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04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

Thema des Tages

Christian Friedrich Hebbel

 

   .... am 18. März 1813 geboren

Er engagierte sich sozial und politisch. Er begrüßte die Märzrevolution von 1848, nahm aber wie der im gleichen Jahr geborene Richard Wagner eine grundsätzlich loyale Haltung zur Regierungsform der Monarchie ein.
1849 kandidierte er erfolglos für die Frankfurter Nationalversammlung, obwohl er radikalen demokratischen Forderungen immer skeptisch gegenüber stand.

 

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In seinen Werken schilderte er oft tragische, schicksalhafte Verkettungen von Ereignissen und machte die sozialen Probleme seiner Zeit zum Thema, schrieb aber auch 'Agnes Bernauer', 'Gyges und sein Ring' sowie 'Die Nibelungen'.

Mit scharfen Worten wandte er sich gegen die Dichtung seines Zeitgenossen Adalbert Stifter, die er als leere Idylle empfand.

Kontroversen ging der als aufbrausend geltende Hebbel selten aus dem Weg.
Als der von ihm oftmals kritisierte Heinrich Laube Direktor des Wiener Burgtheaters wurde, hatte seine Frau Christine darunter zu leiden; sie bekam, wenn überhaupt, nur noch kleine Rollen.
Auch zu den österreichischen Theatergrößen wie Franz Grillparzer fand Hebbel keinen Zugang.

Zu Schillers 'Kabale' notierte er am 14. März 1847 in seinem Tagebuch, er sei überrascht gewesen 'von der grenzenlosen Nichtigkeit dieses Stücks'.

 

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Goebbels sah - in seinen Aufzeichnungen von 1924 - in Hebbel einen Teil der von ihm ausgestellten Gruppierung:

Goethe, Schiller, Hebbel wie bei den Musikern Mozart, Beethoven, Wagner sei bei den beiden jeweils Erstgenannten 'das naive und sentimentale Grundelement noch in höchster Kristallisierung vorhanden'.

Hebbel und Wagner ragten nach Meinung des Reichspropagandaministers in die Zivilisationsepoche hinein, die damalige Generation habe noch um dauernde Lebensformen wie zu ihrer Zeit Wagner und Hebbel wie auch Hauptmann gekämpft.

Er sah Beethoven, Schiller, Wagner, Hebbel beispielhaft als Größen der Zeiten - Goethe dagegen sei kein Vorbild, da völlig einmalig gewesen.

 

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Hebbels größter Erfolg war das 1843 entstandene Drama 'Maria Magdalena'.
Es richtet sich gegen bürgerliche Vorurteile, das häufig verzweifelte Streiten weiblicher Hauptfiguren im Geschlechterkampf.
 

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Am 9. Mai 1848 notierte Hebbel in seinem Tagebuch für den Vortag:

 
 
Gestern Abend brachte das K.K. Hofburg-Theater meine 'Maria Magdalena', unverkürzt und unverändert. Das Stück war eine Bildungsprobe für das Wiener Publikum, es fand aber den ungeteiltesten Beifall und machte auch nicht in dem unbedenklichsten seiner Momente die Prüderie rege. Der Grund ist einfach darin zu suchen, dass das Stück ein darstellendes ist, dass es nicht, wie dies z.B. in Laubes sonst sehr verdienstlichen 'Karlsschülern' geschieht, ein durch den Witz zusammengesetztes Mosaikbild gibt, dass es zeigt, was aus- und durcheinander folgt, nicht, was sich nach- und nebeneinander ereignet. Denn kein Mensch ist so blöde, dass er sich gegen die Notwendigkeit auflehnte; da das Wesen der Darstellung nun aber eben in der Veranschaulichung der Notwendigkeit besteht, so ist sie des Erfolges sicher, was den Hauptpunkt betrifft, und es handelt sich nur noch darum , o die Anerkennung, die ihr nicht versagt werden kann, in der Form der Liebe oder des bloßen Respekts hervortritt. In meinem Fall waren Respekt und Liebe gemischt.
[...]
 


Hebbel war herausragender Dramatiker des deutschen Realismus. In seinen Werken entspringt die Schuld nicht mehr dem Guten und Bösen, nicht mehr den Standesunterschieden - wie in Schillers 'Kabale und Liebe' oder Lessings 'Emilia Galotti' - sondern hat ihren Ursprung in der bürgerlichen Gesellschaft selbst.

Sein soziales Drama 'Maria Magdalena' übt Kritik an den Verhältnissen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Das Leben nach den damaligen Vorstellungen und den Zwängen der Zeit, in einigermaßen geordneten Bahnen ablaufen zu lassen, den Schein zu wahren, musste den Menschen genügen. Alles, was außen vor war, ergab zwangsläufig die Erkenntnis 'ich verstehe die Welt nicht mehr.'

 

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Das BE hatte dieses Werk in seinem 'Pavillon' im Spielpan.

 


Announcement 'Berliner Ensemble'
Zitat

MARIA MAGDALENA von Friedrich Hebbel
Ein bürgerliches Trauerspiel
Mit: Roman Kaminski (Meister Anton, ein Tischlermeister), Claudia Burckhardt (Seine Frau), Larissa Fuchs (Klara, seine Tochter), Marko Schmidt (Karl, sein Sohn), Andy Klinger (Leonhard), Felix Tittel (Ein Sekretär), Stephan Schäfer (Adam, Ein Gerichtsdiener), Detlef Lutz (Wolfram, ein Kaufmann)

Inszenierung: Nicole Felden
Bühne: Katrin Kersten
Kostüme: Julia Schweizer
Musik: Valentin Butt
Dramaturgie: Dietmar Böck

Dauer: 1h 50 Minuten (ohne Pause)

Roman Kaminksi, Detlef Lutz, Larissa Fuchs, Felix Tittel
Claudia Burckhardt, Roman Kaminski, Larissa Fuchs

Die Frau des Tischlermeisters Anton stirbt, als ihr Sohn Karl fälschlich des Diebstahls verdächtigt und ins Gefängnis geworfen wird. Der Sohn war der Familie durch das Misstrauen des Vaters längst entfremdet, nun sagt sich sein Vater von dem „Dieb“ und „Muttermörder“ endgültig los. Ihm bleibt jetzt nur seine Tochter Klara, die er auf seine halsstarrige Wohlanständigkeit einschwört. Klaras Verlobter Leonhard nutzt den Familien-Skandal, um die wenig lukrative Heirat abzusagen. Doch Klara ist bereits schwanger und ihr Vater droht mit Selbstmord, wenn auch sie der Familie Schande macht. Die Heimkehr ihrer alten Jugendliebe läßt Klara wieder hoffen... Mit seinem 1843 entstandenen Stück tritt Hebbel den Beweis an, daß „auch im eingeschränktesten Kreis eine zerschmetternde Tragik möglich ist“. Hebbel schildert eine erdrückend enge Atmosphäre, in der die Angst vor Schande und gesellschaftlichem Abstieg ihre Opfer fordert.

Zitatende

 


Der Raum des Pavillons am BE nicht viel größer 10 x 5 Meter - im Bühnenjahrbuch sind leider keine Abmessungen veröffentlicht - mit je zwei Podien an der Längsseite und je zwei an den Querseiten. Auf den stark überhöhten Stufen Stühle für das Publikum an der einen Längsseite und den beiden Querseiten - die andere Längsseite, ebenfalls mit Stühlen bestückt - dient dem Ensemble als Spielfläche - ein Verhandlungsraum, in dem 'Gericht' gehalten wird.

Das Stück, auf eine Stunde und fünfzig Minuten zusammengestrichen, verliert dadurch die notwendige Breite, um den Gang der Handlung dem unwissenden Publikum darstellen zu können, es lacht an Stellen, die, aus dem Gesamt-Zusammenhang gerissen, offensichtlich nicht deutlich genug 'rüber' gebracht werden können. Es findet ein mehr oder weniger permanentes 'dämliches' Gekicher im Publikum statt, was dokumentiert:
'Keine Ahnung!'

Dass hier eigentlich die Situation um 1840 dargestellt werden soll, kann so nicht funktionieren, wenn Sohn Karl - kraftvoller Charakterdarsteller in modischer Motorrad-Lederjacke und dunklen Jeans - sich mit einem normalen Feuerzeug eine Zigarette anzünden will, der neue Kassierer Leonhard - ein smartes - rollengemäß auf seinen Vorteil bedachtes - 'Bürscherl' (die Frisur: seitlich zwei Finger breit über den Ohren gekapptes Haar, oben ein üppiger Lockenkopf), der auf einer elektrischen Rechenmaschine seine Kolonnen runteraddiert und auf dem Kontrollstreifen nachsieht, wie viel Steuern Meister Anton wohl zu zahlen hat - eigentlich müsste er das im Kopf haben, meint er selber.
Wieder einmal krampfiges ins Heute Gezerre.

Die Mutter typengerecht eine in die Jahre gekommene Sentimentale, Meister Anton durchgängig ruppig, dominanter Väterspieler, so deutlich, dass man ihm das Schlusswort, er verstünde die Welt nicht mehr, kaum abnehmen kann.

Der jugendliche Liebhaber als 'Secretair' Friedrich, Kaufmann Wolfram und Gerichtsdiener Adam - Nebenrollen entsprechend aus dem Ensemble besetzt.

Die Trägerin der Titelrolle - keine Verhuschte, der Schrift nicht fähige Tochter aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern eine normale Heutige, der mal gegen die Vernunft die Hormone durchgingen und sich mit dem 'Striezi' Leonhard einließ, mit den Folgen:
'so was kommt von so was'.

Klaras 'heirate mich' war 1845 sicherlich in Verbindung mit einem Kniefall vor dem Verführer nachvollziehbar - heute gibt es Babyklappen, allein Erziehende, Adoptionsmöglichkeiten - der Staat ist glücklich über jedes Kind.
Aber mitten im 19. Jahrhundert?

Das ganze Problem einer außerehelichen Schwangerschaft, der Schwur auf die Hand der toten Mutter, dem Vater 'keine Schande' zu machen, Klaras zwanghaftes Haften an der von ihr so gesehenen Notwendigkeit einer Eheschließung, der Selbstmord, weil die Verheiratung vor der Geburt es ungewollten Kindes nicht zustande kommt, in Form eines Sprungs in den Dorfbrunnen - passt nicht zum Feuerzeug, nicht zur elektrischen Rechenmaschine.

Warum also auch an 'Peymanns bunter Bühne' das Negieren des Bildungsauftrages zu Lasten des Steuerzahlers - hier die Darstellung der Situation der Frau im 19. Jahrhundert, umgeben vom Klein-Klein der Familie und der Gesellschaft?
Hat er das nötig?

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes
und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing