Mutter Courage’
ist der erste Brecht, den der Regisseur und Schauspieler Hanfried Schüttler, früher Intendant am Landestheater Kreis Wesel und
Schauspieldirektor in Würzburg, inszeniert. Vor dem Engagement als
Regisseur durch den Theaterdirektor Weil nach Regensburg, habe er
als Verhältnis zu Brecht „gar keins“ gehabt.
Man kenne es, Brecht sei doch ziemlich dröge, langweilig, man müsse
nachdenken und er mache keinen Spaß.
Geändert habe sich dies für ihn erst durch die Beschäftigung mit
Aussagen von Hans Mayer und Hans Eisler, die sich als ausgefeilte
Dialektiker mit Vergnügen über Brecht äußerten, so dass Schüttler zu
der Erkenntnis kam, es müsse ja doch noch etwas anderes an Brecht
sein, als nur das 'Nachdenken'.
Aufschlussreich war ein Seminar, dass Strassberg in Bochum hielt. Er
berichtete, Brecht habe in der Emigration bei ihm auf den Proben
gesessen und zugehört, was Strassberg ausführte: Wie spielt man
Brecht?
Findet man eine theoretische Haltung, aus der heraus man sich äußert
oder äußert sich die Haltung der Figur über das konkrete Handeln?
Beispiel 'Heilige Johanna': ausschenken der Suppe. Im Topf ein
Gewicht, so dass sich über das Ausgießen der Suppe, über das
vorsichtige Neigen des schweren Topfes der Wert der Suppe und auch
das Verhalten der Figur mit spielerischem Spaß und für den Zuschauer
auch das Denken über die Rolle erschloss.
In der Regensburger Inszenierung werde auf Aktualisierungen wie auch
auf historische Genauigkeit verzichtet. Das Bühnenbild dokumentiere
eine künstliche Welt, die auf die Idee des Konflikts verweise wie
auch der Wagen der Courage auf der Regensburger Bühne wie Falschgeld
- also kaum dazugehörig - stehe.
Die Handlung werde - Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden - verknappt, um das
Dilemma zu verdeutlichen, in dem jeder auch heute steckt, befände er
sich in einer ähnlichen Situation, auf der einen Seite, sich seine
private Sphäre auch im Krieg zu bewahren, die Kinder vor Schaden zu
schützen und auf der anderen Seite, Geschäfte zu machen, um zu
überleben, aber auch Gewinne darüber hinaus zu erzielen.
Die Widersprüche in der Rolle der Courage dokumentierten sich in
einer Aussage Brechts: "die Courage ist Geschäftsfrau, weil sie
Mutter ist und kann nicht Mutter sein, weil sie Geschäftsfrau ist."
Immer wieder gelinge ihr vieles, durch ihre Tüchtigkeit und ihre
Bereitwilligkeit, sich den Situationen anzupassen, opfere aber
darüber ihre Kinder.
Für Brecht sei das Mitmachen an einem Krieg kritikwürdig,
Einverständnis sei zu verurteilen, die Tüchtigkeit der Courage solle
als zerstörend gezeigt werden, weil sie auf Kosten der
Mütterlichkeit erkauft sei.
Letztlich gerate jeder und zu jeder Zeit – wie auch die Courage -
unter die Räder einer kämpferischen Auseinandersetzung unter Waffen.
Für die Szenerie bedürfe es also in keiner Form einer konkreten
Darstellung des dreißigjährigen Krieges, da das Thema zeitlos sei.
Brecht setze im Stück seiner Prosa Lieder entgegen, um daraus eine
dialektische Spannung zu entwickeln. War dies früher etwas Neues, so
hat sich das Publikum heute an diese Verfremdungseffekte gewöhnt,
kommen sie doch in jedem Boulevard-Stück vor. Somit folgt ein
heutiges Publikum problemloser der Handlung, als es noch vor 70
Jahren möglich war. Schüttler will die Darbietung der Lieder aus der
szenischen Befindlichkeit der Figuren entwickeln, sie stünden nicht
wie früher isoliert neben den gesprochenen Texten, würden damit zum
Bestandteil der Überlebensstrategie der einzelnen Figuren. Dadurch
gewänne das Stück an Tempo, so dass der Zuschauer es mit größerem
Spaß erfassen könne.
Dies umso mehr, als Brecht ein unglaublich großartiger
Pointenschreiber - wie sein Lehrer Karl Valentin - gewesen sei.
Schüttler hofft, dass die sich ergebende Komik dem Zuschauer - auch
über die kleinen Figuren wie die des Kochs oder die des
Feldpredigers – dadurch vermittle, dass die Darsteller natürlich
wirkten, auch wenn sie sich einer Kunstsprache bedienten.
Als Brecht für die Berliner Aufführung die Sprache krasser
gestaltete, um die Courage unsympathischer zu machen, damit das
Publikum auf die Courage mit Zorn reagiere, hielt ihm Hans Mayer
entgegen, Brecht werde dies nie schaffen, weil die Courage schon
drei Stunden auf der Bühne stehe und damit allein das Publikum schon
gewonnen habe.
Allerdings vermittele sich dem Publikum der Eindruck, die Courage
habe – wenn sie mit ihrem Planwagen allein und ohne Kinder
weiterziehe – im Laufe des Abends und damit ihres Lebens nichts
gelernt.
Der Zuschauer in Regensburg wird Doris Dubiel als Courage sehen.
Aber wer sind die anderen?
Dass Regensburgs Theaterleitung eine derartige Geheimniskrämerei um
Besetzungen macht, ist ausgesprochen abonnentenfeindlich.
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