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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Proteste gegen Werner Krauß

 

 

12. Dezember 1950

Als Künstler, als Schauspieler war er über jeden Zweifel erhaben.

Dem Menschen Krauß ging sein Beruf über alles.
Er war sich selbst ausgeliefert - meinte er.
Wenn er auf das NS-System angesprochen wurde, antwortete er nur lapidar, das gehe ihn nichts an, er sei Schauspieler.

Doch unterschrieb er am 19. August 1934 den 'Aufruf der Kulturschaffenden zur Vereinigung des Reichskanzler - und reichspräsidentenamts in der Person Hitlers'.

Er spielte 1935 in dem Film 'Hunderte Tage' den Kaiser Napoléon Bonaparte neben Gustaf Gründgens als Polizeiminister Joseph Fouché und Eduard von Winterstein als Fürst Blücher.

1940 folgte 'Jud Süß', in dem er unbedingt alle Juden in der Regie von Veit Harlan spielen wollte - und bekam die Rollen.
Goebbels meinte, dies sei ein antisemitischer Film, wie man ihn sich nur wünschen könnte.

Am 10. Mai 1940 spielte er bei der Uraufführung des Mussolinistücks 'Cavour' in Anwesenheit von Göring und Goebbels die Hauptrolle. Hitler konnte nicht kommen, der war mit dem Überfall auf die Weststaaten beschäftigt.

Anlässlich eines Besuchs auf dem Obersalzberg hatte er sich vorgenommen, sich von der Ausstrahlung des Führers nicht einnehmen zu lassen, doch als er da saß und die Paladine lauschen hörte, musste er feststellen: 'Jesus unter den Jüngern'.

Am 15. Mai 1943 spielte er den Shylock am Burgtheater und machte ihn zu einer schäbigen Karikatur, dass es hieß: 'Den Shylock konnte ein Schauspieler so spielen, daß die Leute ergriffen waren, er konnte ihn aber auch so spielen wie Werner Krauß. Bei ihm sind die Leute jeden Abend als Antisemiten aus dem Theater gegangen.
Werner Krauß sei zwar kein Nazi, aber immer schon ein wütender Antisemit gewesen.

Angeblich soll er schon 1921 während der Proben zu Romain Rollands Stück 'Die Wölfe' auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin eine Hetzrede gegen die 'Judenwirtschaft' der Brüder Edmund und Max Reinhardt gehalten haben.

 

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Gründgens gab ihm einen Freibrief:
'Der Verfemung der Juden konnte für einen Mann wie Krauß nur ein Grund sein, sich ihnen zu nähern.'

Nach dem Krieg gab es bis 1948 Auftrittsverbot, er verdiente sein Brot und das Geld für den Prozess und die Sühne - auch wenn er nur als 'minderbelastet' eingestuft wurde - als Schäfer einer Herde in Württemberg.

Später durfte er in Österreich wieder Theater spielen und trat 1950 bei den Ruhrfestspielen auch in Deutschland auf.

Bei einem Gastspiel des Burgtheaters in Berlin mit Ibsens John Gabriel Borkmann kam es dann zu den Protesten, die seiner Tätigkeit bei den Nazis galten. Die aufgebrachte Menge trieb die Polizei auseinander.

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

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Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
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Dieter Hansing