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Vor fünfundsiebzig Jahren
Thema des Tages
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13. Januar
1943
"Die Lage in Stalingrad ist natürlich weiterhin außerordentlich
besorgniserregend. Alles hängt vom Wetter ab."
So Goebbels in seinem Tagebuch.
Es war nicht nur das Wetter.
Es war die Schönrederei der gesamten Situation.
Was hatte allein Göring zu verantworten.
300 Tonnen Nachschub wollte er in den Kessel von Stalingrad fliegen.
Tatsächlich bewältigte das VIII. Fliegerkorps täglich nur etwa 95
Tonnen.
Hier spielte das Wetter tatsächlich eine große Rolle, denn die
schneebedeckten Böden, unvorbereitetes Gelände, Nebel - verhinderte,
dass die Transportmaschinen ausreichend Material einfliegen konnten.
So waren die eingeschlossenen Truppen auf geringste Rationen
gesetzt, sie erhielten nur 50 Gramm Brot pro Tag und ernährten sich
sonst von den Resten des Pferdebestands.
Und die deutsche 'Befreiungsarmee' war räumlich noch weit entfernt, konnte nicht
eingreifen.
Selbst dies Elend beschrieb Goebbels noch positiv, denn der Winter
1941/42 sei bedrohlicher gewesen.
Das entsprach nicht den Tatsachen.
Jetzt sickerten russische Truppenverbände durch die Front, hatten
damals aber nicht das Potential, um zu operativen Umschließungen zu
gelangen, was ihnen das jetzt möglich war.
Hinzu kam die Gefahr durch Partisanen, die mehr und mehr subversive
Kräfte entfalteten.
Dies lag begründet in der brutalen Behandlung der Bevölkerung beim
Durchstoß der deutschen Wehrmacht nach Osten und den folgenden
SS-Einheiten, die die Bevölkerung terrorisierten.
Hatten die Menschen in den besetzten Ostgebieten anfänglich geglaubt,
vom Stalinismus mit seinen Gräueltaten befreit zu werden, mussten sie
erkennen, dass noch größere Verbrechen an ihnen durch Deutsche geübt
wurden.
25 Jahre Stalinismus hatte die russische Bevölkerung geprägt. Man hätte
seitens der deutschen Regierung sehr viel früher und konsequenter damit
beginnen müssen, den Menschen in Russland zu vermitteln: es geht gegen
den Bolschewismus und nicht gegen das russische Volk.
Jetzt, nach dem grausamen Verhalten der Deutschen, war es schwer den
Menschen etwas anderes - als weiter Verbrechen erdulden zu müssen -
nahezubringen.
Die von Goebbels beschriebene Denkschrift des Militärs vom 9. Januar
1943, die dem Führer zugeleitet werden sollte, zeigte auf, was alles im
Argen lag:
- Widerstandswille der Roten Armee ungebrochen
- verstärkte Kraftentfaltung unter der Parole des 'nationalen Krieges'
- Verschlechterung der Stimmung der deutschfreundlichen Menschen
- Bandengebiete breiten sich weiter aus
- kulturelle Vernachlässigung
- Schließung von Schulen und Instituten
- Verkennung des Stolzes auf technische Errungenschaften
- rücksichtslose Menschenjagd für den Arbeitseinsatz in Deutschland
- unwürdige Behandlung der Arbeiter im Reich
Vielmehr müsste, so meinten die Militärs, der 'Führer' dem russischen
Volk in einer Art von Rahmenproklamation, Avancen machen, dass
- religiöse Freiheiten garantiert würden;
- es keine Verurteilung zum Sklavendasein geben würde;
- Gewährung des Eintritts in das kommende Europa gesichert sei.
Lapidar bemerkte Goebbels am Schluss seiner Tagesaufzeichnungen, vom 13.
Januar 1943, er "glaube nicht, dass der 'Führer' sich dazu herbeilässt,
dieser Denkschrift seine Zustimmung zu geben."
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Zusätzlich zu den
Schwierigkeiten im Osten war auch an der Nordafrikafront keine
Entspannung zu verzeichnen, obwohl man der Meinung war, nach dem
Misserfolg bei
Dieppe würden die Alliierten nicht so schnell einen Angriff im Süden
auf das Reich wagen.
Im Gegenteil, denn trotz der Niederlage an der französischen
Atlantikküste, brachten die seit dem
8. November 1942
von Osten
heranrückenden Briten und den von Westen sich ausbreitenden
amerikanischen Truppen, Rommel in Nordafrika in eine gefährliche Zangenlage.
Hinzu kam der Streit Rommels mit der italienischen Armeeführung, sollte
man die in Libyen kämpfenden Truppen zurücknehmen dann zu
versuchen, die operative Freiheit zurückzugewinnen oder nicht.
Es kam zu keinem Sieg und so musste Libyen aufgegeben werden,
denn den Truppen der Achsenmächte Deutschland und Italien standen eine
halbe Million Mann alliierter Soldaten und damit einer doppelten
Übermacht gegenüber. Auch verfügten die Alliierten über die vierfache
Anzahl von Panzern und über die uneingeschränkte Luftüberlegenheit.
Die Briten besetzten Tripolis, damit war der Nachschub an Menschen und
Material nach Nordafrika nicht mehr zu bewerkstelligen, zumal das
Mittelmeer mehr und mehr von britischen U-Booten durchsetzt war. Die
Straße von Gibraltar war hierfür offen und auch der Seeweg durch das
Rote Meer und den Suezkanal.
Rommel wurde dann am 9. März 1943 zurückgerufen. Als Rommels Nachfolger Generaloberst
Hans-Jürgen von Arnim am 12. Mai 1943 bei Tunis kapitulierte, war der
Nordafrikafeldzug verloren.
275.000 deutsche und italienische Soldaten mussten in
Kriegsgefangenschaft. Gegenüber denen, die an der Ostfront gekämpft
hatten, ging es denen, die dann in Ägypten interniert waren, gut. Sie
litten nicht so, wie die in Russland in Straflagern gefangen gehalten
wurden. Die letzten Kriegsgefangenen wurden erst 10 Jahre nach dem Krieg
nach Deutschland entlassen.
Goebbels hatte den Nimbus des Helden von Afrika geprägt und auch die
ausländische Presse hatte dazu beigetragen, dass die Meinung vorherrschen
musste, Rommel, der 'Wüstenfuchs' könne mit allen Schwierigkeiten fertig
werden.
Die deutsche Öffentlichkeit reagierte entsetzt auf die Niederlage und
die vielen Toten und Kriegsgefangenen in Nordafrika und nannte alles ein
'zweites Stalingrad'.
Die von den deutschen Miltärs gefürchtete zweite Front war eröffnet.
Die Alliierten landeten in
Sizilien, setzten auf das italienische
Festland über, drangen nach
Norden vor.
Von den in Italien aufgefundenen Flugzeugbasen konnten die Alliierten
leicht südliches von Deutschland okkupiertes Gelände erreichen und
bombardieren.
Trotz dieser Niederlagen konnte sich das 'Reich' noch fast zwei Jahre
halten.
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll
bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes
oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz,
in Anspruch.
Dieter Hansing
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