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04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

Thema des Tages

Wilhelmine Schröder-Devrient


 ... am 26. Januar 1860 gestorben

Coburg war die letzte Station ihres Wanderlebens. In Hamburg geboren, zog sie über Wien und Dresden über Land und schuf in der Zeit ihres künstlerischen Lebens eine Frauenfigur, die - abseits des damals üblichen biedermeierlichen 'Heimchens am Herd' - Situationen des Lebens aufgriff und anpackte.

Aus einer damals üblichen mehr lyrischen Fidelio-Leonore entwickelte sie ein dramatisches Wesen auf der Bühne, dem man die Aktion gegen Pizarro auch abnehmen konnte.
Wagner sah sie in dieser Rolle in Leipzig und war hingerissen von der Art der Darstellung.

Eine weitere Begegnung mit ihm ergab sich aus einem Gastspiel der Schröder in Leipzig als Romeo in 'Capuleti' - hier begeisterte sie durch die Art die Figur aus Bellinis Melodienbögen heraus in einen Shakespeare-Romeo zu führen.
Rellstab schrieb, dass sie Bellinis Musik geradezu vernichtete, um sie mit Inhalten zu versehen, die aus den Noten nicht herauszulesen seien.

Wagner formte nach ihr seine Figuren, seine Heldinnen.
Sie war Adriano im 1842 in Dresden uraufgeführten 'Rienzi', sie war die erste Senta im 'Holländer' von 1843 und die erste Venus im 'Tannhäuser' von 1845. Zur für sie vorgesehenen Ortrud kam es nicht mehr, da Wagner 1849 nach Zürich flüchten musste, der 'Lohengrin' in Dresden abgesagt wurde, da man dort nicht das Stück eines Revolutionärs spielen wollte und dann Liszt diese romantische Oper 1850 in Weimar uraufführte.
 

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1839 gastierte sie in Berlin und besuchte auch ihren Schwager Eduard Devrient, Bruder des Carl Devrient, mit dem sie seit 1823 verheiratet war.

Sie sei bis 1/2 9 Uhr geblieben - sehr wohl aussehend, aber es sei in ihr eine schöne Natur verhunzt.

Am 16. Mai 1842 war sie wieder vorbeigekommen und habe bei Devrients einen 'Kreis innigsten Verständnisses' gestört - die Unterhaltung habe bei ihrem Auftreten sofort gestockt, der Umgangston sei fremder geworden, sie habe mit Gemeinplätzen die Konversation ausgefüllt und Theatergeschichten erzählt.

Am 23. Mai 1842 unterhielt sich Eduard Devrient mit seinem Intendanten hinter der Bühne, als die Schröder hinzutrat, Küstner über den Mund fuhr, ihn verhöhnte und er sich dies von der Primadonna gefallen ließ.

Am 28. April 1843 sang sie in Berlin Schubert Lieder, der Vortrag sei zu gewaltsam gewesen, manieriert. Sie pflege in Unterhaltungen einen Theaterton mit 'zynischen Redensarten', die höchstens ein Mann von sich geben dürfe.
Für die Kunst sei sie aber voll redlichen Eifers, 'eine tüchtige, großartig geschnittene, aber eine nicht unbedingt wohltuende Natur'.

Allerdings wurde ab 1844 beobachtet, dass sie in eine pathetische Manier verfallen sei, die sie in jeder Rolle zur Anwendung bringe, den ganzen Abend mit ausgebreiteten, viel über den Kopf erhobenen, Armen.
 

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Im November 1844 wurde deutlich, dass die Stimme der Schröder über die Jahre des engagierten Einsatzes gelitten hatte.

Die 'Vestalin' läge ihr zu hoch, die Rolle könne sie nicht mehr singen und in der Gestaltung der Figur habe sie keine Steigerungen, da sie von vornherein alle Trümpfe ausspiele.

Ähnliches auch am 6. November 1845 als Fidelio-Leonore, die Schröder sei in einer allgemein toten, geistlosen Vorstellung komödiantisch zu allgemein gewesen und habe nicht gut gesungen.

16. Februar 1846 die Schröder in vielerlei Hinsicht vortrefflich, aber ansonsten unsicher, die Rolle in 'Alceste' nicht gut genug studiert. Sie habe Tempi verschleppt, da ihre Stimme nicht frisch anschlage.

27. März 1846 die Schröder als 'Lucrezia Borgia' - das große Talent sei kalt geworden, sie stehe außerhalb ihrer Darstellungen, zeige einige Akzente, die sie in ihrer guten Zeit erfunden habe und nun von ihr beifallswürdig wie früher immer eingesetzt würden. Dennoch aber seien die Momente der äußersten Leidenschaft immer noch durch ihre Energie erschütternd.

Am 24. Februar 1847 Glucks 'Iphigenie', die Schröder sei erst im letzen Akt neben der jungen Johanna Wagner in voller Größe hervorgetreten.

 

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Ihr Privatleben machte ihr zu schaffen, nach der Scheidung von Carl Devrient musste sie auf die vier Kinder verzichten, geriet in gierige Männerhände, die nur nach ihrem Geld trachteten.

Das Vermögen schmolz dahin, von ihren Begleitern durch Betrügereien verschwendet - Geld überließ sie anderen - und so stand sie am Ende, als sie nicht mehr singen konnte, ohne ausreichende finanzielle Mittel da.
 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Dieter Hansing