Im Rahmen
der Vorbereitung des Publikums auf die Inszenierung von
'Arabella' führte die Musikdramaturgin Schmidt aus, wie
außergewöhnlich die enge Zusammenarbeit von Hugo von
Hofmannsthal mit Richard Strauss gewesen sei, die sich
über insgesamt 6 Opernwerke erstrecke, allenfalls könne
als Beispiel noch die Verbindung von Verdi zu Boïto
erwähnt werden. Hinzu komme, dass hier zwei völlig
unterschiedliche Temperamente zusammengefunden hätten, der
feinnervige, zurückhaltende, österreichische, das
Landleben liebende, Dichter Hugo von Hofmannsthal und der
handfeste Bayer Richard Strauss. Zeugnis gebe über die
Zusammenarbeit eine Sammlung von Korrespondenz der beiden
Künstler, die auch Hinweise über Diskussionen und
unterschiedliche Meinungen, wie das jeweilige Stück
aufgebaut sein solle, beinhalteten.
Im Sinne
des gemeinsamen Werkes ’Der Rosenkavalier’ wünschte
Strauss sich für die Arabella einen Text, der ebenfalls
eine gewisse Leichtigkeit, einen Hauch Rosenkavalier,
haben solle. Hofmannsthal habe auf ein Werk, den am Anfang
des Jahrhunderts entstandenen ’Lucidor’ zurückgegriffen.
Thematisiert seien hier bereits zwei Schwestern, die mit
der verwitweten Mutter aus dem russischen Teil Polens nach
Wien kamen, von denen eine als Junge - liebevoll, nichts
als Herz, klein, schmal, schüchtern - verkleidet wird, die
zweite - stolz, launisch, wie ihr verstorbener Vater,
ungeduldig, unzufrieden - reich verheiratet werden soll.
Strauss sei ein Singspiel vorgeschwebt bzw. ein Volksstück
mit musikalischen Einlagen.
Theaterdirektor Ernö Weil erklärte als Regisseur, das
Stück habe ihn sein Leben lang interessiert, da er das
Stück vor vierzig Jahren zum ersten Mal sah, sich als
Student den Klavierauszug für viel Geld kaufte und immer
den Wunsch gehabt habe, das Stück einmal selbst machen zu
können.
Ein Werk lerne man kennen, wenn man es selber erarbeite.
Er sei dem Team Hofmannsthal/Strauss verfallen. Man könne
ein Strauss-Anhänger sein, aber Strauss/Hofmannsthal sei
noch etwas anderes, wie auch Strauss und Stefan Zweig
etwas anderes sei. Strauss sei nur mit diesem genialen
Textdichter Hofmannsthal eine Einheit. Die Liebe zum Wort
müsse auch ein Komponist haben, denn aus dem Wort heraus
entstünden die Figuren. Strauss sei derjenige, der eben
diese Worte in Musik fassen konnte, so dass ein perfekt
gebautes Stück das Resultat sei. Auch wenn man sich
wochenlang gemeinsam mit dem Ensemble mit dem Stück
beschäftige, komme man immer wieder zu einem Punkt, nun
müsse man eigentlich mit der ganzen Arbeit wieder von vorn
beginnen.
Alle Figuren - bis hin zu den mittleren und den kleinen
Rollen - haben nach Theaterdirektor Weil ihren Charakter.
Graf Waldner sei zwar als Spieler angelegt, sei aber
gleichzeitig auch der besorgte Vater, dokumentiert in dem
Ausspruch “Arme Frau, arme Mädeln“ und fällt dann mit ein
paar Takten von Strauss wieder in diese Leidenschaft des
Spiels um Geld.
Seine Frau Adelaide investiere sinnlos in eine
Kartenlegerin, hoffend, dass eine Lösung für die Situation
sich abzeichne. Sie sei aber auch diejenige, mit
Realitätssinn die Situation erfassend, sie werde mit ihrem
Mann aufs Land gehen, der Tante das Haus führen und ihr
Mann die Verwaltung übernehmen.
Dass diese Familie gar nicht in der Lage ist, in dieser
Form zu arbeiten, früher mit Personal umgeben in den
entsprechenden Stadtwohnungen mit ihren Privilegien lebte,
zeige wie sehr sich die Situation der Gesellschaft in Wien
verändert habe, wenn Theaterdirektor Weil seine
Inszenierung in die ausgehende Kaiserlich-Königliche
Monarchie der Habsburger - also unmittelbar vor den ersten
Weltkrieg legt.
Die Szene mit der Kartenaufschlägerin gleich am Anfang des
Werkes zeige die ganze Lage der Familie in dieser Zeit, in
der sich diese Menschen mit ihrer Umgebung zurechtfinden
müssen.
Zdenka, gefühlsbetont, ganz nach dem Herzen lebende, sei
die für die ältere Schwester sich aufopfernde
Sympathieträgerin und dagegen Arabella, die alles für sich
in Anspruch nimmt in einer Familie, die am Rande des
Bankrotts steht, die alles in die eine Tochter investiert
in einem zu Ende gehenden Europa.
Arabella, umgeben von drei Grafen und einem weiteren
jungen Mann, der sie liebt, den sie aber nicht zur
Kenntnis nimmt, ausstaffiert, umworben muss sich nun an
diesem Faschingsdienstag zu einer Heirat entscheiden,
sonst sei die Familie ruiniert, bringt durch diese
Entscheidung ein Opfer für die Familie.
Vorwürfe seien damit berechtigt, denn was haben die Eltern
verbrochen, die Töchter in derartige Situationen zu
bringen, dass man eine Tochter als Junge verkleiden müsse,
da man nicht in der Lage sei, zwei Mädchen standesgemäß zu
präsentieren. Hier also eine eindeutige Kritik an der
Gesellschaft, die ein derartig standesgemäßes Ausführen
verlange und wie später die Dramaturgin hinterfragt, wie
solle Zdenka jemals zu einer eigenen Identifikation als
Frau finden, wenn sie permanent versteckt werde.
Auch Arabella erkenne die Situation und fordere, die
Maskerade müsse ein Ende haben und Zdenka endlich ein
Mädchen werden.
Graf Waldner versuche eben auf seine Weise, durch einen
Brief an einen alten Regimentskameraden auf seine Tochter
aufmerksam zu machen, sie zu verkuppeln, in dem er dem
Schreiben ein Bild der Arabella beilegt. Es kommt aber
nicht der reiche, ältliche Freund von Graf Waldner,
sondern sein Neffe - der unverbogene Naturmensch Mandryka.
GMD
Grüneis sei nach eigenem Bekunden erst jetzt bei der
Beschäftigung mit dem Werk darauf gekommen, dass dieser
für das Duett Arabella/Zdenka im ersten Akt und für das
Duett Arabella/Mandryka im zweiten Akt tatsächlich
südslawische Volkslieder verwendet hat. Er habe dies immer
für ein Apercus Richard Strauss’ gehalten und müsse nun
erkennen, dass der Komponist die Wahrheit mit der
Bemerkung im Klavierauszug gesprochen habe. Das Motiv
wirke so schlicht wie beim Schlussterzett Rosenkavalier.
Eingehend beschäftigt hatte sich der Herr GMD auch nicht
mit dem Originaltext dieser jugoslawischen Volkslieder -
glücklicherweise kam ihm die im Publikum anwesende
Mezzo-Sopranistin Mirna Ores zu Hilfe, die ihm Stichworte
zuwarf, so dass er als GMD sich durch diese Soufflage
retten konnte !
Nach Meinung von GMD Grüneis war in den dreißiger Jahren
’in Mode’, der Rückgriff auf Volkslieder, das Zitieren
volkstümlicher Melodien oder Volksweisen - hier besonders
hervorzuheben Bela Bartok, der einen großen Teil seines
Lebens damit verbrachte, diese Weisen zu studieren und
aufzuzeichnen.
Die Komponisten der Zeit retteten sich gerade damals in
diese überlieferten Motive, da sie selber mit der
Entwicklung der Musik zum Teil überfordert waren, nicht
wissend, wie ’modern’ sie noch werden sollten.
Die Arabella als Spätwerk zu bezeichnen, hält GMD Grüneis
für nicht richtig, eher spreche man bei der 'Liebe der
Danae' oder 'Daphne' von den Spätwerken Strauss’ - obwohl
man tatsächlich von einem Beginn einer besonderen
Entwicklung sprechen könne, wobei der ganze späte Strauss
’problematisch’ sei.
Strauss' große revolutionäre Entwicklung habe sich gezeigt
in den symphonischen Werken ’Zarathustra’, ’Ein
Heldenleben’ oder in der Oper ’Elektra’ und gerade nach
dieser sei er immer milder in seinen
Ausdrucksmöglichkeiten geworden. Bei ’FroSch’ habe Strauss
sich noch einmal des ganzen früheren Orchesterapparates
bedient und nach Meinung von GMD Grüneis, sein Meisterwerk
geschaffen.
Bei der Arabella habe das Team Hofmannsthal/Strauss ganz
eindeutig einen zweiten Rosenkavalier angestrebt, wie
heute beim Film eben gleich nach einem Erfolg die nächsten
Fortsetzungen des Themas geplant würden. Strauss zitiere
sich gerade im 1. Akt Arabella angesichts der Rosen, die
für Arabella gebracht wurden, durch musikalische Zitate
aus dem Rosenkavalier.
Auch in den Figuren gebe es Parallelen, so könne die
Arabella mit der Marschallin verglichen werden, Zdenka mit
der Sophie oder Mandryka mit dem Ochs.
Interessant sei, dass Strauss in der Arabella immer wieder
zum Mittel des gesprochenen Wortes greife, dramatische
Passagen gar nicht mehr zu singen seien. Schönberg und
Berg seien hier ehrlicher gewesen, hätte ’Kreuzchen’
gemacht und nur einen gewissen Rhythmus vorgegeben, aber
eben keine Tonhöhen. Dies sei in der Arabella auch auf
besondere Weise angelegt. Beispielhaft hierfür die
Situation des Matteo, der eben den Revolver nehme, sollte
sich Arabella ihm verweigern. Bei der Rechtfertigung der
Arabella, sie habe nicht die Nacht mit Matteo verbracht,
nehme Strauss das Orchester zurück und überließe die
Darstellung der Situation einer halbgesungene Phrase,
nahtlos übergehend in den gesprochenen Dialog.
Die
Dramaturgin gab noch zum Besten, Richard Strauss habe von
sich selbst behauptet, er sei auf Grund seiner
musikalischen Charakterisierungskunst und
Instrumentierungsfähigkeiten in der Lage, den Unterschied
zwischen Weißbier und einem dunklen Bier darzustellen.
Richard Strauss wusste das Orchester einzusetzen, die
kleine Besetzung in der 'Ariadne' sei sehr wohl in der
Lage gewesen, einen großen und auch süffigen
Orchesterklang zu erzielen und er habe auch gewusst,
welches Instrument dem Sänger zuzuordnen sei.
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