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Zitat


Über die Aufführung des »Tannhäuser«.

Eine Mittheilung an die Dirigenten und Darsteller dieser Oper.

Eine nicht geringe Anzahl von Theatern geht mit dem Vorhaben um, in nächster Zeit meinen »Tannhäuser« zur Aufführung zu bringen. Dieser unerwartete und von mir keinesweges veranlaßte Fall läßt mich zunächst das Hinderliche des Umstandes, daß ich den Vorbereitungen zu den beabsichtigten Aufführungen nicht persönlich beiwohnen kann, so stark empfinden, daß ich eine Zeitlang sogar im Zweifel war, ob ich meine Zustimmung zu jenen Unternehmungen für jetzt nicht gänzlich versagen sollte. - Wenn das Werk des Künstlers erst da seiner wirklichen Ausführung entgegengeht, wo es zur unmittelbaren Darstellung an die Sinne vorbereitet wird; wenn demnach der dramatische Dichter oder Musiker erst da seine entscheidende Wirksamkeit auszuüben beginnt, wo er seine Absicht den künstlerischen Organen, die sie verwirklichen sollen, zur innigsten Kenntniß zu bringen hat, um, von ihnen vollkommen verstanden, die verständlichste Darstellung durch sie zu ermöglichen: so ist nirgends diese letzte Wirksamkeit ihm unerläßlicher, als bei Werken, bei deren Abfassung von der üblichen Darstellungsweise durch die einzig vorhandenen künstlerischen Organe abgesehen, und für die ihnen nöthige Darstellungsweise dagegen eine bisher noch ungewohnte und unausgebildete Auffassung des Wesens des betreffenden Kunstgenre's in das Auge gefaßt worden ist. Niemandem kann dieß klarer geworden sein als mir, und es gehört zu den größten Peinigungen, die ich in neuerer Zeit empfinden mußte, daß ich bei den stattgefundenen einzelnen Versuchen, meine dramatischen Arbeiten aufzuführen, nicht zugegen sein konnte, um über unendlich mannigfaltige Einzelnheiten, aus deren genauer Beachtung erst eine durchaus richtige Auffassung des Ganzen von Seiten der darstellenden Künstler möglich wird, mit den Betreffenden mich zu verständigen.
Wenn nun überwiegende Gründe mir anriethen, dem Versuche weiterer Aufführungen meiner früheren Werke nicht unbedingt hindernd entgegenzutreten, so geschah dieß im Vertrauen darauf, daß es mir gelingen werde, durch schriftliche Mittheilung an die betreffenden Dirigenten und Darsteller die Unmöglichkeit mündlicher und persönlicher Einwirkung nach Kräften auszugleichen. Die Zahl der Theater, die sich mir für den »Tannhäuser« meldeten, hat sich aber kürzlich so ansehnlich vermehrt, daß Privatmittheilungen an jeden einzelnen Dirigenten und Darsteller mir zu einer ermüdenden Last werden müßten, und ich ergreife daher den Ausweg der gegenwärtigen summarischen Mittheilung, die ich in Form einer Broschüre zunächst an alle Diejenigen richte, deren Verständnisse und gutem Willen ich mein Werk anzuvertrauen habe.

Die musikalischen Dirigenten unserer Theater haben sich fast durchgängig gewöhnt, die Scene und die für sie zu treffenden Anordnungen gänzlich ihrer Aufmerksamkeit entzogen sein zu lassen; dem entsprechend beschränken sich unsere Regisseure einzig auf die Scene, mit völligem Außerachtlassen des Orchesters. Aus diesem Übelstande ergiebt sich die innere Zusammenhangslosigkeit und dramatische Unwirksamkeit unserer Opernvorstellungen; in ihnen hat sich folgerichtig der Darsteller der Beachtung irgend welches Zusammenhanges eines Ganzen entwöhnt, und in seiner vereinsamten Stellung dem Publikum gegenüber bis dahin verbildet, wo wir ihn jetzt als absoluten Opernsänger angelangt sehen. Betrachtet der musikalische Dirigent das Orchester als eine Sache ganz für sich, so kann er seinen Maaßstab für das Verständniß desselben nur den Werken der absoluten Instrumentalmusik, der Symphonie, entnehmen, und Alles was von den Formen dieses Genre's abweicht, muß ihm unverständlich bleiben. Das von diesen Formen Abweichende ist aber gerade das, was in seiner besonderen Form durch einen Handlungs- oder Gefühlsvorgang auf der Scene bedingt wird, seine Erklärung somit nicht aus der absoluten Instrumentalmusik, sondern eben nur aus jenem scenischen Vorgange finden kann, und der Dirigent, der sich die genaue Beachtung desselben entgehen läßt, wird daher in den betreffenden Stellen nur willkürliche musikalische Züge erkennen, und durch seine willkürliche, rein musikalische Deutung, in der Ausführung sie in Wahrheit auch dazu machen: denn ihm fehlt das Maaß, nach welchem er genau wiederum die rein musikalische Essenz jener Züge zur Darstellung zu bringen hat, er wird somit im Zeitmaaß und Ausdruck sich - vergreifen. Dieser Erfolg genügt, um wiederum den scenischen Dirigenten und Darsteller für das von ihnen Darzustellende der Art zu beirren, daß sie, das Band des dramatischen Zusammenhanges zwischen Scene und Orchester verlierend, und jeden Zusammenhang endlich ganz aufgebend, sich ihrerseits nun zu Willkürlichkeiten anderer Art in der Darstellung veranlaßt fühlen, die in ihrer ganzen wunderlichen Übereinstimmung die stereotype Konvention der modernen Operndarstellung ausmachen.
Es liegt auf der Hand, daß geistvolle dramatische Kompositionen auf diese Weise bis zur vollsten Unkenntlichkeit verstümmelt werden müssen; es ist aber auch ebenso gewiß, daß selbst die seichtesten moder-nen italienischen Opern in der Darstellung außerordentlich gewinnen würden, wenn dabei jener Zusammenhang, der selbst in diesen Opern (obgleich nur in den groteskesten Zügen) noch vorhanden ist, zur Geltung käme. Ich erkläre aber, daß eine dramatische Komposition wie mein »Tannhäuser«, deren einzige Wirkungsmöglichkeit lediglich in jenem Zusammenhange zwischen Scene und Musik beruht, geradesweges umgebracht wird, wenn das von mir gerügte Verfahren der musikalischen und scenischen Dirigenten bei der Darstellung seine Anwendung erhält. Ich ersuche daher die musikalischen Dirigenten, deren Neigung oder Auftrag die Aufgabe zuwies, mein Werk aufzuführen, die Partitur zunächst nicht anders zu lesen, als mit der genauesten Beachtung der Dichtung und endlich der besonderen zahlreichen Angaben für die scenische Darstellung. An ihm ist es dann, wenn er die Nothwendigkeit einer sorgfältigen Behandlung der Scene erkennt, den Regisseur von dem ganzen Umfange seiner Aufgabe in Kenntniß zu setzen. Dieser wird seine Aufgabe nur sehr unvollständig aus dem »Buche« allein begreifen lernen; würde dieß anders der Fall sein, so müßte dieß nur beweisen, daß die Musik dazu unnöthig und überflüssig war. Die meisten scenischen Angaben sind erst in der Partitur, an den bezüglichen musikalischen Stellen enthalten, und diese hat daher der Regisseur mit Hilfe des Ka-pellmeisters bis zum genauesten Innehaben kennen zu lernen.
Die nächste Sorge des Regisseurs wird dann sein, sich mit dem Dekorationsmaler in das bestimmteste Einvernehmen zu setzen. Auch dieser geht gemeinhin vom musikalischen und scenischen Dirigenten gänzlich getrennt zu Werke; ihm wird das »Buch« zur Einsicht gegeben, und in diesem beachtet er weiter nichts, als was ihn scheinbar allein angeht, nämlich die eingeklammerten, lediglich nur auf sein Werk bezüglichen Stellen. Im Verlaufe meiner Mittheilung werde ich aber zeigen, wie unerläßlich ein genaues Eingehen auch dieses mitwirkenden Faktors, auf die innerlichsten Intentionen des ganzen Kunstwerkes ist, und wie nothwendig ich darauf bestehen muß, daß er von vornherein zur bestimmtesten Kenntniß jener Absichten gelange.
Für ihr Vernehmen mit den Darstellern habe ich den musikalischen Dirigenten und den Regisseur zunächst darauf hinzuweisen, daß nicht eher die sogenannten Gesangsproben beginnen dürfen, als bis zuvor die Dichtung selbst in ihrem ganzen Umfange den Darstellern bekannt geworden ist.Fu diesem Zwecke dürfen wir uns nicht damit begnügen, daß jedem der Mitwirkenden das Buch zur Durchsicht zugesandt wird; wir beabsichtigen ihrerseits keine kritische Kenntniß des Gegenstandes, sondern eine leben-dige, künstlerische. Ich muß daher auf eine Zusammenkunft sämmtlicher Darsteller, unter Leitung des Regisseurs und Beiwohnung des Kapellmeisters, dringen, bei welcher die Dichtung auf die Weise, wie dieß beim Schauspiel in Übung ist, von den einzelnen Darstellern aus ihren Rollen laut gelesen wird; das Chorpersonal möge dieser Lesung ebenfalls zugegen sein, und die Stellen des Chores sind von dem Chordirektor selbst oder einem Chorführer vorzutragen. Hierbei ist nun darauf zu achten, daß diese Lesung bereits mit vollem dramatischen Ausdrucke stattzufinden hat, und wenn aus Mangel an Verständniß oder Übung der richtige, dem Gegenstand als Dichtung genügende Ausdruck nicht sobald zu erzielen ist, diese Probe so oft wiederholt wird, bis der nöthige Ausdruck vermöge des Verständnisses der Situationen, sowie des eigentlichen Organismus' der Handlung, gewonnen ist. Diese Forderung an ein modernes Opernpersonal wird, wie sie in der That gänzlich ungewohnt ist, als übertrieben, pedantisch und gewiß auch unnöthig betrachtet werden: daß ich dieß zu fürchten habe, daraus erhellt aber eben das Klägliche unserer Opernzustände. Unsere Sänger sind gewöhnt, sich mit dem Wie des Vortrages zu befassen, ehe sie das Was desselben kennen lernen, indem ste die Noten ihrer Gesangspartien sich am Klavier einstudieren, und wenn dieß bis zum Auswendigwissen gelungen ist, in einigen Thea-terproben, meist erst in der Generalprobe selbst, das dramatische Zusammenspiel sich gerade so finden lassen, wie es die Opernroutine und gewisse stabile Angaben des Regisseurs in Bezug auf Kommen und Gehen mit sich bringen. Daß sie zuerst Darsteller (Schauspieler) zu sein haben, und erst nach genügender Vorbereitung auf ihre Wirksamkeit als solche mit dem gesteigerten musikalischen Ausdrucke der Rede sich befassen dürfen, um nicht von vornherein den Zweck mit dem Mittel zu verwechseln, dieß kann ihnen allerdings bei dem gegenwärtigen Opernwesen gar nicht mehr einfallen. Ihre Gewohnheit mag auch den Produkten der meisten Opernkomponisten gegenüber gerechtfertigt erscheinen; nur muß ich erklären, daß mein Werk ein geradesweges umgekehrtes Verfahren als das gewöhnliche für seine Darstellung erfordert. Derjenige Sänger, der seine »Partie« nicht zuerst als Schauspielrolle der Absicht des Dichters gemäß mit entsprechendem Ausdrucke zu rezitiren im Stande ist, wird jedenfalls auch nicht vermögend sein, sie der Absicht des Musikers gemäß zu singen, geschweige denn überhaupt den Charakter darzustellen. Auf dieser meiner Behauptung bestehe ich so fest, und auf die Erfüllung der Bedingung genügender Leseproben halte ich so bestimmt, daß ich gegen diese Forderung meinerseits wiederum den Wunsch, ja den Willen ausdrücke, daß, wenn durch diese Leseproben nicht ein allseitiges Interesse an dem Gegenstand und an dem Unternehmen seiner Darstellung unter den dabei Betheiligten erweckt worden ist, mein Werk gänzlich bei Seite gelegt und seine Aufführung unterlassen werde.
Von dem Ergebnisse der Leseproben mache ich somit je nach dem Geiste, in dem ste abgehalten werden, den glücklichen Ausfall alles weiteren Studiums abhängig. In ihnen haben sich Darsteller und Anordner der Darstellung genau und erschöpfend über alles das zu verständigen, was bei dem üblichen Verfahren erst in den letzten Theaterproben nothdürftig berührt wird. Namentlich wird zunächst auch der musikalische Dirigent für seine fernere Aufgabe einen neuen, wesentlich verstärkten Gesichtspunkt gewonnen haben; er wird nun, durch den ersten sinnlichen Eindruck des Ganzen, den ihm das Anhören einer ausdrucksvollen Lesung verschaffte, geleitet, beim ferneren Einstudiren des rein musikalischen Details mit der nöthigen Kenntniß der Absicht des Künstlers zu Werke gehen, über die er ohne dem, auch bei dem redlichsten Eifer für das Vorhaben, dennoch in mannigfachem Zweifel und Irrthum haften dürfte.
In Bezug auf das musikalische Studium mit den Sängern habe ich nun im Allgemeinen folgende Bemerkungen mitzutheilen. In meiner Oper besteht kein Unterschied zwischen sogenannten »deklamirten« und »gesungenen« Phrasen, sondern meine Deklamation ist zugleich Gesang, und mein Gesang Deklamation. Das bestimmte Aufhören des »Gesanges« und das bestimmte Eintreten des sonst üblichen »Rezitatives«, wodurch in der Oper gewöhnlich die Vortragsweise des Sängers in zwei ganz verschiedene Arten getrennt wird, findet bei mir nicht statt. Das eigentliche italienische Rezitativ, in welchem der Komponist die Rhythmik des Vortrages fast gänzlich unausgeführt läßt und diese Ausführung dafür dem Gutdünken des Sängers überweist, kenne ich gar nicht; sondern an den Stellen, wo die Dichtung vom erregteren lyrischen Schwunge sich zur bloßen Kundgebung gefühlvoller Rede herab senkt, habe ich mir nie das Recht vergeben, den Vortrag ebenso genau wie in den lyrischen Gesangsstellen zu bestimmen. Wer daher diese Stellen mit den gewohnten Rezitativen verwechselt, und demzufolge die in ihnen angegebene Rhythmik willkürlich ändert und umformt, der verunstaltet meine Musik ganz ebenso, wie wenn er meiner lyrischen Melodie andere Noten und Harmonieen einfügen wollte. Da ich mich durchgängig bemühte, in den hier gemeinten rezitativähnlichen Stellen den Vortrag auch rhythmisch genau meiner Absicht des Ausdruckes entsprechend zu bezeichnen, so ersuche ich demnach die Dirigenten und Sänger, zunächst diese Stellen nach der bestimmten Geltung der Noten scharf im Takte, und in einem dem Charakter der Rede entsprechenden Zeitmaaße auszuführen. Bin ich nun so glücklich, die von mir bezeichnete Vortragsweise von den Sängern als richtig empfunden zu sehen, und ist diese sonach mit Bestimmtheit von ihnen aufgenommen worden, so dringe ich dann endlich auf fast gänzliches Aufgeben der Strenge des eigentlichen musikalischen Taktes, der bis dahin nur ein mechanisches Hilfsmittel zur Verständigung zwischen Komponist und Sänger war, mit dem vollkommenen Erreichen dieser Verständigung aber als ein verbrauchtes, unnützes und ferner lästig gewordenes Werkzeug bei Seite zu werfen ist. Der Sänger gebe von da ab, wo er meine Intentionen für den Vortrag bis zum vollsten Mitwissen in sich aufgenommen hat, seiner natürlichen Empfindung, ja selbst der physischen Nothwendigkeit des Athmens bei erregtem Vortrage, durchaus freien Lauf, und je selbstschöpferischer er durch vollste Freiheit des Gefühles werden kann, desto mehr wird er mich zum freudigsten Danke verbinden. Der Dirigent hat dann nur dem Sänger zu folgen, um das Band, das den Vortrag mit der Begleitung des Orchesters verbindet, stets unzerrissen zu bewahren; es wird ihm dieß wiederum nur möglich sein, wenn das Orchester selbst zur genauesten Mitkenntniß des Gesangvortrages gebracht wird, was einerseits dadurch, daß in jede Orchesterstimme die Gesangspartie und die Worte mit eingetra-gen sind, andererseits aber nur durch genügend zahlreiche Proben vermittelt wird. Das sicherste Zeichen dafür, daß dem Dirigenten die Lösung seiner Aufgabe in diesem Bezuge vollkommen gelungen ist, würde sein, wenn schließlich bei der Aufführung seine leitende Thätigkeit fast gar nicht mehr äußerlich zu bemerken wäre. (Daß die hiermit von mir bezeichnete Vortragsweise, dieses Höchste des Erreichbaren für den künstlerischen Vortrag überhaupt, nicht zu verwechseln sei mit der sonst üblichen, nach welcher der Dirigent dann am tauglichsten erfunden wird, wenn er seine Intelligenz und praktische Geschicklichkeit einzig den willkürlichen Launen unserer Primadonnen als behutsam nachschleichender Diener zu Gebote stellt, habe ich wohl nicht erst zu erwähnen: hier ist er nothgedrungener Bemäntler empörender Unschicklichkeiten, dort hingegen mitschöpferischer Künstler.)

Ich wende mich von diesen allgemeinen Bemerkungen, mit denen ich die Hauptrichtung für das Studium bezeichnete, jetzt zur Mittheilung besonderer, auf die Spezialität des »Tannhäuser« bezüglicher Wünsche, und behalte dabei zunächst noch die Wirksamkeit des musikalischen Dirigenten im Auge.
Im Betracht gewisser ungünstiger Umstände für die Aufführung des »Tannhäuser« sah ich mich seiner Zeit zu einigen Auslassungen gedrungen; daß die meisten derselben nur Zugeständnisse in der äußersten Noth sein konnten, Zugeständnisse, die in Wahrheit mit einem halben Aufgeben meiner eigentlichen künstlerischen Absichten identisch waren, dieß möchte ich den zukünftigen Dirigenten und Darstellern dieser Oper klar machen, um sie davon zu überzeugen, daß, wenn sie von vornherein jene Zugeständnisse als unbedingt nothwendig ansehen, zugleich das Aufgeben meiner eigentlichen Absichten an entscheidenden Stellen von ihnen als nothwendig angenommen wird. -
Sogleich in der Scene zwischen Tannhäuser und Venus im ersten Akte sah ich mich in Dresden (in dem bezeichneten Sinne) genöthigt, für die späteren Vorstellungen eine Auslassung vorzunehmen: ich strich den zweiten Vers des Tannhäuserliedes und die ihm vorangehende Zwischenrede der Venus. Keinesweges geschah dieß nun aus dem Grunde, daß diese Stellen an sich als matt, ungefällig und unwirksam erschienen wären, sondern der wahre Grund war dieser: die ganze Scene misglückte in der Darstellung, vor Allem weil es nicht gelungen war, eine durchaus geeignete Darstellerin für die schwierige Rolle der Venus zu finden; die seltenen und ungewohnten Anforderungen für diese Rolle sollten selbst von einer der größten Künstlerinnen unerfüllt bleiben, weil unter unüberwindlichen Umständen die Unbefangen-heit für diese Aufgabe ihr abgehen mußte. Somit blieb der Darstellung der ganzen Scene eine Befangenheit eigen, die für die Darsteller, das Publikum und am meisten für mich, endlich zur marternden Pein wurde. Diese Pein so kurz wie möglich zu machen ließ ich mir daher angelegen sein, und kürzte demzufolge die Scene durch Auslassung einer (wenn eben durchaus gekürzt werden sollte) am ehesten wegzulassenden Stelle, die an und für sich von der Beschaffenheit war, daß sie - ausgelassen - dem Hauptsänger eine nicht unbedeutende Anstrengung ersparte. Aus keinem anderen Grunde geschah diese Kürzung, und jeder fernere Anlaß zu ihrer Beibehaltung fällt nun da hinweg, wo kein wirklicher Zweifel gegen den guten Ausfall dieser Scene überhaupt aufzukommen hat. Was mir eben in Bezug auf diese Scene in Dresden trotz der Mitwirkung einer größten Künstlerin nicht glückte, gelang dagegen später vollkommen in Weimar, wo sich für die Venus eine Darstellerin vorfand, die als Künstlerin überhaupt mit meiner Dresdener sich gewiß durchaus nicht messen konnte, gerade aber für diese Rolle so günstig disponirt war, daß sie, in vollster Unbefangenheit, mit einer Wärme ihre Aufgabe löste, daß gerade diese in Dresden so peinliche Scene hier den hinreißendsten Eindruck hervorbrachte. Unter solchem Umstande wird die in Rede stehende Auslassung geradesweges zu einer sinnlosen Ver-stümmelung, und das Urtheil darüber überlasse ich einem Jeden, der sich die Mühe giebt, die Struktur der ganzen Scene, das Wachsen der Stimmung und Situation aus ihren Anfängen bis zum vollen Ausbruche, genau zu prüfen; er wird mir hoffentlich bezeugen, daß durch jene Kürzung dem natürlichen Körper dieser Scene ein wesentlich nöthiges organisches Glied entzogen wird; und nur da könnte ich somit in die Auslassung von Neuem einstimmen, wo diese ungemein wichtige Scene von vornherein in ihrer Wirkung aufgegeben werden müßte, wo ich also weit eher dazu rathen möchte, die Aufführung der ganzen Oper aufzugeben.
Eine zweite Auslassung betrifft das Orchesternachspiel der Schlußscene des ersten Aktes. Die gestrichene Stelle sollte sich auf einen scenischen Vorgang (den freudigen Tumult des von allen Seiten die Bühne erfüllenden Jagdtrosses) von der Lebhaftigkeit beziehen, wie ich ihn selbst in Dresden nicht zur Ausführung gebracht sehen konnte: bei der ungemeinen Steifheit und Befangenheit unserer gewöhnlichen Theaterstatisten und Komparsen kam es nicht zu dem überwältigend heiteren Eindrucke, den ich beabsichtigte, und der eine wohlentsprechende Steigerung der auf die frischesten Lebensäußerungen hingeleiteten Stimmung zu bieten haben sollte. Wo die hiermit bezeichnete Wirkung ebenfalls nicht zu erzielen ist, wird daher auch die Kürzung in der Musik beizubehalten sein; wo hingegen dem Regisseur durch besondere Mitwirkung günstiger Umstände es ermöglicht werden sollte, den vollen von mir beabsichtigten Eindruck auf der Scene hervorzubringen, da ist mit der unverkürzten Ausführung des Nachspieles auch meine ursprüngliche Absicht erst vollkommen verwirklicht, und diese war, durch einen ganz entsprechenden Eindruck der Scene die mit dem Vorhergehenden angeregte Stimmung auf ihre vollste Höhe zu bringen, - auf eine Höhe, von der aus einzig eine ausgelassene kecke Stelle der Violinen im Vorspiele des zweiten Aktes richtig verstanden werden kann.
Eine dritte Auslassung findet sich in den, den Theatern zugesandten Partituren, in der großen Schlußscene des zweiten Aktes von Seite 326 bis 331 angegeben. Diese eingeklammerte Stelle enthält einen der wichtigsten Momente des Drama's. In dem zunächst Vorhergehenden sprach sich der Eindruck der opfermuthigen Kühnheit Elisabeth's, ihrer tief ergreifenden und mächtig besänftigenden Fürbitte für den vervehmten Geliebten auf Diejenigen aus, an die sie sich unmittelbar gewandt hatte - den Fürsten, die Sänger und Ritter, die soeben noch Tannhäuser nach dem Leben trachteten: Elisabeth und diese Umgebung, sowie ihr beiderseitiges Verhältniß zu einander, nahmen unser volles Interesse ein, und nur mittelbar bezog sich dieses wiederum auf Tannhäuser selbst. Als dieses zuvörderst nöthige Interesse gesättigt, wendet sich unsere Theilnahme endlich dem Hauptgegenstande der ganzen komplizirten Situation, dem geächteten Venusritter wieder zu; Elisabeth mit allen Übrigen wird nun zur Umgebung Desjenigen, über den unser nothwendiges Gefühl insofern sich jetzt klar zu werden verlangt, als es gilt, des Eindruckes der erschütternden Katastrophe auf den thätigsten Urheber derselben zu voller Befriedigung inne zu werden. Tannhäuser ist, nachdem er mit verzücktem Trotze dem Angriffe der Männer entgegengestanden, endlich durch Elisabeth's Beginnen, den Ausdruck ihres Wortes, den Ton ihrer Stimme und das Innewerden seines an ihr begangenen gräßlichen Frevels auf das Schrecklichste ergriffen, im Ausbruche des zermalmenden Gefühles furchtbarer Zerknirschung zusammengesunken, so von der Höhe seiner zauberischen Entzückung in die grauenvolle Erkenntniß seiner gegenwärtigen Lage hinabstürzend: wie bewußtlos lag er mit dem Angesichte auf der Erde, während wir mit Ergriffenheit und Rührung der Kundgebung des empfangenen Ausdruckes der Umgebung lauschten. Nun erhebt Tannhäuser matt das bleiche, vom furchtbarsten Leiden gemarterte Haupt; noch am Boden liegend, starr vor sich hinblickend, beginnt er mit allmählich immer heftiger gesteigertem Ausdrucke in folgen dem Ergusse seinem gepreßten Herzen Luft zu machen:

»Zum Heil den Sündigen zu führen,
die Gottgesandte nahte mir:
doch, ach! sie frevelnd zu berühren,
hob ich den Lästerblick zu ihr!

O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den Engel meines Heils gesandt,
erbarm' dich mein, der ach! so tief in Sünden,
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!«

Diese Worte, mit dem ihnen verliehenen Ausdruck und in dieser Situation, enthalten den Nerv der ganzen ferneren Tannhäuserexistenz, die Axe seiner Erscheinung, und ohne den durch sie hier, an diesem Orte, beabsichtigten Eindruck mit vollster Gewißheit empfangen zu haben, sind wir gar nicht im Stande, ein weiteres Interesse an dem Helden des Drama's zu bewahren. Wenn wir hier nicht endlich zum tiefsten Mitleiden mit Tannhäuser gestimmt werden, ist das ganze übrige Drama ohne Zusammenhang und Nothwendigkeit in seinem Verlaufe, und alle bis dahin angeregten Erwartungen bleiben unbefriedigt; selbst die Erzählung Tannhäuser's von seinen Leiden im dritten Akte kann uns nicht mehr für den verlorenen Eindruck entschädigen, denn die volle beabsichtigte Wirkung kann die Erzählung wiederum nur dann machen, wenn ste für unsere Erinnerung sich auf diesen ersten, entscheidendsten Eindruck nur wieder bezieht.
Was konnte mich nun bestimmen, eben diese Stelle von der zweiten Aufführung in Dresden an auszulassen? Die Antwort hierauf dürfte leicht die ganze Leidensgeschichte enthalten, die ich in meiner Stellung als Dichter und Musiker unseren Opernzuständen gegenüber zu durchleben hatte; doch will ich mich hier kurz fassen. Es konnte dem ersten Darsteller des Tannhäuser, der in seiner Eigenschaft als vorzüglich begabter Sänger immer noch nur die eigentliche »Oper« zu begreifen vermochte, nicht gelingen, das Charakteristische einer Anforderung zu fassen, die sich bei weitem mehr an seine Darstellungsgabe, als an sein Gesangstalent richtete. Die hier betreffende Stelle wird, der Natur der Situation gemäß, von allen auf der Scene anwesenden Sängern durch flüsternden Gesang begleitet, der sich in einigen Momenten sogar bis zur heftigen Unterbrechung des Motives Tannhäuser's durch drohende Kundgebungen des verhaltenen Zornes anläßt: dieß gab der Stelle in den Augen unserer Sänger den Anschein eines gewöhnlichen Ensemblegesangstückes, in welchem kein Einzelner besonders hervorzutreten sich gehalten glaubt. Der Hartnäckigkeit dieses Irrthumes hatte ich es nun zu danken, daß der wirkliche Inhalt dieser Stelle, die hervorspringende Kundgebung Tannhäuser's in der Aufführung fast gänzlich verloren ging, und daher die ganze, in der Musik mit nöthiger Breite dargestellte Situation nur den Charakter eines üblichen Adagio-Ensemblestückes erhielt, wie wir dergleichen in den Opernfinale's vor der Schlußstretta gewöhnlich zu hören bekommen. Als solcher unterschiedslos sich dahinschleppender Adagiosatz mußte das Ganze dann nothwendig zu gedehnt und ermüdend erscheinen, und als es sich, bei dem hierüber empfundenen Misbehagen um Kürzungen handelte, mußte gerade mir jene Stelle, da sie ihres eigentlichen Inhaltes in der Aufführung beraubt worden war, als eine wahre widerliche Länge, d. i. Ode, erscheinen. Jedem Einsichtsvollen gebe ich aber zu beurtheilen, welches meine Stimmung gegen den äußerlichen Erfolg meines Werkes in Dresden sein mußte, und ob mich eine zwanzigmalige Aufführung mit jedesmaligem »Herausruf« des Autors für das nagende Bewußtsein entschädigen konnte, einen großen Theil des empfangenen Beifalls doch nur einem Misverständnisse, oder mindestens einem durchaus mangelhaften Verständnisse meiner eigentlichen künstlerischen Absicht verdanken zu müssen! Soll in Zukunft meinen Intentionen besser entsprochen und meine Absicht in Wahrheit verwirklicht werden, so habe ich namentlich auf den richtigen Vortrag der jetzt des Breiteren besprochenen, nun nicht mehr auszulassenden Stelle zu dringen. Die Folge der Auslassung derselben und der Nichtgeltendmachung ihres Inhaltes war damals, daß das Interesse für Tannhäuser am Schlusse des zweiten Aktes gänzlich geschwunden war, und einfach nur an seinen Gegensätzen und seiner Umgebung zu haften vermochte, was allerdings meine eigentliche Absicht völlig vernichtete. Diese Interesselosigkeit an ihm begegnete Tannhäuser nun im dritten Akte der Art, daß man für sein ferneres Schicksal nur noch insofern Theilnahme faßte, als davon das Schicksal Elisabeth's und selbst Wolfram's, dieser beiden zu den eigentlichen Hauptpersonen gewordenen abzuhängen schien: nur der wahrhaft bewundernswürdigen Tüchtigkeit und Ausdauer des Sängers der Hauptrolle konnte es gelingen, durch den äußerst klangvollen und energischen Vortrag der Erzählung der Pilgerfahrt das Interesse für sich selbst mühsam wieder zu erwecken. An die zukünftigen Darsteller des Tannhäuser ergeht daher meine Bitte, ein höchstes Gewicht auf die besprochene Stelle zu legen; erst dann wird sie aber seinem Vortrage gelungen sein, wenn er, eben während des Vortrages, das volle Gefühl davon erhält, daß er in diesem Augenblicke die dramatische wie musikalische Situation beherrsche, daß der Zuhörer ausschließlich seiner Kundgebung lausche, und diese der Art sei, daß er durch sie die tiefste Erschütterung verbreitet. Die Ausrüfe: »Ach, erbarm' dich mein!« erfordern einen so durchdringenden Accent, daß er als bloßer wohlgebildeter Sänger hier nicht auskommt; sondern die höchste dramatische Kunst muß ihm die Energie des Schmerzes und der Verzweiflung für einen Ausdruck ermöglichen, der aus den schauerlichsten Tiefen eines furchtbar leidenden Herzens, wie ein Schrei nach Erlösung hervorzubrechen scheinen muß. Der Dirigent hat darüber zu wachen, daß dem Hanutsänger der angedeutete Erfolg durch allerdiskreteste Begleitung der übrigen Sänger, sowie des Orchesters ermöglicht werde. -
Noch eine andere Auslassung sah ich mich veranlaßt in derselben Schlußscene des zweiten Aktes zu bewerkstelligen, nämlich die der Stelle von Seite 348 bis 356 der Partitur. Es geschah dieß aus ganz denselben Gründen wie bei der soeben berührten Stelle, und war nur eine Konsequenz der vorher nöthig gewordenen Auslassung; d. h. ich fühlte, daß das Interesse für Tannhäuser in diesem Akte nun nicht mehr zu retten war. Das Wesentliche dieser Stelle ist das sogleich vorherrschend werdende Hinzutreten Elisabeth's und namentlich Tannhäuser's zu der bis dahin den Hauptraum einnehmenden Umgebung, indem Elisabeth das nach Rom hinweisende Thema der Männer in Weise eines brünstigen Gebetes für den Geliebten aufnimmt, Tannhäuser aber in heftigen Ausrüfen thatendurstiger Reue und Zerknirschung zu jenem Gesange sich er-geht, während die übrigen Männer von Neuem sich zu Drohungen und Zornergießungen erhitzen. Ob diese Stelle, die allerdings zur strengsten Konsequenz der Situation gehört, für die zukünftigen Aufführungen beibehalten werden solle, dieß will ich jedoch erst von dem Ausfall derselben in den Theaterproben abhängig gemacht wissen; wenn sie schließlich nicht vollkommen gelingt, d. h. wenn sie nicht auch durch die Lebhaftigkeit der Darstellung der Umgebung eine wachsende Steigerung der Situation herbeiführt, oder wenn namentlich der Sänger des Tannhäuser durch das Vorhergehende, und besonders eben durch jene besprochene Stelle im Adagio, sich und sein Organ zu stark angegriffen fühlen sollte, um diese noch mit vollster Energie zu singen, so muß ich selbst dringend anrathen, hier die Kürzung gelten zu lassen: denn nur durch die üppigste Kraft der Darstellung und des Vortrages wäre hier die beabsichtigte Wirkung noch zu erzielen. Ich muß mich für diesen Fall damit beruhigen, daß durch die ergreifende Wirkung Tannhäuser's im Adagio die Hauptsache, die Hinleitung des wichtigsten Interesses auf ihn, erreicht ist, und begnüge mich dann mit der Wirkung, welche Tannhäuser vorzüglich durch den Moment seines Abganges noch hervorzubringen hat. Auf diesen Moment wünschte ich die Aufmerksamkeit des betreffenden Darstellers noch mit großem Nachdruck gerichtet zu wissen. Die Män-ner, durch den Anblick des noch weilenden Verhaßten von Neuem beleidigt und aufgereizt, sind im Begriff, ihren Drohungen mit der Faust am Schwertgriffe Geltung zu geben; eine ermahnende und schützende Gebärde Elisabeth's hält sie in dem durch sie gewonnenen Geleise zurück: da plötzlich schallt aus dem Thale der Gesang der jungen Pilger herauf, wie die Stimme der Versöhnung und Verheißung, die nun, wie sie die Übrigen fesselt, auch Tannhäuser, aus dem Sturm seiner wilden Reuewuth heraus, vernimmt. Ein jäher Strahl der Hoffnung fällt wie ein Blitz vom Himmel in sein gemartertes Gemüth; Thränen des unsäglichsten Wehes stürzen ihm aus den Augen; es reißt ihn mit unwiderstehlicher Gewalt zu den Füßen Elisabeth's, zu der er den Blick nicht aufzuschlagen wagt, aber deren Gewandessaum er mit heftiger Inbrunst an seine Lippen drückt; hastig fährt er wieder auf, stößt den Ruf: »nach Rom!« mit einem Ausdrucke, als ob in ihm alle jäh entzündete Hoffnung eines neuen Lebens sich zusammendrängte, aus der Brust, und stürzt mit rasend schnellem Schritte von der Bühne. Diese Aktion, die mit der größten Schärfe im kürzesten Zeitraume ausgeführt werden muß, ist von der entscheidendsten Wichtigkeit für den schließlichen Eindruck des ganzen Aktes; und dieser Eindruck ist es, der unerläßlich nöthig ist, um aus der Stimmung des Publikums den schwierigen dritten Akt wie-derum nach seiner vollen Wirkung zu ermöglichen. -
Die große Instrumentaleinleitung zum dritten Akte erkläre ich in der gekürzten Umarbeitung, nach welcher sie in der für die Theater eingerichteten Partitur vorliegt, für giltig. Ich hatte mich bei der ersten Abfassung dieses Stückes durch den von mir auszudrückenden Gegenstand bis zu rezitativartigen Orchesterphrasen verleiten lassen, von denen ich in der Aufführung fühlte, daß ihr Ausdruck wohl mir, der ich das Phantasiebild des geschilderten Vorganges im Kopfe hatte, nicht aber Anderen verständlich sein konnte. In der neuen Fassung muß ich jedoch auf vollständige Ausführung dieses Tonstückes halten, da es mir zur Befestigung der für das Folgende nöthigen Stimmung unerläßlich dünkt.
Im Gebete der Elisabeth sah ich mich nach der ersten Vorstellung, aus ähnlichen Rücksichten wie den zuvor angegebenen, genöthigt, eine Auslassung vorzunehmen, und zwar die von Seite 396 bis 398 bezeichnete. Daß hiermit die wichtigste Motivirung des Opfers und des Todes der Elisabeth verloren ging, muß Jedem einleuchten, der Dichtung und Musik hier genau prüft. Gewiß erfordert der Vortrag dieses vollständigen Gebetes, wenn er das von aller musikalischen Figuration durchaus entkleidete Tonstück nicht als eine gleichförmige Länge, sondern als einen innig ergreifenden Erguß wirken lassen soll, einer Auffas-sung und Hingebung an die Aufgabe, wie wir sie nur selten bei unseren verwöhnten Opernsängerinnen antreffen dürften; hier läßt es sich mit der bloßen musikalischen Ausbildung selbst des glücklichsten Gesangsorganes nicht auskommen; durch keine Kunst des absolut musikalischen Vortrages wird dieses Gebet interessant zu machen sein, sondern nur die Darstellerin kann meiner Absicht genügen, welche die wunderbar schmerzliche Situation der Elisabeth, vom ersten heftig erwachenden Keime ihrer Neigung zu Tannhäuser, durch alle Phasen des Wachsthumes bis zum endlichen Erblühen der todesduftigen Blume - wie sie in diesem Gebete aufgeht - mit den feinsten Organen einer ächt weiblichen Empfindung nachzufühlen vermag. Daß dann aber gerade die höchste Darstellungs- und namentlich auch Gesangs kunst nur es möglich machen wird, diese Empfindung zur wirksamen Mittheilung zu bringen, das werden die Sängerinnen erst gewahr werden, die durch blendendste Künste es sonst wohl verstanden hatten, einen empfindungslosen Haufen von Müssiggängern über ihre Langeweile zu täuschen, vor der vorliegenden Aufgabe jedoch die Nutzlosigkeit und Stümperhaftigkeit ihrer Gauklervortheile einsehen müssen. - Nur anfängliche Unerfahrenheit meiner Dresdener Darstellerin war schuld, daß ich mich zum Opfer der hier erwähnten Auslassung entschließen mußte; im Verlaufe der weiteren Vorstellungen erhielt ich Grund, auf einen glücklichen Ausfall des ganzen Gebetes hoffen zu dürfen, wenn ich es wiederherstellen würde: eine andere Erfahrung hielt mich jedoch immer davon ab, die ich, weil mir gerade hier das ganz am Orte dünkt, in Form folgender Ermahnung an die Dirigenten und Darsteller meiner Oper mittheilen muß. - Was wir für das charakteristische Gelingen einer dramatischen Darstellung bei den ersten Aufführungen unterlassen, holt sich nie bei den Wiederholungen nach. Der erste Eindruck der Erscheinung, selbst wenn er ein fehlerhafter ist, setzt sich für das Publikum wie für den Darsteller als etwas Gegebenes, Bestimmtes fest, an dem jede Änderung, selbst zum Besseren, in der Folge immer als Störung erscheint. Namentlich gewöhnen sich die Darsteller schnell daran, nach einmal überstandener Sorge und Aufregung der ersten Aufführungen, ihre Leistungen, wie sie sich nun einmal während dieses Gebärungsprozesses festgestellt haben, für etwas Unumstößliches, Unberührbares anzusehen: Schlaffheit und eintretende Gleichgiltigkeit thun endlich das Ihrige, ein neues Befassen mit der so für gelöst gehaltenen Aufgabe unmöglich zu machen. Deßhalb ersuche ich die Darsteller und Dirigenten, über Alles, was ich ihnen hier zu beachten gebe, sich noch vor der ersten Aufführung zu einigen; was sie zu leisten oder nicht zu leisten vermögen, muß sich in den Theaterproben, wenn nicht schon eher, bestimmt herausstellen, und ohne höchstes Notherforderniß möge man daher auch nicht sich zu Auslassungen entscheiden, etwa mit der Vertröstung, in späteren Aufführungen das Versäumte nachzuholen; denn dazu kommt es nicht. Ebenso möge man aber auch durch ungenügenden Erfolg dieser oder jener Stelle in der ersten Aufführung sich nicht sogleich veranlaßt fühlen, Auslassungen vorzunehmen, sondern lieber Sorge tragen, daß der Erfolg in den nächsten Vorstellungen nicht ausbleibe; denn wo ein organisch zusammenhängendes Werk durch Ausscheidungen genießbar gemacht werden soll, giebt man sich nur das Zeugniß der Unfähigkeit, und der hierdurch endlich scheinbar ermöglichte Genuß ist jedenfalls nicht der Genuß des Werkes, wie es ist, sondern einzig eine Selbsttäuschung, indem man das Werk für etwas Anderes nimmt, als es ist.
Der eigentliche Triumph der Darstellerin der Elisabeth würde nun darin bestehen, daß ste nicht nur das vollständige Gebet zur Wirkung brächte, sondern diese Wirkung noch dahin festzuhalten wüßte, daß sie das ganze pantomimische Nachspiel desselben unverkürzt durch ihre fesselnde Darstellung ermöglichte. Ich weiß, daß dieß eine nicht minder schwierige Aufgabe als der Gesangsvortrag des Gebetes selbst ist, und nur wenn die Darstellerin der Wirkung dieses fei-erlichen Gebärdenspieles sich ganz gewiß fühlt, will ich daher die vollständige Ausführung dieser Scene gestattet wissen.
Was nun den veränderten Schluß der Oper betrifft, auf dessen Beibehaltung ich streng dringe, so habe ich Diejenigen, die ihn - von dem Eindrucke der Oper in der früheren Bearbeitung auf sie geleitet - nicht billigen wollen, zunächst auf das zu verweisen, was ich soeben in Bezug auf erste Vorstellungen und Wiederholungen sagte. Der umgearbeitete Schluß verhält sich zu der ersten Abfassung wie die Ausführung zur Skizze, und daß diese Ausführung noth that, empfand ich dringend; daß ich sie noch bewerkstelligte, daraus kann aber Jeder ersehen, daß ich nicht eigensinnig auf meinen ersten Entwürfen bestehe, und daher, wenn ich auf die Ausführung von früher ausgelassenen Stellen dringe, dieß nicht aus blinder Liebe zu meinen Werken geschieht. Bei der ersten Abfassung hatte ich den Schluß schon vollkommen so im Sinne, wie ich ihn in der zweiten Bearbeitung ausführte: nicht das Mindeste ist hier in der Intention geändert, sondern diese ist nur eben deutlicher verwirklicht. Ich baute aber zu sehr auf gewisse scenische Wirkungen, die sich durch die Aufführung als unzureichend erwiesen: das bloße Erglühen des Venusberges im fernsten Hintergrunde konnte den beängstigenden, zur Entscheidung vorbereitenden Eindruck, den ich beabsichtigte, nicht hervorbringen; noch minder vermochte die Beleuchtung der Fenster der Wartburg mit dem fernen Grabgesange (ebenfalls im allerweitesten Hintergrunde) den durch Elisabeth's Tod eingetretenen entscheidenden Moment dem mit dem Gegenstande litterarisch und künstlerisch unvertrauten, unbefangenen Zuschauer zur augenblicklich deutlichen Kenntniß zu bringen. Die Erfahrungen hierüber waren für mich so überzeugend peinlich, daß ich in dem Erfolge des Nichtverständnisses dieser Situation meine dringende Veranlassung zur Umarbeitung der Schlußscene finden mußte, die in nichts Anderem als darin zu bestehen hatte, daß Venus selbst sichtbar und hörbar im annähernden Zauberspuke erschien, und Tannhäuser schließlich an der Leiche der wirklichen, nicht nur angedeuteten, Elisabeth sterbend niedersank. Wie nun der Erfolg dieser Abänderung ein entschieden wirksamer auf das unbefangene Publikum war, so begreife ich doch sehr wohl, daß demjenigen Kunstbetheiligten, der sich mit der ersten Erscheinung bereits vertraut gemacht hatte - und zwar dadurch, daß er vermöge genauer Kenntniß der Dichtung und der Musik außerhalb der Darstellung die Anleitung zum Verständnisse der Situation sich verschaffte -, diese Änderung störend erschien; ich begreife dieß um so mehr, als die Darstellung des neuen Schlusses in Dresden nur sehr mangelhaft bewerkstelligt werden konnte, da diese nur mit den aus dem ersten Akte vorräthigen scenischen Mitteln, nicht aber durch nöthige neue dekorative Herrichtungen auszuführen war, und da ferner (wie ich bereits erwähnte) die Darstellung der Venus überhaupt zu den minder gelungenen Partieen der dortigen Aufführung gehörte, somit das Wiedererscheinen derselben an sich keinen vortheilhaften Eindruck machen konnte. Ganz unhaltbar sind aber diese Gründe gegen die Giltigkeit des neuen Schlusses, wenn es sich jetzt darum handelt, den Tannhäuser zum ersten Male auf anderen Bühnen und bei ganz anderen Vorgängen aufzuführen, und deßhalb kann ich ihnen nicht die mindeste Berücksichtigung schenken.
Wenn ich mir hier die Besprechung dieser Schlußscene mit dem Regisseur und namentlich dem Dekorationsmaler noch vorbehalte, so habe ich zunächst noch dem musikalischen Dirigenten mitzutheilen, daß ich den in der ersten Bearbeitung befindlichen Schlußgesang der jüngeren Pilger in der zweiten Ausgabe auslassen zu müssen glaubte, weil er nach dem Vorhergehenden leicht als eine Länge erscheinen kann, wenn er nicht durch die reichsten Gesangskräfte einerseits, und durch eine ergreifende Darstellung der Scene andererseits, an sich zu einer mächtigen Wirkung gebracht werden kann. Der Gesang wird lediglich von Sopran- und Altstimmen ausgeführt; diese müssen in großer Schönheit und numerischer Stärke vorhanden sein, das Auftreten der Sänger muß so geschickt bewerkstelligt werden, daß der Gesang, trotz des erst allmähligen Auftretens des ganzen Chores, von Anfang an mit möglichster Fülle eintritt, und endlich muß die Scene durch prachtvolles Erglühen des Thales im Morgenrothe sehr wirkungsvoll hergerichtet werden können, wenn der Dirigent sich veranlaßt fühlen soll, diesen vollständigen Schluß der Oper ausführen zu lassen. Nur die größten und reichst ausgestatteten Theater dürften jedoch über die nöthigen Mittel zu der bezeichneten Wirkung verfügen können; diese aber würden meiner Absicht durch Ermöglichung auch des Pilgergesanges, unter den angezeigten Bedingungen, erst vollkommen entsprechen; denn allerdings schließt dieser Gesang mit der Verkündigung des Wunders das Ganze, namentlich auch der Erzählung Tannhäuser's von seinem Auftritte in Rom entsprechend, durchaus befriedigend ab1.
Bevor ich mich nun in meinen Mittheilungen gänzlich vom musikalischen Dirigenten abwende2, habe ich mit ihm noch einiges auf das Orchester Bezügliche zu besprechen, und dieß betrifft zunächst den Vortrag der Ouvertüre. - Das Thema, mit welchem dieses Tonstück beginnt, wird von den vortragenden Blasinstrumenten sogleich richtig verstanden werden, wenn der Dirigent darauf hält, daß von Allen auf dem richtigen Melodieeinschnitte gleichmäßig zum Athmen abgesetzt wird; dieß trifft jedesmal vor dem Auftakte zum guten Takt des Rhythmus, also zu dem dritten, fünften, siebenten u. s. w. der Melodie. Nämlich so:



Um die hierdurch beabsichtigte Wirkung der Nachahmung eines auf Worten gesungenen Chorvortrages zu gewinnen, bitte ich noch, im vierten und zwölften Takte die Fagottstimmen dahin abzuändern, daß statt der rhythmischen Note die Auflösung gesetzt werde. Wenn später die Posaunen dasselbe Thema im Forte vortragen, gilt die bezeichnete Athemeintheilung natürlich nicht, sondern um der nöthigen Stärke und Dauer des Tones willen haben die Bläser so oft zu athmen, als sie dieß eben bedürfen. - Die Fortissimostelle vom dritten Takte der Seite 5 bis zum zweiten Takte der Seite 10 möge das begleitende Orchester (also alle Instrumente mit Ausnahme der Posaunen, der Tuba und auch der Pauke) auf die Weise vortragen, daß mit dem Niederschlage jedes Taktes ein volles Fortissimo eintritt, das zweite und dritte Viertel jedoch mit abnehmender Stärke gespielt wird. Also:

in gleichmäßiger Stärke. - Mit dem sechsten Takte der Seite 22 möge der Dirigent die kurz zuvor etwas zu beschleunigende Bewegung um ein Weniges zurückhalten, was jedoch keine auffallende Rückung des Zeitmaaßes verursachen darf; die Stelle soll nur, wie durch den Vortrag selbst, so auch durch das Zeitmaaß einen von den Früheren scharf abstechenden, schmachtenden, ich möchte sagen: lechzenden Charakter im Ausdrucke erhalten. Auf Seite 23, Takt 2, ist in der ersten Violine der Accent für die erste Note hinwegzunehmen; ebenso soll auf Seite 24 im ersten Takte das fp in allen Instrumenten zu einem einfachen p gemacht werden. Auf Seite 25 ist das Zeitmaaß wieder etwas zu befeuern; nur hüte sich der Dirigent, das mit Seite 26 eintretende Thema zu rasch spielen zu lassen: bei allem Feuer, mit dem es vorgetragen werden muß, würde es durch ein zu schnelles Tempo doch einen Charakter gewöhnlichen Leichtsinnes gewinnen, den ich ihm durchaus fern wissen wollte. - Bei der Vertheilung der Violinen in acht Partieen von Seite 34 an ist darauf zu sehen, daß die sechs unteren Partieen gleichmäßig stark, die zwei oberen von Seite 35 an jedoch so besetzt seien, daß die zweite Partie stärker als die erste ausfalle; für die erste kann selbst ein Vorspieler allein genügen, während die zweite Partie zahlreicher als alle übrigen besetzt sein muß. - Der Klarinettist irrt sich gewöhnlich über die Bindung im ersten Takte der Seite 35, indem er die erste Note der Triole mit der voranstehenden Dreivierteltaktnote verbindet: sie muß dagegen besonders angeschlagen werden. Auf Seite 36 ist scharf darauf zu halten, daß die Klarinette vor allen übrigen Instrumenten deutlich vernommen wird; namentlich darf auch die erste Violinpartie sie nicht decken, und der Klarinettist muß sich genau bewußt sein, daß er von dem ersten Eintritte auf dieser Seite an bis zum fünften Takte der Seite 37 die hervorstechende Hauptpartie übernimmt. - Eine ziemlich heftige Beschleunigung des Zeitmaaßes hat von Seite 39 an stattzufinden, die erst mit dem fünften Takte auf Seite 41 abzunehmen und in das hier nöthige energische Tempo überzugehen hat. - Vom dritten Takte der Seite 50 an halte der Dirigent auf eine ununterbrochene Ausdauer der größten Stärke in allen Instrumenten; ein Nachlassen in den nächsten acht Takten muß durchaus vermieden werden. - Von größter Wichtigkeit für das Verständniß des ganzen Schlusses der Ouvertüre ist es, daß von Seite 54 an die Violinen im äußersten Piano spielen, so daß vor ihrer - gleichsam nur noch geflüsterten - Wellenfigur das Thema der Blasinstrumente auf das Deutlichste vernommen wird, welches von seinem Eintritte an, trotzdem es nicht eigentlich stark gespielt werden darf, dennoch sogleich die Aufmerksamkeit des Hörers mit Bestimmtheit fesseln muß. - Vom dritten Takte der Seite 66 an hat der Dirigent das Zeitmaaß in regelmäßigem Fortschritte, aber mit auffallender Wirkung, der Art zu beschleunigen, daß bei dem Eintritte des Fortissimo auf Seite 68 die nöthige Steigerung der Bewegung gewonnen ist, in welcher einzig das rhythmisch so stark vergrößerte Thema der Posaunen, zur verständlichen Wahrnehmung in der Art gelangen kann, daß die Noten derselben nicht als vereinzelte, unzusammenhängende Töne erscheinen. - Ich habe endlich dem Dirigenten und dem Orchester wohl nicht erst nöthig an das Herz zu legen, daß nur mit dem Aufwande der äußersten Energie und Kraft die Wirkung des andauernden Fortissimo's in der beabsichtigten Bedeutung erreicht werden kann. Die vier letzten Takte sind, nach abermaliger Beschleunigung der sechs vorausgehenden, bis zu einer feierlichen Breite des Zeitmaaßes zurückzuhalten. -
Über die »Tempi« des ganzen Werkes im Allgemeinen äußere ich mich hier nur dahin, daß, wenn die beigefügten metronomischen Angaben den Dirigenten und die Sänger allein über das Zeitmaaß aufklären sollen, es um den Geist des Vorzutragenden jedenfalls sehr übel stehen muß; nur dann werden Beide auch immer das richtige Zeitmaaß treffen, wenn das Verständniß der dramatischen und musikalischen Situationen, durch eine gewonnene lebhafte Sympathie mit denselben, sie das Zeitmaaß als etwas sich ganz von selbst Verstehendes, ohne weiteres Suchen, finden läßt.
Was die Besetzung des Orchesters betrifft, so habe ich, da das Korps der Blasinstrumente in dieser Oper die übliche Stärke guter deutscher Orchester in nichts Wesentlichem überschreitet, nur auf Eines, und mir allerdings sehr Wichtiges, aufmerksam zu machen: auf die erforderliche nöthige Stärke der Streichinstrumente. Die deutschen Orchester sind durchgängig zu schwach mit Streichinstrumenten besetzt, und über die Gründe dieses Mangels an Feinfühligkeit für die wahrsten Bedürfnisse eines guten Orchestervortrages ließe sich viel und für die Beurtheilung deutscher Musikzustände Entscheidendes sagen, was hier aber gewiß zu weit führen möchte. So viel ist sicher, daß die ihres Leichtsinnes wegen bei uns so sehr verschrieenen Franzosen, ihre kleinsten Orchester besser mit Streichinstrumenten besetzt halten, als wir dieß in Deutschland oft bei ganz renommirten Orchestern antreffen. Ich habe nun bei der In-strumentation des »Tannhäuser« mit so bestimmter Absicht ein besonders stark besetztes Streichorchester im Auge gehabt, daß ich bei allen Theatern durchweg auf eine Vermehrung der Streichinstrumente über den gewöhnlichen Bestand dringen muß; und meine Forderungen hierfür mögen einfach nach dem Maaßstabe bemessen werden, nach welchem ich erkläre, daß ein Orchester, welches nicht mindestens vier gute Bratschisten stellen kann, meine Musik nur verstümmelt zur Anhörung bringen muß.
Für die Scene habe ich ungewohntere Anforderungen an die musikalische Ausstattung gemacht. Wenn ich auf der möglichst genauen Beachtung meiner Vorschriften in Bezug auf die Theatermusik bestehe, so berechtigt mich dazu die Kenntniß des Umstandes, daß in allen bedeutenden Städten Deutschlands stark und gut besetzte Musikkorps, namentlich dem Militär angehörig, vorhanden sind, aus denen recht wohl das zum »Tannhäuser« nöthige Theatermusikkorps kombinirt werden kann. Ich weiß ferner, daß der Erfüllung meiner Forderung meist nur der, wie ich zugeben will, leider oft sehr gerechtfertigte Sparsamkeitssinn der Theaterdirektionen entgegen sein wird; den Direktionen muß ich aber sagen, daß sie sich von der Aufführung meines »Tannhäuser« gar keinen Erfolg zu versprechen haben, außer dann, wenn diese Vorstellung in jeder Hinsicht mit der ausgewähltesten Sorgfalt vorbereitet wird, mit einer Sorgfalt, die dieser Vorstellung den gewohnten Opernaufführungen gegenüber den Charakter des Ungewöhnlichen giebt; und wie dieser Charakter durch die Erscheinung des Ganzen nach allen Seiten hin sich zu rechtfertigen hat, so muß dieß auch nach der Seite der äußeren Ausstattung hin geschehen, für welche ich keinesweges Flitterprunk und blendende Gaukeleien, sondern eben Verdrängung dieser schlechten Effektmittel durch eine wirklich reiche und sinnig berechnete künstlerische Behandlung des Ganzen wie des Details in Anspruch nehme.

Ich wende mich nun in Kürze noch an den Regisseur besonders, um ihm zu Herzen zu führen, wie es aus der genauen Beachtung Dessen, was ich bisher zunächst nur dem musikalischen Dirigenten mittheilte, sich selbst einen Maaßstab für meine Anforderungen an den Charakter seiner Mitwirksamkeit zu entnehmen habe. Alles auf die Darstellung Bezügliche kann nur dann musikalischerseits gelingen, wenn die feinste Ausführung des scenischen Details das Gelingen des dramatischen Ganzen überhaupt ermöglicht. Die auf die Scene bezüglichen Bemerkungen in der Partitur, auf die ich bereits zu Anfang den Regisseur mit Nachdruck hinwies, geben ihm in den meisten Fällen genau meine Absicht zu verstehen; meine umständlichen Andeutungen bei Gelegenheit der Besprechung einiger sonst ausgelassenen Stellen können ihm klar machen, welches außerordentliche Gewicht ich auf die bestimmteste Motivirung der Situationen durch die dramatische Aktion lege, und aus ihnen möge ihm erhellen, von welchem Werthe mir seine angelegentlichste Mitwirkung bei Anordnung auch der leisesten scenischen Vorgänge ist. Ich ersuche daher den Regisseur dringend, die leider üblich gewordenen Rücksichten gegen beliebte Opernsänger, nach welchem diese fast nur mit dem musikalischen Dirigenten zu verkehren hatten, durchaus fahren zu lassen. Glaubte man bisher, mit Geringschätzung des Operngenre's überhaupt, einem Sänger irgend welchen Unsinn in der Auffassung einer Situation durchgehen lassen zu müssen, weil ein »Opernsänger nun einmal kein Schauspieler sei, und weil man in die Oper nur gehe, um singen zu hören, nicht aber auch 'spielen' zu sehen«, so erkläre ich, daß, bei Anwendung dieser Nachsicht auch auf vorliegenden Fall, mein Werk schlechterdings verloren sein muß. Das, was ich vom Darsteller verlange, wird allerdings nicht durch bloßes Hineinreden auf ihn zu bewirken sein, und das ganze von mir angegebene Verfahren beim Einstudiren, namentlich die Abhaltung von Leseproben, zielt eben darauf hin, den Darsteller zum mitfühlenden und mitwissenden, endlich aus seiner eigenen meine umständlichen Andeutungen bei Gelegenheit der Besprechung einiger sonst ausgelassenen Stellen können ihm klar machen, welches außerordentliche Gewicht ich auf die bestimmteste Motivirung der Situationen durch die dramatische Aktion lege, und aus ihnen möge ihm erhellen, von welchem Werthe mir seine angelegentlichste Mitwirkung bei Anordnung auch der leisesten scenischen Vorgänge ist. Ich ersuche daher den Regisseur dringend, die leider üblich gewordenen Rücksichten gegen beliebte Opernsänger, nach welchem diese fast nur mit dem musikalischen Dirigenten zu verkehren hatten, durchaus fahren zu lassen. Glaubte man bisher, mit Geringschätzung des Operngenre's überhaupt, einem Sänger irgend welchen Unsinn in der Auffassung einer Situation durchgehen lassen zu müssen, weil ein »Opernsänger nun einmal kein Schauspieler sei, und weil man in die Oper nur gehe, um singen zu hören, nicht aber auch 'spielen' zu sehen«, so erkläre ich, daß, bei Anwendung dieser Nachsicht auch auf vorliegenden Fall, mein Werk schlechterdings verloren sein muß. Das, was ich vom Darsteller verlange, wird allerdings nicht durch bloßes Hineinreden auf ihn zu bewirken sein, und das ganze von mir angegebene Verfahren beim Einstudiren, namentlich die Abhaltung von Leseproben, zielt eben darauf hin, den Darsteller zum mitfühlenden und mitwissenden, endlich aus seiner eigenen Überzeugung mitschaffenden Theilnehmer der Aufführung zu machen: daß dieser Erfolg, bei der herrschenden Gewohnheit, nur aber durch thätigste Mitwirkung des Regisseurs herbeigeführt werden kann, ist ebenso gewiß.
So ersuche ich den scenischen Dirigenten, namentlich auch darauf zu halten, daß die scenischen Vorgänge auf das Bestimmteste mit den sie begleitenden Zügen des Orchesters zusammentreffen. Ost ist es mir begegnet, daß ein scenischer Vorgang - eine Bewegung, ein bedeutsamer Blick - dadurch der Aufmerksamkeit des Zuschauers verloren ging, daß er entweder zu früh, oder zu spät, und jedenfalls nicht genau mit der, den Zuschauer wiederum als Zuhörer bestimmenden, bezüglichen Stelle des Orchesters im Tempo, oder auch in der Andauer übereinstimmte. Bei dieser Unachtsamkeit schadet sich nicht nur der Darsteller für die Wirkung seiner Aktion, sondern die betreffenden Züge des Orchesters verwirren auch bei dieser Zusammenhangslosigkeit den Zuschauer der Art, daß er sie für willkürliche Einfälle des Komponisten halten muß. Welche Reihe von Mißverständnissen hieraus sich ergiebt, ist leicht einzusehen.
Ferner gebe ich dem Regisseur auf, darüber zu wachen, daß vom darstellenden Personale die im »Tannhäuser« vorkommenden Aufzüge nicht in der üblichen Marschmanier ausgeführt werden, wie sie in unseren Opernvorstellungen so stereotyp geworden ist. Märsche in dem gewohnten Sinne kommen in meinen letzten Opern gar nicht mehr vor, und wenn daher der Einzug der Gäste in der Sängerhalle (Akt II Scene IV) so ausgeführt wird, daß ein Chor- und Statistenpersonal paarweise aufmarschiert, den beliebten Schlangenumzug auf der Bühne hält, dann aber in zwei militärisch geordneten Reihen, in Erwartung der weiteren Operndinge, sich den Koulissen entlang aufstellt, so bitte ich nur, daß man hierzu auch irgend einen Marsch aus »Norma« oder »Belisar«, nicht aber meine Musik im Orchester spielen lasse. Dagegen muß, wenn man für gut findet meine Musik beizubehalten, der Einzug der Gäste in seiner Anordnung durchaus dem wirklichen Leben, und zwar nach seinen edelsten und freiesten Formen, nachgeahmt sein; fern sei jene peinliche Regelmäßigkeit der sonst herkömmlichen Marschordnungen; je mannigfaltiger und zwangloser die Gruppen der Eintretenden, als gesonderte Familien- und Freundeskomplexe, vertheilt sind, desto einnehmender wird die Wirkung des ganzen Einzuges sein. Jede der anlangenden Ritter und Frauen werden vom Landgrafen und Elisabeth freundlich und würdevoll begrüßt, wobei natürlich keine sichtbare Nachahmung des Sprechens stattfinden darf, was unter allen Umständen in einem musikalischen Drama streng verpönt zu sein hat. - Eine überaus wichtige Aufgabe in diesem Sinne ist dann der ganze Verlauf des Sängerkrieges, die zwanglose Gruppirung der Zuhörer, und namentlich die Kundgebung ihrer wechselnden und wachsenden Theilnahme an dem Hauptvorgange. Hier zeige sich der Regisseur in seiner vollen Kunst; denn nur durch seine geistvollsten Anordnungen kann diese kombinirte Scene zur rechten Wirkung gelangen.
Ähnlich hat er die Aufzüge der Pilger im ersten und dritten Akte zu leiten: je freier und natürlicher hier die Gruppen wechselvoll vertheilt sind, desto entsprechender wird meiner Absicht genügt. Über den Schluß des ersten Aktes, wo (schon während der ganzen Scene, jedoch anfangs unmerklich) die Bühne allmählich vom immer mehr sich verstärkenden Jagdtrosse erfüllt wird, sowie vom Schlusse des dritten Aktes, wo ich die Ausführung des Gesanges der jüngeren Pilger zum wesentlichen Theile mit von den besonders geschickten Anordnungen der Scene abhängig erklären mußte, glaube ich mich bereits zur Genüge geäußert zu haben. Nur auf ein Wichtigstes habe ich schließlich den Regisseur noch hinzuweisen: auf die Darstellung der ersten Scene der Oper, des - wenn ich es so nennen darf - Tanzes im Venusberge. Daß es sich hier nicht um einen Tanz, wie er in unseren Opern und Balleten üblich ist, handelt, brauche ich wohl nicht erst zu bedeuten: der Balletmeister, dem man die Zumuthung stellte, zu dieser Musik eine solche Tanzscene zu arrangiren, würde uns bald eines Anderen belehren, und die Musik für durchaus untauglich erklären. Was ich dagegen im Sinne habe, ist ein Zusammenfassen alles Dessen, was irgend Tanz- und Pantomimenkunst zu leisten vermag: ein verführerisch wildes und hinreißendes Chaos von Gruppirungen und Bewegungen, vom weichsten Behagen, Schmachten und Sehnen, bis zum trunkensten Ungestüm jauchzender Ausgelassenheit. Gewiß ist die Aufgabe nicht leicht zu lösen, und die gewünschte chaotische Wirkung hervorzubringen bedarf es ohne Zweifel der sorgfältigsten künstlerischen Anordnung des feinsten Details. In der Partitur ist der Verlauf dieser wilden scenischen Situation nach den wesentlichen Zügen mit Bestimmtheit angegeben, und ich muß Denjenigen, der sich der Herstellung dieser Scene unterzieht, dringend ersuchen, trotz aller Freiheit der Erfindung, die ich ihm lasse, genau die angegebenen Hauptmomente fest zu halten; ein öfteres Anhören der Musik, vom Orchester vorgetragen, wird dem irgend Erfahrenen am besten die Erfindungen zuführen, die er, um der Musik zu entsprechen, für die Anordnung der Scene zu machen hat. -
Eben diese Scene setzt mich zunächst noch mit dem Dekorationsmaler in Berührung, den ich hier durchgehends als mit dem Maschinisten vereint mir vorstelle. Nur bei genauer Kenntniß des ganzen dichterischen Gegenstandes, und nach einem sorgfältigen Vernehmen mit dem Regisseur, und selbst dem Kapellmeister, über dessen Darstellung kann es dem Dekorationsmaler und Maschinisten gelingen, die Bühne so herzurichten, wie es erforderlich ist. Wie oft muß es dagegen, wenn dieses Einverständniß versäumt ist, vorkommen, daß, nur der endlich nothwendig gewordenen Benutzung des nach einseitiger Kenntniß des Gegenstandes bestellten Werkes des Dekorationsmalers und Maschinisten zu lieb, gewaltsame Entstellungen der eigentlichen Absicht vorgenommen werden müssen!
Die Scene des Venusberges, die für ihre Konstruktion genau der bereits hinter ihr aufgestellten Scene des Wartburgthales entsprechen muß (was für die, beiden Scenen nöthigen Bergvorsprünge sehr gut stimmt), ist den Hauptmomenten nach in der Partitur genügend angegeben. Schwierig ist jedoch dann das Verhüllen der Scene in rosiges Gewölk, wodurch diese auf einen engeren Raum zu beschränken ist: aller beabsichtigte Zauber würde vernichtet werden, wenn dieß auf plumpe Weise durch Vorschieben und Herabsenken einer massiven Wolkendekoration bewerkstelligt werden sollte. In Dresden wurde die Verhüllung, nach sorgfältigen Proben, sehr entsprechend und wirkungsvoll ausgeführt, durch allmähliches Her-ablassen duftig gemalter Schleier, von denen mehrere nach und nach hinter einander niedergesenkt wurden, so daß erst dann, als die Konture der vorigen Scene ganz unkenntlich geworden waren, eine rosig gemalte massive Leinwanddekoration hinter den Schleiern die Scene vollkommen schloß. Eine genaue Berechnung des Tempo's, um der Übereinstimmung mit der Musik willen, wurde beobachtet. - Die große Verwandlung geschieht dann mit einem Male, indem, bei plötzlich eintretender Verfinsterung der Bühne, die massive Wolkendekoration zunächst, und schnell darauf die Schleier aufgezogen werden, worauf das sogleich lebhaft hervorbrechende Licht die neue Scene, das Thal, mit heiterster Tageshelle beleuchtet. Die Wirkung dieser Thaldekoration, die genau nach der Angabe der Partitur herzustellen ist, muß nun so bewältigend frisch, heiter und traulich sein, daß es dem Dichter und Musiker gestattet sein darf, die Zuschauer eine geraume Weile ihrem Eindrucke zu überlassen.
Die Dekoration zum zweiten Akte, die Sängerhalle auf Wartburg darstellend, war für Dresden von einem ausgezeichneten französischen Künstler so vortrefflich hergestellt worden, daß ich jedem Theater nur rathen kann, sich eine Zeichnung davon zu verschaffen, um nach ihr sie anfertigen zu lassen. Auch die Einrichtung der Scene in Bezug auf die Aufstellung der Sitzreihen der Zuhörer des Sängerkampfes, war dort so glücklich getroffen, daß ich nur auf Benutzung der Angaben zu dringen habe, die von dort her zu beziehen sein könnten.
Minder glücklich fiel in Dresden die Scene zum dritten Akte aus, weil erst nach der Aufführung der Oper es klar wurde, daß für diesen Akt eine besondere Dekoration hätte angefertigt werden müssen, wogegen ich zuvor geglaubt hatte, wir würden mit der Benutzung der zweiten Hauptdekoration des ersten Aktes hierfür ausreichen. Es erwies sich aber als unmöglich, derselben Dekoration, welche zuvor auf die heiterste Wirkung als Frühlingstagesstück berechnet war, durch noch so künstliche Anwendung der Beleuchtung den, für den dritten Akt nöthigen, herbstabendlichen Ausdruck zu geben. Vor allem war aber in ihr die zauberhafte Erscheinung des Venusberges nicht wirksam darzustellen, so daß ich mich - wie bereits erwähnt - für die zweite Bearbeitung damit begnügen mußte, die Schleierdekoration des ersten Aktes, ziemlich unmotivirt, wieder herabsinken zu lassen, wodurch die ganze Erscheinung der Venus viel zu weit in den Vordergrund gerieth, und deßhalb die von fernher verlockende Wirkung durchaus nicht hervorbrachte. Ich verpflichte daher die Dekorationsmaler, denen jetzt die Herrichtung der Oper aufgetragen wird, auf Beschaffung einer besonderen Dekoration für den dritten Akt zu dringen, und diese dann so auszufüh-ren, daß sie die letzte Scene des dritten Aktes im Tone des Herbstes und Abends gebe, mit genauer Rücksichtnahme darauf, daß am Schlusse das Thal in glühende Morgenrothbeleuchtung zu versetzen ist. - Für die spukhafte Erscheinung des Venusberges möge dann ungefähr folgendes Verfahren stattfinden. Zunächst sinken, an der in der Partitur angegebenen Stelle, bei stark eingezogener Beleuchtung in der hinteren Hälfte der Bühne zwei Schleier nach einander herab, so daß die Konture der Thaldekoration im Hintergrunde völlig unkenntlich gemacht werden; sodann wird der, für diese Scene transparent gemalte, ferne Venusberg in rosig glühende Beleuchtung versetzt. Der erfinderische Sinn des Dekorationsmalers und Maschinisten möge nun eine Herrichtung aufsuchen, durch welche die Wirkung hervorgebracht wird, als ob der erglühende Venusberg sich nähere und soweit ausdehne, daß er - als durchsichtig - tanzende Gestalten zu fassen vermag, deren wirre Bewegungen dem Zuschauer deutlich werden müssen; als die ganze hintere Bühne von dieser Erscheinung eingenommen ist, wird dann Venus, auf einem Lager ausgestreckt, sichtbar. Die Entfernung muß aber immer noch so weit erscheinen, als dieß irgend die Größe wirklicher menschlicher Gestalten für die Täuschung erlaubt. Das Verschwinden der Erscheinung wird dann durch schnelle Dämpfung und endliches Verlöschen der, bis dahin immer lebhafter gewordenen, rosigen Beleuchtung des Hintergrundes, somit durch momentan eintretende gänzliche Nacht, während welcher der ganze zur Erscheinung des Venusberges nöthige Apparat rasch zu entfernen ist, bewerkstelligt; zunächst gewahrt man dann, beim Ertönen des Grabgesanges, durch die zwei noch herabhängenden Schleier die Lichter und Fackeln des Leichenzuges, der von der Höhe des Hintergrundes herabsteigt: langsam werden dann die Schleier nach einander aufgezogen, und zugleich tritt überall allmählich wachsende Beleuchtung des Tagesgrauens ein, welches schließlich - wie bemerkt - in Morgenglühen überzugehen hat.
Der Dekorationsmaler möge nun einsehen, wie unendlich wichtig, ja einzig ermöglichend, mir seine geistvollste Mitwirkung ist, und daß ich ihm einen gewiß nicht wenig entscheidenden Antheil an dem Erfolge des Ganzen, der nur durch augenblickliches klares Verständniß der ungewöhnlichsten Situationen zu gewinnen ist, zuspreche. Nur aber ein genaues, wirklich künstlerisches Eingehen seinerseits auf meine innerlichsten Absichten kann diese Mitwirkung mir verschaffen.

Nach diesen ziemlich umständlichen Auseinandersetzungen wende ich mich denn nun schließlich an die Darsteller im Besonderen. Nicht über das Ein-zelne ihrer Leistungen kann ich mich jedoch mit ihnen zu besprechen versuchen, denn um hierzu volle und geeignete Veranlassung zu gewinnen, müßte ich nothwendig mit einem Jeden in persönlichen Freundschaftsverkehr treten können. Ich muß mich daher auf Das beschränkt halten, was ich über die nöthige Auffassung des Studiums im Allgemeinen sagte, in der Hoffnung, daß auf dem bezeichneten Wege die Darsteller ganz von selbst dazu gelangen, durch das Vertrautwerden mit meinen Intentionen auch die Fähigkeit zu gewinnen, diesen Intentionen zu entsprechen. In Allem, was ich zunächst an den musikalischen Dirigenten richtete, sind aber bereits meine Forderungen an den Darsteller so stark mit berührt worden, und namentlich fand ich bei der Besprechung einzelner Stellen Gelegenheit, diese meine Forderungen so genau zu motiviren, daß ich für die Darstellung im Allgemeinen nur noch darauf aufmerksam zu machen hätte, wie ich meine Ansprüche in Bezug auf die Auffassung jener einzelnen Stellen für jedes übrige Detail der Darstellung gelten lassen muß. -
Doch halte ich für gut, über den Charakter der Hauptrollen mich noch etwas näher zu äußern.
Die schwierigste Rolle ist unstreitig die des Tannhäuser selbst, und ich muß eingestehen, daß sie überhaupt eine der schwierigsten Aufgaben für die dramatische Darstellung sein dürfte. Als das mir Wesentlichste von diesem Charakter bezeichne ich das stets unmittelbar thätige, bis zum stärksten Maaße gesteigerte Erfülltsein von der Empfindung der gegenwärtigen Situation, und den lebhaftesten Kontrast, der durch den heftigen Wechsel der Situation sich in der Äußerung dieses Erfülltseins zu erkennen giebt. Tannhäuser ist nie und nirgends etwas nur »ein wenig«, sondern alles voll und ganz. Mit vollstem Entzücken hat er in den Armen der Venus geschwelgt; mit dem bestimmtesten Gefühle von der Nothwendigkeit seiner Losreißung von ihr zerbricht er, ohne im Mindesten die Göttin der Liebe zu schmähen, die Bande, die ihn an sie fesselten. Mit vollster Rückhaltslosigkeit giebt er sich dem überwältigenden Eindrucke der wiederbetretenen heimischen Natur, der traulichen Beschränktheit altgewohnter Empfindungen, endlich dem thränenreichen Ausbruche eines kindlich religiösen Reuegefühles hin; der Ausruf: »Allmächtiger, Dir sei Preis! groß sind die Wunder Deiner Gnade!« ist der unwillkürliche Erguß einer Empfindung, die sein Herz bis auf die innerste Wurzel mit unwiderstehlicher Gewalt einnimmt. So stark und aufrichtig ist diese Empfindung und das gefühlte Bedürfniß der Aussöhnung mit der Welt - doch der Welt im größesten und weitesten Sinne -, daß er der Begegnung seiner früheren Genossen, und ihrer angebotenen Versöhnung mit ihm, scheu und abstoßend ausweicht: nicht Rückkehr will er, sondern Vordringen bis zu einem ebenso Großen und Erhabenen, als es sein neu gewonnenes Gefühl von der Welt ist. Dieß Eine, Namenlose, was jetzt einzig seiner Empfindung entsprechen kann, wird ihm dann plötzlich mit dem Namen »Elisabeth« genannt: Vergangenheit und Zukunft strömt ihm mit diesem Namen blitzesschnell wie in einen Feuerstrom zusammen, der, während er die Liebe Elisabeth's zu ihm erfährt, zum leuchtenden Stern eines neuen Lebens für ihn zusammenfließt. Ganz und gar von diesem nie erfahrenen neuesten Eindrucke überwältigt, jauchzt er in wonnigster Lebenslust auf, stürmt er der Geliebten entgegen. Wie ein ferner, dumpfer Traum liegt alles Vergangene nur noch vor seiner Seele; kaum weiß er sich seiner zu erinnern: nur Eines gewahrt er noch, ein reizend holdes Weib, eine süße Jungfrau, die ihn liebt; und nur Eines erkennt er in dieser Liebe, nur Eines erkennt er in ihrer Entgegnung, - brünstiges, allverzehrendes Lebensfeuer. - Mit diesem Feuer, dieser Inbrunst, genoß er einst die Liebe der Venus, und unwillkürlich muß er erfüllen, was er ihr beim Abschiede frei gelobte: »gegen alle Welt fortan ihr muthiger Streiter zu sein«. Diese Welt säumt nicht, ihn zum Streite herauszufordern. In ihr, wo der Stolze an sich das Opfer vollbringt, was die Schwäche von ihm fordert, findet der Mensch für sein Dasein nur Berechtigung durch Aner-kennung der Nothwendigkeit einer unendlichen Vermittelung seiner unwillkürlichen Empfindungen für ihre Kundgebung durch den, alle Gestaltung beherrschenden Ausdruck der Sitte. Tannhäuser, der nur des unmittelbarsten Ausdruckes seiner aufrichtigsten, unwillkürlichsten Empfindungen mächtig ist, muß sich zu dieser Welt im schroffsten Gegensatze finden, und seinem Gefühle muß dieß so stark bewußt werden, daß er, um seiner Existenz willen, auf Tod und Leben diesen seinen Gegensatz zu bekämpfen hat. Diese eine Nothwendigkeit wird einzig nur noch von ihm empfunden, als es im Sängerkriege zum offenen Kampfe kommt; um ihr zu genügen, vergißt er Alles um sich her, jede Rücksicht läßt er fahren: und doch kämpft sein Gefühl nur für seine Liebe zu Elisabeth, als er endlich hell und laut sich als Ritter der Venus bekennt. Hier steht er auf der höchsten Höhe seines lebensfreudigen Triebes, und nichts vermag ihn in der Erhabenheit seiner Entzückung, mit der er einsam einer ganzen Welt trotzig entgegensteht, zu erschüttern, als die einzige Erscheinung, die gerade jetzt als gänzlich neu und nie noch wahrgenommen seine ganze Empfindung urplötzlich einnimmt: das Weib, das sich aus Liebe für ihn opfert. - Aus dem Übermaaße der Wonne, das er in Venus' Armen genoß, sehnte er sich nach - Schmerz: diese tief menschliche Sehnsucht sollte ihn dem Weibe zuführen, das nun mit ihm leidet, wogegen Venus sich nur mit ihm freute. Sein Verlangen ist erfüllt, und fortan kann er nicht mehr leben ohne ebenso überschwängliche Schmerzen, als zuvor seine Freuden überschwänglich waren. Aber diese Schmerzen sind dennoch keine gesuchten, willkürlich aufgenommenen; sondern mit unwiderstehlicher Gewalt brachen ste durch das Mitgefühl in sein Herz ein, das nun mit der ganzen Energie seines Wesens sie bis zur Selbstvernichtung nährt. Hier nun äußert sich seine Liebe zu Elisabeth in dem ungeheuren Unterschiede von seiner Liebe zu Venus: sie, deren Blick er nicht ertragen kann, deren Wort ihm wie ein Schwert in die Brust dringt, sie muß er durch furchtbarste Martern um die Marter ihrer Liebe zu ihm zu versöhnen suchen, und wenn er diese Versöhnung im schmerzlichsten Todesaugenblicke auch von Ferne nur ahnen dürfte. - Wo gäb' es nun ein Leiden, das er nicht mit Luft ertrüge? Vor jener Welt, der er soeben noch als Todfeind siegesjubelnd gegenüberstand, wirst er sich mit williger Inbrunst in den Staub, um von ihren Füßen sich zertreten zu lassen. Nicht gleicht er so den Pilgern, die um ihres eigenen Heiles willen sich gemächliche Büßungen auferlegen: nur »um ihr die Thräne zu versüßen, die sie um den Sünder geweint«, sucht er unter den schrecklichsten Qualen den Weg zu seinem Heile, da dieses Heil in nichts Anderem bestehen kann, als jene ihm geweinte Thräne versüßt zu wissen. Wir müssen ihm glauben, daß mit solcher Inbrunst noch nie ein Pilger nach dem Heile verlangte; je aufrichtiger und vollständiger aber seine Zerknirschung, sein Bußgefühl und Heiligungsverlangen war, desto furchtbarer mußte ihn nun auch der Ekel vor der Lüge und Herzlosigkeit übermannen, die sich ihm am Ziele des Heilweges darstellten. Gerade bei der höchsten Wahrhaftigkeit seiner Empfindung, die sich nicht auf ihn und sein besonderes Seelenheil, sondern auf die Liebe zu einem anderen Wesen, somit auf dieß geliebte Wesen selbst bezog, mußte endlich sein Haß gegen diese Welt, die aus ihren Axen hätte gerathen müssen, wenn sie ihn und die Liebe freisprechen wollte, in die hellsten Flammen aufschlagen, und diese Flammen sind es, die als Gluthen der Verzweiflung sein Herz durchbrennen. Als er von Rom wiederkehrt, ist es nur noch Grimm gegen eine Welt, die ihm wegen der höchsten Aufrichtigkeit seiner Empfindungen das Recht des Daseins abspricht; und nicht aus Sehnsucht nach Freude und Luft sucht er wieder den Venusberg auf, sondern der Haß gegen jene Welt, der er Hohn sprechen muß, die Verzweiflung treibt ihn dahin, um sich vor dem Blicke seines »Engels« zu verbergen, dessen »Thräne zu versüßen« die ganze Welt ihm nicht den Balsam bieten konnten. - So liebt er Elisabeth; und diese Liebe ist es, die sie erwidert. Was die ganze sittliche Welt nicht vermochte, das vermochte sie, indem sie der Welt zum Trotze den Geliebten in ihr Gebet schloß, und in heiligem Wissen von der Kraft ihres Todes, sterbend den Unseligen freisprach. Und sterbend dankt ihr Tannhäuser für diese empfangene höchste Liebesgunst. An seiner Leiche steht aber Keiner, der ihn nicht beneiden müßte; und Jeder, die ganze Welt, Gott selbst - muß ihn selig sprechen. -
Ich erkläre nun, daß keinem, selbst nicht dem bedeutendsten Schauspieler unserer und der vergangenen Zeiten, die Aufgabe einer vollkommenen Darstellung des Tannhäuser, wie ich sie nach der voranstehenden Charakteristik verlange, zu lösen gelingen kann, und antworte nun der Frage, wie ich es für möglich halte, daß ein Opernsänger sie lösen solle, einfach dahin, daß eben nur der Musik der Entwurf solch' einer Aufgabe geboten werden durfte, und nur, eben durch die Musik, ein dramatischer Sänger sie zu lösen im Stande sein kann. Wo der Schauspieler in den Mitteln der Rezitation vergebens nach dem Ausdruck suchen würde, der ihm einen solchen Charakter gelingen lassen sollte, bietet sich dieser Ausdruck ganz von selbst in der Musik dem Sänger dar, und von diesem verlange ich daher nur, daß er mit rückhaltsloser Wärme auf die von mir ihm gebotene Aufgabe eingehe, um gewiß zu sein, daß er sie auch lösen werde. - Nur muß ich namentlich vom Sänger des Tannhäuser ein gänzliches Aufgeben und Vergessen seiner bisherigen Stellung als Opernsänger verlangen; als solcher darf er gar nicht an die Möglichkeit einer Lösung der gestellten Aufgabe denken. Besonders auf unseren Tenorsängern haftet, vom Vortrage der gewöhnlichen Tenorpartieen her, ein völliger Fluch, der sie uns gemeinhin nicht anders als unmännlich, weichlich und vollständig energielos erscheinen läßt. Sie sind, unter dem Einflusse und in Folge einer gewöhnlich geradezu verbrecherischen Ausbildung ihres Stimmorganes, während der ganzen Dauer ihrer theatralischen Laufbahn so ausschließlich daran gewöhnt, sich nur mit den allerkleinlichsten Details der Gesangsmanier zu befassen und ihnen einzig ihre Aufmerksamkeit zu widmen, daß sie auf der Bühne selten zu etwas Anderem gelangen, als sich entweder zu sorgen, ob jenes G oder As hübsch herauskommen werde, oder darüber sich zu freuen, daß das Gis oder A gehörig »gesessen« hat. Neben diesen Sorgen und Freuden kennen sie gewöhnlich nichts als Vergnügen am Putz, und das Bemühen, mit Putz und Stimme zusammen nach Möglichkeit zu gefallen, vor Allem um einer höheren Gage willen3. Ich gebe nun zu, daß ein bloßes Befassen mit einer Aufgabe, wie die meines Tannhäuser's, schon hinreichen werde, den Sänger über sich in Unruhe zu versetzen, und daß in Folge dieser Unruhe er sich angelegen sein lassen werde, Verschiedenes in seiner Bühnengewohnheit zu ändern; ich gehe sogar in meiner Voraussetzung so weit zu hoffen, daß, wenn das Studium des Tannhäuser in der Weise geleitet wird, wie ich es angegeben habe, eine Veränderung in den Gewohnheiten und Begriffen des Sängers zu Gunsten der Aufgabe sich geltend machen werde, die ihn ganz von selbst auf das Richtige und erforderliche hinleiten muß: nur dann aber kann ich einen durchaus günstigen Erfolg seiner Bemühungen erwarten, wenn diese Veränderungen zu einer vollständigen Revolution in ihm und seiner bisherigen Auffassungs- und Darstellungsweise führt, einer Revolution, bei welcher er sich bewußt wird, daß er für diese Aufgabe etwas ganz und gar Anderes zu sein hat, als er sonst war, der vollständige Gegensatz seines früheren Wesens. Er halte mir nicht entgegen, daß ihm auch schon Aufgaben geboten worden seien, die an seine Darstellungsgaben ungewöhnliche Anforderungen machten: ich kann ihm nachweisen, daß er mit Dem, was er etwa bei den sogenannten dramatischen Tenorpartieen der neueren Zeit sich aneignete, für den Tannhäuser ganz sicher nicht auskommen würde, da ich ihm beweisen könnte, daß z. B. in den Meyerbeer'schen Opern der von mir gerügte Charakter der modernen Tenorsänger, bei der ganzen Anlage, für Mittel und Zweck mit höchster Klugheit als unveränderlich berücksichtigt worden ist. Wer mir also, auf seine bisherigen Erfolge in den genannten Opern gestützt, mit bloß demselben Aufwande von Darstellungskunst, der dort genügte, um die Opern allgemein aufgeführt und beliebt zu machen, den Tannhäuser darstellen wollte, der würde gerade Das aus dieser Rolle machen, wovon sie das volle Gegentheil ist. Er würde vor Allem im Tannhäuser nicht die Energie seines Wesens begreifen, und ihn zu einem haltungslosen, hin und herschwankenden, schwachen und unmännlichen Charakter machen, da für einen oberflächlichen Hinblick die Verführung zu einer solchen falschen Auffassungsweise, (die ihn dem »Robert der Teufel« etwa verwandt erscheinen ließe) allerdings vorhanden sein dürfte. Nichts könnte aber das ganze Drama unverständlicher machen und den Hauptcharakter mehr entstellen, als wenn Tannhäuser schwach, oder gar ab und zu »gutmüthig«, bürgerlich fromm, und höchstens als mit einigen lüderlichen Neigungen behaftet, dargestellt würde. Dieß glaube ich mit der vorhergehenden Charakterisirung seines Wesens dargethan zu haben; und da ich alles Verständniß meines Werkes mir namentlich nur davon versprechen kann, daß die Hauptrolle dieser Charakterisirung entsprechend aufgefaßt und dargestellt werde, so möge der Sänger des Tannhäuser begreifen, welche ungewöhnliche Anforderung ich an ihn stelle, zu welchem freudigen Danke er mich aber auch verpflichten müsse, wenn er meine Absicht vollkommen verwirklicht. Ich erkläre ihm unumwunden, daß eine durchaus glückliche Darstellung des Tannhäuser das Höchste ist, was er in seiner Kunst leisten kann. -
Nach dieser ausführlichen Besprechung mit dem Sänger des Tannhäuser habe ich den Darstellern der übrigen Rollen wenig mehr zu sagen; denn alles ihm Mitgetheilte betrifft in der Hauptsache sie Alle. Die schwierigsten Aufgaben neben Tannhäuser fallen wohl den beiden Frauen, Venus und Elisabeth, zu. Namentlich wird die Venus nur dann glücken, wenn bei günstiger äußerer Disposition für diese Rolle, die Darstellerin vollen Glauben an ihre Partie gewinnt, und dieser wird ihr dann kommen, wenn sie es vermag, Venus in jeder ihrer Kundgebungen für vollkommen berechtigt zu halten, für so berechtigt, daß sie nur dem Weibe weicht, das aus Liebe sich opfert. Das Schwierige für die Elisabeth ist dagegen, daß die Darstellerin den Eindruck der jugendlichsten und jungfräulichsten Unbefangenheit macht, ohne zu verrathen, ein wie sehr erfahrenes, seines weibliches Gefühl sie erst zur Lösung ihrer Aufgabe fähig machen konnte. - Die übrigen Partieen der Männer sind minder schwer, und selbst Wolfram, dessen Aufgabe ich durchaus nicht für unbedingt leicht halten will, hat sich fast nur an die nächste Sympathie des feinfühlenderen Theiles unseres Publikums zu wenden, um des Gewinnes seiner Theilnahme sicher zu sein. Ihm hat die mindere Heftigkeit seines unmittelbaren sinnlichen Lebenstriebes gestattet, die Eindrücke des Lebens zum Gegenstande des sinnenden Gemüthes zu machen; er ist somit vorzüglich Dichter und Künstler, wogegen Tannhäuser vor Allem Mensch ist. Seine Stellung zu Elisabeth, die ihn ein schöner männlicher Stolz so würdevoll ertragen läßt, wird nicht minder als sein endliches tiefes Mitgefühl für den, von ihm allerdings nicht begriffenen Tannhäuser, ihn zu einer der ansprechendsten Erscheinungen machen. Nur hüte sich der Sänger dieser Partie, den Gesang sich so leicht vorzustellen, als es oberflächlich den Anschein haben könnte: namentlich wird sein erster Gesang im »Sängerkriege«, der die Entwickelungsgeschichte der ganzen künstlerisch- menschlichen Lebensanschauung Wolfram's enthält, für den Vortrag mit der feinfühligsten Sorgfalt und genauesten Erwägung des dichterischen Gegenstandes von ihm durchdacht werden müssen, und der größten Übung wird es bedürfen, das Organ zu dem nöthigen mannigfaltigsten Ausdrucke zu stimmen, der einzig dem Stücke die richtige Wirkung verschaffen kann. - Überhaupt möchte ich mich schließlich noch ganz besonders von den »Darstellern« an die »Sänger« wenden, wenn ich einerseits nicht zu ermüden fürchten müßte, andererseits aber nicht annehmen dürfte, daß das bereits Gesagte hinreichend sei, auch nach der Seite der Gesangskunst hin die Darsteller über meine Wünsche aufzuklären. -

So will ich denn nun diese Mittheilung schließen, allerdings mit dem traurigen Gefühle, nur sehr unvollkommen meinem Zwecke entsprochen zu haben, nämlich: durch sie die mir verwehrte, und doch gerade von mir für so nothwendig erachtete, mündliche und persönliche Mittheilung an alle Betreffende zu ersetzen. Bei der tief von mir gefühlten Ungenügendheit dieses von mir eingeschlagenen Ausweges, bleibt mir als Trost allein das Vertrauen auf den guten Willen meiner künstlerischen Genossen übrig, auf einen guten Willen, wie nie ein Künstler zur Ermöglichung seines Kunstwerkes ihn mehr bedurfte, als ich in meiner gegenwärtigen Lage. Mögen Alle, an die ich mich richtete, diese meine besondere Lage wohl berücksichtigen, und namentlich auch der aus ihr nothwendig mir erwachsenen Stimmung es beimessen, wenn ich hie und da mich vielleicht zu besorgt, zu ängstlich oder wohl auch zu mistrauisch, streng und scharf äußerte. - In Betracht der Ungewöhnlichkeit einer solchen Mittheilung, wie der vorliegenden, muß ich mich wohl selbst auch darauf gefaßt machen, daß sie von Vielen, an die sie gerichtet ist, gänzlich, oder doch zum großen Theile, unbeachtet, vielleicht auch unverstanden bleiben wird. Mit diesem Wissen kann ich daher sie nur für einen Versuch ansehen, den ich in die Welt hinein werfe wie ein Loos, ungewiß ob es gewinnt oder verliert. Wenn ich jedoch auch nur bei Wenigen und Einzelnen vollkommen Das erreiche, was ich beabsichtige, so soll dieses Gelungene mich für alles sonst Misglückte reichlich entschädigen; und herzlich drücke ich den wackeren Künstlern im Voraus die Hand, die es nicht verschmähten, mit mir sich näher und inniger zu befassen und zu befreunden, als dieß für gewöhnlich in unserem heutigen Kunstweltverkehre angetroffen wird.


[Sämtliche Schriften und Dichtungen: Fünfter Band, S. 212. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 2397
(vgl. Wagner-SuD Bd. 5, S. 123)]


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