Schauspiel von Arthur Miller (1915-2005)
Inszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
Nach „Hexenjagd“ zeigen wir ein weiteres bedeutendes Drama von Arthur Miller. Es geht in diesem sehr aktuellen Theaterklassiker um die Frage, wieviel der Mensch noch wert ist in einer Gesellschaft, in der nur materieller Gewinn zählt und die Scheiternden keinen Platz mehr haben. Hat der Mensch noch eine Würde jenseits der Leistungsideologie?
Der Vertreter Willy Loman träumt den amerikanischen Traum, dass großer Fleiß zu großem Erfolg führt. Sein Leben lang hat der typische Selfmademan für die Familie gearbeitet, hat sich aufgerieben für seinen Job, hat darum gekämpft, ganz oben zu stehen – und konnte kaum die Raten für sein Haus zahlen. All seine Hoffnungen und Wünsche verlagerte er auf seine Söhne Biff und Happy, mit denen er Großes vorhatte: Sie sollten das erreichen, was er nicht geschafft hat. Doch beide halten den ehrgeizigen Erwartungen des Vaters nicht stand, versagen unter dem Erfolgsdruck. Biff, einst umschwärmter Sport-Star seiner Schule, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Happy interessiert sich mehr für leichte Mädchen als für die Karriere.
Willy Loman fühlt sich nach einem aufreibenden Berufsleben ausgebrannt und verbraucht. Der „American way of life“ wird für ihn zur Sackgasse. Weil er nicht mehr genügend Profit erwirtschaftet, wird er entlassen. Trotzdem hält er an seinen Illusionen fest, verklärt die eigene Vergangenheit, flüchtet in Tagträume und malt sich eine rosige Zukunft aus. In grotesk-tragischer Verblendung versucht er, wenigstens den Schein bürgerlichen Glücks zu bewahren.
Doch Biff konfrontiert seinen Vater schließlich schonungslos mit dessen jahrelangem Selbstbetrug. Das kunstvolle Geflecht aus Lebensträumen und Lebenslügen des Handlungsreisenden Willy Loman zerreißt. Die Katastrophe ist unvermeidlich. Sein letztes Geschäft macht Loman mit dem eigenen Tod.
Besetzung
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Willy Loman |
Martin Hofer |
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Linda |
Silvia Rhode |
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Biff |
Steffen Casimir Roczek |
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Happy |
Roman Blumenschein |
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Bernard |
Jochen Paletschek |
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Die Frau |
Anna Dörnte |
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Charley |
Michael Heuberger |
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Onkel Ben |
Heinz Müller |
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Howard Wagner |
Michael Haake |
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Miss Forsythe |
Anna Dörnte |
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Mädchen |
N.N. |
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Stanley |
N.N. |
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Stand 19.10.07 |
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"Ich befand
mich noch in
dem Stadium,
in dem ich
versuchte,
mich selbst
davon zu
überzeugen,
dass ich für
die
Geschichte
der Lomans,
wie ich die
Familie
nannte,
einen
strukturellen
Bogen finden
würde. Der
Name Loman
war eines
Abends
plötzlich
aufgetaucht,
während ich
meine vagen
Notizen
machte und
daran
zweifelte,
dass ich mir
dieses
Projekt als
nächste
Arbeit
vornehmen
wollte.
’Loman’
klang nicht
erfunden,
sondern nach
jemandem,
der
tatsächlich
gelebt
hatte, auch
wenn ich
niemanden
kannte, der
so hieß."
(Arthur
Miller –
'Zeitkurven'
– Seite 236)
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"Als Kazan mich
nach New Haven
einlud, um das
neue Stück von
Williams,
Endstation
Sehnsucht zu
sehen – der
Titel erschien
mir etwas zu
marktschreierisch
– konnte ich
eine gewisse
neidische
Neugier nicht
verhehlen, denn
es gelang mir
immer noch nicht
, mich voll und
ganz auf den
Handlungsreisenden
einzulassen, den
ich vorsichtig
umkreiste und
beschnupperte."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 241)
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|
"... und das
bestärkte
mich, als
ich mich
will Loman
zuwandte,
einem
Handlungsreisenden,
der immer
viele Worte
machte
Ich hatte
die ganze
zeit
gewusst,
dass dieses
Stück den
Rahmen des
konventionellen
Realismus
sprengen
musste, und
zwar aus
einem in dem
Drama
liegenden
Grund: In
Willy ist
die
Vergangenheit
ebenso
lebendig wie
das, was im
Augenblick
geschieht;
manchmal
überfällt
sie ihn mit
einer
solchen
Wucht, dass
er von ihr
völlig
überwältigt
wird."
(Arthur
Miller –
'Zeitkurven'
- Seite 242)
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"Ich musste sie
auf diesen Platz
stellen und ihr
einen Fußboden
geben, dort
musste ich mich
hinsetzen und
die gefährliche
Expedition in
mich selbst
hinein beginnen
. Im Grunde
hatte ich nicht
mehr als die
ersten beiden
Sätze und einen
Tod – “Willy!“
und “Alles in
Ordnung. Ich bin
wieder da.“
Weiter war ich
nicht
vorgedrungen,
wagte ich nicht
vorzudringen,
bis ich in
dieser Hütte mit
vier Wänden,
zwei Fenstern,
einem Fußboden
und einer Tür
saß."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 244)
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"Er wollte
herausragen, er
wollte
Anonymität und
Bedeutungslosigkeit
überwinden, er
wollte lieben
und geliebt
werden, und
vielleicht vor
allem,
er wollte
zählen."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 245)
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"Willy ist im
ersten Akt
allein in der
Küche und redet
mit sich selbst,
und als seine
Erinnerungen ihn
überwältigen,
hellt das Licht
sich auf, die
Schatten der
Bäume falle wie
früher auf das
Haus , und in
diesem Moment
rufen die
Söhne mit ihren
kindlichen
Stimmen nach ihm
und treten auf,
als seien sie
noch
zehnjährige."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 252)
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|
"Willy blickt auf
den Bürostuhl,
auf dem früher
Frank, Howards
Vater, saß der
Willy als
Belohnung für
seine gute
Arbeit einen
Anteil an der
Firma
versprochen
hatte. Während
dieser Szene
musste der Stuhl
so lebendig
werden, als säße
der alte Boss
noch drauf, wenn
Willy fragt:
“Frank , Frank
erinnerst du
dich nicht
daran, was du zu
mir gesagt hast?
...“ der Stuhl
sollte nicht
beleuchtet
werden, sondern
unmerklich
anfangen zu
leuchten. Aber
das war nicht
nur
Theaterzauber;
es unterstrich,
dass wir uns in
Willys System
des Verlustes
hineinbegeben
hatten, dass wir
die Welt so
sahen wie er,
selbst, wenn wir
eine kritische
Distanz wahrten
und sie mit
unseren Augen
wahrnahmen."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 252 / 253)
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|
"Er genoß die
Ängste der
Figur, anstatt
sie zu
durchleiden.
Aber diese
Probleme
verstärkten nur
meine
Überzeugung: das
unter meiner
Mitwirkung
entstandene
Regiekonzept
hatte irgendwie
die kanten
meiner
ursprünglich
sehr viel
aseptischeren
Intention
abgeschliffen.
Damals kannte
ich Brecht nicht
und auch keine
andere Theorie
der
theatralischen
Verfremdung. Ich
hatte einfach
das Gefühl von
zu großer
Identifikation
mit Willy, von
zu vielen
Tränen. Das
Mitgefühl
überdeckte die
Ironie des
Stücks. Ich
erinnerte mich
daran, dass ich
schließlich für
drei leere
Spielflächen
geschrieben
hatte, zum Klang
einer flöte und
ohne glättende
Übergänge – eine
schneidend
scharfe
Struktur, dachte
ich. Aber
gleichzeitig
konnte ich meine
zärtlichen
Empfindungen für
diese Gestalten
nicht leugnen."
(Arthur Miller –
'Zeitkurven'
-
Seite 259)
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"Ich glaube, die
ganze Aufführung
war ungewöhnlich
in der
Offenheit, mit
der jeder
beteiligte
Künstler seine
eigene Wahrheit
sucht. Es war
ein tägliches,
beinahe von
Moment zu Moment
stattfindendes
Überprüfen von
Ideen. Dieses
Stück forderte
vieles, was noch
nie zuvor auf
der Bühne
geschehen war,
und das verlieh
unseren
Diskussionen
darüber, was die
Zuschauer
verstehen oder
nicht verstehen
würden, eine
ungewohnte
Erregung. Ich
hatte mir eine
Bühne drei
leeren
Spielflächen
vorgestellt und
nur das absolut
notwendige
Mobiliar für
eine Küche und
zwei
Schlafzimmer,
wobei die Szenen
im Hotelzimmer
in Boston und in
Howards Büro im
freien
Bühnenraum
spielen sollten.
Jo Mielziner
übernahm die
Idee der drei
Spielflächen und
entwarf um sie
herum eine
romantische,
traumähnliche
Umgebung, die
aber
gleichzeitig
untere
Mittelklasse
suggerierte.
Kurz gesagt,
sein Bühnenbild
war ein Symbol
für Willys große
Sehnsucht nach
den Versprechen
der
Vergangenheit,
mit denen sein
derzeitiger Bewußtseinszustand
ständig im
Konflikt liegt.
Insofern war das
Bühnenbild
poetisch und
dramatisch
zugleich."
(Arthur Miller –
Zeitkurven –
Seite 250)
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Arthur Miller
zeigt in seinen
biographischen
Aufzeichnungen
'Zeitkurven'
Hintergründe
seines Lebens
und die damit
einhergehende
Entwicklung
als Dramatiker
auf.
Geprägt durch
ein zunächst
sorgenfreies
Leben in einem wohlhabenden
Elternhaus,
Vater
Textilunternehmer,
"[ein Mann , der
nicht in
Restaurants mit
dicken
Wassergläsern
geht; er hat
eine der damals
zwei oder drei
größten
Bekleidungsfabriken
des Landes
aufgebaut und
kann keine
Sprache lesen
oder
schreiben.[...]"
(Arthur Miller –
'Zeitkurven' –
Seite 8)
Die
Weltwirtschaftskrise
führt auch die
Familie Miller
in die
Depression, die
Mantelproduktionen
müssen
aufgegeben
werden - Arthur
jobt, um sich
das Geld für
sein Studium zu
verdienen. Aus
eigener
Erfahrung weiß
er wie sich ein
gesellschaftlicher
Abstieg
'anfühlt' - kann
also die
Situation seiner
Figur des Willy
Loman
nachvollziehen. Durch eine
gewisse
Übertreibung
erhält sie noch
stärkeren
Ausdruck.
Die
Vergangenheit,
dargestellt in
leuchtend guten
Zeiten, dann die
Realität mit den
Problemen des 'Nicht-bewältigen-könnens'
der aktuellen
Situationen und
deren Probleme.
Speziell hier
nun im Stück die
Aussichtslosigkeit
durch eine
fehlende
Selbstkritik,
ohne die
Möglichkeit,
sich selbst
richtig
einzuschätzen
und durch das 'Sich-überheben-über-die-Situation'
wiederum sich
selbst aber eben
auch andere aus
einer richtigen
Betrachtung der
Lage
herauszuhalten.
Die Söhne
glauben
irgendetwas, vom
Vater über Jahre
ihnen vorgegaukelt,
eingetrichtert
irgendwas von
Beliebtsein
reiche schon
aus, um sein
Leben zu
meistern
- alle laufen
dem Vater in
seiner
Fehleinschätzung
im Land der
unbegrenzten
Möglichkeiten
hinterher und Mutter
Lina applaudiert
geradezu den
ganzen
Vorgängen, da
sie alles, was
Willy Loman -
auch in seinen
Launen - macht,
deckt und
richtig findet.
|
Der Regisseur
des Films 'Tod
eines
Handlungsreisenden'
Volker
Schlöndorff - mit
Dustin Hoffman
als Loman - gibt
vor, es habe
sich nicht viel
geändert in der
amerikanischen
Wirklichkeit,
seit der
'Handlungsreisende'
zum ersten Mal
seine
Musterkoffer auf
die Bühne
geschleppt habe.
Es gäbe auch
noch den Traum
der Amerikaner,
es zur Nummer
eins zu bringen.
Beispiele
hierfür, dass
dies möglich ist,
zeigen die
Entwicklungen
der letzten
Jahre:
Bill
Gates, der 1975
Microsoft
gründete und
heute der
zweitreichste
Mann der Welt
ist oder Larry
Page und Sergey
Brin, die Google
seit
1998 aufbauen,
dessen
Börsenwert mit
Stichtag 19.
Oktober 2007
rund 200
Milliarden USD
betrug; der
Börsenkurs stand
an diesem Tag
bei 650 USD.
Entscheidend
ist, dass hier
und für eine
derartig rasante
Entwicklung der
Firmen wie auch
die der Gründer
eines bedingte:
das geistige
Potential, das
Durchsetzungsvermögen,
die richtige
Einschätzung der
eigenen
Möglichkeiten
und des Marktes,
um den Plan
nicht in den
Sand zu setzen.
|
Im Falle der
Familie Lomann,
mit William,
Linda, Biff und
Happy fehlen
diese
Voraussetzungen.
Mag anfänglich
und so in der
Vergangenheit
der Markt für
die von Willy
Lomann
vertretenen
Produkte noch
gegeben und
stabil gewesen
sein, so hat
sich im Laufe
der Zeit
offensichtlich
das
Käuferverhalten
verändert, so
dass vom
verantwortlichen
Familienvater
nicht mehr genug
umgesetzt werden
kann.
Diese
Veränderungen
werden nicht
erkannt, Loman
schaut permanent
nach hintern,
wie alles war,
fragt aber
nicht, "wie alles
sein wird" und
gerät so immer
mehr ins
Abseits.
Allerdings er
kennt er, dass
er sich mit
seiner Art,
aufzutreten,
lächerlich
macht.
Happy, der
jüngere Sohn,
"[...] ist groß
und kraftvoll.
Seine Sexualität
ist sichtbar wie
eine Hautfarbe
oder wie ein
Duft, den viele
Frauen gespürt
haben. [...]"
Er wartet auf
das Ableben des
Abteilungsleiters,
um selber auf
die Position zu
kommen.
Bereits das
dritte mal hat
er sich an die
jeweilige Frau
eines
Vorgesetzen
rangemacht und
sie für sich
gewonnen, also
eine bestehende
Beziehung
beschädigt und
er fragt sich
"[...] Ist das
nicht ein mieser
Charakterzug?
[...]"
Biff der andere
der beiden Söhne
"[...] ist
zwei Jahre älter
als sein Bruder
Happy, kräftig
gebaut [...]
seine Träume
sind stärker und
schwieriger zu
verwirklichen
[...]" und
er stiehlt.
Mal einen Anzug
in Kansas City,
mal den
Füllfederhalter
vom Tisch des
Bill Oliver, mal
Kanthölzer, mal
Sand von einer
Baustelle, mal
einen Karton
Basketbälle, mal
einen Ball aus
dem Geräteraum -
und "[...]
Willi lacht mit
ihm über den
Diebstahl [...]"
Beide haben nach
eigener
Einschätzung
"[...] nicht
gelernt, hinterm
Geld herzusein.
Ich kann es
einfach nicht.
.[...]"
Zumindest lassen
die Söhne
Einsicht
erkennen. Auch
Biff ist am Ende
des Werkes der
Meinung
"[...] Ein
Nichts bin ich
[...] Ich bin
nun mal, was ich
bin, sonst
nichts. [...]"
Linda
beschönigt:
"[...] Er ist noch
auf der Suche
nach sich
selbst.[...]"
muss später
mahnen:
"[...] Biff, du
kannst dich
nicht dein Leben
lang nur
umsehen, nicht
wahr.]...]"
Seiner
Mutter gegenüber
muss er
eingestehen:
"[...] Ich krieg
es nicht in den
Griff, Mom. Ich
krieg' mein
Leben einfach
nicht in den
Griff. [...]"
Linda, die
typische in
jeder Hinsicht von
Männern
abhängige
Ehefrau kann das
Verhalten des
Gatten nicht
richtig
einschätzen -
entweder sie
merkt es nicht
oder macht gute
Miene, um
Streitigkeiten
aus dem Weg zu
gehen.
Ihr Verhalten
auch den
erwachsenen
Söhnen gegenüber
- hier in Bezug auf
den Vater -
dokumentiert
aber ihre
unkritische
Einstellung, da
sie die
Situation
mangels
geistiger
Möglichkeiten
nicht
übersehen
kann.
Und Loman
kommentiert:
"Das Problem
ist, dass er
faul ist,
verdammt noch
mal!"
Und zehn
Zeilen weiter:
"[...] Und so
ein fleißiger
Kerl dazu. Weil
eins muss man
Biff lassen:
Faul ist er
nicht.[...]"
Fällt Biff
durch eine
Prüfung, ist der
Lehrer Schuld:
"[...] Er muss dir
die Punkte
geben. Dafür
wer' ich schon
sorgen.[...]"
Die
Beurteilung des
Autos fällt
zunächst positiv
aus: "[...]
Linda, der
Chevrolet ist
bis dato das
beste Auto
überhaupt.[...]"
Kurz darauf
heißt es aber:
"[...] Dieser
gottverdammt
Chevrolet, so
ein Fabrikat
gehört überhaupt
verboten, gehört
das! [...]"
Das stetige 'Sich-etwas-vormachen'
dokumentiert
sich besonders
im Aufzählen
gemachter
Umsätze.
"[...] In
Providence hab'
ich fünfhundert
Umsatz gemacht
und
siebenhundert in
Boston.[...]"
Um gleich
darauf zu
revidieren:
"[...] Also,
nein - es waren
- grob geschätzt
zweihundert
Umsatz auf der
ganzen
Reise.[...]
Entscheidend
ist
die
Weltfremdheit
mit der alle
Lebensbedingungen
und Situationen
von Loman
beurteilt
werden, selbst
wenn es sich um
den Kauf einer
Waschmaschine
handelt
"[...]
WILLY
Hoffentlich war
das Ding kein
Fehlkauf.
LINDA
Hatte die größte
Reklame von
allen!
WILLY
Weiß ich, ist'n
gutes Gerät.
[...]"
Bei einer Spur
von
Selbsterkenntnis
schränk Linda
Lomans Urteil
sofort ein:
"[...]
LINDA
Willy, Liebling,
du bist ein
Prachtkerl -
WILLY
Ach nein, Linda.
LINDA
Für mich bist
du's. Pause. Der
Prächtigste von
allen. [...]
Spürt Linda,
dass sie geistig
zu schwach ist
und sich sich
diesen Mann nur
mit diesen
Schönreden für
sich halten
kann?
Die ständigen Loman überkommenden
Erinnerungen,
die in
Selbstgesprächen
mitgeteilt
werden, zeigen
eine
Bewusstseinsspaltung,
die von den
Söhnen
registriert wird
und dann auch
dazu führt, dass
Biff einsieht:
"[...] Und ich
hab's nie zu was
gebracht, weil
du mit einen
solchen
Größenwahn
eingeredet hast,
daß ich von
niemandem mehr
Anweisungen
entgegennehmend
wollte! [...]"
|
Dass die gesamte
Familie Loman
mit ihren
Einschätzungen
aufgrund
mangelnder
Intelligenz
falsch liegt,
dokumentieren
die Erfolge in
der
unmittelbaren
Umgebung diese
Loser.
Ben, der Bruder
von Willy Loman
ging in die Welt
und reist als
reicher Mann nur
mal eben durch -
und Loman
bedauert
"[...] Warum bin
ich damals nicht
mit meinem
Bruder Ben nach
Alaska! Ben, das
war eine Genie,
der Erfolg in
Person![...]"
"[...] Onkel
Ben betritt mit
Koffer und
Regenschirm die
Vorderbühne, von
der rechten
Seite des Hauses
kommend. Er ist
kräftig, in den
Sechzigern, mit
Schnurrbart und
beeindruckenden
Gebärden. Er ist
Meister seines
Schicksals, und
eine Aura weiter
Ferne umgibt
ihn. [...]"
Biff gibt er
den Rat:
"[...] Kämpf
niemals fair mit
'nem Fremden,
mein Junge.
Sonst schaffst
du's nie im
Dschungel.
[...]"
Nachbar Charley und sein
Sohn Bernard
schätzen ihre
persönliche Situationen
richtig ein und
gehen ihren Weg,
hier ist der Sohn,
eifrig auch beim
Lernen in der
Schule schon -
er wollte Biff
immer wieder
animieren, sich mit
ihm vorzubereiten -
am Ende
Anwalt geworden.
Sie alle träumen
nicht
irgendeinen 'amerikanischen
Traum', sondern
machen aus sich
das, was möglich
war und ist und
ganz ohne
Sentimentalitäten.
Gefühle sind
Luxus und den
können sich die Lomans am Wenigsten
erlauben.
|
Jeder kommt an,
wenn er wirklich
was kann.
(Fritz Rotter)
|
Rainer
Sellmaier
baut für die
Regensburger
Bühne einen
Zeittunnel, der
stark an den an
der DOB für
Wagners Ring in
der Götz
Friedrich
Inszenierung
erinnert. Ein
Laufsteg, von
der Vorderbühne
bis in den
Hintergrund der
Szene sich
verjüngend,
verlaufend.
Die Einschnitte
zwischen den
Ringen des
Tunnels lassen
die Möglichkeit,
über Einschübe,
Szenenwechsel zu
verdeutlichen.
Das Schlafzimmer
der Eltern Loman,
das
Kinderzimmer,
das Büro von
Howard Wagner,
das
Arbeitszimmer
von Bernard, dem
Anwalt.
Auftritte aus
dem überdachten
Orchestergraben,
Abgänge über die
Zwischenräume
der Ringe
schaffen
vielfältige
Möglichkeiten
den Ablauf der
Handlung zu
gestalten.
Das Stück ist
geprägt durch
Szenen, in der
Gegenwart und in
der
Vergangenheit
spielend, in
Scheindialogen
mit Figuren aus
Lomans Leben
oder seinen
Selbstgesprächen.
Die Regensburger
Michael-Bleiziffer-Inszenierung
fließt dahin,
bindet Gewesenes
und gerade
Stattfindendes
ineinander, so
dass der
Zuschauer -
kennt er das
Stück nicht oder
nicht genug -
kaum
unterscheiden
kann, was war,
was ist jetzt.
Szenen werden
verflochten,
'die Frau' sitzt
plötzlich vor
Linda auf deren
Küchentisch -
nur mit viel
Fantasie kann
der Zuschauer
hier trennen.
Das Licht hilft
dem Betrachter
nur bedingt,
eigentlich
garnicht, zu
differenzieren.
Dies gilt auch
für die Kostüme.
Dass gerade bei
der Kleidung der
Söhne nicht
deutlicher wird,
es handelt sich
um Szenen mit
14- oder
Mittedreißig-Jährigen,
verwischt die
zeitlichen
Abgrenzungen.
Wird dann über
die Gestaltung
der Sprache kein
Unterschied
zwischen gestern
und heute
gemacht,
entsteht eine
einheitliche
Prägung - alt
und neu fließen
ineinander über.
Eine
überdeutliche 'Verunklarung'
ist die Folge.
|
Eine Rezensentin
meinte in ihrer
Besprechung nach
der Premiere,
das Stück sei
auch heute noch
aktuell.
Wie recht sie
hat!
Meint sie
allerdings nur
die Frage der
Alterarbeitslosigkeit,
so greift sie zu
kurz, denn viel
wichtiger in
diesem Stück ist
der
Selbstbetrug,
der Mangel an
Selbstkritik,
das falsche
Einschätzen
seiner selbst
und der
jeweiligen
Situation.
Beispiele hierzu
ließen sich in
Regensburg
besonders bei
den Politikern
in großer Menge
anführen, werden
doch hier -
geradezu in
Permanenz - der
Bevölkerung
scheinbare
Fakten und
angebliche
Entwicklungen
vorgeführt, die
nur mit einem
völligen
Verkennen der
jeweiligen
Situation und
Wunschdenken
erklärt werden
können. Wie das
ganze dann
inszeniert wird,
lässt auch noch
an einem Minimum
an Denkfähigkeit
zweifeln.
Ständig sich
selber und auch
noch der
Umgebung etwas
vorzumachen,
zeigt 'Der Tod
eines
Handlungsreisenden'.
Dieser lässt
sich ohne
weiteres auf das
Denken und
Handeln der
Politik in
Regensburg
übertragen. Auch
hier fragt der
Betrachter, wie
im Falle bei
Willy Loman, wie
kann der Mann
nur so dämlich
sein.
So wie das Stück
von Arthur
Millers
aufklärt, das
Publikum im
Theater
Regensburg die
Situation auf
der Bühne
betrachtet und
für sich deutet,
so sieht die
Bevölkerung in
der Stadt wie
sich der
Stadtrat mit
seinen
Mitgliedern -
gleich welcher
Couleur - in
Widersprüchen
verzettelt, dass
die
Wahlberechtigten
sich fragen:
'Was soll ich
tun, von denen
kann man doch
keinen wählen.
Gehe ich
garnicht zur
Abstimmung,
mache ich mein
demokratisches
Recht zunichte -
es bleibt mir
nur, den
Wahlzettel
ungültig zu
machen.'
Und so wird es
wohl kommen.
|
Martin Hofer
als Willy Loman
knüpft in dieser
Produktion an
frühere
Rolleninterpretationen,
in Stücken wie,
'Faust', 'Orestie'
- zum Ende
seiner Zeit auf
der Regensburger
Bühne, er soll
selber gekündigt
haben. Nicht an
'Peer Gynt',
nicht an
'Kasimir und
Karoline', nicht
an den
'Theaterdirektor
Striese'.
Im
Handlungsreisenden
vermag er die
Zerrissenheit
der Figur in
ihrer
Falscheinschätzung
vermitteln und
doch könnte über
die Sprache,
über die
Körperhaltung
dem Zuschauer
mehr noch
verdeutlicht
werden, es
liegen
Jahrzehnte
zwischen den
Szenen, es taten
sich
altersbedingte
bzw.
wirtschaftliche
Entwicklungen
auf, dazu
durchgehend die
eigenen
Fehleinschätzungen
im Ablauf des
Werkes.
Es fehlen bei
ihm stärkere
Abstufungen, die
dann langsam zur
Entscheidung
einer
Selbsttötung
führen. Wie
sagte ein
Zuschauer in der
Pause: "Der
Hofer ist wie
immer."
Die Produktion
hat bis auf
weinige
Ausnahmen
fortlaufend das
gleiche Tempo,
so dass Martin
Hofer das Ende
für den
Zuschauer sich
nicht anbahnen
lässt, sondern
in der letzten
Szene mit Ben
nicht
verdeutlichen
dies völlig
überraschend
kommt. Loman
wirft das Geld
hin " ich
brauche es nicht
mehr!"
Dass die
Schnelle des
Finales auch
dadurch
unterstrichen
wird, dass Loman
noch nicht
einmal im
überbauten
Orchestergraben
verschwunden
ist, das
Motorgeräusch
unvermittelt
einsetzt und
schon das
Requiem beginnt,
bringt eine
völlig
unbotmäßige
Atemlosigkeit in
den Abend.
|
Die Söhne,
eingebunden in
das falsche
Lebensbild des
Vaters und in
das eigene
Unvermögen -
Veranlagung und
Umwelt -
straucheln,
stürzen -
verrecken
irgendwo an
einem Bahndamm.
Happy wird es
noch am ehesten
schaffen, diesem
Los zu entgehen,
er wird zu
irgendeiner Frau
flüchten, er
denkt nicht
weiter drüber
nach -
Hauptsache
Weiber. "Ich
werd' heiraten."
Roman
Blumenschein
zeigt den
Sorglosen - und
doch hat er noch
am ehesten Boden
unter den Füßen.
Zwar ist er auch
eingebunden in
den Zyklus der
Selbstüberschätzung
"bevor das Jahr
rum ist, bin ich
Abteilungsleiter!"
- aber er hat
seine Potenz,
mit der sich das
Leben gestalten
lässt. An
Untergang ist
hier nicht
unbedingt zu
denken.
|
Biff stürzt über
seine
kleptomanische
Anfälle - es
kommt über ihn,
er nimmt neben
anderem auch den
Füller seines
eventuellen
Geldgebers,
lässt 'das Teil'
einfach mitgehen
und Vater Loman
beschwichtigt.
Irgendwann am
Abend fragt sich
der Zuschauer,
wie kann der
alte Mann nur so
dämlich sein?
Immerhin sieht
Biff das Problem
und den Ausweg,
weg von hier in
ein eigenes
Leben. Die
Flucht in den
Arm, auf den
Schoß der Mutter
verdeutlicht die
Angst des
erwachsenen
Kindes vor dem
Leben, ein
Leben, das der
Vater beschrieb,
das aber in
Verkennung der
Tatsachen dem
Heranwachsenden
etwas
vorgaukelte, das
sich nicht
erfüllte und in
Ermangelung
dessen immer
wieder zu
Übergriffen auf
fremdes Eigentum
führte.
Steffen
Casimir Roszeck
hat die
Möglichkeit, das
Straucheln und
das Lügen zu
verdeutlichen.
Eine Entwicklung
von seinem mit
den Armen
hampelnden
'Pinneberg',
zwar wieder zu
einem
Absturzgefährdeten,
aber doch
inzwischen
weitergekommenen
Darsteller in
der Rolle dieses
sentimentalen
Selbstbetrügers.
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Linda
unterstützt noch
den Niedergang
der Familie,
zwar behält sie
den Überblick
über die
Finanzen, gibt
aber keine
Hinweise, wie
Vater Loman und
die Söhne durch
kritisches
Betrachten der
Gesamtsituation
das Leben
meistern
könnten.
Silvia Rohde
gelingt es kaum,
die Fígur zu
verdeutlichen,
das Schwanken
zwischen
Affenliebe
gegenüber den
Kindern, das
erst am Ende des
Abends deutlich
den Söhnen
gegenüber
werden, das
Umgaukeln des
Willy Loman mit
ihrer blinden
völlig
unkritischen
Liebe, die
unmittelbare
Gefahr um das
Leben ihres
Mannes nicht
erkennend.
Am Grab stellt
Linda fest, sie
könne nicht
weinen - Silvia
Rhode hätte
Grund.
Handfest steht
sie da, dass man
ihr das vom Text
vorgegeben
Gefühlsleben
nicht abnehmen
kann.
Wie langsam
sprechen nichts
an
Verinnerlichung
vermitteln kann,
bringt auch
Rasanz im
Textvortrag
keine
Intensität. Das
gilt
grundsätzlich.
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Michael
Heuberger,
selten
überzeugte er so
wie hier als
Nachbar Charley,
der einzige
Freund des Willy
Loman, er lässt
sich beschimpfen
und steht doch
zu dem
Verlorenen.
Hat man ihn in
den
verschiedensten
Rollen in
Erinnerung, so
selbstverständlich
war er hier als
der unaufgeregte
solide
Biedermann.
Der junge und
zappelige, dann
der 'gesettelte'
und ruhig, aus
eigener
Lebenserfahrung
resultierend,
Lebensberatung
durchführende
Anwalt Bernard
von Jochen
Paletscheck
- noch nicht
viel zu sehen,
aber er scheint
etwas
mitzubringen.
Regensburg kann
es gebrauchen.
Heinz Müller
steht als
Ben ohne zu
beschönigen
mitten im Leben,
hier 'unverhuscht',
im Gegensatz zu
dem jüngst noch
gesehenen 'Mariza-Penizek'.
Immerhin, er
kann Das und
Dies - und der
geht auch weg.
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Anna Dörnte,
eben noch die
unselige 'Maria
Magdalena', hier
als Frau und
Mrs. Forsythe,
spröde und - mit
der kann man
doch nichts
haben, für Willy
Loman muss es
reichen - so wie
Frau Dörnte es
spielt -
reizlos.
Michael Haake
- kein 'Held auf
Anstellung' wie
Achill oder
Orest, die er
nicht erfüllen
kann, sondern
glatt als
Stanley und grob
als Howard
Wagner.
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Das Publikum
kicherte über
die
'Außergewöhnlichkeit'
des Willy Loman,
wie die
Regensburger
Bevölkerung den
Kopf schüttelt
über den
Stadtrat und
Namen verteilt
wie 'Fehlent-Schaidinger'
oder
'Hohlbergs'.
Es war an diesem
30.12.2007
zahlreicher
erschienen als
zur 'Mariza' am
26.12.07 und
noch deutlicher
war der Zuspruch
als bei mancher
der in den
letzten Wochen
dargebotenen
'Hoffmann' -
Vorstellungen.
Michael
Bleiziffer
zeigte eine fast
zu sehr in sich
geschlossene
Produktion.
Die
Möglichkeiten
optisch und über
die Sprache die
verschiedenen
Zeiträume, die
in sich
gekehrten Szenen
deutlicher zu
machen, nutzte
er nicht
genügend.
Immerhin - das
lohnt sich, das
Hingehen und das
Anschauen und
das 'Schlüsse-ziehen'
mit der
Quintessenz:
macht euch
selber nichts
vor und lasst
euch von
niemandem etwas
vormachen.
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Als Premieren-Abonnent
Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine
Meinung. Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu
Geglücktem oder Misslungenem. Neben Sachaussagen enthalten die
Texte auch Überspitztes und Satire. Für diese nehme ich den
Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch. In die
Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare
herauszufordern. Dieter Hansing
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