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        Drei Abende im Maxim Gorki Theater Berlin

      
     Bemerkungen zur szenischen Umsetzung von

      
    'Der Besuch der alten Dame',
       'Nora',
       'Penthesilea'


           Besuch auf Vollzahler-Tickets der
        Repertoirevorstellungen am 18., 19., 20.01.2011

     


    Announcement Maxim Gorki Theater Berlin


    Zitatanfang

    'Wir möchten Sie darauf hinweisen,
    dass in einigen Aufführungen
        aus künstlerischen Gründen auf der Bühne geraucht wird.'

          (Mitteilung des MGT in der E-Mail vom 12.1.2011)


     

    Der Besuch der alten Dame
     

    In einer Bearbeitung von Armin Petras

    Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden
    Premiere am 12. Dezember 2009 im Staatsschauspiel Dresden
    Berliner Premiere am 9. Januar 2010 im Maxim Gorki Theater Berlin

    Diese Stadt ist stolz: auf ihre Geschichte, die Baudenkmäler und darauf, dass durch ein Aufbegehren der Bürger der Weg zur Demokratie frei wurde. Nur ökonomisch läuft der Laden nicht: Die Fabriken sind geschlossen, es fehlt an allem. In dieser Situation zwischen Euphorie und Enttäuschung feiert man den Besuch eines prominenten Gastes: Clara, die vor 30 Jahren die Stadt als 17jährige verlassen hat, kehrt in ihre Heimat zurück. Inzwischen ist sie ein gefeierter Weltstar geworden. Den erwartungsvollen Bürgern stellt sie ein unglaubliches Geschenk in Aussicht: eine Milliarde, verteilt auf alle. Doch die Stiftung ist an eine Bedingung geknüpft. Für ihr Geld will Clara "Gerechtigkeit“. Der Kaufmann Alfred Ill, der sie damals geschwängert und dann verlassen hat, soll sterben. Die Bürger der Stadt werden auf eine harte Probe gestellt: Reicht ihr Widerstandsgeist, auf den sie so stolz sind, um einer Versuchung, wie dieser zu widerstehen?

    In seiner Bearbeitung wendet Armin Petras Friedrich Dürrenmatts dramatisches Experiment über die ökonomischen Grenzen des moralischen Diskurses auf die historische Situation nach der Wende von 1989 an. Eine Stadt im Konflikt der Werte:
    Die Verletzlichkeit des Lebens, die Ungesichertheit der politischen Kategorien und der Magnetismus des Geldes stehen gegeneinander. Einer wird verlieren.

    Hier finden Sie ein Interview mit Armin Petras zur Inszenierung des Stückes, welches Studentinnen der Humboldt-Universität zu Berlin geführt haben.

    Clara, eine schöne Frau Christine Hoppe,
    Alfred Ill, früher ein Dandy Andreas Leupold,
    Frau Ill, Kauffrau Sabine Waibel,
    Sohn, Cineast Stefko Hanushevsky,
    Das Mädchen Anne Müller,
    Bürgermeister, ein eloquenter Mann Wolfgang Michalek,
    Der Polizist Matthias Reichwald,
    Journalist, früher Dichter Gunnar Teuber,
    Leopard, eine junge Frau mit einer Krankheit Berit Jentzsch

    Regie Armin Petras, Bühne Olaf Altmann, Kostüme Katja Strohschneider,
    Musik Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Video Niklas Ritter, Dramaturgie
    Ludwig Haugk



    Zitatende
     

    Es kommt ein Zug aus Irgendwo. In ärmliche Klamotten Vermummte warten in Sturm und Flockenwirbel und heißen 'Willkommen'. Da steht sie plötzlich, der Pelz offen, das helle Kleid sichtbar, die aus der Wärme kam, sie singt ein Lied. Clara, die alte Dame - eine schöne Frau - wer definiert hier 'alt'?
    Zur Zeit der SBZ hatte sie als Jugendliche ein Verhältnis, das nicht ohne Folgen blieb - sie ließ sich vertreiben, kehrt nun zurück und will 'Rache für den Verrat'. Geld gegen Gerechtigkeit.
    Die Bevölkerung spielt mit, attackiert - aus Gier nach dem versprochenen Milliarde-Lohn - den ehemaligen Liebhaber.

    Die Inszenierung ist auf eine steile Treppe gequetscht, glücklicherweise ist das Ensemble durch Streichung von Rollen stark eingedampft, wohin sonst mit den Leuten - von der ersten Parkett-Reihe bis hinauf in die Deckenwölbung über der Bühne, wer oben raus will, muss sich bücken. Ansonsten geht es auf der Stiege des Lebens 'holter-die-polter' rauf und runter, man kreischt, schreit herum - das Ensemble zeigt Stimme und seine artistischen und akrobatischen Fähigkeiten - Circus Gorki mit Clara.

    Die ist nun nicht die Zachanassian, alt, vergrämt, in angestauter Lust auf Rache erstarrt - diese Clara ging mit 17, kommt jetzt nach 30 Jahren zurück und will ihren Spaß mit der Vergeltung. Sie ist gut gelaunt, blond gemähnt, langbeinig bis oben hin und mit fabelhaften Endkonsonanten ihrer Sprache bestückt.
    Weniger ein Star als eine Chefin, die wartet bis VDO in Conti aufgegangen ist, um dann das in ihr eigenes Unternehmen einzugliedern.
    Als der Ehemalige am Ende entseelt am Boden liegt, kann sie es kaum fassen - sie wollte sich doch nur einen Jux machen,
    "a weng tratz'n die Leut'."

    Der Kindsvater - oder war es doch der Klassenfeind - der Liebhaber, ihm wurde der Balg nicht untergeschoben - ist ergraut durchs Leben und durch die Braunkohle im Revier und zu Hause 'am stillen Herd in Winterszeit'.
    Ob es denn wirklich möglich war, dass eine junge Frau, in den 60ern, schwanger sitzengelassen, vor der 'DDR'-Bevölkerung floh. Hatten nicht Walter und Erich bis hin zu Egon dafür gesorgt, dass man sich um neue Werktätige kümmerte - ob legitim oder illegitim.

    Filmeinblendungen zeigen das farblose Elend, das Einheitsgrau des real existierenden Sozialismus, dem heute noch so viele nachtrauern und Chancen, verbrämt mit dem Wort 'Kommunismus', einräumen wollen.
    Plattenbauten, unfrohe Menschen, gejagt von herumballernden VoPos wie Hyänen hinter allem her, was rennt und sich des Deliktes 'Republikflucht' schuldig zu machen hofft.
    "Ach, Gesine!"

    Die Kinder des Clara-Liebhabers aus der Ehe mit der Frau im Konsum- oder Tante Emma-Laden - die 'dusslige Kuh' lässt grüßen - die Tochter, Sentimentale, hat auch schon wieder was mit einem Polizisten, der nun Angst vor Entdeckung seiner Stasi-Akte hat.
    Der Sohn, Naturbursche, jugendlicher Komiker, der mit der Schwester in einer Wanne sitzt, und meint, wenn er ins Badewasser wichst, er könnte so der Vater des Kindes der Schwester sein. Aufklärung tut Not, Oswald Kolle war fern.
    Aber Sohnemann bläst passabel Trompete und dirigiert die Darsteller - als griechischer Chor auf der Treppe hinauf postiert - mit akkurater Zeichengebung.

    Eine stumme Jule - wohl die ausgetragene Tochter Claras - übt sich in tänzerischen Übungen, zeigt choreographierten Judo - der Bürgermeister, mit Ansprachen hinein ins Publikum, die anderen kaum auseinanderzuhalten, graue Mäuse - wie sollten mit denen blühende Landschaften entstehen?
    Die am Fließband warteten, bis wieder Teile geliefert wurden - fünf Leute für eine Schraube, nach der Wende fünf Schrauben für eine/n Werktätige/n.
    Das war zu viel verlangt.
    "S'war doch schön damals in der 'DDR' - mir hatten doch alles" - Verkäuferin Pleschke im Textilgeschäft in der Schäffnerstraße.

    Der Umdichter-Intendant-Regisseur holt aus, will er doch einem 55 Jahre alten Dürenmatt-Teddybär eine neue Füllung verschaffen, die dann nicht ausreicht, schlaff schlabbert das Bärenfell herab.
    Der Abend zieht sich durch die akrobatischen Einlagen, die zwangsläufig zur Unterbrechung der Handlung führen, in die Länge, fast zwei Stunden Spielzeit, zu viel, um Aufmerksamkeit und Spannung zu halten, zu wenig, um über den Text mit erklärenden Aussagen historisch auf die Sprünge zu helfen. Dass die 'Zonendödel' - wie 'Motzki' sie nannte - das Elend in der so genannten 'DDR' mit Jokusmachen ertrugen, ist nicht zu glauben.

    Aber Klamotte ist ja heute angesagt, siehe auch 'Kabale und Liebe' am DT oder an der Schaubühne, da reißt der jugendliche Liebhaber den Bühnenboden auf, dort geht Ferdinand die Wände hoch.
    Hauptsache die Leute haben was zum Lachen und plappern es weiter, damit viele kommen und für Auslastung sorgen.

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    Announcement Maxim Gorki Theater Berlin

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    Nora oder ein Puppenheim

    Übersetzung und Bearbeitung von Gottfried Greiffenhagen und Daniel Karasek
    Fassung des MGT Berlin

    Premiere am 16. Januar 2011 im Maxim Gorki Theater Berlin

    Mit "Nora" beleuchtet Ibsen die komplexe Beziehungsstruktur von Ehe und Familie. Er untersucht die fragilen Vereinbarungen auf denen diese beruhen: Nora ist seit Jahren mit Torvald Helmer verheiratet, der nun endlich den erhofften Aufstieg fast geschafft hat; er steht kurz vor seiner Ernennung zum Direktor der kommunalen Bankfiliale. Die beiden haben Kinder und halten sich für ein glückliches Paar. Wie brüchig diese Konstellation allerdings ist, zeigt sich als sie durch die schrittweise Aufdeckung eines lange zurückliegenden Vorfalles zu zerbrechen droht: Nora hatte seinerzeit heimlich eine Unterschrift ihres Vaters gefälscht und damit ihren Mann vor dem finanziellen Ruin bewahrt. Als Torvald davon erfährt, reagiert er darauf mit Bestürzung, Beschimpfungen und Furcht vor dem Skandal in der Öffentlichkeit, obwohl er weiß, dass Nora aus Liebe zu ihm so gehandelt hat. Für Nora zeigt sich in seinem Verhalten, dass er die eigenen Interessen wichtiger nimmt, als ihr gemeinsames Leben. Sie kommt ihrerseits zu dem Schluss, dass sie lernen muss, mehr an sich "selbst zu denken".

    Torvald Helmer Peter Kurth, Nora Helmer Hilke Altefrohne, Dr. Niels Rank Andreas Leupold, Kristine Linde Anja Schneider, Lars Krogstad Gunnar Teuber

    Regie Jorinde Dröse, Bühne / Kostüme Susanne Schuboth, Musik Roderik Vanderstraeten, Dramaturgie Carmen Wolfram


    Zitatende
     

    "Krakel! Krakel!" - und dieser Rumbrüller soll Chef einer Regionalbank werden, der durch die Zähne Liedchen pfeift und dazu ein Tänzchen wagt oder mit gepfiffener Grenzziehung festlegt, bis wohin sich Nora im Zimmer noch wagen darf, als ihr 'Einsatz' offenbar wird.
    Ein Brutalo als Bankdirektor, der dann aber zimperlich sein darf, wenn Nora meint, die Kasse doch mit einem Kredit aufbessern zu können. Und mit dem soll sie schon acht Jahre verheiratet sein, ohne dass sie längst das Weite gesucht hat?
    Warum besetzt man die Rolle des an sich Ängstlichen mit einem solch unsensibel wirkenden Schreihals, warum stellt man ihm eine hochhackige Resolute, ihn um einen halben Kopf überragend, zur Seite?
    Wohl mal wieder gegen den Typ besetzt?
    Und diese Handfeste darf dann - selbst gehüllt in einen Pappkarton (was für ein Regieeinfall) - mit Weihnachtspaketen beladen auftreten, schildern, dass sie für die Kinder alles ganz günstig aus Plastik eingekauft hat, Roller zum Zusammenklappen, Schreibmaschine, ferngesteuertes Auto - also die, ach so beliebte, Aktualisierung und nicht die Handlung im 19. Jahrhundert angesiedelt.

    Diese Nora, die vor Jahren einen Kredit über 26.000 erschlich, um - gut gemeint, aber rechtlich nicht haltbar - dem da einen Erholungsaufenthalt von Jahreslänge in Italien zu ermöglichen, aber kein Buch führt,  über das, was sie schon zurückgezahlt hat, die da soll trotz ihrer Beschränktheit dem da nicht Paroli bieten können? Dass sie sich in Lügen flüchtet und darin verstrickt, nimmt man ihr ab, dass sie aber eine Untergebene in dieser Ehe ist, nicht.
    Falsch angelegt das Ganze, weil falsch besetzt bzw. die Nora sich nicht der Rolle fügt. Kein Singvögelchen, keine Lerche.

    Auch ungeklärt, um welche Währung es sich bei dem Kredit handelt - 26 Tausend Euro oder norwegische Kronen oder was? So oder so, es ist zu wenig, um mit drei Personen ein Jahr in Italien selbst bei eingeschränktestem Stil leben zu können.
    Dabei wird vom MGT im Internet behauptet:
    Nora hatte seinerzeit heimlich eine Unterschrift ihres Vaters gefälscht und damit ihren Mann vor dem finanziellen Ruin bewahrt.
    Ja, was nun - Italienkuraufenthalt oder Bewahrung vor finanziellem Ruin?


    Ihr Wandel nach der Erkenntnis, dass das Wunder nicht eintrat, dass der Schreihals sich nicht vorbehaltlos vor sie stellte als das Fehlverhalten durch das Aufdecken der Angelegenheit durch Krogstad herauskam und dass der Angetraute somit nicht der Mann ist, für den sie ihn jahrelang hielt, wird nicht aufgebaut. Sie platzt einfach damit heraus. Dass der den Umschwung nicht fassen kann, ist nachvollziehbar, zumal er als Rabauke zum Empfang von feinen Daten nicht in der Lage ist.

    Schneegestöber, die Windmaschine dröhnt.
    Der Schluss ist offen, weder fällt die Haustür dröhnend ins Schloß, noch zeigt der ihr die schlafenden Kinder, damit sie bleibt - sie will, dass der aus 'diesem Wetter, in diesem Graus' -  wieder reingeht und sich um die Kinder kümmert, der will sie verlassen - wie sollte es auch anders sein, der Mann darf gehen, die Frau muss bleiben. Und das so um 1880 - Skandal, wenn sie ginge.
    Die Kinder sitzen da auf der Schwelle - was wird aus ihnen?

    Überzeugend die Darstellerin der Kristine Linde, sie ist eigentlich eine Nora, das
    Eichhörnchen, ... das lockere Zeisiglein, das aber dann auch auftrumpft, wenn es um die Umsetzung ihrer Ideen geht
    Welch eine Wendung! Ja, welch eine Wendung! Menschen, für die ich arbeiten, - für die ich leben kann; ein Heim, in das ich Glück und Behagen bringen darf.


    Neben ihr in der Rolle des Dr. Niels Rank, der wäre ein Helmer, aber nein - es muss der Brüller sein - von dem aber sonst nichts hervorsteht, außer seiner Leibesfülle.
    Dass Rank allerdings schwer krank sein soll und unter dem zu erwartenden Ende zunehmend leidet, ist nicht erkennbar, dass er dann heulend - in Erkenntnis der aussichtslosen gesundheitlichen Lage - auf dem Kinderschemel zusammenbricht, ist unglaubwürdig.

    Krogstad der Bänker,
    ein Intrigant - der, eher ein Softie, der beteiligt sein wollte und manipulierte und auffiel. Den Schuldschein gibt er zurück, er geht weg mit seiner wiedergefundenen Kristine Linde.  Ein 'Sympath', der um seine Reputation kämpft, eingedenk des Fehlers, den er mal gemacht hat, wieder auf die Beine zu kommen sucht.

    Das Probieren des Kostüms für den Ball, das Üben der Tarantella, eingedenk des langen Italienaufenthaltes: gestrichen.
    Stattdessen hopsen alle zu Gedudel auf der Bühne, stehen ohne Text herum und rauchen.
    Mein Gott, wie witzig!

    Das Ganze in einem schäbigen Einheits-Ambiente, einem Raum, perspektivisch nach hinten zulaufend, die Wände mit Einheitstapete zugekleistert, mit einer einflügeligen Drehtür als Abschluss, einem überdimensionierten - nicht einmal IKEA - Holzsessel, einem 'Schammerl' und einem Kühlschrank, der - wohl kalte - Getränke bereit hält und ansonsten auch als Musikbox dient - man schiebt einfach eine Vinyl-LP hinten in den Verdampfer des Kühlaggregats und schon nudelt die Platte. 
    Mehrzweckgerät à la MGT.

    Soll das hauptstadtgemäßes Theater sein?
    Da lobt man sich die Provinz.

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    Announcement Maxim Gorki Theater Berlin

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    Penthesilea

    Premiere am 20. Oktober 2010 im Maxim Gorki Theater Berlin

    Auf dem Schlachtfeld stehen sich die Heere der Griechen und Trojaner gegenüber. Unter Führung der Königin Penthesilea rückt das Heer der Amazonen aus Kleinasien an. Nach dem Gesetz ihres Frauenstaates müssen die Amazonen sich ihre Männer im Kampf erobern und als Gefangene in die Hauptstadt führen, wo dann beim Rosenfest die Vereinigung stattfindet. Auf dem Schlachtfeld treffen sich Penthesilea, die Amazonenkönigin, und Achill, der Griechenheld, zum ersten Mal. Im Zweikampf unterliegt die junge Königin Achill und verliert das Bewusstsein. Als sie erwacht, macht er sie glauben, sie habe ihn besiegt. Doch der Betrug fliegt auf. Schließlich fordert Achill Penthesilea erneut zum Kampf um Leben und Tod heraus, um sich freiwillig besiegen zu lassen und in der süßen Gefangenschaft des Rosenfestes Penthesilea zu gewinnen. Doch Penthesilea verwandelt sich in eine Furie: Liebe und Tod werden eins im Rausch, Tod ist Erfüllung, die Welt ein Schlachtfeld.

    Penthesilea Anja Schneider, Prothoe Julischka Eichel, Meroe Ninja Stangenberg, Oberpriesterin Nele Rosetz, Achilles Michael Klammer, Odysseus Wilhelm Eilers,
    Diomedes Christian Kuchenbuch, Ein junger Offizier Albrecht Abraham Schuch

    Regie Felicitas Brucker, Bühne Kathrin Frosch, Kostüme Sara Schwartz,
    Musik Jörg Follert, Video Stefan Bischoff, Dramaturgie Jan Kauenhowen,
    Carmen Wolfram


    Zitatende
     

    Im Sommer 1954 inszenierte Heinrich Koch am Schauspielhaus in Hamburg Kleist's Penthesilea mit Maria Wimmer in der Titelrolle und Heinz Baumann als Achill, 1970 spielte in Stuttgart Rosel Zech die Penthesilea, 1991 Anne Bennent am Burgtheater in Wien.
    Gerade erstere kam ganz von der Sprache. war damals auch schon in den 40ern und wohl kaum bereit und in der Lage gewesen, die Akrobatik zu bewerkstelligen, die heute am Gorki für die Rolle verlangt wird.
    Da ist ein horizontaler Schacht aus Holz, der bis in die Tiefe der Bühne reicht. Mittendrin eine Rampe - wie für Transporte - die an Seilen heraufgezogen und heruntergelassen werden kann, damit mal oben auf einem Podium endet oder gleich dem Bühnenboden auf einer Höhe liegt.
    Es vermittelt sich auf diese Weise zwangsläufig der Eindruck, hier handelt es sich um eine Baustelle, auf der die Truppe aktiv ist, setzte man den Damen und Herren Schutzhelme auf, gäbe es nichts zu deuteln.
    Schauspieler
    in typischen Probenklamotten. Unmittelbar vor dem Tag 'in Kostüm und Maske'.

    Die Schräge lässt eine Menge von Aufstiegsaktionen und Rutschpartien zu - der Krieg, der ist hier kein 'sonderbar Ding', mal oben, mal unten, mal die Höhe gewonnen, mal unten im Verlust angekommen.

    Dass sich der Abend geradezu beschwingt zeigt, ergibt sich vornehmlich aus den Bodenübungen der Darsteller auf der glitschigen Rampe, aus Klimmzügen hinauf auf das Podium oder 'Sprung auf, Marsch, Marsch' die Seitenwand,
    die Mauern Trojas, hinauf
    , aber auch aus den folkloristischen Tanzübungen, die von der Oberpriesterin den beiden Damen Meroe - die übrigens keinen Text hat, sondern als sich mit Gebärdensprache äußert - und Protoe - die zwar Text hat, von dem man aber nur wenig verstehen kann - beigebracht werden, aufgebauscht durch Videoprojektion, eine große Gruppe so einer Art BDM-lerinnen beim Reichsparteitag zeigend.

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    Durch gewaltige Striche wird das Stück immerhin auf etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit heruntergeholt, wobei eine Pause das Ganze auch noch unterbricht, aber es muss ja irgendwie ein Container - mit Wasser bis zu einem Drittel gefüllt - unsichtbar auf die Szene geschafft werden und das ist nur bei heruntergelassenem Eisernen möglich.
    Dass die beiden Liebenden - von der typischen Angst des Mannes vor der starken Frau ist hier nichts zu spüren - dann in dem Becken planschen, unterstreicht noch den Eindruck:
    hier geht es heiter zu.
    Der Krieg als Sandkastenspiel, das Mittel zum Zweck für die zwei - der Königin der Amazonen und Achill dem Held von Troja. Der hatte ihr ja die Freude gemacht, als sie im Kampf ohnmächtig wurde, sie glauben zu lassen, sie habe ihn besiegt.
    Das kommt nun leider raus und damit ist es auch schon aus mit der Liebesidylle.

    Der Zweikampf wird wieder aufgenommen.
    Am Ende Achill tot, zerfleischt durch Penthesilea - 'von Bissen oder Küssen, das bleibt sich gleich, denn wer ganz von Herzen liebt, der kann schon das Eine für das Andere' halten.


    Jugendliche im Übermut der Pubertät - zwei Gangs sich auf einer Baustelle begegnend, mittendrin Penthesilea und Achill, so wie Maria und Tony in der unsterblichen West Side Story - 'I like to be in America' - so kommt das rüber.

    Der geringen Zahl 'ausgewählter Besucher' der Vorstellung - der Rang war schon von vornherein geschlossen - gefiel der Stoff so aufbereitet für ein Musical 'Penthesilea im MGT'.

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