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13. und 28. Oktober 2008
Unter dem
Eindruck des Skandals an der Leipziger Oper anlässlich
der Premiere "Der fliegende Holländer" am 10. Oktober
2008 waren Musikfreunde aus Hannover zur 2. und 3.
Vorstellung nach Bremen gereist, um Richard Wagners "Jugendsünde"-Rienzi,
seinen 'Schreihals', zu erleben.
Bewundernswert diszipliniert
ertrugen sie eine Vorstellung, die von 19 bis 23 Uhr
dauerte und - die nach nuancenreich vorgetragener
Ouvertüre, die alles Hörenswerte schon enthält -
szenisch größtenteils langweiligen Unfug enthielt.
Solidarisch mit den Künstlern äußerte man sich dezent
mit Kopfschütteln, Kichern und viel Gähnen.
Das Publikum des 19.
Jahrhunderts, eingezwängt in deutsche Kleinstaaten und
die bürgerliche Moral des Biedermeier, sehnte sich nach
heroischen Vorbildern; und als Richard Wagner seinen "Rienzi"
in Dresden präsentierte, begeisterte man sich "für den
letzten der Tribunen".
Hans-Joachim Frey, der
rührige Bremer Generalintendant - aufgewachsen in
Hannover, Mitglied des Knabenchors Hannover, Studium
Musiktheaterregie in Hamburg, Betriebsdirektor in Bremen
und an der Semperoper - hatte der überregionalen
Aufmerksamkeit gewiss, wie ein cleverer Zirkusdirektor,
eine Sensation parat: die Blonde, mit der gestylten
Löwenmähne, Katharina Wagner, deren schönes Portrait die
Werbung ziert.
Mit ihr, der neuen "Herrin
von Bayreuth" als Regisseurin und mit Mark Duffin, einem
Heldentenor aus dem Bremer Ensemble, dazu zwei
respektable Damen: Patricia Andress und Tamara
Klavidenko für "Irene" und "Adriano", dazu den
Dirigenten Christoph Ulrich Meier, der aus den
unterschiedlichen Fassungen des Werkes eine spielbare
erstellte, konnte das Unternehmen gewagt werden.
Die Erwartungen wurden
hochgeschraubt - was macht die Urenkelin, etwa im
gleichen Alter wie der Dichterkomponist beim Entstehen
des Werkes, daraus heute für die Bühne. Und was macht
sie nun? Sie parodiert; keine schlechte Idee - aber das
will gekonnt sein! Den Beweis hierfür lieferte Peter
Konwitschny: Mit seinem Hamburger "Lohengrin" im
Klassenzimmer - ein einmaliges Ereignis, das keine
Nachahmung verträgt.
Christine Mielitz inszenierte
den "Rienzi" in Mannheim und an der Komischen Oper in
Berlin, sie nahm das Stück ernst und formte es durch
packende Aktionen so spannend, dass man die zahlreichen
Peinlichkeiten der Musik nicht bemerkte. In Bremen aber
stolperte eine lustlose oder gar nicht vorbereitete
Inszenierung von einer blamablen Situation in die
andere. Das alle im Ensemble - nolens volens -
mitspielten, ist verständlich, denkt doch jeder,
vielleicht klappt es ja einmal mit Bayreuth, wenn ich
hier auf Katharina einen guten Eindruck mache.
Zwei endlos lange Umbaupausen
störten erheblich, ohne sichtbare Veränderungen auf der
Bühne - außer neuen Kostümen für den Chor - zu zeigen,
und nur grobe Äußerlichkeiten sollten die Personen und
Situationen charakterisieren:
- Der Adel trägt
Allonge-Perücken;
- Rienzi verwandelt sich vom
intellektuellen Glatzkopf in einen langhaarigen,
zappeligen "Guildo Horn" und hüpft im Takt in den
Aktschluss und den fallenden Vorhang;
- Die Kirchenfürsten tapsen,
ein Bein oben, ein Bein unten die Stufen entlang:
- Ein tuntiger Frisör darf
in dieser "Witzigkeit" nicht fehlen;
- "Roma, die Ewige", die
Rienzi zu retten versucht, mutiert von ihrer Statue,
erst geköpft, dann beschmiert, zu einer Comic-Figur
mit gespreizten Beinen und am Schluss in den erhängten
Rienzi selbst.
Die vorzüglich einstudierten,
prächtig singenden und spielfreudig agierenden Chöre,
Leitung Taro Vaaks, standen viel zu oft "en bloc" herum,
hoben den Arm und streckten den Zeigefinger. Dass hier
eine von 1933 bis 1945 übliche Armbewegung vorgeführt
werden sollte, merkte auch der weniger Bedarfte. Eine
der wenigen guten Ideen, die in Erinnerung bleiben, ist
die Chorszene, in der die Frauen das die Treppen
hinunterlaufende Blut mit ihrer Kleidung aufwischen - so
ist es ja leider nach allen Kriegen.
Eine Armee und ihren Anführer
mit Laubsaugern zu bewaffnen, war das Knalligste. Damit
könnte der agile Rienzi-Tenor Mark Duffin in jeder
Comedy-Sendung im Fernsehen Furore machen. Jetzt aber
bewunderte man seinen Galgenhumor, seine Sportlichkeit
und wenn man die Augen schloss, seine herrlich
strahlende Stimme, die untadelig in allen Lagen die
Nuancen der Gefühle ausdrückte.
Ihm zur Seite Patricia
Andress als "Irene", eine elegante Person, von der Regie
zum Herumstehen im Stich gelassen, erfreute mit bestens
fokussiertem Glanz und leuchtete über das Orchester und
das Ensemble. Dem Hause Gratulation zu diesen beiden
Sängerpersönlichkeiten!
"Adriano", der Knabe in den
größten Konflikten zwischen Liebe, Sohnespflicht und
politischem Engagement mit kräftigem, aber wie es die
osteuropäische Stimmerziehung der Sängerin Tamara
Klivadenko wohl beigebracht hat, auch hartem kehligen
Mezzo, musste als ungünstig gekleidetes Bübchen
herumlaufen. Sie hätte mehr Sorgfalt verdient gehabt.
Nach diesen drei
Protagonisten klaffte gesanglich eine Qualitätslücke.
Warum nur? Es gibt genügend schöne Stimmen auf dem Markt
und ein Intendant, der seine Erziehung im Hannoverschen
Knabenchor und in der Kirchenmusik an der Hochschule
erhielt, sollte sie doch zu finden wissen.
Dem äußerst geschmackvoll
renovierten Bremer Theater wünschen die Musikfreunde aus
Hannover in Erinnerung an viele unvergessliche
Vorstellungen mit großen Dirigenten und bahnbrechenden
Regisseuren eine glückliche Hand, die aber
zurückschrecken sollte vor befristeten Sensationen des
Regietheaters.
M.L. Gilles
Weitere Stimmen
unserer Mitglieder zur Aufführung:
- Diese Inszenierung war
leider plakativ und dadurch gegen Ende eher
langweilig. Man könnte meinen, das Handwerk des
Regieführens klappt hier noch nicht ganz, aber große
Anerkennung für Mark Duffin und seine sängerische und
körperliche Leistung.
- Mir hat dieser Rienzi gut
gefallen, er war frisch und jung inszeniert und verlor
durch die Gags aus der heutigen Zeit seinen alten
Staub, viele neue Ideen wie man das alte Werk
auffrischen kann, ich habe mich in Bremen gut
amüsiert.
- Hochachtung vor allen
Sängern und der Leistung des Chores, die dieser
Inszenierung doch Glanz gaben, obwohl die
Personenregie - außer für Rienzi - leider zu kurz kam,
eine reine Konzentration auf die Hauptfigur ist zu
wenig.
- Die Interpretation einer
Wagner-Oper verlangt auch deren intelligentes
Verständnis, man sah keine Schlüssigkeit im
Regiekonzept, viele witzige Gags geben leider noch
keine rote Linie durch das Werk, mit dem man sich
stärker auseinander setzen sollte, inklusive der etwas
schwierigen Werkgeschichte.
- Ich werde leider innerlich
etwas aggressiv, wenn auf der Bühne die Figuren allein
gelassen werden und man dadurch nicht mit ihnen und
ihren Emotionen mitfühlen kann. Gerade in dieser Oper
hätte das Liebespaar Irene und Adriano eine bessere
Personenregie verdient, denn sie konnten durch ihre
Stimmen überzeugen.
Ich bin
ohne große Erwartungen nach Bremen gefahren und wurde
dem entsprechend nicht enttäuscht. Die Oper zog sich
durch die vielen Parodien in die Länge und wurde
langweilig.
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