"Nun weiß es die Welt!"
 

 
     
    Theater Regensburg

  
  30.12.07

      Repertoirevorstellung

 
 
'Tod eines Handlungsreisenden'
     
    Schauspiel von Arthur Miller

 
      
     "Wenn ich das vorher gewusst hätte,
     hätte ich anders besetzt."

    
(Oberspielleiter Bleiziffer während der Einführungsmatinee am 18.11.2007)

 

 
 

 
     
 
 

 

Announcement Theater Regensburg - Stand 19.10.07

Tod eines Handlungsreisenden

Schauspiel von Arthur Miller (1915-2005)

I
nszenierung: Michael Bleiziffer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier

Nach „Hexenjagd“ zeigen wir ein weiteres bedeutendes Drama von Arthur Miller. Es geht in diesem sehr aktuellen Theaterklassiker um die Frage, wieviel der Mensch noch wert ist in einer Gesellschaft, in der nur materieller Gewinn zählt und die Scheiternden keinen Platz mehr haben. Hat der Mensch noch eine Würde jenseits der Leistungsideologie?
Der Vertreter Willy Loman träumt den amerikanischen Traum, dass großer Fleiß zu großem Erfolg führt. Sein Leben lang hat der typische Selfmademan für die Familie gearbeitet, hat sich aufgerieben für seinen Job, hat darum gekämpft, ganz oben zu stehen – und konnte kaum die Raten für sein Haus zahlen. All seine Hoffnungen und Wünsche verlagerte er auf seine Söhne Biff und Happy, mit denen er Großes vorhatte: Sie sollten das erreichen, was er nicht geschafft hat. Doch beide halten den ehrgeizigen Erwartungen des Vaters nicht stand, versagen unter dem Erfolgsdruck. Biff, einst umschwärmter Sport-Star seiner Schule, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Happy interessiert sich mehr für leichte Mädchen als für die Karriere.
Willy Loman fühlt sich nach einem aufreibenden Berufsleben ausgebrannt und verbraucht. Der „American way of life“ wird für ihn zur Sackgasse. Weil er nicht mehr genügend Profit erwirtschaftet, wird er entlassen. Trotzdem hält er an seinen Illusionen fest, verklärt die eigene Vergangenheit, flüchtet in Tagträume und malt sich eine rosige Zukunft aus. In grotesk-tragischer Verblendung versucht er, wenigstens den Schein bürgerlichen Glücks zu bewahren.
Doch Biff konfrontiert seinen Vater schließlich schonungslos mit dessen jahrelangem Selbstbetrug. Das kunstvolle Geflecht aus Lebensträumen und Lebenslügen des Handlungsreisenden Willy Loman zerreißt. Die Katastrophe ist unvermeidlich. Sein letztes Geschäft macht Loman mit dem eigenen Tod.

Besetzung
 
  Willy Loman Martin Hofer
  Linda Silvia Rhode
  Biff Steffen Casimir Roczek
  Happy Roman Blumenschein
  Bernard Jochen Paletschek
  Die Frau Anna Dörnte
  Charley Michael Heuberger
  Onkel Ben Heinz Müller
  Howard Wagner Michael Haake
  Miss Forsythe Anna Dörnte
  Mädchen N.N.
  Stanley N.N.
     
  Stand 19.10.07  
     

 

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"Ich befand mich noch in dem Stadium, in dem ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen, dass ich für die Geschichte der Lomans, wie ich die Familie nannte, einen strukturellen Bogen finden würde. Der Name Loman war eines Abends plötzlich aufgetaucht, während ich meine vagen Notizen machte und daran zweifelte, dass ich mir dieses Projekt als nächste Arbeit vornehmen wollte. ’Loman’ klang nicht erfunden, sondern nach jemandem, der tatsächlich gelebt hatte, auch wenn ich niemanden kannte, der so hieß."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' – Seite 236)
 


 

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"Als Kazan mich nach New Haven einlud, um das neue Stück von Williams, Endstation Sehnsucht zu sehen – der Titel erschien mir etwas zu marktschreierisch – konnte ich eine gewisse neidische Neugier nicht verhehlen, denn es gelang mir immer noch nicht , mich voll und ganz auf den Handlungsreisenden einzulassen, den ich vorsichtig umkreiste und beschnupperte."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 241)

 

 

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"... und das bestärkte mich, als ich mich will Loman zuwandte, einem Handlungsreisenden, der immer viele Worte machte
Ich hatte die ganze zeit gewusst, dass dieses Stück den Rahmen des konventionellen Realismus sprengen musste, und zwar aus einem in dem Drama liegenden Grund: In Willy ist die Vergangenheit ebenso lebendig wie das, was im Augenblick geschieht; manchmal überfällt sie ihn mit einer solchen Wucht, dass er von ihr völlig überwältigt wird."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 242)

 

 

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"Ich musste sie auf diesen Platz stellen und ihr einen Fußboden geben, dort musste ich mich hinsetzen und die gefährliche Expedition in mich selbst hinein beginnen . Im Grunde hatte ich nicht mehr als die ersten beiden Sätze und einen Tod – “Willy!“ und “Alles in Ordnung. Ich bin wieder da.“ Weiter war ich nicht vorgedrungen, wagte ich nicht vorzudringen, bis ich in dieser Hütte mit vier Wänden, zwei Fenstern, einem Fußboden und einer Tür saß."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 244)

 

 

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"Er wollte herausragen, er wollte Anonymität und Bedeutungslosigkeit überwinden, er wollte lieben und geliebt werden, und vielleicht vor allem,
er wollte zählen."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' -
Seite 245)
 

 

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"Willy ist im ersten Akt allein in der Küche und redet mit sich selbst, und als seine Erinnerungen ihn überwältigen, hellt das Licht sich auf, die Schatten der Bäume falle wie früher auf das Haus , und in diesem Moment rufen die Söhne mit ihren kindlichen Stimmen nach ihm und treten auf, als seien sie noch zehnjährige."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 252)

 

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"Willy blickt auf den Bürostuhl, auf dem früher Frank, Howards Vater, saß der Willy als Belohnung für seine gute Arbeit einen Anteil an der Firma versprochen hatte. Während dieser Szene musste der Stuhl so lebendig werden, als säße der alte Boss noch drauf, wenn Willy fragt: “Frank , Frank erinnerst du dich nicht daran, was du zu mir gesagt hast? ...“ der Stuhl sollte nicht beleuchtet werden, sondern unmerklich anfangen zu leuchten. Aber das war nicht nur Theaterzauber; es unterstrich, dass wir uns in Willys System des Verlustes hineinbegeben hatten, dass wir die Welt so sahen wie er, selbst, wenn wir eine kritische Distanz wahrten und sie mit unseren Augen wahrnahmen."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 252 / 253)

 

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"Er genoß die Ängste der Figur, anstatt sie zu durchleiden. Aber diese Probleme verstärkten nur meine Überzeugung: das unter meiner Mitwirkung entstandene Regiekonzept hatte irgendwie die kanten meiner ursprünglich sehr viel aseptischeren Intention abgeschliffen. Damals kannte ich Brecht nicht und auch keine andere Theorie der theatralischen Verfremdung. Ich hatte einfach das Gefühl von zu großer Identifikation mit Willy, von zu vielen Tränen. Das Mitgefühl überdeckte die Ironie des Stücks. Ich erinnerte mich daran, dass ich schließlich für drei leere Spielflächen geschrieben hatte, zum Klang einer flöte und ohne glättende Übergänge – eine schneidend scharfe Struktur, dachte ich. Aber gleichzeitig konnte ich meine zärtlichen Empfindungen für diese Gestalten nicht leugnen."
(Arthur Miller – 'Zeitkurven' - Seite 259)

 

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"Ich glaube, die ganze Aufführung war ungewöhnlich in der Offenheit, mit der jeder beteiligte Künstler seine eigene Wahrheit sucht. Es war ein tägliches, beinahe von Moment zu Moment stattfindendes Überprüfen von Ideen. Dieses Stück forderte vieles, was noch nie zuvor auf der Bühne geschehen war, und das verlieh unseren Diskussionen darüber, was die Zuschauer verstehen oder nicht verstehen würden, eine ungewohnte Erregung. Ich hatte mir eine Bühne drei leeren Spielflächen vorgestellt und nur das absolut notwendige Mobiliar für eine Küche und zwei Schlafzimmer, wobei die Szenen im Hotelzimmer in Boston und in Howards Büro im freien Bühnenraum spielen sollten. Jo Mielziner übernahm die Idee der drei Spielflächen und entwarf um sie herum eine romantische, traumähnliche Umgebung, die aber gleichzeitig untere Mittelklasse suggerierte. Kurz gesagt, sein Bühnenbild war ein Symbol für Willys große Sehnsucht nach den Versprechen der Vergangenheit, mit denen sein derzeitiger Bewußtseinszustand ständig im Konflikt liegt. Insofern war das Bühnenbild poetisch und dramatisch zugleich."
(Arthur Miller – Zeitkurven – Seite 250)

 

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Arthur Miller zeigt in seinen biographischen Aufzeichnungen 'Zeitkurven' Hintergründe seines Lebens und die damit einhergehende Entwicklung als Dramatiker auf.

Geprägt durch ein zunächst sorgenfreies Leben in einem wohlhabenden Elternhaus, Vater Textilunternehmer, "[ein Mann , der nicht in Restaurants mit dicken Wassergläsern geht; er hat eine der damals zwei oder drei größten Bekleidungsfabriken des Landes aufgebaut und kann keine Sprache lesen oder schreiben.[...]" (Arthur Miller – 'Zeitkurven' – Seite 8)

Die Weltwirtschaftskrise führt auch die Familie Miller in die Depression, die Mantelproduktionen müssen aufgegeben werden - Arthur jobt, um sich das Geld für sein Studium zu verdienen. Aus eigener Erfahrung weiß er wie sich ein gesellschaftlicher Abstieg 'anfühlt' - kann also die Situation seiner Figur des Willy Loman nachvollziehen. Durch eine gewisse Übertreibung erhält sie noch stärkeren Ausdruck.

Die Vergangenheit, dargestellt in leuchtend guten Zeiten, dann die Realität mit den Problemen des 'Nicht-bewältigen-könnens' der aktuellen Situationen und deren Probleme.

Speziell hier nun im Stück die Aussichtslosigkeit durch eine fehlende Selbstkritik,
ohne die Möglichkeit, sich selbst richtig einzuschätzen und durch das 'Sich-überheben-über-die-Situation' wiederum sich selbst aber eben auch andere aus einer richtigen Betrachtung der Lage herauszuhalten.

Die Söhne glauben irgendetwas, vom Vater über Jahre ihnen vorgegaukelt, eingetrichtert irgendwas von Beliebtsein reiche schon aus, um sein Leben zu meistern - alle laufen dem Vater in seiner Fehleinschätzung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hinterher und Mutter Lina applaudiert geradezu den ganzen Vorgängen, da sie alles, was Willy Loman - auch in seinen Launen - macht, deckt und richtig findet.

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Der Regisseur des Films 'Tod eines Handlungsreisenden' Volker Schlöndorff - mit Dustin Hoffman als Loman - gibt vor, es habe sich nicht viel geändert in der amerikanischen Wirklichkeit, seit der 'Handlungsreisende' zum ersten Mal seine Musterkoffer auf die Bühne geschleppt habe.
Es gäbe auch noch den Traum der Amerikaner, es zur Nummer eins zu bringen.

Beispiele hierfür, dass dies möglich ist, zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre:
Bill Gates, der 1975 Microsoft gründete und heute der zweitreichste Mann der Welt ist oder Larry Page und Sergey Brin, die Google seit 1998 aufbauen, dessen Börsenwert mit Stichtag 19. Oktober 2007 rund 200 Milliarden USD betrug; der Börsenkurs stand an diesem Tag bei 650 USD.

Entscheidend ist, dass hier und für eine derartig rasante Entwicklung der Firmen wie auch die der Gründer eines bedingte: das geistige Potential, das Durchsetzungsvermögen, die richtige Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und des Marktes, um den Plan nicht in den Sand zu setzen. 
 

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Im Falle der Familie Lomann, mit William, Linda, Biff und Happy fehlen diese Voraussetzungen. Mag anfänglich und so in der Vergangenheit der Markt für die von Willy Lomann vertretenen Produkte noch gegeben und stabil gewesen sein, so hat sich im Laufe der Zeit offensichtlich das Käuferverhalten verändert, so dass vom verantwortlichen Familienvater nicht mehr genug umgesetzt werden kann.
Diese Veränderungen werden nicht erkannt, Loman schaut permanent nach hintern, wie alles war, fragt aber nicht, "wie alles sein wird" und gerät so immer mehr ins Abseits. Allerdings er kennt er, dass er sich mit seiner Art, aufzutreten, lächerlich macht.

Happy, der jüngere Sohn, "[...] ist groß und kraftvoll. Seine Sexualität ist sichtbar wie eine Hautfarbe oder wie ein Duft, den viele Frauen gespürt haben. [...]" Er wartet auf das Ableben des Abteilungsleiters, um selber auf die Position zu kommen.
Bereits das dritte mal hat er sich an die jeweilige Frau eines Vorgesetzen rangemacht und sie für sich gewonnen, also eine bestehende Beziehung beschädigt und er fragt sich "[...] Ist das nicht ein mieser Charakterzug? [...]"

Biff der andere der beiden Söhne "[...] ist zwei Jahre älter als sein Bruder Happy, kräftig gebaut [...] seine Träume sind stärker und schwieriger zu verwirklichen [...]" und er stiehlt.
Mal einen Anzug in Kansas City, mal den Füllfederhalter vom Tisch des Bill Oliver, mal Kanthölzer, mal Sand von einer Baustelle, mal einen Karton Basketbälle, mal einen Ball aus dem Geräteraum - und "[...] Willi lacht mit ihm über den Diebstahl [...]" 

Beide haben nach eigener Einschätzung "[...] nicht gelernt, hinterm Geld herzusein. Ich kann es einfach nicht. .[...]"

Zumindest lassen die Söhne Einsicht erkennen. Auch Biff ist am Ende des Werkes der Meinung "[...] Ein Nichts bin ich [...] Ich bin nun mal, was ich bin, sonst nichts. [...]"

Linda beschönigt:
"[...] Er ist noch auf der Suche nach sich selbst.[...]" muss später mahnen:
"[...] Biff, du kannst dich nicht dein Leben lang nur umsehen, nicht wahr.]...]"

Seiner Mutter gegenüber muss er eingestehen:
"[...] Ich krieg es nicht in den Griff, Mom. Ich krieg' mein Leben einfach nicht in den Griff. [...]"

Linda, die typische in jeder Hinsicht von Männern abhängige Ehefrau kann das Verhalten des Gatten nicht richtig einschätzen - entweder sie merkt es nicht oder macht gute Miene, um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen.
Ihr Verhalten auch den erwachsenen Söhnen gegenüber - hier in Bezug auf den Vater - dokumentiert aber ihre unkritische Einstellung, da sie die Situation mangels geistiger Möglichkeiten nicht übersehen kann.


Und Loman kommentiert:
"Das Problem ist, dass er faul ist, verdammt noch mal!"

Und zehn Zeilen weiter:

"[...] Und so ein fleißiger Kerl dazu. Weil eins muss man Biff lassen: Faul ist er nicht.[...]"

Fällt Biff durch eine Prüfung, ist der Lehrer Schuld:
"[...] Er muss dir die Punkte geben. Dafür wer' ich schon sorgen.[...]"

Die Beurteilung des Autos fällt zunächst positiv aus: "[...] Linda, der Chevrolet ist bis dato das beste Auto überhaupt.[...]"

Kurz darauf heißt es aber: "[...] Dieser gottverdammt Chevrolet, so ein Fabrikat gehört überhaupt verboten, gehört das! [...]"

Das stetige 'Sich-etwas-vormachen' dokumentiert sich besonders im Aufzählen gemachter Umsätze.
"[...]  In Providence hab' ich fünfhundert Umsatz gemacht und siebenhundert in Boston.[...]"
Um gleich darauf zu revidieren:
"[...] Also, nein - es waren - grob geschätzt zweihundert Umsatz auf der ganzen Reise.[...]

Entscheidend ist die Weltfremdheit mit der alle Lebensbedingungen und Situationen von Loman beurteilt werden, selbst wenn es sich um den Kauf einer Waschmaschine handelt
"[...]
WILLY      Hoffentlich war das Ding kein Fehlkauf.
LINDA      Hatte die größte Reklame von allen!
WILLY      Weiß ich, ist'n gutes Gerät. [...]"


Bei einer Spur von Selbsterkenntnis schränk Linda Lomans Urteil sofort ein:
"[...]
LINDA     Willy, Liebling, du bist ein Prachtkerl -
WILLY     Ach nein, Linda.
LINDA     Für mich bist du's. Pause. Der Prächtigste von allen. [...]


Spürt Linda, dass sie geistig zu schwach ist und sich sich diesen Mann nur mit diesen Schönreden für sich halten kann?

Die ständigen Loman überkommenden Erinnerungen, die in Selbstgesprächen mitgeteilt werden, zeigen eine Bewusstseinsspaltung, die von den Söhnen registriert wird und dann auch dazu führt, dass Biff einsieht: "[...] Und ich hab's nie zu was gebracht, weil du mit einen solchen Größenwahn eingeredet hast, daß ich von niemandem mehr Anweisungen entgegennehmend wollte! [...]"
 

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Dass die gesamte Familie Loman mit ihren Einschätzungen aufgrund mangelnder Intelligenz falsch liegt, dokumentieren die Erfolge in der unmittelbaren Umgebung diese Loser.

Ben, der Bruder von Willy Loman ging in die Welt und reist als reicher Mann nur mal eben durch - und Loman bedauert "[...] Warum bin ich damals nicht mit meinem Bruder Ben nach Alaska! Ben, das war eine Genie, der Erfolg in Person![...]"

"[...] Onkel Ben betritt mit Koffer und Regenschirm die Vorderbühne, von der rechten Seite des Hauses kommend. Er ist kräftig, in den Sechzigern, mit Schnurrbart und beeindruckenden Gebärden. Er ist Meister seines Schicksals, und eine Aura weiter Ferne umgibt ihn. [...]"

Biff gibt er den Rat: "[...] Kämpf niemals fair mit 'nem Fremden, mein Junge. Sonst schaffst du's nie im Dschungel. [...]"

Nachbar Charley und sein Sohn Bernard schätzen ihre persönliche Situationen richtig ein und gehen ihren Weg, hier ist der Sohn, eifrig auch beim Lernen in der Schule schon - er wollte Biff immer wieder animieren, sich mit ihm vorzubereiten - am Ende Anwalt geworden.

Sie alle träumen nicht irgendeinen 'amerikanischen Traum', sondern machen aus sich das, was möglich war und ist und ganz ohne Sentimentalitäten.

Gefühle sind Luxus und den können sich die Lomans am Wenigsten erlauben.

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Jeder kommt an, wenn er wirklich was kann.
(Fritz Rotter)
 

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Rainer Sellmaier baut für die Regensburger Bühne einen Zeittunnel, der stark an den an der DOB für Wagners Ring in der Götz Friedrich Inszenierung erinnert. Ein Laufsteg, von der Vorderbühne bis in den Hintergrund der Szene sich verjüngend, verlaufend.
Die Einschnitte zwischen den Ringen des Tunnels lassen die Möglichkeit, über Einschübe, Szenenwechsel zu verdeutlichen. Das Schlafzimmer der Eltern Loman, das Kinderzimmer, das Büro von Howard Wagner, das Arbeitszimmer von Bernard, dem Anwalt. Auftritte aus dem überdachten Orchestergraben, Abgänge über die Zwischenräume der Ringe schaffen vielfältige Möglichkeiten den Ablauf der Handlung zu gestalten.

Das Stück ist geprägt durch Szenen, in der Gegenwart und in der Vergangenheit spielend, in Scheindialogen mit Figuren aus Lomans Leben oder seinen Selbstgesprächen.
Die Regensburger Michael-Bleiziffer-Inszenierung fließt dahin, bindet Gewesenes und gerade Stattfindendes ineinander, so dass der Zuschauer - kennt er das Stück nicht oder nicht genug - kaum unterscheiden kann, was war, was ist jetzt. Szenen werden verflochten, 'die Frau' sitzt plötzlich vor Linda auf deren Küchentisch - nur mit viel Fantasie kann der Zuschauer hier trennen.

Das Licht hilft dem Betrachter nur bedingt, eigentlich garnicht, zu differenzieren.
Dies gilt auch für die Kostüme. Dass gerade bei der Kleidung der Söhne nicht deutlicher wird, es handelt sich um Szenen mit 14- oder Mittedreißig-Jährigen, verwischt die zeitlichen Abgrenzungen.
Wird dann über die Gestaltung der Sprache kein Unterschied zwischen gestern und heute gemacht, entsteht eine einheitliche Prägung - alt und neu fließen ineinander über.
Eine überdeutliche 'Verunklarung' ist die Folge.
 

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Eine Rezensentin meinte in ihrer Besprechung nach der Premiere, das Stück sei auch heute noch aktuell.

Wie recht sie hat!
Meint sie allerdings nur die Frage der Alterarbeitslosigkeit, so greift sie zu kurz, denn viel wichtiger in diesem Stück ist der Selbstbetrug, der Mangel an Selbstkritik, das falsche Einschätzen seiner selbst und der jeweiligen Situation.

Beispiele hierzu ließen sich in Regensburg besonders bei den Politikern in großer Menge anführen, werden doch hier - geradezu in Permanenz - der Bevölkerung scheinbare Fakten und angebliche Entwicklungen vorgeführt, die nur mit einem völligen Verkennen der jeweiligen Situation und Wunschdenken erklärt werden können. Wie das ganze dann inszeniert wird, lässt auch noch an einem Minimum an Denkfähigkeit zweifeln.

Ständig sich selber und auch noch der Umgebung etwas vorzumachen, zeigt 'Der Tod eines Handlungsreisenden'.
Dieser lässt sich ohne weiteres auf das Denken und Handeln der Politik in Regensburg übertragen. Auch hier fragt der Betrachter, wie im Falle bei Willy Loman, wie kann der Mann nur so dämlich sein.

So wie das Stück von Arthur Millers aufklärt, das Publikum im Theater Regensburg die Situation auf der Bühne betrachtet und für sich deutet, so sieht die Bevölkerung in der Stadt wie sich der Stadtrat mit seinen Mitgliedern - gleich welcher Couleur - in Widersprüchen verzettelt, dass die Wahlberechtigten sich fragen:

'Was soll ich tun, von denen kann man doch keinen wählen. Gehe ich garnicht zur Abstimmung, mache ich mein demokratisches Recht zunichte - es bleibt mir nur, den Wahlzettel ungültig zu machen.'

Und so wird es wohl kommen.
 

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Martin Hofer als Willy Loman knüpft in dieser Produktion an frühere Rolleninterpretationen, in Stücken wie, 'Faust', 'Orestie' - zum Ende seiner Zeit auf der Regensburger Bühne, er soll selber gekündigt haben. Nicht an 'Peer Gynt', nicht an 'Kasimir und Karoline', nicht an den 'Theaterdirektor Striese'.
Im Handlungsreisenden vermag er die Zerrissenheit der Figur in ihrer Falscheinschätzung vermitteln und doch könnte über die Sprache, über die Körperhaltung dem Zuschauer mehr noch verdeutlicht werden, es liegen Jahrzehnte zwischen den Szenen, es taten sich altersbedingte bzw. wirtschaftliche Entwicklungen auf, dazu durchgehend die eigenen Fehleinschätzungen im Ablauf des Werkes.
Es fehlen bei ihm stärkere Abstufungen, die dann langsam zur Entscheidung einer Selbsttötung führen. Wie sagte ein Zuschauer in der Pause: "Der Hofer ist wie immer."
Die Produktion hat bis auf weinige Ausnahmen fortlaufend das gleiche Tempo, so dass Martin Hofer das Ende für den Zuschauer sich nicht anbahnen lässt, sondern in der letzten Szene mit Ben nicht verdeutlichen dies völlig überraschend kommt. Loman wirft das Geld hin " ich brauche es nicht mehr!"
Dass die Schnelle des Finales auch dadurch unterstrichen wird, dass Loman noch nicht einmal im überbauten Orchestergraben verschwunden ist, das Motorgeräusch unvermittelt einsetzt und schon das Requiem beginnt, bringt eine völlig unbotmäßige Atemlosigkeit in den Abend.
 

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Die Söhne, eingebunden in das falsche Lebensbild des Vaters und in das eigene Unvermögen - Veranlagung und Umwelt - straucheln, stürzen - verrecken irgendwo an einem Bahndamm.
Happy wird es noch am ehesten schaffen, diesem Los zu entgehen, er wird zu irgendeiner Frau flüchten, er denkt nicht weiter drüber nach - Hauptsache Weiber. "Ich werd' heiraten."
Roman Blumenschein zeigt den Sorglosen - und doch hat er noch am ehesten Boden unter den Füßen. Zwar ist er auch eingebunden in den Zyklus der Selbstüberschätzung "bevor das Jahr rum ist, bin ich Abteilungsleiter!" - aber er hat seine Potenz, mit der sich das Leben gestalten lässt. An Untergang ist hier nicht unbedingt zu denken.
 

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Biff stürzt über seine kleptomanische Anfälle - es kommt über ihn, er nimmt neben anderem auch den Füller seines eventuellen Geldgebers, lässt 'das Teil' einfach mitgehen und Vater Loman beschwichtigt. Irgendwann am Abend fragt sich der Zuschauer, wie kann der alte Mann nur so dämlich sein?
Immerhin sieht Biff das Problem und den Ausweg, weg von hier in ein eigenes Leben. Die Flucht in den Arm, auf den Schoß der Mutter verdeutlicht die Angst des erwachsenen Kindes vor dem Leben, ein Leben, das der Vater beschrieb, das aber in Verkennung der Tatsachen dem Heranwachsenden etwas vorgaukelte, das sich nicht erfüllte und in Ermangelung dessen immer wieder zu Übergriffen auf fremdes Eigentum führte.
Steffen Casimir Roszeck hat die Möglichkeit, das Straucheln und das Lügen zu verdeutlichen. Eine Entwicklung von seinem mit den Armen hampelnden 'Pinneberg', zwar wieder zu einem Absturzgefährdeten, aber doch inzwischen weitergekommenen Darsteller in der Rolle dieses sentimentalen Selbstbetrügers.
 

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Linda unterstützt noch den Niedergang der Familie, zwar behält sie den Überblick über die Finanzen, gibt aber keine Hinweise, wie Vater Loman und die Söhne durch kritisches Betrachten der Gesamtsituation das Leben meistern könnten.

Silvia Rohde gelingt es kaum, die Fígur zu verdeutlichen, das Schwanken zwischen Affenliebe gegenüber den Kindern, das erst am Ende des Abends deutlich den Söhnen gegenüber werden, das Umgaukeln des Willy Loman mit ihrer blinden völlig unkritischen Liebe, die unmittelbare Gefahr um das Leben ihres Mannes nicht erkennend.
Am Grab stellt Linda fest, sie könne nicht weinen - Silvia Rhode hätte Grund.
Handfest steht sie da, dass man ihr das vom Text vorgegeben Gefühlsleben nicht abnehmen kann.
Wie langsam sprechen nichts an Verinnerlichung vermitteln kann, bringt auch Rasanz im Textvortrag keine Intensität. Das gilt grundsätzlich.
 

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Michael Heuberger, selten überzeugte er so wie hier als Nachbar Charley, der einzige Freund des Willy Loman, er lässt sich beschimpfen und steht doch zu dem Verlorenen.
Hat man ihn in den verschiedensten Rollen in Erinnerung, so selbstverständlich war er hier als der unaufgeregte solide Biedermann.
Der junge und zappelige, dann der 'gesettelte' und ruhig, aus eigener Lebenserfahrung resultierend, Lebensberatung durchführende Anwalt Bernard von Jochen Paletscheck - noch nicht viel zu sehen, aber er scheint etwas mitzubringen. Regensburg kann es gebrauchen.
Heinz Müller steht als Ben ohne zu beschönigen mitten im Leben, hier 'unverhuscht', im Gegensatz zu dem jüngst noch gesehenen 'Mariza-Penizek'. Immerhin, er kann Das und Dies - und der geht auch weg.
 

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Anna Dörnte, eben noch die unselige 'Maria Magdalena', hier als Frau und Mrs. Forsythe, spröde und - mit der kann man doch nichts haben, für Willy Loman muss es reichen - so wie Frau Dörnte es spielt - reizlos.

Michael Haake - kein 'Held auf Anstellung' wie Achill oder Orest, die er nicht erfüllen kann, sondern glatt als Stanley und grob als Howard Wagner.
 

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Das Publikum kicherte über die 'Außergewöhnlichkeit' des Willy Loman, wie die Regensburger Bevölkerung den Kopf schüttelt über den Stadtrat und Namen verteilt wie 'Fehlent-Schaidinger' oder 'Hohlbergs'.

Es war an diesem 30.12.2007 zahlreicher erschienen als zur 'Mariza' am 26.12.07 und noch deutlicher war der Zuspruch als bei mancher der in den letzten Wochen dargebotenen 'Hoffmann' - Vorstellungen.

Michael Bleiziffer zeigte eine fast zu sehr in sich geschlossene Produktion.
Die Möglichkeiten optisch und über die Sprache die verschiedenen Zeiträume, die in sich gekehrten Szenen deutlicher zu machen, nutzte er nicht genügend.

Immerhin - das lohnt sich, das Hingehen und das Anschauen und das 'Schlüsse-ziehen' mit der Quintessenz:
macht euch selber nichts vor und lasst euch von niemandem etwas vormachen.
 

 

 

Als Premieren-Abonnent Theater Regensburg und Abnehmer von Karten aus dem freien Verkauf
veröffentliche ich auf dieser privaten Homepage meine Meinung.
Ich
verstehe die Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf nach meiner Auffassung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten die Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein, um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing

 



 


 


 

 

 



 

 



 

 



 

 

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