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04.01.2010 - dradio.de
 

 

 

     
    Theater Regensburg

  
 
       Premiere 26.09.2009
  'Don Karlos'

                                       'Der König
   Liebt die Prinzessin Eboli'
 

 

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Announcement Theater Regensburg

Zitat

Don Karlos

Dramatisches Gedicht von Friedrich Schiller (1759-1805)

Inszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne: Karl-Heinz Steck
Kostüme: Uschi Haug

 

Anlässlich von Schillers 250. Geburtstag stellt das Theater Regensburg eines seiner markantesten Dramen vor. In „Don Karlos“ verbinden sich die Ebenen des Privaten und des Politischen, sie bedingen und zerstören einander. Eine Familientragödie wird zum spannenden Politthriller.
Eigentlich sollte Don Karlos Elisabeth von Valois heiraten – so wollte es sein Vater, König Philipp II. von Spanien. Aus politischen Gründen heiratete Philipp dann jedoch selbst Elisabeth. Die Gegenwart der Geliebten an der Seite seines Vaters sowie die Geringschätzung, die er durch Philipp erfährt, stürzen Karlos in eine tiefe Krise. Der familiäre Konflikt wird zum Motor einer Intrige, die weit in das Gefüge des Staates eingreift. Karlos hat am Hof nur einen einzigen Freund, den Marquis von Posa. Er bittet Posa, ein heimliches Treffen mit seiner rund um die Uhr überwachten Stiefmutter zu organisieren. Posa willigt ein, hat aber eigentlich ganz andere Pläne. Er will Karlos für den Freiheitskampf der von Spanien unter­drückten Niederlande gewinnen.
Eine Intrige von Prinzessin Eboli, die weiß, dass Karlos Elisabeth liebt, verhindert eine weitere Verständigung zwischen Vater und Sohn, König und Thronfolger. Philipp, an der Spitze der Macht einsam und allein und angewidert von den unzähligen Machtspielen und der Falschheit bei Hofe, findet in Posa einen Menschen, der ihm ohne Verstellung begegnet. Dieser fordert vom absolutistischen Herrscher „Gedankenfreiheit“. Durch seine Offenheit gewinnt Posa schnell das Vertrauen des Königs. Philipp sieht in ihm einen Vertrauten und beauftragt ihn, Karlos zu überwachen. So ist Posa gezwungen, ein doppeltes Spiel zu spielen – sowohl mit König Philipp als auch mit seinem Freund Karlos. Doch seine riskanten Manöver bringen schließlich ihn selbst und Karlos zu Fall.

Besetzung      
       
Philipp der Zweite Anton Schieffer    
Elisabeth von Valois Anna Dörnte    
Don Karlos Roman Blumenschein    
Herzogin Olivarez Silvia Rhode    
Marquisin von Mondecar Doris Dubiel    
Prinzessin von Eboli Silke Heise    
Marquis von Posa Christoph Bangerter    
Herzog von Alba Hubert Schedlbauer    
Graf von Lerma Paul Kaiser    
Don Raymond von Taxis / Page Michael Morgenstern    
Domingo Michael Haake    
Der Grossinquisitor Miko Greza    

Zitatende
 

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Alles, was Goethe schrieb, hatte Bezug zu seinem Leben, ohne Kenntnisse dessen waren seine Werke kaum verständlich. Erfassen seiner Schriften war fast nur möglich, wenn sein Seelenzustand nachempfunden werden konnte.

Im Falle Schiller wurde behauptet, sein eigenes Wesen und Erleben sei nicht in seine Werke eingeflossen wie auch grundsätzlich das Umfeld von Dichtung losgelöst von der Zeit der Entstehung und dem Befinden des Autors gesehen werden müsse.

Schiller war nicht der Lyriker wie Goethe es war, so dass ein subjektives Empfinden sich nicht unmittelbar in ein dramatisches Werk übertrug.

Während Goethe sich zeit seines Lebens frei entwickeln konnte, umsorgt im stabilen Elternhaus - schon da auf hohem Niveau - und am Hof in Weimar, ohne finanzielle Rücksichten, das Leben nur zu übernehmen brauchte, getragen von frühen Erfolgen mit 'Götz' und 'Werther'.
Dem gegenüber musste Schiller kämpfen um Anerkennung und finanzielle Grundlagen und gegen seine eigene körperliche Konstitution. In Wallensteins Tod, 3. Akt, Dreizehnter Auftritt, lässt er den Titelhelden sagen:
'Es ist der Geist, der sich den Körper baut'


Geldmangel bestimmte sein Leben. Die Zeit in Mannheim mit Bindung an das dortige Nationaltheater brachten keine Erleichterung, Krankheit hinderte ihn lange Zeit, Dalbergs Vertrag als Hausdramatiker zu erfüllen.

Der 'Karlos' - aus 1782 stammt der erste Bezug zu dem Thema - in seinem Entstehen immer wieder durch Verzögerungen bis zur Uraufführung am 29. August 1787 in Hamburg aufgehalten, Änderungen, Kürzungen bis in das letzte Lebensjahr hinein vorgenommen.
Über das Stück schrieb Schiller zwölf Briefe, die sein Denken und sein Tun bei der Dichtung und danach aufzeigen, wenn er sich gegen zeitgenössische Kritik zur Wehr setzte.
 
 

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Schiller’s Deutschland umfasste in seiner Lebenszeit von 1759 bis 1805, 45½ Jahre der letzten 46¾ Jahre des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Um 1750 hatte Deutschland ca. 20 Millionen Einwohner, die bis zum Ende des Jahrhunderts auf 28 Millionen anwuchs, von denen lebten mehr als 75 Prozent auf dem Land und denen wiederum ¾ waren Dienstboten, Handlanger, Tagelöhner, Soldaten in den untersten Rängen und die am Existenzminimum vegetierende bäuerliche Bevölkerung.
Als feudalrechtlicher Lehnsstaat, zerrissen in ca. 300 selbstständige Einzelorganisationen, in denen – ja nach Größe des Staatsgebildes - die unterschiedlichsten Herrschaften das Leben der jeweiligen Bevölkerung diktierten. Eine fast nicht übersehbare Menge an Leitungsebenen war mit in den Regierungen und damit beschäftigt, in die eigene Tasche zu manipulieren.

Deutschland war gegenüber Frankreich und England politisch, sozial und ökonomisch ein rückständiges Land.
Kulturell sah man von 1762 bis 1782 u.a. das Erscheinen von Voltaires 'Candide', Wielands Shakespeare Übersetzungen, Rousseaus Werke, Glucks 'Orpheus und Eurydike', Lessings 'Minna', 'Emilia Galotti' und 'Nathan', Goethes 'Götz' und 'Werther'.

Das Herzogtum Württemberg – seit 1495 bestehend - hatte um 1750 ca. 500 000 Einwohner. Der 1648 durch den Westfälischen Frieden zu Ende gegangene Dreißigjährige Krieg, die beiden Schlesischen Kriege ab 1740, der Österreichische Erbfolgekrieg von 1740 bis1748 und der ab 1756 folgende Siebenjährige Krieg unter Beteiligung von Preußen, Großbritannien mit Kur-Hannover gegen Österreich, Frankreich, Russland hatte die Länder in Europa weitgehend zerstört und die folgenden Misswirtschaften in deutschen Kleinstaaten – die Hofführung verschlang Unsummen - verstärkten das Elend der Bevölkerung.

Herzog Carl Eugen von Württemberg brachte während seines Lebens von 1728 bis 1793 sein Land durch Geltungs- und Verschwendungssucht, Kosten für Prunkveranstaltungen und Mätressenwirtschaft – Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) war sein Vorbild - an den Rand des Ruins. Allerdings unterstützte er auch die Künste und Wissenschaften.

Die Gelder für sein Leben und die förderungswürdigen Maßnahmen presste er seinen Untertanen durch Steuerzahlungen und sonstige Abgaben ab.

Über die Situation an den deutschen Theatern - hier speziell das in Stuttgart - schrieb Eduard Devrient in seiner dreibändigen 'Geschichte der Deutschen  Schauspielkunst' von 1874:
 

     

 

Absolutistische Herrscher, deutsche zudem, scheuten sich nicht, um Geld in die Hofkassen zu bringen, ihre Untertanen an ausländische – auch überseeische Machthaber zu verkaufen, so wie Friedrich II., Landgraf von Hessen, 12 800 Bürger seines Landes an die Engländer für den Krieg in Nordamerika, gibt Schiller’s Landesvater, Carl Eugen von Württemberg, ein Infanterieregiment an die Holländisch-Ostindische Handelskompanie zum Dienste nach Afrika.

Kritik an diesem System wagte kaum jemand und tat er es doch, musste er mit langjähriger Haft rechnen wie Christian Friedrich Daniel Schubart, der als Organist und Musikdirektor am Hofe Herzog Carls arbeitete, dann ins Exil flüchtete, vom Herzog unter einem Vorwand nach Württemberg zurückgelockt und zehn Jahre auf dem Hohenasperg eingesperrt wurde.

Dass Menschen dann doch wagten, sich gegen die bestehenden Regeln zu wenden, war im Verein der von England ausgehenden über Frankreich nach Deutschland sich verbreitenden Aufklärung zu sehen. Die ‘Glorious Revolution‘ in Britannien von 1688, der Parlamentarismus, die britische Verfassung wurden zum Vorbild der Intellektuellen am Kontinent, befruchteten die Strömungen in Richtung auf die Französische Revolution und verhalfen den europäischen Staaten von einem absolutistischen zu einem demokratischen Status.

Diese Form von 'Öffentliche Meinung' legte Missstände der jeweiligen Gesellschaft, Fehler der Regierungen offen und zeigte die Vernunft als oberste Richterin aller Institutionen der Gesellschaft auf.
Sie organisierten den Kampf gegen Mythen, Dogmen, Aberglauben und Kirche, als besonders absurd eingestuft wurde von ihnen das Christentum.
Sie verwandelten mit ihrer Respektlosigkeit von Paris aus das geistige Klima Europas.

Schiller selber sah die Notwendigkeit, Gelder in Menschen zu transferieren. Er war der Meinung, allein durch Kunst und Wissenschaft, Erziehung und Bildung sei die Welt aus ihren politischen und sozialen Drangsalen zu retten und sie so zur Freiheit, zur Befreiung von Gewaltherrschaft gelangen zu lassen.

1740 trat ein Preuße in den Mittelpunkt der Geschichte, der Mitteleuropa nachhaltig umformen sollte. Friedrich II. schaffte am ersten Tag seiner Regierungszeit, die immerhin bis 1786 währte, die Folter ab, sein Vater – Friedrich Wilhelm I. hatte immerhin noch auf jeden mit seinem Rohrstock eingedroschen, dazu gehörte auch der eigene Sohn, der sich in seinen Augen missliebig machte – er erklärte Religionsfreiheit und Pressefreiheit. Schon in der Zeit als er sich in Rheinsberg verbarrikadierte, begann er eine Korrespondenz mit Voltaire, die über vierzig Jahre geführt wurde und den französischen Dichter von 1750 bis 1753 als Aufklärer an den Hof von Potsdam band.
Und Württemberg eingezwängt zwischen Großstaaten mit seinem Absolutismus durch Herzog Carl Eugen.
 

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Eine Reihe von Erfindungen, mit denen die technische Revolution und der moderne Industriekapitalismus mit seinen Maschinen begann, ermöglichten ein vollständiges Umwälzen der Arbeitswelt.
James Watt entwickelte 1764 die Dampfmaschine, zunächst aber nur für Hebe- und Pumpvorgänge brauchbar.

1784, James Watt bringt seine Dampfmaschine von 1764 auf neuen Stand und sie wird zu einem allgemein anwendbaren ‘Triebwerk‘, das überall, unabhängig von z.B. Wasserkraft eingesetzen werden konnte und zu Industriekonzentrationen führte.

James Hargreaves baute eine zunächst mit Wasserkraft, ab 1790 über eine Dampfmaschine, angetriebene Spinnmaschine, die 16 bis 18 Fäden gleichzeitig erarbeiten konnte.

Der englische Landpfarrer Edmond Cartwright erfand 1786 den mechanischen Webstuhl, der die Webverfahren von Stoffen vom Handwebstuhl auf maschinelles und damit rationelleres Arbeiten umstellte.

Kapitalien vereinigten sich, um die Maschinen zu bauen, sie in neu zu schaffenden Hallen zu installieren und zu betreiben, um Massenprodukte herzustellen, die wieder große Mengen von Kapital erwirtschaften. Die eigentlichen Fabrikanten wurden von den Kapitalgebern ersetzt, die immer höhere Dividenden aus ihrem Kapital ziehen wollten. Eine Schraube ohne Ende, die mit einer Ausbeutung der Arbeiter seit den Steinbrüchen von Syracus und der Silbermine von Potosi – bei einer täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden und mehr unter unbeschreiblichen gesundheitlichen Bedingungen - nicht mehr gesehen wurde.
Die Bevölkerung als ‘Zwangsarbeiter‘ in den Fabriken.

Die zunftorientierte Bindung der Arbeiter gab es nicht mehr – die Werktätigen waren schutzlos den Kapitalisten ausgeliefert.
In Sachsen wurde ein Regierungsmandat ‘wieder Tumult und Aufruhr‘ erlassen. Erste Streiks von Handwerksgesellen und Arbeitern, die sich gegen die kapitalistische Ausbeutung zu wehren.
 
Um die Wende ins 19. Jahrhundert hatte England knapp 10 Millionen Einwohner, davon 30 Prozent freie Lohnarbeiter, Deutschland hat 23 Millionen, davon ein Prozent freie Lohnarbeiter. Während in London bereits eine Million Einwohner zählte, waren es in Berlin nur 172000 Menschen, England schon weitgehend industrialisiert, sind in Deutschland die wenigen Manufakturen noch in fürstlicher Hand.
 

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Die Auslaugung Frankreichs, durch den Devolutionskrieg 1667/1668, den Holländischen Krieg 1672 – 1678/79, den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697 und den Spanischen Erbfolgekrieg 1701 – 1714 führte zur Verarmung der Bevölkerung.

Das Ende der Monarchie bahnte sich an. Das Volk stürmte am 14. Juli 1789 die Bastille in Paris, in der Annahme, dass sich dort Waffen zu seiner Verfügung befänden. Im Rahmen der Revolution erhielten nur vier Prozent begüterte Franzosen das Wahlrecht, Frauen durften nicht wählen.

Truppen der großen europäischen Feudalstaaten Preußen, Österreich und der Bruder von Ludwig XVI. rückten 1792 in Frankreich ein, um die französische Monarchie zu schützen und den Umsturz zu verhindern.
Die französischen Revolutionstruppen – schlecht ausgerüstet, aber begeistert vom Umbruch – schlagen bei Valmy diese Armee zurück.
Goethe nahm mit Herzog Ferdinand von Braunschweig und Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach an dem Gefecht am 20.9.1792 teil und meinte am Abend nach der Artillerieschlacht zu einigen der Offiziere: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“

Die Franzosen eroberten das linke Rheinufer und gründeten als Mainzer Republik die erste demokratische Republik auf deutschem Boden, in der fast ein Siebtel der deutschen Bevölkerung lebt.
 

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In diesem zeitlichen und wirtschaftlichen Umbruch lebte Schiller unter dem direkten Einfluss des württembergischen Feudalherrn; der bestimmte über Ausbildung, ob, wo und wann sie stattfand.
Unter dem Zwang, dem Führungs- uns Gehorsamkeitsanspruch des 'Landesvaters' ausgesetzt, unter der beispiellosen Reglementierung auf der Karlsschule leidend, beeinflusst von dem Wenigen, was auf der Karlsschule vermittelt werden durfte, entwickelte Schiller sein literarisches Können. 'Götz' und 'Werther' rührten die Gemüter, Rousseau's Schriften zur Aufklärung wie auch Shakespeare's Poesie verfehlten die Wirkung nicht.
Als erstes dramatisches Werk erscheinen am 13. Januar 1782 'Die Räuber' - eine dramatische Familiengeschichte - auf der Bühne des Mannheimer Nationaltheaters.
Dem 'Fiesco' in Bonn folgen die Familiendramen folgende 'Luise Miller' für Frankfurt und 'Don Karlos' für Hamburg zeigen die Problematik eines Familienbundes, Adel und Bürger wie auch Zwänge durch Konventionen und Beeinflussung von außen.


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Schiller's Quellen wie die 1672 zum ersten Mal veröffentlichte Don Karlos-Geschichte von des Abbé Saint Réal zeigt ein düsteres Bild des Spanien unter Philipp II.

Elisabeth von Valois wird als Ehefrau an seiner Seite Opfer eines von der katholischen Kirche mit der von ihr gelenkten Inquisition inszenierten Komplotts. Auch wenn sie einen Teil ihres Hofstaates bei der Heirat mit Philipp II. mit bringen durfte, so isolierte gerade diese französische Enklave, außerhalb der spanischen Etikette, sie am Madrider Hof und setzte sie zusätzlich wegen ihrer jugendlichen Schönheit dem Neid und der Intrige aus.
Als 15-Jährige wurde sie mit dem 18 Jahre älteren und bereits zweifachen - durch Herrschaft über ein Reich von globalem Ausmaß belasteten - Witwer Philipp verheiratet.
Aus Pflichtbewusstsein heraus - auferlegt von der europäischen Heiratsdiplomatie - will sie den König zumindest ehren, wenn sie ihn schon nicht lieben kann. Mit der Raison dem Staat, der Ehe gegenüber versucht sie auch das Werben von Karlos abzuwehren. Sie versteht auch die Eboli, als diese ihr offenbart, den ihr zugedachten Grafen Gomez nicht lieben zu können und die ebenso wie sie 'geopfert' werden soll.

Durch die fehlende Integration in das unmittelbare Umfeld des Königs, das Verweigern des direkten Kontaktes zu ihrer Tochter, der frostige Umgangston des Gatten, lässt sie nach Wegen der Beteiligung an Entwicklungen außerhalb des Hofes denken. Immerhin ist sie die Tochter einer machtbewussten Mutter, der Königin von Frankreich, Katharina von Medici.

So findet sie den Plan, Karlos könne heimlich zu den von Ihr mit Sympathie bedachten Rebellen in den Niederlanden gehen, dem König so ungehorsam zu werden - ihn ausbrechen lassen, '
dreist' , 'kühn', 'groß' und 'schön'.

Wie sehr sie sich da zwar als unterdrückte aber doch als Herrscherin fühlt, dokumentiert das:

                                          - Frankreich
Versprech' ich ihm; Savoyen auch.
 

Nach Posa's Tod mahnt sie Karlos :

Mich wählte er zu seines letzten Willens
Vollstreckerin. Ich mahne Sie. Ich werde
Auf die Erfüllung dieses Eides halten.


Und der bekennt sich zum Auftrag, ohne dass er ein Opfer brächte, es aber von der Valois verlangt:
                                                   - Sei'n Sie
Ihm wieder Gattin. Er hat einen Sohn
Verloren. Treten Sie in Ihre Pflichten
Zurück - Ich eile, mein bedrängtes Volk
Zu retten von Tyrannenhand. Madrid
Sieht nur als König oder nie mich wieder.


In dieser Zeit kann sie - auch als Königin - nur stumme Beobachterin sein:

                                                   - ich darf mich nicht
Empor zu dieser Männergröße wagen;
Doch fassen und bewundern kann ich Sie.

 

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Schiller hat die eskalierende Auseinandersetzung zwischen Philipp und Karlos durch den Generationskonflikt wie auch durch den erschwerend hinzu kommenden Eifersuchtskonflikt zwischen Vater und Sohn geprägt.
Ersterer lässt als dogmatischer Katholik ohne menschliche Regung den Sohn aus Angst um die eigene Macht über Volk und Gemahlin durch die Inquisition töten, nachdem schon sein Vertrauter - der Marquis von Posa - aus dem Weg geräumt wurde. 
Das zunächst als Trauerspiel in fürstlichem Hause angelegte Werk mit den individuellen Verstrickungen der Valois, der Eboli, des Philipp, des Posa und des Karlos unterliegt der Ordnung der Macht im Spanien des 16. Jahrhunderts unter der 'Obhut' der katholischen Kirche, die sich gegen den Protestantismus stemmt. Gegenüber den Hauptrollen werden Alba, Domingo besonders dunkel gezeichnet - Verstellung und Betrug zeichnen deren Tun.

Posa versucht Karlos eine politische Erziehung angedeihen zu lassen, ihn zu infiltrieren, ihm die Augen für die Bedürfnisse der Menschen im Reich, in dem die Sonne nie untergeht, zu öffnen, zumal dieser durch seine Isolation am Hof nur bedingt urteilsfähig ist.
Im Gegensatz zur Königin, die sich der Überlegung einer Revolution in den Niederlanden sehr schnell anschließt, während der Thronfolger mit den Gedanken an die Liebe zu seiner Stiefmutter belegt ist. Ein sonderbarer Schwärmer, der bei Posa eher Erinnerungen an die Schulzeit beschwört als sich den Fragen der Gegenwart zu widmen. Nicht denen in den spanischen Landen, schon gar nicht global gesehen, was dem Malteserritter Posa schon aus seiner Erziehung im Orden möglich ist, wohl ausgestattet mit Visionen, die ihren Niederschlag nur kurze Zeit später in Frankreich finden werden und die sich auch Schiller unmittelbar vorher bereist zu eigen macht. So wird der Marquis Posa zu seinem Sprachrohr.

Der Marquis, gibt sich im Gespräch mit Philipp gegenüber völlig selbstlos, will sein Handeln an moralischen Begriffen ausrichten und nicht an Ehre, die durch gefälliges Auftreten zu erlangen ist. So hält er dem König vor:
Ich kann nicht Fürstendiener sein.

Dass innere und äußere Sicherheit, gewährt durch den Fürsten, als Gegenleistung völlige Loyalität des Bürgers bedinge, kann Posa nicht hinnehmen. Die Gesetzgebung schränke den Bürger im Denken und Handeln ein, so fordert er die Gedankenfreiheit, die es in einem absolutistischem Staat des 16. Jahrhundert nicht geben kann, sollte nicht alles in Frage gestellt werden.
Doch auch Posa weiß, sich Möglichkeiten zu schaffen, Einfluss zu nehmen, allein schon der Verzicht auf Ämter weckte das Vertrauen des Königs. Und der sieht, insgeheim strebte Posa nach Macht.

                                             Seine Neigung war
Die Welt mit allen kommenden Geschlechtern.


Posa scheitert letztendlich an der Kirche, die ihn auf jedem Schritt unter Kontrolle hatte. Aber er fällt nicht dem Hass des Großinquisitors anheim.

                                                         Das Blut,
Das unsrer Ehre glorreich fließen sollte,
Hat eines Meuchelmörders Hand verspritzt.
Der Mensch war unser - Was befugte Sie,
Des Ordens heil'ge Güter anzutasten?

-
Die prahlende Vernunft zur Schau zu führen.
Das war mein überlegter Plan. Nun liegt
Sie hingestreckt, die Arbeit vieler Jahre!
Wir sind bestohlen, und Sie haben nichts
Als blut'ge Hände.

Als Widerpart zeigt sich zu allen Gedankengängen des Posa die Prinzessin Eboli, um die der König bereits seit längerem wirbt. Sie, von Karlos verschmäht, zeigt sich gekränkt und will aus Rache Karlos wie die von ihm geliebte Königin vernichten.
So wird sie anfällig und schließlich zum Werkzeug des Alba und des Domingo, als sie dem König aus einer erbrochenen Schatulle der Königin Briefe zuspielt, die Karlos der Valois während ihrer Verlobungszeit, schrieb.
So wird die Überlegung Domigos, der wie Alba um Macht am Hofe kämpft, wahr, als:

                                                                 Jene Lilien
Von Valois zerknickt ein span'sches Mädchen
Vielleicht in einer Mitternacht.

 

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Michael Bleiziffer (nachfolgend mit MB bezeichnet) lässt als Regisseur und Oberspielleiter Schauspiel gemeinsam mit Bühnenbildner Karl-Heinz Steck im Velodrom die Seitenportale in den Bühnenraum übergehen.  Das Fachwerk mit großformatigen Kassetten schafft Spielflächen auf zwei Ebenen.
Verdeckt werden kann die Konstruktion auf der Hauptbühne mit einem Rundvorhang - die Seitenportale sind jeweils durch Schiebeflächen in untere und obere Segmente teil- und bespielbar.
Es ergeben sich so Möglichkeiten, die Vorgaben Schillers der Veränderung der Räume weitgehend zu übernehmen.
In der Mitte der hinteren Bühnenfläche ein Wasserbecken für den Garten von Aranjuez oder dieses bedeckt als zusätzlich in der Höhe abgesetzte Spielfläche nutzbar.

Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, wie es MB gelingt, großformatige Inszenierungen zu schaffen, erinnert sei z.B. an Faust I und II, Orestie, Peer Gynt - Kleinformatiges war immer wieder mit Schwierigkeiten behaftet wie 'Raub der Sabinerinnen', 'Was ihr wollt' oder kürzlich 'Der eingebildet Kranke'. Die Nutzung des gesamten Bühnenraumes - wie hier nun beim Karlos - entspricht offensichtlich der Auffassung für eine 'großatmige' Inszenierung.

Wie nun tut die MB-Strichfassung dem Werk genüge oder zerstückelt oder zerdehnt es.

Die Szene 3. Akt, sechster Auftritt ist gestrichen, wodurch sich die Verarbeitung des Untergangs der Armada von 1588 erübrigt,

Medina Sidonia.
         Ich verlor ihm eine Flotte,
Wie keine noch im Meer erschien - Was ist
Ein Kopf wie dieser gegen siebzig
Versunkne Gallionen?


Schiller hatte diesen Zeitsprung von 22 Jahren - 1566 Bildersturm in den Niederlanden - eingefügt, wodurch sich zwangsläufig Schwierigkeiten im Verständnis des Stückes ergaben und ergeben müssen.
Beschränkt man den Ablauf des Stückes auf einen bestimmten Zeitraum und legt das Spiel auf 1567 fest - dem Zeitpunkt der Entsendung Albas in die Niederlande -  so ist dies fassbar und in Bezug auf die Besetzung der Rollen für ein unbedarftes Publikum nachvollziehbar. Wer hat heute schon Schillers Originalfassung des Don Karlos von 1805 jederzeit parat.
Die Altersstruktur der Darsteller ergibt sich dann zwangsläufig, wobei die Frage ist, ob die Aussage Domingos 2. Akt, zehnter Auftritt

                                                  - Schrecklich ist
In diesem Körper dieser Geist - und Philipp
Wird sechzig Jahr' alt.

umgesetzt werden muss.

Umginge man dies, so wäre Philipp zum Zeitpunkt 1567 40 Jahre alt, Don Karlos die von ihm erwähnten 23 Jahre, Elisabeth ebenfalls 23 Jahre, Herzog Alba 59 Jahre, Graf Lerma 27 Jahre, Domingo ist als historische Figur nicht festlegbar, wie auch der Großinquisitor nicht.
Die Eboli ist 27 Jahre alt, historisch belegt ist sie allerdings schon seit 1559 mit Gomez de Silva verheiratet und hat bei dessen Tod 1572 10 Kinder mit ihm.
Hier also nutzte Schiller die dichterischen Freiheiten und lässt Gomez 1567 noch um die Prinzessin werben.
 

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Die Regensburger MB-Karlos-Inszenierung - ohne die typischen Mätzchen im Musiktheater gerade im Hause Regensburg - wird zunächst einmal geprägt vom Bühnenraum.

Die Kostüme von Uschi Haug, auf schmucklose dunkle Töne reduziert, wohl um das schwarz-weiß am damaligen spanischen Hof zu übernehmen, in schlanker Linie.

Die Eboli der Silke Heise in sich davon abhebenden Flattergewändern, ihr eigensinniges Naturell optisch betonend.

Marquis Posa von Christoph Bangerter hat leider keine Chance den Neudenker, den Weltumstoßer, den Weltverbesserer in einem entsprechenden äußeren Erscheinungsbild zu zeigen - in einem albernen T-Shirt kommt er daher als sei tatsächlich Malta von ihm soeben vor den Türken gerettet worden. Nicht die Spur von edel - man denkt an die beeinflussende Hand der Dramaturgie und ist entsetzt.

Elisabeth von Valois der Anna Dörnte in eng-anliegenden, langen Gewändern, eine junge Frau, die weiß, woher sie kommt und wie man sich bei Hofe gibt.

Legt man den Karlos als gleichaltrig mit ihr fest, beide sind 1545 geboren, so ist der Unterschied im Verhalten gegenüber der 'Mutter' deutlich. Roman Blumenschein gibt einen lebhaften jungen Kerl, der noch nicht so recht weiß, woher und wohin. Dass ihm aufgrund dieses seines ungestümen Verhaltens die Fähigkeit abgesprochen wird, ein Heer gegen aufständische niederländische Ketzer zu führen, ist nachvollziehbar.

Philipp II. von Anton Schieffer entspricht der Vorstellung eines 60-jährigen Allmächtigen in einem faltenlos fallenden, dunklen Mantel - distinguierter Auftritt. 
Hubert Schedlbauer als Alba - ohne Kahlschädel, ein junger Mann in seinem eleganten Anzug die Wohlbestallung am Hofe dokumentierend, in seinen Handschuhen immer auf Abstand zu den übrigen. Paul Kaiser als Lerma im Zweireiher, akkurat - er genügt der spanischen Form.
Silvia Rhode als Oberhofmeisterin Herzogin Olivarez, streng, hochgeschlossen, Doris Dubiel als muntere und hart bestrafte Marquisin von Mondecar in einem kessen Kostümchen mit aufgespanntem Sonnenschirm im Garten von Aranjuez.

Der Domingo von Michael Haake in einem Phantasie-Pastorengewand, der Großinquisitor von Miko Greza, ganz in weiß - als Unschuldslamm - auf einem Podest, aus dem Mittelteil des Fachwerks der Bühnenkonstruktion nach vorne gefahren.
 

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Nächste Vorstellung: Montag, 28.9.2009
 

 

 

 

FDieter Hansing