Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 

 

   

Thema des Tages:


Die 'Wollt-ihr-den-totalen-Krieg' - Rede ...
 

 

 

 
     
 

 ... am 18. Februar 1943 in Berlin.

Goebbels selber fand den Besuch überwältigend, der Sportpalast habe schon um halb fünf wegen Überfüllung geschlossen werden müssen, die Stimmung habe einer wilden Raserei des Volkes geglichen.

Viele der anwesenden Reichs- und Gauleiter, fast alle Staatssekretäre ließen sich mitreißen von den rhetorischen Fähigkeiten des Reichspropagandaministers.

Es sei Zeit, dem deutschen Volk eine Aufmunterung zu geben.

Er und das System wollten die Zweifler wieder in Reih' und Glied bringen, noch einmal aufrütteln, nicht zu verzagen, dem Führer zu folgen, wohin auch immer.

Dass es das Verderben sein werde, ahnten viele und ließen doch nicht ab, an den Endsieg zu glauben.

Gustaf Gründgens war im Sportpalast nicht anwesend - er ließ sich zu dem Zeitpunkt durch Berlin chauffieren, war also wegen der damals mangelhaften technischen Möglichkeiten unauffindbar.

Heinrich George als Intendant des Schiller-Theaters war dabei.

 

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Kurz vor dem Tag der Rede, am 15. Februar 1943, musste Goebbels feststellen, dass man in den nächsten Tagen eine Reihe schwerer Schläge zu erwarten habe.

Die 15. Armee sei auf dem Rückzug, habe den Brückenkopf Kuban geräumt und sei mit primitivsten Mitteln nach Kertsch auf der Krim übergesetzt worden, wobei schweres Gerät verlorenging.
Es sei überhaupt die Frage, ob die deutschen Truppen sich in absehbarer Zeit irgendwo, irgendwie festsetzen könnten.

Von der Rede, die er schon am 15. Februar 1943 diktierte und am Abend fertig korrigiert vorliegen hatte, erhoffte er sich durchschlagenden Erfolg. Er glaubte, die Ansprache werde eine Meisterleistung seiner bisherigen Redetätigkeit.

Von all der Beanspruchung - er meinte, man müsse sich 'vermillionenfachen', um den Ansprüchen noch gerecht werden zu können - fühle er sich ausgelaugt, todmüde und könne dennoch nicht schlafen.
 

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Es war Goebbels gelungen, durch seine hasserfüllte Rede, die über alle Reichssender ausgestrahlt wurde, Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung zu letzen Kraftanstrengungen aufzustacheln, um das eigene Überleben vor den nahenden 'Horden der Steppe' zu sichern.

Anlass zu der Rede war die nach dem Fall von Stalingrad völlig veränderte Situation im Zweiten Weltkrieg.

Die Versorgung der in zwei Kesseln eingeschlossenen deutschen Soldaten aus der Luft, wie sie Göring großsprecherisch zugesagt hatte, war nicht möglich.
Es gab nur etwas Brot und Tee als Tagesration.
150.000 Mann der deutschen Truppe waren aus Gründen mangelnder Verpflegung, Hunger, Kälte, schlechter Ausrüstung der Situation zum Opfer gefallen.
Tausende gerieten in russische Gefangenschaft, aus der nur wenige überhaupt nach dem Krieg zurückkehrten.

Die Deutschen wussten um die Gefahr, die nun drohte, als am 31. Januar 1943 General Paulus kapitulierte und Stalingrad verlorenging.

Goebbels meinte daraufhin lakonisch, das Schicksal habe Paulus nun mal dort hingestellt, er müsse eben auf fünfzehn bis zwanzig Jahre Lebenszeit verzichten, um dann seinen Namen auf Jahrtausende lebendig zu halten.

General Friedrich Paulus starb erst 1957 - also zwölf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - in Dresden.

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing

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