|
Thema des Tages
Rede im Sportpalast
... am
05. Juni 1943
Es musste jemand vor das Volk treten, um die Ereignisse der letzten Zeit
abzuhandeln.
Zu viel war geschehen:
- da war die Niederlage in Stalingrad vom 2. Februar
1943,
- der verlorene Kampf der Achsenmächte in Nordafrika
am 13. Mai 1943.
Insgesamt waren davon fast eine halbe Million Soldaten betroffen, die
kaum oder gar nicht zu ersetzen waren.
Nach Stalingrad hatte Goebbels am 18. Februar 1943 eine Rede im Berliner
Sportpalast gehalten, die von den anwesenden Parteigenossen und
willfährigen Folgern des Systems mit bestelltem Jubel aufgenommen wurde.
Nun übernahm er wieder die Aufgabe, das Volk durch direkte Propaganda zu
leiten, indem er eine realistische Darstellung der grundlegenden Fragen
der politischen und militärischen Lage abgab.
Göring weigerte sich vor das Volk zu treten, um Rechenschaft über die
ausbleibenden Abwehrmaßnahmen der Fliegerangriffe abzulegen und Hitler
seit dem Heldengedenktag am 21. März 1943 nicht mehr zu den
Volksgenossen gesprochen hatte.
An diesem 5. Juni 1943 blieb für Goebbels der große Jubel aus, hatte er
doch mehr mit einfachen Arbeitern aus der Rüstungsindustrie zu tun, die
sich aber ernst genommen fühlten, da Rüstungsminister Speer selber zu
ihnen sprach und die ernormen Anstrengungen und auch Erfolge der
Werktätigen lobte.
Könnte man nur immer mit solchen Erfolgsergebnissen aufwarten, dann wäre
die Stimmung im Lande sicherlich besser - meinte der
Reichspropagandaminister.
Die Situation hatte sich verschlechtert, so dass im deutschen Volk ein
Stimmungs- und Haltungseinbruch zu verzeichnen war, der unbedingt
augegleichen werden musste.
So kam an jenem 5. Juni 1943 die Verteilung von Ritterkreuzen gut an,
die von Generälen an die Ausgezeichneten vergeben wurden.
|
Die immer stärker auftretenden Fliegerangriffe der Alliierten führten
zusätzlich zum Stimmungseinbruch.
Gerade war Wuppertal mit 2.000 Toten schwer getroffen worden. Die
Bewohner hatten gemeint, im engen Tal des Flusses mit seinen Nebellagen
sicher zu sein, zumal sie ja auch alle Rundfunkgeräte ausschalteten, die
als Peilung für die anfliegenden Alliierten genutzt werden konnten.
Inzwischen aber waren die technischen Möglichkeiten der Amerikaner und
Engländer so weit fortgeschritten, dass sie vollkommen selbständig
ausgewählte Ziele treffsicher erreichen konnten und nicht auf die
Rundfunksender angewiesen waren.
Zu diesen Belastungen kamen noch Versorgungsprobleme, da die
Fleischrationen gekürzt werden mussten. Schon am 9. Mai 1943 hatte
Goebbels mit Hitler über die Notwendigkeit der Reduzierung besprochen,
der aber anfänglich von dieser Maßnahme überhaupt nichts wissen wollte,
dann aber aufgrund der Gesamtlage zustimmen musste. Die Kürzung beim
Fleisch sollte mit der Abgabe von mehr Fett, Zucker und Brot
ausgeglichen werden.
Von den Reichspropagandaämtern war inzwischen eine starke Depression im
ganzen Land, vornehmlich aber in den Westgebieten, festgestellt worden,
die besonders stark unter den Fliegerangriffen zu leiden hatten.
Allenthalben machte sich ein Kriegsdefaitismus bemerkbar, den Goebbels
kaum noch verhindern konnte, so dass er sich zu drastischen Maßnahmen
genötigt sah, durch Spitzel des SD, Personen, die sich als
kriegsverneinend bemerkbar machten, verhaften, gerichtlich durch
öffentliche Prozesse aburteilen und als Abschreckung auch exekutieren zu
lassen.
|
Goebbels meinte, die schlechte Stimmung im Reich sei auch darauf
zurückzuführen, dass Göring aufgrund seiner resignativen Einstellung als
innerer Führer gar nicht mehr wahrgenommen urde.
Der preußische Ministerpräsident zog sich in sein Refugium 'Karinhall'
in der Schorfheide im Norden Berlins zurück und überließ die Situation
sich selber.
Goebbels hatte vor, Hitler zu bewegen, den Reichmarschall wieder mehr in
die Pflicht zu nehmen, scheiterte aber, da er sich nicht traute, die
Sache vorzutragen, weil zum gleichen Zeitpunkt Hitler auf Göring wegen
der Luftlage schlecht zu sprechen war. Ein gerade erfolgtes Bombardement
auf Nürnberg verschlechterte die Stimmungslage bei Hitler zusätzlich.
|
Goebbels versuchte beim Volk Stimmung zu machen und dessen
Befürchtungen, die Kriegslage betreffend, zu beschwichtigen, indem er in
Zeitungsartikeln argumentierte, man habe in der vergangenen Zeit so
viele militärische Eroberungen gemacht, so dass diese ausreichten, um
einem Gesamtsieg mit großer Gewissheit entgegengehen könne.
Es läge nun einmal in der Natur der Sache, dass bei einem flächenmäßig
weit ausgedehnten Kriegsgeschehen an den Rändern Krisen entstehen
könnten, die im Kern die politische und militärische Stellung nicht
beeinflussen würden, aber gewisse Belastungen in psychologischer
Hinsicht mit sich führten.
|
Um
'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll
bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes
oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz,
in Anspruch.
Dieter Hansing
|
|