Damals in Regensburg

28. Dezember 2004

Pressekonferenz der Stadt Regensburg (Auszüge)
 
      28.12.04

'Ausgerechnet Schlingensief'

 

 

Die Stadt hatte geladen, um den Medien und damit der Öffentlichkeit mitzuteilen, was die Kulturhauptstadtprotagonisten der Stadt Regensburg in der nächsten Zeit - für die verbleibenden 1 1/2 Monate - geplant haben. Gezielt werde in Richtung Berlin, weil dort die Musik spiele, aber auch die Regensburger sollen nicht leer ausgehen.
Für Februar sei hier etwas geplant, über das man noch nicht reden könne.
Damit liegen sämtliche Beteuerungen der Stadt, es gäbe in Zukunft gegenüber der Bevölkerung keine Geheimniskrämerei mehr, schon wieder ad acta.
Es könne dafür aber heute vorgestellt werden, was für die abschließende Präsentation am 10.02.05 in Berlin vorgesehen sei.

Nach den Vorstellungen des Projektes in der Bayerischen Vertretung und dem Konzert der Regensburger Domspatzen in der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin solle noch über eine andere 'location' Regensburg mit seiner Bewerbung 2010 in die Welt getragen werden.

Ausersehen sei hierfür Frank Castorf's 'Volksbühne' am Rosa-Luxemburg-Platz, die nach Meinung von OB Schaidinger einen gewissen Kultstatus habe und kein geringerer als Christoph Schlingensief solle ein Stück über Regensburg schreiben, für die Besetzung sorgen und selber inszenieren. Schlingensief sei gewählt worden, da es - nach Meinung Schaidingers - ein guter Name sei und aufhorchen lassen werde.

Man sei auf diese Lösung gekommen, da - nach Meinung des 'Fünferrates' Bisheriges in der Vergangenheit - so auch das Konzert der Domspatzen, obwohl sie auch Musik des 20. Jahrhunderts gesungen haben - andocke und man jetzt einen starken Sprung machen müsse, eine Brücke zu schlagen zur Gegenwart.
Und Christoph Schlingensief, ein Mann des Film, des Theaters und der Bildenden Kunst - erscheine dem 'Fünferrat' als eine ideale Figur, um die Gegenwart in Regensburg zu verankern.

Karlheinz Schmid
Agentur Lindinger und Schmid
:

Schlingensief wird nicht ein Stück projizieren, sondern er will ein Stück entwickeln aus Regensburg, aus der bayerischen Geschichte heraus, d.h. es ist eine Auseinandersetzung mit dem Mythos Bayern, ganz bewusst der Versuch, sich auf ein Land einzulassen, das nun auch voller Klischees steckt, wie wir wissen, auch auf eine Region, auf eine Stadt sich einzulassen, die er kennt, er war wiederholt in Regensburg, die ihm aber natürlich als Außenstehenden nicht so vertraut ist, wie uns, die wir hier leben.

Schlingensief will versuchen - zum Teil auch mit Filmmaterial, das in den nächsten Wochen in Regensburg noch hergestellt wird - eine Inszenierung zu machen, die zu einer hohen Dichte, zu einer hohen Bilderdichte führen wird d. h. also das Schauspiel auf der Bühne wird noch einmal überlagert von Filmen, von Filmmaterial, ebenfalls in Regensburg produziert, so dass wir also ein Werk erhalten werden, das natürlich sich nicht annähernd mit dem vergleichen lässt, was in Bayreuth von ihm inszeniert wurde, ich sage Stichwort 'Parsifal', sondern es geht nur um die Technik, die sich in gewisser Weise auch bei unserem Stück Regensburg zeigen wird. Es gibt einen Arbeitstitel, der heißt typisch Schlingensief: 'Mir san mir', also er gibt damit natürlich durchaus ein ...

Einwurf Schaidinger:
.. was auch missverstanden werden könnte, sollte es aber nicht.

Karlheinz Schmid:
... er gibt damit natürlich eine Denkrichtung vor, also ich denke das passt ganz gut zusammen, der selbstbewusste Schlingensief auf der einen Seite, andererseits eine Stadt wie Regensburg, die ja  nun auch in den Wettbewerb recht mutig hinein gegangen ist und die auch zunehmend in den letzten Wochen - haben wir es ja gemerkt - guten Grund hatte, sich stolz darzustellen, denn wir haben ja auch viele Reaktionen in der Projektleitung erhalten und haben erfahren, dass es die richtige Entscheidung war, diese Aufgabe anzunehmen und wir alle wissen natürlich - sowohl Herr Schlingensief, als auch wir in der Projektleitung gegen das Zeitproblem ankämpfen, denn die Jury taucht im Februar bereits in Regensburg auf - wie Sie wissen - und insofern haben wir natürlich alle jetzt ein großes Problem zu meistern.

Schlingensief - wie gesagt, ich würde Ihnen schon gerne mehr verraten - ist aber - hat sich aber im Moment zurück gezogen, ist im Moment intensiv damit beschäftigt, das Stück zu schreiben d.h. es gibt keinen Text dafür - kann Ihnen leider nichts zukommen lassen - es wird aber eine Auseinandersetzung eben mit Regensburg sein, es wird nicht nur affirmativer Art sein, das ist auch klar, wir haben ihn ja nicht mit diesem Auftragswerk versorgt, indem wir gesagt haben, wir hätten jetzt gerne eine möglichst polierte Darstellung von Regensburg, da werden sicherlich auch ein paar kritische Seitenhiebe sein, da wird auch das ein oder andere Augenzwinkern von Schlingensief wohl eingesetzt werden, denke ich, aber ich glaube, eine Stadt, die Kulturhauptstadt Europas sein will, die muss das ertragen, die muss das aushalten, die muss damit umgehen können, das ist ja eben auch diese Portion Humor, die der Veit Loers besonders immer wieder einfordert, die heute in der Kultur mehr denn je erforderlich ist bei all dieser Ernsthaftigkeit, die wir da finden.

Ich denke dass der Schlingensief auch deshalb, der Richtige ist, weil er sofort instinktiv verstanden hat, was wir meinen, als Gabi Lindinger und ich auf ihn zukamen. Er hat nämlich gesagt, wir setzen das auf einer Drehbühne um. Das kam ganz spontan und ganz schnell, er sagte nämlich, nachdem wir gesagt haben, Regensburg verstehen wir als Drehscheibe in Richtung Mittel- und Osteuropa, kam von ihm sehr schnell der Nachklatsch, das setzen wir auf einer Drehbühne um.

Das finde ich eigentlich sehr schön, als direkte Bildübersetzung, hat natürlich eben auch dazu geführt, der Oberbürgermeister sagte es ja wohl bereits, dass wir eben nicht in die Bayerische Vertretung gehen konnten, denn dort die Drehbühne aufzubauen, was man ja durchaus machen kann aus technischen Gründen wärs ja keine Schwierigkeit, würde aber bedeuten, wir würden die ganze Bayerische Botschaft mit der Drehbühne bereits füllen und hätten keinen Platz für Zuschauer. Insofern war es natürlich naheliegend zu sagen, wir müssen ein Theater in Berlin nehmen und möglichst eben auch eins zu nehmen, das bereits über diese Drehbühne verfügt.

Schlingensief ist seit 1996 Hausregisseur in der 'Volksbühne', d.h. er kennt da jeden Scheinwerfer und das ist natürlich ein großer Vorteil, den wir jetzt nutzen müssen. Gerade hat Frau Lindinger tagelang in Berlin herumtelefoniert, alle Theater durchtelefoniert, weil wir versucht haben einen anderen Ort zu finden, das bisschen mit Herrn Moosburger auch zu tun, der nun auch ein Projekt in Vorbereitung hat, das dann auch Anfang Februar in Berlin vorgestellt werden soll und wir wollten gerne andocken, wollten das an einem Tag haben, aber das ließ sich so nicht realisieren, eben weil am 3. Februar - das war der zunächst geplante Termin - eben die Volksbühne frei war das ist bereits bereits eine andere Premiere an dem Tag und insofern kamen wir auf den 10. Februar.

Gut. Im Moment - wie gesagt - kann man zum Inhalt noch nicht viel sagen Schlingensief, als dass wir sagen können, Schlingensief setzt sich also mit dem Mythos Bayern auseinander, wird stark auf Regensburg reagieren, wird ein Stück schreiben, das mit unserer Stadtgeschichte zu tun hat, das eben auch bis in unmittelbare Gegenwart hineingehen soll und es soll auch, soviel kann man auch sagen, nicht frei sein jetzt von persönlichen Beobachtungen. Schlingensief möchte sich selber einbringen, wie er es ja nun ganz oft bei seinen Filmen und auch seinen Theaterstücken macht - es soll schon auch das unmittelbar von ihm selbst Erlebte oder Empfundene sein, das sich in dem Stück dann äußert, also es ist keine pure Umsetzung von Stadtgeschichte oder von Persönlichkeiten, die wir hier in dieser Stadt finden, gleichwohl hat er den Oberbürgermeister eingeladen, in seinem Stück als Schauspieler aufzutreten. Also Hans Schaidinger wird uns in diesem Stück - wenn alles gut geht - auf der Bühne begegnen.

Einwurf Schaidinger:
Ich hab' aber die Rolle noch nicht gesehen.

(Allgemein schallendes Gelächter - vornehmlich von Frau Lindinger)

DH - nach Stenogramm

 

 

     

Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.

Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.

Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
Dieter Hansing