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zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   
04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

Franz Liszt

 
   ... 22. Oktober 1811 geboren

Er konnte sich nicht wehren - die Rechte waren abgelaufen, so war auch den Nazis der Zugriff auf das Werk von Franz Liszt möglich.

Ab dem 22. Juni 1941 verwendete der Großdeutsche Rundfunk für Informationen des Oberkommandos der Wehrmacht an die Bevölkerung einen Teil der Schlusspassage der symphonischen Dichtung 'Les Préludes' für die Sondermeldungen, die den Menschen bis 1945 suggerieren sollten, wie ungeheuer erfolgreich die deutsche Wehrmacht den Krieg gegen Russland gestaltete, der dann kläglich mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 endete.

Nicht nur beim Rundfunk - der ja über den von Goebbels initiierten 'Volksempfänger' in allen Haushalten zu hören war, wurden 'Les Préludes' dem Vorspann der deutschen Wochenschauen als zweites musikalisches Thema unterlegt.
http://youtu.be/YhaExnS3O4U

Franz Liszt war schon durch sein Eintreten für Richard Wagner den Nazis ein willkommener Träger von heroisierenden Einlassungen.

Immerhin war er es, der den 'Tannhäuser' in seiner Zeit als musikalischer Leiter in Weimar aufführte, und brachte er doch am 28. August, dem Tag an dem Goethe 1849 in Frankfurt am Main geboren wurde, Richard Wagners 'Lohengrin' zur Uraufführung.

Die Berliner Hofoper hätte gerne Wagners Werke in den Spielplan genommen - der 'Holländer' war eigentlich für dort vorgesehen, aber nach dem Erfolg des 'Rienzi' 1842 in Dresden wollte die sächsische Hofoper 'den ewigen Seefahrer' lieber erst bei sich sehen - aber der Dichter-Komponist verlangte Franz Liszt als Dirigenten, worauf Botho von Hülsen sich als Intendant nicht einlassen konnte. So dauerte es einige Zeit, ehe Wagner in Berlin gespielt wurde.

 

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Wichtig ist der Schriftverkehr zwischen Wagner und Liszt.

Häufig werden Texte aus diesem, aus dem Zusammenhang gerissen, wie es auch in Bezug auf das vielfach verwendete Zitat:
'Kinder, macht Neues'
geschieht.

So bezieht sich Wagner am 8. September 1852 im Schreiben an Liszt ganz eindeutig auf Hector Berlioz, der jahrelang an seinem ’Benvenuto Cellini’ herumkorrigierte.
Es soll also heißen: ’Kinder, schafft neue Stücke!’

Dass Richard Wagner diese Aussage auf die Produktivität von Librettisten und Komponisten bezieht und nicht auf das Inszenesetzen von Stücken, zeigt auch sein Brief nur drei Monate später an Ferdinand Heine, dass seine Stücke nur so zu geben seien wie er sie sich gedacht habe.
Wer das nicht könne oder wolle, solle es bleiben lassen.

Er hätte sich diesen Hinweis vom Dezember 1852 an Heine mit Sicherheit erspart, wäre er schon im Brief an Liszt vom September 1852 anderer Meinung gewesen.

Benutzte man diese Passage losgelöst vom sonstigen Inhalt, stellte man sich auf die gleiche Stufe mit heutigen 'Verfälschern', die Texte nach Gutdünken in wechselnde Zusammenhänge bringen.
 



„Kinder, macht Neues! Neues! und abermals Neues! – hängt Ihr Euch an’s Alte, so hat euch der Teufel der Inproduktivität, und Ihr seid die traurigsten Künstler!“

Kein Satz Richard Wagners (er entstammt einem Brief vom 8. September 1852 an Franz Liszt in Weimar und richtet sich gegen Berlioz’ und Raffs Praxis der Neubearbeitungen eigener Werke) wurde in den letzten Jahrzehnten so sehr missbraucht wie dieser. So beispielsweise auch, um immer irrwitzigere Wege der Opernregie zu legitimieren oder auch die seit Wagners Tod zweifelhafte, mitunter politische Beschäftigung mit seinem Denken und Schaffen.


http://schneider-musikbuch.de/pages/bakery/wagner-richard-bdquokinder-macht-neuesldquo-490.php


 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Dieter Hansing