herauskommt.

    Man kann nur hoffen, dass nach der Wahl 2014 doch etwas anders verfahren wird.
     


    “Das kostet uns richtig viel Geld.
    Mit welchem Recht sagen wir,
    die Infrastruktur-Einrichtung Theater ist wichtiger
    als die Infrastruktur-Einrichtung Stadion?”,
    fragte er rhetorisch in den Saal,
    der mit großem Applaus antwortete."


    Regensburger Wochenblatt am 16.11.2010 über eine Aussage von
    Bürgermeister Wolbergs während einer Podiumsdiskussion
    zum Neubau eines Fußballstadions in Regensburg.

     

     

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    Fazit der Vorstellung am 1.12.2012:

    Schade um die Zeit, die man damit verbringt, sich Gedanken über diese Geldverschwendung für eine Produktion am Theater Regensburg zu machen.

    Kommentar einer Regensburger Deutsch-Lehrerin:
    'Auf keinen Fall gehe ich mit meiner Klasse in diesen Schmarrn!'

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    http://www.telezeitung-online.de/
    Betrachtungen_zu_'Die_Raeuber'_-_Theater_Regensburg_am_1.12.2012.htm


    http://www.telezeitung-online.de/Kommentar_des_Tages_23._November_2012.htm

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    Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
     

     

    Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
    sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

    Neben Sachaussagen enthalten diese Texte
    auch Überspitztes und Satire.

    Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt
    nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

    Dieter Hansing