Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 

 


   
Thema des Tages:

02.
Januar 1843 / 2012

'Ei! Fleissig, fleissig! Wie sie spinnen!'

 

 

 
     
 

Der fliegende Holländer ...

...
gefiel dem Dresdner Publikum nicht sonderlich, als er am 2. Januar 1843 uraufgeführt wurde. Man hatte von Wagner große Oper à la Meyerbeer wie er sie im Jahr zuvor mit seinem 'Rienzi' gezeigt hatte, erwartet. Nun aber 'dieses so gänzlich schmucklose, dürftige und düstere Werk'. Hinzu kam, dass der Sänger des Holländer vorher nur in leichten Rollen wie in Rossinis 'Barbier' aufgetreten war und gegen 'das höchste Toben des Orchesters' nicht ankam. Auch Wagners favorisierte Sängerin, Wilhelmine Schröder-Devrient, als Senta konnte nicht verhindern, dass 'Der fliegende Holländer' nach vier Vorstellungen in Dresden abgesetzt wurde.

 
Der holländische Seefahrer ist zur Strafe seiner Kühnheit vom Teufel (das ist hier sehr ersichtlich: dem Elemente der Wasserfluthen und der Stürme) verdammt, auf dem Meere in alle Ewigkeit rastlos umherzusegeln. Als Ende seiner Leiden ersehnt er, ganz wie Ahasveros, den Tod; diese, dem ewigen Juden noch verwehrte Erlösung kann der Holländer aber gewinnen durch - ein Weib, das sich aus Liebe ihm opfert: die Sehnsucht nach dem Tode treibt ihn somit zum Aufsuchen dieses Weibes; dieß Weib ist aber nicht mehr die heimathlich sorgende, vor Zeiten gefreite Penelope des Odysseus, sondern es ist das Weib überhaupt, aber das noch unvorhandene, ersehnte, geahnte, unendlich weibliche Weib, - sage ich es mit einem Worte heraus: das Weib der Zukunft.
Dieß war der »fliegende Holländer«, der mir aus den Sümpfen und Fluthen meines Lebens so wiederholt und mit so unwiderstehlicher Anziehungskraft auftauchte: das war das erste Volksgedicht, das mir tief in das Herz drang, und mich als künstlerischen Menschen zu seiner Deutung und Gestaltung im Kunstwerke mahnte.
Von hier an beginnt meine Laufbahn als Dichter, mit der ich die des Verfertigers von Operntexten verließ.

[ RW - Sämtliche Schriften und Dichtungen: Vierter Band, S. 462.]
 

Richard Wagner sieht sich also nach dem 'Rienzi' und somit vom 'Holländer' als Dichter, was nicht genügend gewürdigt wird.
Er muss in Dresden eine nicht vorhandene Akzeptanz bei der Vorstellung des Werkes erkennen, beschönigt dies auch nicht und spricht von einer im ganzen missglückten Aufführung. Daraus habe er die Lehren zu ziehen, dass seine Werke allein das Publikum nicht zwangsläufig erreichen, Partitur, Orchester und Sänger den Erfolg nicht herbeizwingen könnten und es 'einer besonderen Sorgfalt bedürfe', sich 'der dramatische Darstellung' seiner 'neueren Arbeiten zu versichern', selbst wenn der 'Holländer' in die Zeit der Gespensteropern wie Marschners 'Vampyr' passt.

Hinderlich war für die Sänger auch nach dem glanzvollen 'Rienzi' - Adriano hoch zu Ross - die grauenvolle Öde, in der sie sich auf der Bühne befanden, die aber zumindest von der Schröder-Devrient überspielt werden konnte. Da sie 'bald für längere Zeit gänzlich von Dresden fortging' und da der Misserfolg des Stückes durch den sich vermindernden Andrangs des Publikums genügend zu erkennen war, konnte der 'Holländer' nicht weiter auf dem Spielplan bleiben und wurde durch den 'Rienzi' ersetzt.

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Anders sieht es der 'Schönredner' Glasenapp, schon die Ouvertüre sei mit Beifall aufgenommen worden, der erste Akt habe die rechte Spannung auf das Folgende erregt. Am Schluss des zweiten Aktes habe sich ein Sturm sondergleichen erhoben. Komponist und Sänger hätten dem Ruf des Publikums Folge zu leisten gehabt und seien auf der Bühne erschienen, dies ebenfalls nach dem Fallen des Vorhangs am Ende des Werkes bei nicht minder stürmischem Jubel.
Glasenapp zeigt - nachvollziehbar - Unverständnis, dass ein Werk, welches durchaus Beifall gefunden habe, ohne einen ersichtlichen Grund, auch ohne einen vorgeschobenen, für 22 Jahre aus dem Dresdener Repertoire verschwunden sei.

Immerhin spielten schon im gleichen Jahr Riga, musikalische Leitung Heinrich Dorn und Kassel unter Louis Spohr die neue romantische Oper.
In Berlin dirigierte Wager1844 selber die dortige Erstaufführung.

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Die Interpretationswut gerade bei diesem Werk begann nicht erst mit Fehlings Inszenierung von 1929 an der Kroll-Oper, der kürzlich verstorbene Joachim Herz verlegte das Werk 1962 an der KO in Berlin in den Vormärz, bei Ulrich Melchinger war 1976 der Holländer ein perverser Satanspriester, bei Harry Kupfer in BT war Senta eine Traumverlorene.

Andere 'Holländer'-Produktionen zeigen, dass mit Wagners Erlösungsgedanken, der aber auch die übrigen Werke, von den 'Feen' angefangen, durchzieht, keiner der Inszenatoren etwas anfangen kann.

In Leipzig führte der 'Holländer' 2008 zu einem Eklat, der zu einer Einberufung der Ost-RW-Vereine führte, mit der Aussage, dass man sich gegen derartige Verfälschungen verwahre.


Die Vorstände sind sich einig, dass die Oper Leipzig nicht zur Experimentalbühne
am Werk Richard Wagners mutieren darf.
Die Vorgänge um die Premiere der Oper „Der fliegende Holländer“
dürfen sich nicht wiederholen.
Die versammelten Richard Wagner Verbände einigten sich darauf,
ein verstärktes Augenmerk auf die Verantwortung der Intendanzen gegenüber dem Werk
Richard Wagners und der Interpretation durch die Regisseure zu legen.
 

Die am Premierenabend in Leipzig gezeigte Holländer-Produktion duldete der nun an Burnout leidende - bis 31.12.2011 - Chefregisseur der Leipziger Oper.
Es hieß, er habe nicht gewusst, dass bei der Premiere etwas anderes gezeigt würde, als bei der GP.
Schöner Chefregisseur, der nicht weiß, was an seinem Haus los ist.

Nicht erinnerlich, dass sonstwo, irgendwann mal einer der übrigen RW-Vereine gegen Regie-Machwerke protestierte.
Dieses Schweigen lässt sich ableiten aus ist der 'Liebe' zu modischen Inszenierungen der Frau Präsidentin International und die Festlegung vom 9. Oktober 2011, dass RW-Vereine nicht zu kritisieren hätten, schon garnicht die Regie-Qualifikation der Frau W. aus BT.


Selbst diese 'Liebe', die sich ja wohl auch auf die BT-Inszenierungen von Lohengrin oder Parsifal oder diese entzückenden 'Meistersinger in der Malerbude' des ersten Aufzugs oder Tannhäuser-2011 bezieht, diese Nähe zu Frau W. aus BT kann nicht verhindern, dass die Vorstände der RW-Vereine keine Karten mehr für BT bekommen sollen, selbst dann nicht, wenn sie Stipendiaten entsenden.

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Um 'Missverständnisse zu vermeiden:

Ich verstehe diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing

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