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04.01.2010 - dradio.de

 


Damals in Salzburg

Thema des Tages

 
06.12.2008

  Landestheater Salzburg
   
Repertoirevorstellung

'Il barbiere di Siviglia'

 'Die geniale Schachtel'


Information des Landestheaters Salzburg
 
Zitat
 
DER BARBIER VON SEVILLA

Komische Oper in zwei Akten
Dichtung von Cesare Sterbini
Musik von Gioacchino Rossini
Repertoirevorstelung 06.12.2008
 
Musikalische Leitung: Ola Rudner
Inszenierung: Ernö Weil
Bühnenbild und Kostüme: Karin Fritz 
Choreinstudierung: Karl Kamper 


Eines der größten Meisterwerke der gesamten Opernliteratur! – Dazu tragen sprühende Melodien, mitreißende Rhythmen, virtuoser Bravourgesang und nicht zuletzt ein geistreich-witziges Libretto bei. Dieses basiert auf dem ehemals sehr beliebten Lustspiel von Beaumarchais, das bereits mehrfach vertont worden war (die Fortsetzung der Rossinischen Handlung liefert dann Mozarts „Figaro“). Im Zentrum der turbulenten Handlung steht der berühmteste Barbier aller Zeiten, der hilft, dass der Graf Almaviva doch noch seine geliebte Rosina in die Arme schließen darf. Das erweist sich als gar nicht so einfach, will der Graf inkognito doch erst die aufrichtigen und uneigennützigen Gefühle Rosinas ergründen. Er stellt sich ihr deshalb als Student Lindoro vor … Erschwerend kommt noch hinzu, dass Dr. Bartolo, Rosinas Vormund, ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hat, um an deren reiches Erbe zu kommen. Aus dieser Situation heraus entwickelt sich ein Verwirrspiel von Maskerade, Täuschungen und Intrigen, das aber zu guter letzt doch noch zu einem Happy End führt. Man mag es kaum glauben, dass diese Oper, die vor komischen Situationen mit effektvollster Musik nur so strotzt, ein veritabler Misserfolg bei der Uraufführung 1816 war. Das Premierenpublikum sah in Rossinis Werk vor allem einen Affront gegen die ältere und äußerst erfolgreiche Fassung Giovanni Paisiellos. Aber bereits ab der zweiten Vorstellung setzte sich das Werk durch und begann seinen überragenden Siegeszug um die Welt. Seitdem wird das Werk als das gesehen, was es heute noch ist – ein Opernjuwel!

Graf  Almaviva: Eric Laporte
Figaro: Paolo Rumetz
Dr. Bartolo: Damon Nestor Ploumis
Rosina: Elvira Fatykhova
Don Basilio: Krzystof Borysiewicz
Fiorillo: Franz Supper

Ambrosio: Bogdan Dukov
Marzellina: Astrid Hofer
Offizier: Rudolf Pscheidl


Mozarteum Orchester Salzburg

Chor des Salzburger Landestheaters

Zitatende

 

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Der Blick des kritischen Beobachter zurück:

'Mond' in Coburg
'Carmen' in Pforzheim
'Cosi' in Trier
'Rosenkavalier', 'Don Carlo', 'Mahagonny', 'Fidelio', 'Kleinstädter', 'Colier des Todes', 'Hutmacher' - alles Inszenierungen, die das jeweilige Stück zeigen.
Nun auch 'Der Barbier von Sevilla' am Landestheater in Salzburg in der Regie des Regensburger Theaterdirektors Ernö Weil.

Es stimmt bedenklich, dass dem Regensburger Publikum mit der Verpflichtung externer Regisseure immer wieder irgendwelche, obskure Deutungen der Weltliteratur auf die Bühne der Oberpfälzer Metropol-Theaters gebracht werden dürfen.

Er, der Regensburger Prinzipal, hält sich zwar auch nicht gänzlich an die Vorgaben der Stücke, setzt das von ihm Erfundene dann um, lässt aber Regie-Gästen am eigenen Haus völlig freien Lauf.
Damit meint er wohl, der 'Moderne' - was immer das sein soll - sei in Regenburg Genüge getan worden.

Erinnert sei in dem Bezug an die 'Manon' in der Regie von Gregor Horres und die 'Norma' durch Norbert Lummer.

Die Internetseite des Oberpfälzer Metropol-Theaters Regensburg gibt noch immer die Unwahrheit bezüglich dessen wieder, was bei der 'Manon' auf der Bühne  geschieht:

 

Hätte sie darauf verzichtet,  ihren Schmuck zusammenzupacken, als die Polizei auf Veranlassung Gerontes vor ihrer  Tür erschien, wäre sie der Verhaftung und anschließenden Deportierung möglicherweise  entgangen. Doch so endet sie mit Des Grieux in einer endlosen Wüste Amerikas.
 


So wird die Bevölkerung in die Irre geführt, denn Gregor Horres lässt Des Grieux und Manon in einer Kneipe sterben, in einer Kneipe, in der an den Wänden Regale voller Flaschen stehen, mit deren Inhalt der Tenor die Primadonna hätte vor dem Verdursten bewahren können - hielte man sich an das, was vorgeben ist.


 


DES GRIEUX
mit tiefer Traurigkeit und mutlos

Ach keine Quelle
Quoll bei der Hütte
Und nicht ein Tropfen
Fiel aus den Wolken.
Wie auch mein Auge spähend sich mühte!

 

Ernö Weil lässt dem Salzburger Ensemble freien Lauf -
oder lebt das erst auf, nachdem der Regisseur abgereist ist?

Manches endet in hochgradiger Turbulenz - das Publikum ist von der Umsetzung aber angetan - das 'Verheutigen' reduziert sich auf Ansätze in der Personenführung und in den Kostümen.
Figaro radelt zu seiner Kavatine herein, im Rüschenhemd, das zusätzlich unterstreicht, er ist gut durch den Winter gekommen.
Almaviva ein wenig gräflicher Protagonist - ein gut betuchter Rocker in weißem Straßenanzug.
Rosina im Babydoll mit Stiefeletten am Ende der schönen Beine, dann im fein plissierten cyclamfarbenen Kleidchen und im weißen Brautkleid.
Marzellina - im blauen Straßenkostüm - die elegante Hausdame - im Arm von Dr. Bartolo dann auch in weißer Brautspitze.
Dr. Bartolo, ein Jurist im Bürooutfit, dem zum Schluss die Marzellina bleibt.
Don Basilio - der intrigante Priester - in der typischen Priestergewandung.


Bedienstete im Hause des Dr. Bartolo in gestreifter Weste, die Musikertruppe in Schlaghosen, die Soldaten in Phantasie-Tarnanzügen mit den unvermeidlichen Kalaschnikows - zwei aus der Truppe schweben aus dem Schnürboden herab.

Dass diese so genannte 'Verheutigung' nicht zum Stück passt, zeigt die Einquartierung mit 'Heute kommen neue Truppen' - wo gibt es heute noch die private Unterbringung von Soldaten?
Passt wieder mal alles nicht, wenn man das Stück übers Knie bricht.

Ganz entscheidend für das dann Doch-Gelingen der Produktion ist das Bühnenbild von Karin Fritz.
Im Vorspiel und während der Entrada ein sich drehender übermanns hoher Container, Wolken ziehen projiziert über den Gazevorhang hin, Marzellina, Bartolo und Basilio erscheinen in Türöffnungen, dann zeigt sich Rosina unten, hinter Persianas - aus sonnenbestrahlten Ländern bekannt - wie aus einem Gefängnisfenster, es öffnet sich eine Klappe im oberen Teil, zwei Damenbeine erscheinen, die an einem zuvor heruntergelassenen Schal sich 'abseilen' wollen.
Der Vorgang muss wegen unerwarteter 'Passanten' abgebrochen werden.
Da werden plötzlich die Wände des Containers von innen aufgedreht und es zeigt sich das Interior eines Einfamilienhauses wie es auch in 'Schöner Wohnen' zu besichtigen wäre.

Auf zwei Ebenen läuft das turbulente Spiel ab, die SängerInnen können über Treppen in das obere Geschoss und wieder hinunter auf einer anderen In-Haus-Treppe gelangen - auf der Empore wird beispielsweise zur Rosina-Arie gerade der Fußboden geputzt und Bartolos Mündel traktiert "wie eine Viper" die aufwischende Putzfrau.

Im zweiten Teil ist der Würfel nach hinten gekippt - die Welt hat sich verändert - so dass die obere Ebene leider nicht mehr im Spiel ist, es musste Platz geschaffen werden für einen Flügel, auf den der vermeintliche Musiklehrer Basilio einhämmert.

Während der Gewittermusik kämpfen sich Gestalten gegen 'Wind und Regen' über die Bühne - es hellt sich auf und Rosina sitzt im Brautkleid in Erwartung des von ihr nun als Gatte gewünschten Dr. Bartolo und der angekündigten Diebe Almaviva und Figaro auf der Treppe - mit einer Knarre 'im Anschlag'.

Alles wird gut!
Auch in dieser überaus gut besuchten Nachmittags-Vorstellung. Das Publikum dankte dem Ensemble herzlich.
 

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Ein gut gelauntes, spielfreudiges Sängerensemble hatte seine Mühe mit dem davon eilenden Dirigenten.
Ole Rudner war der Meinung, seinen Willen durchsetzen zu müssen, statt miteinander zu musizieren.
Es klapperte gewaltig. Tempi waren wohl nicht abgestimmt bzw. wurden nicht eingehalten.
Hinzu kam, dass er wenig Rücksicht nahm auf die Sänger, die zumindest im Rang permanent laut und deutlich vom Orchesterklang zugedeckt wurden.

Eric Laporte als Almaviva griff in der hohen Lage gelegentlich zum bewährten hellen Knödel, hielt damit die Töne in der richtigen Balance - nicht gerade ein Tenore die grazia - kein Flórez und kein junger Wunderlich, sondern ein kraftvoller Spieltenor.

Der Figaro von Paolo Rumetz - souverän, stimmlich problemlos, "männlich und mächtig", ein 'Luna' ist hier schon hörbar.

Damon Nestor Ploumis, mit flauschiger Tongebung, dafür im Spiel kernig, sportlich - nicht der üblicherweise 'alte Trottel', kaum zu glauben, dass Rosina ihm, diesem Dr. Bartolo, auskommt.

Elvira Fatykhova macht als Rosina im Spiel eine überaus gute Figur, die Koloraturen blitzen - leider, wenn sie zu viel Gas gibt, ist ein 'weißes Überstrahlen' nicht zu überhören.

Schön der bassige Klang von Krzysztof Borysiewicz als Don Basilio - prachtvoll gesungen die Ankündigung der Verleumdung, die ein Lüftchen.

Astrid Monika Hofer (wo kommt denn die Monika auf einmal her, für das Regensburger Engagement reichte noch Astrid alleine) schmollte, dass der Alte sich vermählen wolle, rund und gesund klingt die Stimme bleibt sie in in ihrer natürliche Lage.

Die Herren Franz Supper als Fiorillo, Bogdan Dukow als Ambrosio und Rudolf Pscheidl füllten da auf, wo die übrigen Solisten Platz gelassen hatten, so dass eine 'geschlossene Gesellschaft' mit Chor eine muntere Vorstellung bot.

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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