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Bündnis für die Zukunft des Kepler-Areals
Offener Brief
16.11.18
An Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer Bürgermeister Jürgen
Huber
alle Stadtratsfraktionen
Stadtrat Christian Janele
Stadträtin Tina Lorenz Pressestelle
Zur Kenntnis an die Regensburger Medienredaktionen
Das Bürgerbegehren gegen ein RKK am Ernst-Reuter-Platz war erfolgreich.
Wie muss es weitergehen?
Wie einem Pressebericht der Mittelbayerischen Zeitung vom 08. November
2018 zu entnehmen war, soll im Januar 2019 der Abriss des
Gebäude-Komplexes trotz des Bürgerentscheids auf dem Kepler-Areal
beginnen.
Wir sind entsetzt. Es kann doch nicht sein, dass die Planungen und
Arbeiten am Kepler-Areal nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid
unverändert weitergehen. Dies würde weder dem Ergebnis des
Bürgerentscheids noch dem Stadtratsbeschluss vom Februar 2018
entsprechen.
Denn in der Beschlussvorlage, auf die sich der Stadtratsbeschluss
bezieht, heißt es auf Seite 12: "Der Planungs- und Beteiligungsprozess
hat hervorgehoben, dass der Stadtraum in seiner Gesamtheit zu betrachten
ist. Die Projektbausteine stehen daher in engen Abhängigkeiten
zueinander und können nur bedingt getrennt voneinander gedacht werden."
Daher ist es selbstverständlich, dass der Wegfall des Projektbausteins "RKK
am Kepler-Areal" ein grundsätzliches Überdenken der bisherigen Planungen
erfordert.
Angesichts der geänderten Sachlage fordern wir:
●
eine grundsätzliche Überarbeitung bzw. Revision der bisherigen Planungen
●
einen Aufschub des Rückbaus der Gebäude auf dem Kepler-Areal bis eine
Neukonzeptionierung vorliegt,
●
Verhandlungen mit dem Eigentümer zwecks Änderung des Erbpachtvertrags,
in dem der Abriss vereinbart ist, da durch den Bürgerentscheid die
Geschäftsgrundlage des Vertrags sich nachhaltig verändert hat bzw.
teilweise entfallen ist,
●
eine Beteiligung der Regensburger Bevölkerung bei der Überarbeitung der
Planungen,
●
eine Neubefassung des Stadtrats statt der Schaffung irreversibler
Fakten.
Der voreilige Abriss des seit 45 Jahren von Bäumen eingewachsenen
Kepler-Campus ist auf jeden Fall unnötig, dabei aufwändig, teuer und
aufgrund der darin gebundenen „grauen Energie“ auch unter
bauökologischen Gesichtspunkten nicht vertretbar und stellt damit einen
Verstoß gegen das Gebot der Nachhaltigkeit dar.
Der Abriss der Gebäude und die Zubetonierung der Fläche für einen
Interims-ZOB und Baustofflager bedeutet vor allem jahrelange
Großbaustellen und Kollateralschäden – alternative Ausweichflächen für
Busse und Baumaterial wurden offenbar nur ungenügend geprüft.
Die Ausführungen in der Stadtratsvorlage (Drucksache VO/18/13996/DB1)
vom Februar 2018 mit dem Gegenstand: Beteiligungsprozess "Stadtraum
gemeinsam gestalten" und Bürgerbefragung zur Neugestaltung des Bereichs
rund um den Hauptbahnhof sind in vielen Punkten nicht stichhaltig bzw.
bedürfen dringend nach dem Bürgerentscheid einer erneuten Evaluierung.
Dies möchten wir mit den folgenden Anmerkungen verdeutlichen:
Auf Seite 17 des Dokumentes wurden folgende bauliche Gründe für einen
Abriss des Studentenwohnheims/Wirsing-Baus angeführt, die aus unserer
Sicht nicht zutreffen bzw. bloße Behauptungen darstellen:
1. „insbesondere
aus baulichen Gründen kann eine Integration in einen Neubau, trotz der
in den Ideenwerkstätten herausgearbeiteten positiven Aspekte eines
Erhalts des Studentenwohnheims, nicht empfohlen werden (vgl. Anlage 3).“
Anmerkung: Da der Wirsing-Bau jetzt nicht mehr in einen Neubau (eines
RKK) integriert werden muss, entfällt dieses Argument. Die positiven
Argumente der Ideenwerkstätten zum Erhalt des Studentenwohnheims bleiben
indes bestehen.
2. „die aufgrund
des Baujahres vermuteten Schadstoffe in den Ausbaumaterialien lassen
höchstens den Erhalt des Betontragwerkes zu“
Anmerkung: Da der Abbruch der Wirsing-Gebäude mehrere Millionen Euro
kosten würde, wäre es nur seriös, wenn Angaben zu Schadstoffen nicht auf
Vermutungen beruhen würden, sondern Ergebnisse konkreter
Voruntersuchungen wären. Die vermuteten Schadstoffe wären aus
gesundheitlichen Gründen hauptsächlich während des Abbruchs eine Gefahr,
da sie dann freigesetzt werden würden.
3. „insbesondere
aber sind die Raumhöhen bereits im Bestand am Minimum des rechtlich
zulässigen Maßes für Wohnungsbau gemäß BayBO. Eine Büronutzung ist gemäß
Arbeitsstättenrichtlinie nicht zulässig.“
(s. Handskizze Anlage 3)
Anmerkung: Diese Behauptung ist insoweit nicht nachvollziehbar, da die
Raumhöhen in der uns vorliegenden Genehmigungsplanung von 2.52 m bis
3.20 m reichen.
Bauvorlage - Schnitt durch das Lutherhaus -
4. „bei einer
Sanierung nach den aktuellen Vorschriften allein für den Brandschutz und
den Schallschutz würden die dadurch entstehenden Raumhöhen keiner
genehmigungsfähigen Nutzung standhalten“
Anmerkung: Die Gebäude können jederzeit gemäß den gesetzlichen
Bestimmungen des Baujahres ihrer Entstehung instand gesetzt werden. Bei
den in der uns vorliegenden Baugenehmigung dokumentierten Raumhöhen
können selbst nach Einbau eines zusätzlichen Schall- bzw. Brandschutzes
die Anforderungen an Art. 45 Bayerische Bauordnung (BayBO) für
Aufenthaltsräume eingehalten werden.
5. „Außerdem
müssten alle tragenden Bauteile/Stahlbetonteile einer Betonsanierung
unterzogen werden“
Anmerkung: Das die vorliegende Stahlbetonkonstruktion einer
Betonsanierung unterzogen werden muss, steht außer Frage und ist ein
völlig unzureichendes Abrissargument. In Anbetracht der „grauen Energie“
die in dem Bauwerk steckt, ist eine Sanierung nachhaltig und wesentlich
umweltschonender. Der Begriff „graue Energie“ ist in Deutschland nicht
eindeutig definiert und wird unterschiedlich verwendet. Die Schweizer
Definition laut SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein),
Merkblatt 2032, bezeichnet als graue Energie „die gesamte Menge nicht
erneuerbarer Primärenergie, die für alle vorgelagerten Prozesse, vom
Rohstoffabbau über Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse und für die
Entsorgung, inkl. der dazu notwendigen Transporte und Hilfsmittel,
erforderlich ist.“ Sie wird auch als kumulierter, nicht erneuerbarer
Energieaufwand bezeichnet. Keine andere Branche verbraucht mehr
Materialien und Energie oder produziert mehr Abfälle als die Baubranche.
So wäre es auch beim Abriss der Wirsing-Gebäude.
6. „und das Gebäude
eine neue „energetische Hülle“ bekommen“
Anmerkung: Die Gebäude können jederzeit gemäß den gesetzlichen
Bestimmungen des Baujahres ihrer Entstehung instandgesetzt werden. Eine
Anpassung an die aktuellen Energiestandards ist möglich, aber nicht
zwingend erforderlich.
7. „zusätzlich
müsste ein zweites Treppenhaus als Fluchttreppenhaus ergänzt werden, da
im Bestand der zweite bauliche und notwendige Rettungsweg fehlt“
Anmerkung: Da das Gebäude über eine gültige Baugenehmigung verfügt,
können wir uns über dieses Argument nur wundern, da sich die
gesetzlichen Regelungen hierzu in den letzten 50 Jahren nicht wesentlich
verändert haben - höchstens deren Wertigkeit. Selbst ein „richtiges“
Hochhaus (Mindesthöhe 22 m) kann über lediglich ein
Sicherheitstreppenraum erschlossen werden.
8. „schließlich
wäre die besondere Architektur des Wirsing-Baus – eines der
Hauptargumente der Architekten in den Ideenwerkstätten – nach den
unumgänglichen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr ablesbar“
Anmerkung: Dies gilt es zu belegen, da die vorher angeführten Argumente
durch die geänderte Aufgabenstellung nicht mehr greifen bzw. andere
Lösungen möglich sind (siehe z.B. Sicherheitstreppenraum). Eine
Sanierung des Wirsing-Baus kann aus unserer Sicht sehr wohl
konservatorisch erfolgen, ohne dass die besondere Architektur des
Gebäudes verloren ginge.
9. „Fazit: Die im
Beteiligungsprozess veranschaulichte Idee, mit dem Erhalt des
Studentenwohnheims ein besonderes Bauwerk zu erhalten und in den
Obergeschossen Wohnnutzungen unterzubringen, muss folglich aufgegeben
werden. Ein solches Vorhaben würde in keinem vernünftigen Verhältnis von
Aufwand, Kosten und Nutzen stehen.“
Anmerkung: Das Studentenwohnheim des Architekten Wirsing bleibt ein
besonderes, erhaltenswertes Bauwerk. Die Idee, es zu erhalten und in den
Obergeschossen Wohnnutzungen unterzubringen muss aus baulichen Gründen
gerade nicht aufgegeben werden. Das Kosten- und Nutzenargument stellt
eine bloße Behauptung dar. Eine belastbare und ordentliche Kalkulation
der Sanierungskosten ist vorzulegen und dann erneut abzuwägen. Bei der
Neugestaltung des Kepler-Areals sollen die in den Ideenwerkstätten
herausgearbeiteten positiven Aspekte eines Erhalts des
Studentenwohnheims erneut bewertet werden.
Warum dieser „Hau-Ruck“-Abriss, wenn noch völlig unklar ist, was im
Anschluss dort entstehen soll? Schließlich können sinnvolle Planungen
für einen ZOB bzw. eine Tiefgarage erst dann beginnen, wenn ein
Generalverkehrsplan für den gesamten ÖPNV und MIV vorliegt. Eine
Stellungnahme diesbezüglich ist in Vorbereitung.
Wir möchten Sie hiermit nachdrücklich bitten, unsere Anmerkungen und
Forderungen umgehend in die laufenden Planungen und Beratungen in der
Verwaltung und im Stadtrat bzw. den zuständigen Ausschüssen einzubringen
und uns hierzu kurzfristig eine Stellungnahme zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bündnis für den Erhalt des Kepler-Areals
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
Anna-Lena Schnaudt (0152 581 086 93)
Quirin Quansah (0157 396 249 93)
Prof. Dr. Achim Hubel
Kersten Osterhaus (post@architekt-osterhaus.de) Winfried Leukam (0941
7501 7440)
Zitatende
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
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diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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