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04.01.2010 - dradio.de

 


Thema des Tages

William Shakespeare

   

    ... am 23. April 1564 geboren

Zwischen 1589 und 1592 wurde Christopher Marlowe's 'Der Jude von Malta' durch die Theatertruppe 'The Admiral's Men' uraufgeführt. Unmittelbar danach, aber auch noch vor 1600, zeigte William Shakespeare in London sein Stück 'Der Kaufmann von Venedig', das zwischen 1596 und 1598 entstanden war.
Beide Werke haben einen Juden im Rollenverzeichnis - in beiden Fällen ein Mensch, der einer Schurkerei fähig ist.

Die Juden waren 1490 aus Spanien vertrieben worden, aber bereits 200 Jahre vorher musste diese Religionsgemeinschaft unter Eduard I. England verlassen und durfte nicht wieder zurückkehren, ohne dass es eines aktuellen Anlasses bedurfte.
Grundsätzlich waren die Juden im Misskredit, angeblich schändeten sie Hostien und mordeten Christenkinder, um mit dem Blut Backwaren herzustellen - der Geldverleih und die Annahme von Zinsen kam hinzu.

Zur Zeit Marlowe's und Shakespeare's gab es also nur noch kleine Gruppen, die heimlich jüdische Bräuche praktizierten - sie traten jedenfalls nicht mehr direkt in Erscheinung und doch waren sie, ihr exotisches Wesen und nicht regelgerechtes Tun, immer wieder Thema von Erzählungen, Berichten, Kolportagen, Diffamierungen.
So blieben sie weiter in den Köpfen der Menschen in England präsent und lieferten den Dramatikern der Zeit wie Marlowe und Shakespeare genügend Stoff für literarische Werke, grenzten sie als Ausnahmeerscheinungen aus, von der übrigen Bevölkerung.

Dies trug verständlicherweise dazu bei, Hinweise über Theaterstücke auf Menschen in der Gemeinschaft zu geben, die in irgendeiner Weise auffielen - man konnte ihnen etwas vorhalten, ohne etwas beweisen zu können - die Juden waren Schuld an den verschiedensten Vorkommnissen - Marlowe's 'Jude von Malta' oder 'Das Massaker von Paris' trugen zur Beeinflussung in der Bevölkerung bei.
So wusste Shakespeare, dass sein Altersgenosse Marlowe - beide geboren1564 - hier schon vor ihm Figuren geschaffen hatte, die ihre Wirkung auf das Publikum nicht verfehlten.

Shakespeare's Venedig, als Ort des 'Kaufmanns', verbot den Juden zwar Land zu besitzen oder ein Gewerbe zu betreiben, gestattete ihnen aber doch Geld zu verleihen, was Christen verboten war. So war Shakespeare's Antwort auf die Vorgabe von Marlowe's skrupellosen 'Barabas' dann sein rachsüchtiger 'Shylock'.
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:


Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing
 

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