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Gedanken_zu_Brecht-Weil_'Die_Dreigroschenoper'  

 Brecht, die Frauen und 'Die Dreigroschenoper'  
 

   

Krach gab es immer um Brecht - seine Werke waren umstritten, mit den Komponisten gab es Schwierigkeiten, mit den Darstellern, den Regisseuren, den Kritikern und innerhalb des Brecht'schen Clans.

Änderungen, Streichungen, Umbesetzungen gibt es bei den Vorbereitungen zur Uraufführung der 'Dreigroschenoper'.
Harald Paulsen - der Macheath - will einen Eingangssong, er bekommt ihn im letzten Moment von Brecht und Weil
geschrieben, der Mackie-Messer-Song, Paulsen findet ihn spärlich und gerade der wurde ein Hit.

Brecht hält den Spiegel vor, denen, die auf Kosten anderer leben. Und auch denen, die sich ausbeuten lassen.
Das Stück wird nach anfänglichem Zögern der Kritiker, vom Publikum sofort angenommen und zur Sensation. Brecht will belehren, aber die Zuschauer sehen sich in diesen schwierigen 20-Jahren selber auf der Bühne und jubeln sich selber zu, wo sie sich doch gerade erst vom Kaiserreich emanzipieren.

Das Publikum soll mitdenken, nicht mitfühlen, sondern distanziert betrachten - und dem Darsteller sagt Brecht: "spiel, dass du spielst, zeige, dass du zeigst" - das Publikum soll nicht mit den Helden mitleiden, das Publikum soll die Rolle des kritischen Beobachters einnehmen, es soll sich nicht berieseln lassen, es soll denken, es soll erkennen.

Unterstützend wird die Darstellung mit Spruchbändern und Plakaten belegt, die Schauspieler sprechen das Publikum direkt an, so tritt die von Brecht gewünschte Verfremdung ein.

Theater ohne Emotionen ist nicht möglich, ein Bogen kann mit Moritaten allein nicht gespannt werden, die für Stunden die Spannung halten.

 


'Es ist eine besonders dumme Theorie vom epischen Theater, das ist der größte Quatsch, den er erfunden hat. Es ist der hilflose Versuch des Genies gewesen, seiner Intuition Zügel anzulegen, eine Struktur zu finden - den Staub der auf dem Schauspiel aus der Zeit der Jahrhundertwende lag, abzulegen und seinen Werken einen seriöseren Boden zu bereiten.'
(Claus Peymann in 'Die großen Dramatiker')
 

 

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Was Begleiter und und vor allem Begleiterinnen auf den ersten oder zweiten Blick so faszinierend an Brecht als Mann finden, ist teilweise nur schwer nachvollziehbar.
Viele stößt er ab, er kann widerwärtig - dagegen aber auf andere auch reizvoll und anziehend wirken - er polarisiert allein schon vom Äußeren her, gerade was seine Kleidung betraf, Lederschirmmütze, Lederjacke - später darunter aber Seidenhemd.
Schön ist er nicht, schmal, kränklich - seit frühester Jugend leidet er unter Herzbeschwerden - wenig attraktiv, hinzu kommt, dass er stark raucht - billige Zigarren - und sich selten wäscht.




Lotte Lenya, 'Autobiographische Skizzen', Köln, 1998
 

Dass er vornehmlich Frauen dazu bringt, sich von ihm gefangen nehmen zu lassen, sich ihm in jeder Hinsicht zu präsentieren und dies unter dem Aspekt, seine sichtbaren körperlichen Missstände übersehen und über-riechen zu müssen.
Sie verfallen ihm:

„Rührst du mich nur an, muß ich mich legen./
Weder Scham noch reue stehn dagegen /
Und was sonst noch wacht“. (Steffin)

Was durch seine Kleidung verdeckt wichtig war, für das Rollenspiel wichtig, bleibt unausgesprochen.

Ansonsten dominiert seine geistige Ausstrahlung - ist genialisches in der Ausdrucksweise und damit in seinem Werk - in Verbindung zu bringen, was zur Hingabe führt.
Immerhin entstehen in der Zeit bis 1930 u.a. die Schauspiele ‘Baal’ (1918), ‘Trommeln in der Nacht’ (1919), ‘Im Dickicht der Städte’ (1921), ‘Leben Eduards des Zweiten von England’ (1923), ‘Mann ist Mann’ (1925), das Songspiel ‘ Mahagonny’ zunächst für die Musikwochen Baden-Baden (1927), dann für Leipzig  'Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny' (1928), 'Der Ozeanflug' (1929), 'Happy End' (1929) ein Stück von Elisabeth Hauptmann, veröffentlicht mit Brecht unter dem Pseudonym Dorothy Lane, 'Die heilige Johanna der Schlachthöfe',
'Der Jasager', 'Die Ausnahme und die Regel' (1930) und 1928 der Welterfolg ‘Die Dreigroschenoper’.

Bei allen Bekanntschaften, Liebschaften, Ehen versucht Brecht die jeweils Verlassenen zu besänftigen und nahe bei sich zu behalten wie er auch auf die Neuen einwirkt, sich nicht von den Vorhergehenden und ihm selber abzuwenden.
Alle sind ihm wichtig und er entwickelt über die Jahre ein geradezu ausgeklügeltes System von Beschwichtigungen, Versprechen und eben auch Lügen.
Da wird der einen vorgemacht, sie sei die einzige, die Klasse habe und die zu ihm passe - bald darauf erfährt diese Frau, dass Brecht mit der nächsten ein Kind hat, was er bestreitet und er der Belogenen mitteilt, er habe sich an kein anderes Kind gewöhnt und werde es auch nie tun, sich an ein anderes Kind zu gewöhnen.

Seine Phantasie treibt hier merkwürdige Blüten, die darauf beruhen, dass er vom Machtanspruch des Mannes ausgeht, der Mann könne verlangen, die Frau habe zu geben, bzw. die Einstufung der Frau als vom Mann nehmenden Teils. Noch 1903 veröffentlichte Weininger seine Ansichten zur Rolle der Frau. Wird das Jahr 1923 zugrunde gelegt, so war dies gerade erst einmal zwanzig Jahre her und der heranwachsende Brecht kannte nichts anderes.
Er nimmt sich zwei Buchhändlerinnen, Käthe und Franziska, Sophie die Tochter der Milchfrau, nur die Friseuse Rosemarie will ihn nicht - konnte ihn wohl nicht riechen.

Sie ist somit nicht seine erste weibliche Bekanntschaft, die Augsburger Arzttochter Paula Banholzer, aber wohl seit 1917 eine erste echte Liebe, die am 3.4.1919 zur Geburt des Sohnes Frank führt. Brecht hält bei Vater Banholzer um die Hand der Tochter Paula an, der aber zieht es vor, das Kind in der Abgeschiedenheit des Allgäuer Dorfes Kimratshofen zur Welt bringen zu lassen, wo es in den ersten Lebensjahren bei den Großeltern und anschließend zunehmend von anderen Frauen, auch denen um Brecht, betreut wird. 1942 kommt Frank bei einem Attentat auf ein Wehrmachtskino an der Ostfront ums Leben.

Gleich nach dem ersten Weltkrieg nimmt Brecht Kontakte zu Münchener Theatern auf.
Er macht 1919 die Bekanntschaft mit Karl Valentin und Lion Feuchtwanger, der sich für ihn in München verwendet. 

Über ihn lernt er dort auch die Studentin Marieluise Fleißer kennen, er vermittelt sie später, als er dort selber Fuß fasst nach Berlin mit ihrem Stück ‘Pioniere in Ingolstadt’. Da er bei letzterem Co-Regie führt und er ohne Wissen der Autorin Verstärkungen am Stück vornimmt, in die Darstellung Vergewaltigungsszenen auf offener Bühne einfügt, führt dies zu einem außerordentlichen Theaterskandal. Die Fleißer wird in ihrer Heimatstadt Ingolstadt geächtet, sie trennt sich von Brecht und rechnet in ‘Der Tiefsseefisch’ mit seiner ausbeuterischen Arbeitsweise ab. Erst viel später kommt sie wieder zum Schreiben und wird mit ihren Stücken nach ‘68 wieder in die Spielpläne aufgenommen.

 

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An den Münchner Kammerspielen sieht Brecht Anfang der 20-er Jahre die 1900 geborene Schauspielerin Carola Neher.
Sie spielt in der belanglosen Komödie ‘Kukuli’. Neben ihr, als Negerdienerin, die spätere Frau von Heinrich George, Berta Drews. Als die Neher die Kollegin, diese von oben bis unten braun angemalt, sieht, verlangte sie für die Drews ein Kattunhemd und argumentiert:
'Das zeigen von wohlgebildetem Fleisch sei ihr Vorrecht und ein Teil ihres Erfolgs.'

Als die 'Dreigroschenoper' später, ab Juli 1929 an den Kammerspielen im Schauspielhaus in München läuft, da nun mit Berta Drews als Jenny und Therese Giehse und Harry Buckwitz. 1958 spielt die Drews dann die Celia Peachum im Schlossparktheater Berlin.

Für die Uraufführung der 'Dreigroschenoper' 1928 vorgesehen, übernahm die Neher erst später die Rolle. Da ihr Mann Klabund zur gleichen Zeit der Proben in einem Züricher Sanatorium an TBC leidend stirbt, reist sie ab und die Rolle musste zur Premiere umbesetzt werden.
Bei der Neher sei es überraschend gewesen, “wie sie es verstanden hat, die Dialoge im Sinne der Brecht’schen Verfremdung vollendet zur Wirkung zu bringen.“ (Drews)

Das ‘holde Liebkerlchen weiblichen Geschlechts’ (Kerr) die Neher heiratet den Kommunisten Anatol Becker, geht wie er nach Russland und wird wie er in trotzkistischen Säuberungsprozessen 1942 von Stalin umgebracht.
 

 

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Die Münchener Kammerspiele nehmen 1922 ‘Trommeln in der Nacht’ in den Spielplan, Brecht wird Dramaturg an den Kammerspielen, das Residenztheater spielt 1923 ‘Im Dickicht der Städte’ und das Alte Theater Leipzig den ‘Baal’.

 

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Am 3.11.22 heiratet Brecht in München die Mezzosopranistin Marianne Zoff, die Geburt der gemeinsamen Tochter Hanne folgt am 12.3.23, also relativ kurz nach der Eheschließung mit der Sängerin. Hanne Hiob, der Künstlername der Tochter, spielt 1959 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg die Hauptrolle in ‘Die heilige Johanna der Schlachthöfe’ in der Regie von Gustav Gründgens.

Parallel zu der Ehe mit Marianne Zoff unterhält Brecht eine Liebesbeziehung zu Hedda Kuhn, die in München Medizin studiert.

Und Marianne Zoff lässt sich 1928 von Brecht scheiden. Sie heiratet später den Schauspieler Theo Lingen, mit dem sie eine Tochter hat. Ursula Lingen setzt die Schauspielerdynastie fort.
 

 

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Bereits nur etwas mehr als ein Jahr nach der Geburt der Zoff-Brecht-Tochter Hanne, wird am 3. November 1924 - also während der Ehe mit Marianne Zoff - Sohn Stephan in Berlin geboren - die Mutter ist Helene Weigel, eine Jüdin, die in Wien geboren ohne Unterstützung durch die Eltern Schauspielerin wird, ans Frankfurter Theater engagiert, dort auch die Marie im ‘Woyzeck, die Paula Piperkarcka in den ‘Ratten’ spielt, bald darauf nach Berlin geht und dort als Klara in ‘Maria Magdalena’ - dem Werk, das am Oberpfälzer Metropol-Theater Regensburg so grandios in den Teich ging, falsche Besetzung in der dadurch schon belasteten Wüllenweber’schen Regie und den unpassenden Kostümen wie auch dem Bühnenbild von Lichtenberg.

1929 wird die Ehe Bert Brecht - Helene Weigel geschlossen. Am 28. Oktober 1930 kommt die gemeinsame ‘’Brecht/Weigel-Tochter Barbara in Berlin zur Welt.

 

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Die Weigel hat als Schauspielerin Erfolg in Berlin.
Brecht arbeitet mit ihr, leitet sie an, im Spiel zu reduzieren, zurückzunehmen, um aus dem damals über die Jahrhundertwende geführten Burgtheater lauten Sprechen und Outrieren, aus dem übertriebenen Spiel des Stummfilms herauszukommen, so dass es mit der Auffassung Brechts und seinem neuem Theater- und Schauspielstil in Übereinstimmung kommt, nicht ‘Hamlet’ oder ‘Johanna’ zu sein, sondern die Figuren vorzuführen, um das Publikum vom Einfühlen weg zu bewegen, dass es zu Einsichten käme. Brecht wollte über das Theater das Publikum und damit die Gesellschaft verändern.

 

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Noch im Geburtsmonat von Stephan Weigel, November 1924, beginnt die Bekanntschaft und Liebschaft Brechts zur Lehrerin Elisabeth Hauptmann, die sich in Berlin studierend weiterbilden will, aber vom Vater für dieses Unternehmen keine Unterstützung erhält.

Die amerikanische Mutter hatte die Tochter Elisabeth zweisprachig erzogen, so dass sie englische Übersetzungsarbeiten für Verlage durchführen kann, sich über die Literatur englischer Zeitung sprachlich weiterbildet und so von den erneuten Erfolgen, 200 Jahre nach der Uraufführung der Beagger’s Opera von Gay und Pepusch aus Londoner Zeitungen erfährt. Für Brecht übersetzt sie das Stück und ist später maßgeblich an der Gestaltung wie auch an dem Stück ‘Happy End’, das 1929 herauskommt, aber keinen Erfolg hat und später als ‘Die Heilige Johanna der Schlachthöfe’ umgearbeitet wird, beteiligt.
Auch während des Exils in den USA ist sie weiter für Brecht tätig, hofft immer wieder, von Brecht aufgrund ihrer Mitarbeit geehelicht zu werden - dies kommt nicht zustanden. Selbst ein Selbstmordversuch bringt ihn nicht dazu, die Weigel zu verlassen.
Da Brecht seit seiner Augsburger Zeit - damals mit seinen Schulkameraden - gewohnt war, im Kollektiv mit anderen zu arbeiten, führt sich hier mit der Hauptmann nur etwas fort, das für ihn die ideale Kreativität bedeutet - gemeinsam, jeder bringt sich ein und über allem steht sein Name.
1943 heiratet Elisabeth Hauptmann den Komponisten Paul Dessau, arbeitet nach dem Krieg als Dramaturgin am BE und verwaltet später den Nachlass Brechts.

 

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In dieses Literaturkollektiv tritt Anfang 1932 Margarete Steffin. Die TBC-Kranke widmet sich vollständig Brecht und seinen Werken. Was er tagsüber formuliert und handschriftlich niederlegt, schreibt sie nachts auf der Schreibmaschine ab.

Die Weigel, auf der Bühne als Schauspielerin und im Haushalt als Mutter und Ehefrau, daneben die Hauptmann und die Steffin als Mitarbeiterinnen und Geliebte.
Auf dem Weg ins Exil nach Amerika muss Brecht die Steffin in einem Moskauer Krankenhaus zurücklassen, Maria Osten, die Brecht über den Malik-Verlag in Berlin kannte, will sich um sie kümmern, aber die Steffin stirbt
am 4. Juni 1941 in der Klinik.
"Brecht fraß viel Leben!" (Feuchtwanger)

Die Osten wird am 16. September 1942 wegen angeblicher Spionage in Saratow erschossen. 1957 - nach Stalins Tod - wird sie rehabilitiert.


Brecht ist sechs Tage vor diesem 4. Juni 1941 mit seiner Großfamilie, in die inzwischen auch die dänische Schauspielerin Ruth Berlau aufgenommen wurde, weiter über Wladiwostok nach Los Angeles unterwegs. Auch die Berlau will den Dichter für sich allein. Schon in Europa drängte sie sich ihm regelrecht auf, wenn ihr von den anderen Damen der Platz neben ihm verweigert wurde, schlägt sie einfach ein Zelt neben dem Wohnhaus auf oder trifft sich mit Brecht in den umliegenden Wäldern.
Während er in Kalifornien Unterkunft findet, wohnt sie in New York, wo sie der Dichter einmal im Jahr besucht. Die Frühgeburt und der Tod eines Kindes von Brecht belasten ihre Psyche schwer.

Nach dem Exil in den USA - während seiner letzten Jahre in Berlin tritt Brecht Käthe Reichel nahe, sie kann ihn aber nicht für sich gewinnen und will sich das Leben nehmen, als er mit Käthe Rülicke und Isot Kilian Liebesverhältnisse eingeht.

Ruth Berlau wird in Berlin
angesichts dieser jungen Brecht-Liebhaberinnen zur Alkoholikerin und bezeichnet sich selber als Hure eines Klassikers. Sie arbeitet im Archiv des BE und wird nach dem Tod von Brecht von Helene Weigel gekündigt. Am 16. Januar 1974 stirbt sie in der Charité – eine Zigarette im Bett geraucht, bringt ihr den gleichen Tod wie auch Ingeborg Bachmann drei Monate vorher.

Die ‘Hauptfrau’ Weigel wirkt auch als Brechts Beauftragte, für Marianne Zoff-Brecht und die kleine Hanne eine Wohnung in Berlin zu suchen - die damals Noch-Gattin - verzichtet.
Auch Paula Banholzer soll mit Frank nach Berlin umziehen, aber diese erste wirklich geliebte Frau bleibt lieber in Augsburg bei einem Kaufmann Hermann Groß - gibt aber den Sohn Frank in die Obhut der Weigel, die ihn bei österreichischen Verwandten unterbringt.

Der Versuch der Weigel, sich deutlicher an der Arbeit der Dichtungen zu beteiligen, es den Mitarbeiterinnen gleichzutun und auch Texte mit der Maschine zu schreiben, führt zu einer Sehnenscheideentzündung und so muss sie den Versuch, Brecht über diese Weise seiner schriftstellerische Arbeit näher zu kommen, aufgeben.

 

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Für das Theater am Schiffbauerdamm sucht 1928 der neue Pächter Ernst Josef Aufricht ein Eröffnungsstück für die kommende Spielzeit 1928/29.
Brecht bietet ihm die von Elisabeth Hauptmann gerade übersetzte ‘Beggars Opera’ an, er erhält den Zuschlag und Felix Bloch Erben schließen am 26. April 1928 einen Vertrag für ein noch nicht geschriebenes Stück.

Um dem Berliner Trubel zu entgehen, ziehen sich Brecht, Elisabeth Hauptmann und der Komponist Kurt Weill mit seiner Frau Lotte Lenya in das südfranzösische St. Cyr-sur-Mer zurück.
Brecht schreibt der Weigel: “Ich war [...]  fast immer schlecht gelaunt [...] weil es zu heiß war. [...]“
Die Proben zu dem neuen Stück, noch ohne Titel - angedacht war: ‘Gesindel’ oder die ‘Luden-Oper’ - beginnen am 10.August 1928 in Berlin, während derer noch ständig am Text und der Komposition gearbeitet wird.
Soweit noch zu recherchieren, schlägt Marta Feuchtwanger dann den Titel ‘Dreigroschenopfer’ vor. Sie, die jüdische Ehefrau des Juden Lion Feuchtwanger, Theaterkritiker und Publizist, 1893 in München geboren, ist mit ihm seit 1925 in Berlin und nimmt lebhaft Anteil an der Entwicklung Brechts in der Reichshauptstadt. Nach ’33 müssen beide emigrieren, zunächst nach Frankreich, 1940 dann in die USA.

Die Uraufführung der 'Dreigroschenoper' findet am 31. August 1928 im Theater im Schiffbauerdamm in Berlin statt.

Celia Peachum spielt Rosa Valetti. 1873 in Berlin geboren, ist sie anfänglich dort auf Vorstadtbühnen zu sehen, sie begegnet Tucholski und gründet das Café des Westens, ein Künstlerlokal, aus dem 1901 die Entwicklung des deutschen Kabaretts ’Überbrettl’ und ’Schall und Rauch’ von Max Reinhardt hervorgeht.

Polly ist Roma Bahn für die zu ihrem kranken Mann Klabund nach Davos gereiste Carola Neher. Roma Bahn ist eine an der Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin ausgebildete Darstellerin, die zunächst in Frankfurt am Main wirkt, 1926 zu Max Reinhardt ans Deutsche Schauspielhaus geht. Sie spielt Rollen des Klassikfachs, die Desdemona und Wedekinds Lulu.

Lucy ist mit Kate Kühl besetzt, eine ausgebildete Oratoriensängerin, für die die Rolle der Lucy, als für einen Koloratursopran geschrieben, in der Tessitura zu hoch liegt, so dass die die Szene 8 in toto gestrichen werden muss.
Nach dem Krieg ist Kate Kühl bei Brecht am BE engagiert, hat Kontakt zu Erwin Piscator, Hanns Eisler und Boris Blacher, geht in den Westen und setzt sich für die Nichtwiederaufrüstungspläne der SPD ein.

Die Angabe der Besetzung der Jenny mit Lotte Lenya fehlt auf dem Besetzungszette von 1928l. Man hatte sie in all’ den Schwierigkeiten der Premieren-Vorbereitung vergessen, Kurt Weill tobte dieserhalb. Ihn hatte die Lenya über Georg Kaiser kennen gelernt, 1926 heiraten sie, 1927 ist sie bei der Uraufführung des Songspiels 'Mahagonny' in Baden-Baden dabei, 1928 eben als Jenny in der 'Dreigroschenoper'. Gemeinsam tritt sie mit dem Tenor Pasetti bei der Uraufführung der Brecht/Weill-Oper ’Die sieben Todsünden’ 1933 in Paris auf.
Die Affäre mit dem Tenor Pasetti geht zu Ende und Weill und die Lenya heiraten 1935 wieder, leben in der Emigration in Amerika. 1950 stirbt Weill, die Lenya tritt weiter international auf, spielt Filmrollen und gründet das wichtige Weill-Archiv, die Weill-Foundation.

Helene Weigel wird krank und kann nicht in der Uraufführung der 'Dreigroschenoper', der Rolle der Frau Coaxer auftreten. Die Rolle entfällt.
 

 

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Die Kontakte zu Verlegern und Theatern bleiben bei Brecht - er versteht es, seine Vorstellungen durchzusetzen, was sich in für ihn günstigen Verträgen auszahlt.
Dass er aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen immer seinen Vorteil sieht, ist klar erkennbar bei der Verteilung der Tantiemen der ‘Dreigroschenoper’. Er sieht für sich den Löwenanteil gerechtfertig.
Alfred Kerr wirft ihm die Nutzung der Texte von Villon für die Dreigroschenoper vor. Brecht ist bereit, dem Übersetzer jener Texte ein höheres Honorar zu zahlen.

Kurt Weill - vor allem aber seine Frau Lotte Lenya, wiederum kritisiert, Brecht habe sich bei der 'Dreigroschenoper' unberechtigterweise die höheren Tantiemen zugebilligt, diese trägt mit zur Verstimmung und einem Aussetzen der Zusammenarbeit zwischen Textdichter und Komponist bei.

 

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Am 31. August 2008 feierte das BE Geburtstag.
Stefan Kurt, der Macheath, machte am Ende einer Robert-Wilson-Produktion der Dreigroschenoper das Publikum darauf aufmerksam, dass vor gerade einmal 80 Jahren der Welterfolg der Dreigroschenoper hier in diesem Theater am Schiffbauerdamm seine Uraufführung erlebte.

DH

   
 
 
   

Das BE feiert 80 Jahre «Dreigroschenoper»

Brechts «Dreigroschenoper» wurde vor 80 Jahren uraufgeführt. © DPA

Brechts «Dreigroschenoper» wurde vor 80 Jahren uraufgeführt.

31. Aug 2008, 12:23

Berlin - Vor 80 Jahren ist die «Dreigroschenoper» von Bertolt Brecht und Kurt Weill am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin uraufgeführt worden. Zum Jubiläum stand am Sonntag die aktuelle Inszenierung von Robert Wilson auf dem Spielplan des heutigen Berliner Ensembles am Bertolt Brecht-Platz.

Stefan Kurt spielt den Mackie Messer, Angela Winkler die Jenny und Jürgen Holtz den Peachum. Gastspiele der in Berlin bereits 60 Mal aufgeführten Wilson- Inszenierung sind in Prag, Amsterdam, Baden-Baden, Bergen, Paris, New York und Tokio geplant.

Mit der aktuellen Inszenierung erinnert das heute von Claus Peymann geleitete Theater an den 31. August 1928, als das Stück im Theater am Schiffbauerdamm zum ersten Mal gezeigt wurde und einen sensationellen Erfolg erzielte. Regie führte damals Erich Engel, die «Spelunken-Jenny» spielte Weills Ehefrau Lotte Lenya. Das Bühnenbild entwarf Caspar Neher.

Die Vorlage, John Gays damals exakt 200 Jahre alte «The Beggar's Opera», wurde von Bertolt Brecht sehr frei bearbeitet und mit anderen Texten unter anderem von François Villon angereichert. Schon den ersten beiden Jahren nach der Uraufführung wurde die «Dreigroschenoper», deren Titel zunächst «Gesindel» lautete, mit der Geschichte des Londoner Straßenräubers und Geschäftemachers Macheath, genannt Mackie Messer sowie des Bettlerkönigs Peachum und seiner Tochter Polly, an über 120 deutschsprachigen Bühnen nachgespielt.

www.berliner-ensemble.de

 
   
 

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Kritikenrundschau

Dass die gesellschaftliche Botschaft der "Dreigroschenoper" an Brisanz verloren habe, dafür könne Robert Wilson nichts, meint Petra Kohse in der Frankfurter Rundschau (29.9.). Nicht ohne Wohlgefallen schaut sie auf seine "maschinenhafte Ästhetik", mittels derer Wilson die Geschichte von Maceath "als schwarz-weißen Bilderbogen zur Moritat, als Schattenriss, Pantomime, Stummfilm" vorbeikurbele. Die Protagonisten arbeiteten "bewundernswert präzise mit gezielten Brüche", und so sei gar "das Giggeln der Winkler so etwas wie die Parole des Abends".

"Rundum erfrischt und erstaunlich erfrischend" findet Irene Bazinger in der
FAZ (29.9.) Wilsons "elegant zupackende wie souverän huldigende Behandlung" der "Dreigroschenoper". Sie singt ein Loblied auf das "hinreißende Ensemble": "Allen zuckt es regelmäßig gierig in den Fingern, als ob sie gleich einen Menschen oder fremdes Eigentum stehlen wollten." Und auch der musikalischen Seite dieser "erfreulichen Befreit-Brecht-Medaille" bescheinigt sie "federnd-rauhen Schwung".

Ulrich Seidler
hält es in der
Berliner Zeitung (29.9.) für angemessen, "dass nicht nur Darsteller, Musiker und das Regieteam, sondern auch die Techniker zum Verbeugen kamen." Schließlich habe die "Robert-Wilson-Spieluhr" die "Dreigroschenoper" in "reibungsloser Brillanz" zum Abspulen gebracht. Seidler bemerkt jedoch auch eine größere Selbstverständlichkeit Wilsons im Umgang mit seiner Theatersprache, so "dass hier und da durchaus auch mal der Schatten eines Inhalts oder einer Figurenseele auf die Bühne" falle. Zumal Angela Winkler ohnehin auf alle V-Effekte pfeife.

In der
Welt (29.9.) ist Matthias Heine der Ansicht, dass zu dem "ganzen hochstaplerischen Kulissenschwindel" Brechts die Wilsonsche Künstlichkeit wunderbar passe. Und er enthüllt einen bislang unbemerkten Zusammenhang: Wilsons "Dreigroschenoper" mit ihren weiß geschminkten Menschen sei "zum würdigen Requiem für den kürzlich gestorbenen Marcel Marceau" geworden. Besonders angetan ist Heine von Angela Winkler als Jenny, die "den achten Kreis des Wahnsinns längst hinter sich gelassen" habe. Alles andere sei unterhaltsam, aber "allein Winklers Auftritt ist genial".

Wie kaum ein anderer – so konstatiert es Rüdiger Schaper im
Tagesspiegel (29.9.) – schaffe es Wilson, "den zerbrechlichen Moment des Schauspielers zu zelebrieren, in aller Würde, in aller Dramatik – und Komik." Gerade aus dem Erfahrungsschatz der älteren Mimen – etwa aus dem Walter Schmidingers oder Angela Winklers – verstehe er "schamlos zu schöpfen", indem er "eine kindliche Spiellust" in ihnen wecke. Doch obwohl Schaper die "Dreigroschenoper" für eine geradezu idealtypische Wilson-Arbeit hält, bleibt ihm das Ganze letzlich "doch zu sehr Gesamtkunstwerk auf mittlerer Betriebstemperatur".

Henrike Thomsen erinnert auf
spiegel.de (28.9.) an die früheren Wilson-Inszenierungen, "in denen die surreale Qualität der Bilder dichter und ihre sperrige Distanz zum Text noch reizvoller waren." Jetzt sei er "milder" geworden: "Wilson ist ja auch schon über das Pensionsalter hinaus und vor allem routiniert." Und wenn man das akzeptiere, zudem der "politischen Dimension des Stücks" nicht nachweine, könne man "einen Unterhaltungs-Abend genießen, der es mit jedem Westend-Hit aufnehmen kann". Vor allem dank der brillanten Schauspieler, wie Frau Thomsen meint. Angela Winklers Solo-Arie: "In all seinem Manierismus ist es einer der schönsten Momente des Abends."

Ein Wunder, etwas nie Dagewesenes erlebt zu haben, ist Gunnar Decker vom
Neuen Deutschland (29.9.) überzeugt. Denn Robert Wilson sei demütig geworden, "in dem routinierten Macher endlich der Künstler, nein, der Mensch erwacht". Ermöglicht werde dies durch das "partielle Misslingen" von Wilsons "sonst so homogenem Regiekonzept", der aus dem Widerstand "eines fremden Elements" resultiere: "Der Schauspieler, er lebt immer noch und sorgt für die Unvorhersehbarkeiten." Die Winkler etwa "kriegt Wilson nicht klein", vor allem aber sei da Jürgen Holtz als Peachum, "das omnipräsente Zentrum dieses Abends, an ihm und mit ihm wachsen sie alle".

Im
Standard (29.9.) machte Lorenz Tomerius eine "über weite Strecken applausfreudig gemütliche" Stimmung aus. Er hält Wilsons Inszenierung – so wie Canetti die Uraufführung – für "kalt berechnet", es dauere "fast zwei Stunden, bis der salopp aggressive und subversive Text (…) deutlicher Biss bekommt". Doch auch Tomerius entgehen nicht die "bezaubernd flirrenden Vibrato-Koloraturen" des "wunderbaren, begeistert gefeierten Solitärs" Angela Winkler.

Auch Peter Laudenbach von der
Süddeutschen Zeitung (29.9.) fand "gute Laune … im Parkett" vor. Der Inhalt der "Dreigroschenoper" löse sich zwar "in virtuose Nummern" auf, doch so bekomme man "Kurt Weills angejazzte Schlager und Brechts zynische Kalauer (…) als genau das serviert, was sie heute bestenfalls noch sein können: Professionelles Entertainment." Mit seiner "durch nichts zu erschütternden Ignoranz" mache Wilson die "Dreigroschenoper" noch einmal spielbar. Und in den Auftritten von Jürgen Holtz als Peachum sehe man gar "noch einmal für große Momente wie kalt, fremd und marsmenschenhaft Wilsons Theater einmal gewesen sein muss".

Dirk Pilz 
(
NZZ , 5.10.) denkt beim Prolog noch, er wüsste schon alles über das Wilson-Theater ("Wilson hat einmal mehr den Stumm- mit dem Trickfilm gekreuzt, lässt Charlie Chaplin auf die Simpsons treffen, um seine bis auf die Form abgemagerte Ästhetik zu zelebrieren. Eine Heiligung der reinen Äußerlichkeit, dargeboten von Virtuosen der Ausnüchterung.") Aber dann bemerkt er die Irritationen und Ausnahmen von der Regel, die schauspielerischen Details, und: "Plötzlich wirkt der Text nicht mehr altklug, sondern dringlich." Wilson nehme Brechts Gesellschaftskritik ernst und  kontere sie mit "seiner Form einer selbstreflexiven Verfremdung, die um ihre eigene Folgenlosigkeit weiss. Auch das ist Dialektik".


http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=476&Itemid=40
 

 

 

 
   
 

 
     
     
 

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Als Premieren-Abonnent von Theater Regensburg und Abnehmer voll bezahlter Karten aus dem freien Verkauf dieses und anderer Theater gebe ich hier meine subjektive Meinung
zu Gehörtem und Gesehenen
zur Kenntnis.
Ich
verstehe diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthält diese private Homepage auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.

Dieter Hansing

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