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Nr. 26


Zitat

Joachim Gauck
hat den Umgang mit
dem Begriff ’rechts’ in der Politik
kritisiert.

"Rechts ist eine Verortung im politischen Raum, die noch nicht negativ ist", sagte der Altbundespräsident in der ZDF-Sendung 'Markus Lanz'. Er kritisierte dabei die "Achtundsechziger-Kultur", wonach dort, wo nicht mehr links sei, bereits Faschismus beginne.
Er forderte, den Begriff zu "entgiften".
Zur Demokratie gehöre das Aushalten verschiedener Meinungen.
"Toleranz ist manchmal eine Zumutung", so Gauck.
Es gebe Dinge, die seien widerlich.
Aber wenn sie noch nicht gegen das Grundgesetz verstoßen, hätten sie das Recht zu existieren.
Krude Ansichten reichten nicht aus, um Menschen
"vom Spielfeld zu verweisen".
Dem solle die Gesellschaft mit einer "kämpferischen Toleranz" antworten
.
Zitatende

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/
altbundespraesident-im-zdf-gauck-kritisiert--rechts--begriff-100.html

 



 

Einleitung

Wie dumm sind wir eigentlich,

- dass wir uns soviel an Verrohung, Verhässlichung, Inkompetenz,
Pseudosentenzen und durch sprachliches Geschwurbel getarnte
Unkenntnis gefallen lassen?

Warum nehmen wir es nur leise murrend hin, dass die von uns gewählten und von unseren Steuergeldern lebenden Vertreter von dem Fach, dass sie in unserem Namen vertreten sollen, keine Kenntnisse besitzen?

Warum lesen wir nicht die wichtigen Bücher, sondern plappern nach, was einer, der es in die Finger bekam, vorgeplappert hat?

Wer kennt:

'Der Kulturinfarkt',
- erschienen im Albert Knaus Verlag, München, 2012

Wer kennt:

'Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land auf Spiel setzen,'
- erschienen bei Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2012

Wer kennt:

'Die Diktatur der Dummen -
 Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben'

- erschienen im Wilhelm Heine Verlag, München, 2018

Wir beklagen die Macht der Clans, die unsere Städte terrorisieren, weil für sie das Gesetz der patriarchalen Familie  ü b e r  unserem Grundgesetz steht.

Wer hat den Bericht des arabisch sprechenden Journalisten Konstantin Schreiber 'Inside Islam - Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird', gelesen -
- erschienen im Econ / Ullstein Verlag, 2017.

Wer so wie Papageno lebt, dem Essen und Trinken und ab und zu ein Weibchen oder Männchen zum Leben genügen, der bekommt in unserer Wohlstandsgesellschaft Unterstützung genug, dazu noch Pop und Rock auf allen Wellen, riesige Arenen mit massentauglichen Festivals. Dort sollen sie stampfen und grölen soviel sie brauchen.

Diese Veranstaltungen tragen zwar zum 'Dampfablassen' bei, keineswegs aber zur Veredlung.
Das Buch 'Der Kulturinfarkt' enthält viele kluge Überlegungen wie die Gelder, die unsere Kultur subventionieren, besser beschafft und besser verteilt werden könnten.

Also mehr privatisieren, mehr kooperieren, mehr konzentrieren. Laien mit einbeziehen, Räume öffnen.

Vieles davon ist bedenkenswert, wird inzwischen auch praktiziert, aber das amerikanische System übernehmen, die Ensembles abschaffen, würde unsere Theaterlandschaft verarmen und uns heimatlos machen, denn mit Künstlern, die nur mit Stückverträgen engagiert werden, können die Opernfreunde keine innere Bindung eingehen.

Da sind die Deutschen eben anders - und das ist auch gut so!

Selbstbessene Regisseure dürfen uns nicht mit Billigung der Intendanten unsere Theater verekeln!

Vielleicht wundern Sie sich, dass ich Ihnen über Bücher berichte. Aber das praktizierte Richard Wagner auch, der ja die 'Mitteilung an meine Freunde' erfunden hat. Und ihm darf man ja wohl nacheifern, wenn auch in aller Bescheidenheit.

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Es wird also darum gehen, einerseits den Kulturbegriff neu zu definieren, andererseits die Strukturen der öffentlichen Kulturbetriebe umzubauen. Wenn das Zusammenspiel zwischen Kulturbegriff und ökonomischem Modell funktioniert, lässt sich Ersteres sogar mit Letzterem erreichen.
Das Existenzrisiko, welches die privaten Kulturbetriebe umtreibt, zwingt sie zur Aufmerksamkeit gegenüber Besuchern, zu ständiger Innovation.Solche Sorgen nehmen Staat und Kommunen den öffentlichen Kulturbetrieben weitgehend ab.

So erfreulich dies (vor allem für die Beschäftigten) zunächst erscheinen mag, so problematisch und gefährlich ist es langfristig.Es befreit die Betriebe von der Notwendigkeit, sich zu entwickeln und an der Nachfrage zu orientieren, um zu bestehen.

Die staatliche Förderung erlaubt ihnen, sich vom Wettbewerb abzukehren.

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Dieter Hasselbach, Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz 'Der Kulturinfarkt' - Knaus Verlag — München —2012 - Seite 64


und
 

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Zur Neubesetzung der kulturpolitischen Rollen fügt sich die regelmäßige Prüfung der Ergebnisse: Vielfalt des Outputs, Beteiligungsgrad variierender Öffentlichkeiten, Vernetzungsgrad, Eigenfinanzierung.

Die Erfolgsindikatoren werden nicht an das einzelne Werk angelegt, sondern an die sozialen Zusammenhänge, die geschaffen werden.

Dabei darf auch, dass ein ungehöriger Gedanke, eine gehörige Portion Provinzialismus mitspielen. Kunst ist relevant, wenn sie von der finanzierenden Gemeinde genutzt, beachtet, kritisiert wird.

Dadurch wird sie prägende Kultur. Erst daraus kann Exzellenz entstehen, die für andere anziehend wirkt.
Zitatende

Dieter Hasselbach, Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz 'Der Kulturinfarkt' Knaus Verlag - München —2012 - Seite 231
 


Nun aber zu 'Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen'.
Als das Buch herauskam, gab es großen Wirbel, im Blätterwald rauschte es. Im Mittelalter hätte man den Autor gefoltert und verbrannt, weil er die Wahrheit sagt.
Inzwischen hat sich der Wind gelegt, und es lohnt sich, das Buch noch einmal zur Hand zu nehmen.
Als Ökonom zeigt er, gestützt auf amtliche Statistiken, wie die deutsche Bevölkerung altert, nicht mehr nachwächst, besonders die gebildete Schicht, weil viele gebildete Frauen keine Kinder haben.Die bildungsfernen Schichten jedoch, und die patriarchalen Zuwanderer werden durch reichlich fließende Unterstützungsgelder und die niedrige Stellung der Frauen ermutigt, Kinder zu produzieren.
Außerdem ist sowohl das intellektuelle Potential und die Einstellung zur Arbeit eine andere als die bisher vom bürgerlichen Arbeitethos postulierte.
 

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Das Reich der Arbeit ist das Reich der Sekundärtugenden: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Ordnungsliebe, Frustrationstoleranz, Ein- und Unterordnung. Ohne diese Eigenschaften funktioniert kein arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozess, ja nicht einmal eine effizient arbeitende Putzkolonne.

Die Geschichte zeigt, dass der Wohlstand der Nationen in hohem Maße davon abhängt, ob in der Bevölkerung diese Sekundärtugenden vertreten sind und wie sie gefördert, belohnt und weiterentwickelt werden.

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Thilo Sarrazin - 'Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen' -
Deutsche Verlags-Anstalt - München — 2012 - Seite 170
 


Über die Mühen von Lehrerinnen mit patriarchalisch geprägten Schülern in den Klassen ist immer wieder zu lesen, was zu immer evidenterem Lehrermangel führt, denn wer will sich das als Unterrichtender antun?
 

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Die Grundsicherung beeinflusst also die Sozialisation und das generative Verhalten der Unterschicht. Sie bestimmt aber auch wesentlich das Migrationsgeschehen und die 'Integrationsbereitschaft' der Migranten. Ohne die deutsche Grundsicherung wäre ein großer Teil der Migranten aus der Türkei, aus Afrika und Nahost niemals gekommen, denn Arbeitsmarktgründe für die Einwanderung gibt es schon seit 35 Jahren nicht mehr. Ohne Grundsicherung wäre auch der Familiennachzug geringer gewesen und Deutschland als Asyl nur halb so attraktiv. Ohne die Grundsicherung hätten außerdem zumindest Türken und Araber in Deutschland ein anderes generatives Verhalten gezeigt. Insbesondere unter den Arabern in Deutschland ist die Neigung weit verbreitet, Kinder zu zeugen, um mehr Sozialtransfers zu bekommen, und die in der Familie oft eingesperrten Frauen haben im Grunde ja kaum etwas anderes zu tun.

Zitatende

Thilo Sarrazin - 'Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen' -
Deutsche Verlags-Anstalt - München - 2012 - Seite 170
 


Fern permanenter Miesmacherei müssen wir wachsam sein, denn Deutschland und unsere Kultur stirbt langsam an Auszehrung des intellektuellen Potentials.
Dazu gehört auch unsere Theaterkultur, die wir uns zerstören lassen, weil wir uns bei den von uns selbst gewählten Politikern nicht energisch genug melden und wenn wir es tun, von denen ignoriert werden, weil ja ein neuer Kriegschauplatz entstehen könnte, auf dem man sich mangels Kenntnissen nur schwer behaupten kann, das Pöstchen könnte ins Wanken geraten, sein Sturz in die Bedeutungslosigkeit wäre die Folge.

Also in Deckung gehen, nicht reagieren, bis die blöden Bürger es "über kurz oder lang" aufgeben, gegen uns zu stänkern, denkt der Politiker - und die Politikerin ist auch nicht besser beim Benutzen der Tarnkappe.

Kommt dann jemand aus der Bevölkerung und beschreibt das Elend auf deutschen Bühnen, wird er in die rechte Ecke gestellt.

Der Deutsche Bühnenverein hält die Hand über die Exzesse und ruft: "Freiheit der Kunst!"

Was verloren geht, interessiert keinen der Gewählten, keinen durch ruhiges Ersitzen Hochgeschwemmten.

"Das Bisschen Kultur schleppen wir so noch mit. Egal, was die da machen, es ist ja nur Kultur!"
 

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Migration kann und soll es auch in Zukunft geben. Die Beweglichen, die Tüchtigen sollen zu jeder Zeit aufbrechen können und ihr Brot verdienen, wo es ihnen gefällt - vorausgesetzt, sie fügen sich ein in die Kultur ihres Gastlandes und werden schließlich ein Teil von ihr, wenn sie sich dauerhaft dort niederlassen. Gut ausgebildete Fachkräfte und Experten, die nicht wegen der deutschen Sozialleistungen kommen, kann Deutschland jederzeit gebrauchen, auch aus der Türkei oder Ägypten. Aber die sind weltweit knapp, wie der relative Misserfolg der deutschen Greencard zeigt. Freuen wir uns über jeden, der kommt und bleibt. Aber das Gros der Fachkräfte, Tüftler und potentiellen Nobelpreisträger, die Deutschlands Zukunft in 50 und 100 Jahren sichern und gestalten sollen, müssen wir schon selber zeugen, aufziehen und ausbilden. Machen wir weiter wie in den letzten 40 Jahren, so wird unsere Bevölkerung nicht nur demografisch schrumpfen, sondern auch intellektuell verkümmern.

Zitatende

Thilo Sarrazin - 'Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen' -
Deutsche Verlags-Anstalt - München —2012 - Seite 393
 


Zur Wachsamkeit gegen das Verschwinden unserer Kultur gehört auch, dass wir erfahren, was in den Moscheen, die wir in Deutschland solange gleichgültig übersehen, bis Fanatiker
im Namen ihres Gottes Morde begehen, um 'die Ungläubigen' zu bekämpfen, denn das ist ihre Aufgabe.
 
Constantin Schreiber, der Journalist, der die arabische Sprache beherrscht, hat es gewagt, Moscheen zu besuchen, um uns, ’den Ungläubigen’, zu berichten, was die Prediger ihren Gläubigen verkünden. Er hat dreizehn Moscheen besucht, vier in Wohnhäusern, vier in ehemaligen Industriegeländen, vier in eigens eingerichteten Gebäuden.
Wir wissen nichts verlässliches, wie viele Muslime bei uns leben und wie viele Moscheen es gibt.
 

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Offenbar ist es möglich, viele Jahre in Deutschland zu leben, mit Frau und Kindern, ohne auch nur in der Lage zu sei, auf Deutsch ein Brötchen zu kaufen.
Von den Imamen, mit denen ich Gespräche führen konnte, gab es nur einen einzigen, der in der Lage war, sich für ein Interview ausreichend auf Deutsch auszudrücken:der Imam der Centrum-Moschee in Hamburg."

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Constantin Schreiber - 'Inside Islam - Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird'
Ullstein Buchverlage - Berlin - 2017 - Seite 236
 

Und das ist kein Zufall, sondern Programm.
Die Gläubigen werden streng angewiesen, unter sich zu bleiben und werden mit Feuer bedroht, wenn sie den Verlockungen von Demokratie und Freiheit erliegen.
Die rhetorischen Mittel sind das Zitieren des Korans und der von den Gelehrten sanktionierten 'Hadith' genannten außerkoranischen Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed sowie Aussprüche und Handlungen Dritter, die er stillschweigend billigte.
 
Unablässig wird auch gefordert, die Familie des Propheten zu lieben.  Fleiß und Ehrgeiz sind unangemessen, solange die 'Armensteuer' entrichtet wird, denn einzig Allah ist der 'Versorger'.
 
Frauen haben nur die Aufgabe, demütig und schamhaft, denn ihren Körper müssen sie verabscheuen, möglichst viele Gläubige zu gebären, wobei die große Kinderschar die Macht des Patriarchen erhöht.
 
Als leuchtendes Beispiel wird in einer Predigt in der sunnitsichen Moschee in Karlsruhe die Heilige Fatima genannt, denn sie sagte:

"Tragt meinen Leichnam nachts, wenn ich zur ewigen Ruhestätte gebracht werde, damit man mich bei Tageslicht nicht sieht, damit mich keine Augen erblicken, die nicht zur Verwandtschaft gehören."
 
Hierzu sei als Lektüre empfohlen:
Rana Ahmad: 'Frauen dürfen hier nicht träumen!' - btb-Verlag.de - 2017
 
Der mutige Ausbruch aus der Hölle Saudi-Arabiens, ein wahrhaft lebensgefährliches Unternehmen, denn der Abfall vom Islam ist nicht harmlos wie ein Kirchenaustritt in Deutschland, sondern wird mit dem Tod bestraft.
 
Was aber wird in den deutschen Moscheen gepredigt?
 
Auszüge einiger Beispiele lehren uns das Staunen und Fürchten.


 

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Die Moschee

Die Umar-ibn-al-Khattab-Moschee wurde 2010 eröffnet. Sie liegt in Berlin-Kreuzberg an einer prominenten Kreuzung. Viele Berliner kennen die Moschee, denn die Kuppel und die Minarette sind von der U-Bahn-Linie 1 aus gut zu erkennen, die auf einem Hochgleis an dem Gebäude vorbeiführt. Umar ibn al-Khattab war der zweite Kalif des Islams und damit einer der sogenannten rechtgeleiteten Kalifen. Er war ursprünglich ein Feind der jungen muslimischen Bewegung, wurde schließlich aber bekehrt und unternahm umfangreiche Eroberungsfeldzüge, unter anderem nach Ägypten und Syrien.
644 n.Chr. wurde er ermordet. Träger ist der »Islamische Verein für wohltätige Projekte« und damit die vom mystischen Sufismus beeinflusste, ursprünglich im Libanon beheimatete Al-Habasch-Bewegung

[...]

Die Predigt

Friede sei mit euch und Gottes Gnade und Segen.

Lob sei Gott, wir danken Ihm und erhöhen Ihn und bitten Ihn um Vergebung. Vor den Übeln unseres Selbst und unseren schlechten Taten nehmen wir Zuflucht bei Gott. Wen auch immer Gott recht leitet, den kann niemand irreführen, und wen auch immer Gott irreführt, den kann niemand rechtleiten. Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott in Seiner Einzigkeit und dass Er keinen Teilhaber noch Ihm Gleichartigen hat, und keine Stelle und keinen Ort und kein Wo und keinen Platz und kein Wie und keine Glieder und keinen Körper und keine Gestalt. Er war schon da, als es noch keinen Ort gab, und Er ist jetzt noch, was Er gewesen ist. Und ich bezeuge, dass unser Herr und Erhabener und Anführer und Augapfel Muhammad Sein Diener und Gesandter ist, Sein Auserwählter und Liebling, der die Botschaft überbracht und die ihm übertragene Aufgabe erfüllt und die Umma gut beraten hat.

Gottes Segen sei auf unserem Herrn Muhammad und seiner Sippe und allen Gesandten, die Er gesandt hat. Gott segne Dich und schenke Dir Heil, mein Herr, Gesandter Gottes. Gott segne Dich und schenke Dir Heil, mein Herr, Abu Zahra [Anrede Muhammads als Vater der Fatima], Abul-Qasim [Beiname Muhammads], Muhammad.

Wir wissen keinen Ausweg und bitten Dich um Hilfe, hilf uns, Gesandter Gottes, so Gott will. Und weiter: Diener Gottes, ich rate euch und mir, Gott den Erhabenen zu fürchten.

Es sagt unser Gott, gesegnet und erhaben sei Er: «Ihnen wurde nichts anderes befohlen, als Gott zu verehren, rechtgläubig, im Glauben ihm allein sich anvertrauend, das Gebet zu verrichten und die Armensteuer zu entrichten. Das ist die Religion, die Bestand hat.«

Und der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, sagt, wie von Muslim überliefert: »Es gibt niemanden, der Gold oder Silber besitzt und dessen Anteil [in Form der Armensteuer Zakät] nicht entrichtet, ohne dass ihm am Tag der Auferstehung Platten aus Feuer angefacht werden, die im Höllenfeuer erhitzt werden. Dann werden seine Seite, seine Stirn und sein Rücken mit ihnen gebrandmarkt. All dies wird an einem Tag geschehen, dessen Ausmaß fünfzigtausend Jahre beträgt, bis zwischen den Dienern [den Menschen] gerichtet wird und er [der Mensch] sieht, welchen Weg er nehmen muss: entweder zum Paradies oder zur Hölle.«
Da wurde ihm gesagt: >Gesandter Gottes, und was ist der Fall mit den Kamelen?< Er sagte: >Es gibt niemanden, der Kamele besitzt und deren Anteil [ ... ] nicht entrichtet, ohne dass vor ihnen am Tag der Auferstehung eine sanfte Ebene ausgebreitet wird. Und es wird nicht ein einziges junges Kamel fehlen, und sie werden ihn mit ihren Hufen niedertreten und mit ihren Mäulern reißen. Sooft das erste von ihnen an ihm vorbeigegangen ist, wird das letzte wieder zu ihm geführt. All dies wird an einem Tag geschehen, dessen Ausmaß fünfzigtausend Jahre beträgt, bis zwischen den Dienern [den Menschen] gerichtet wird und er [der Mensch] sieht, welchen Weg er nehmen muss, entweder zum Paradies oder zur Hölle.

Es wurde dann gesagt: >Gesandter Gottes, was ist denn der Fall mit Rindern und Schafen?< Da sagte er: >Es gibt niemanden, der Rinder oder Schafe besitzt und deren Anteil nicht entrichtet, ohne dass vor ihnen am Tag der Auferstehung eine sanfte Ebene ausgebreitet wird. Und es wird von ihnen keines fehlen, das nicht ein krummes Horn, kein Horn oder ein gespaltenes Horn hat. Sie werden ihn mit ihren Hörnern stoßen und mit ihren Hufen niedertreten. Jedes Mal, wenn das erste von ihnen an ihm vorbeigegangen ist, wird das letzte wieder zu ihm kommen. All dies wird an einem Tag geschehen, dessen Ausmaß fünfzigtausend Jahre beträgt, bis zwischen den Dienern [den Menschen] gerichtet wird und er [der Mensch] sieht, welchen Weg er nehmen muss, entweder zum Paradies oder zur Hölle.

Dieser Hadith, meine Lieben, enthält eine deutliche Mahnung für jene, welche die Armensteuer zu entrichten hatten und dies nicht getan haben. Die Armensteuer ist eine der größten Pflichten des Islams, die der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, im Gabriel-Hadith genannt hat: Islam heißt, zu bezeugen, dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Muhammad sein Prophet ist, das Gebet zu verrichten, die Armensteuer zu entrichten, im Ramadan zu fasten und zum Haus [Gottes, also nach Mekka] zu pilgern. Die Armensteuer wurde den Besitzern von Vermögen, auf die Armensteuer fällig wird, von Gott, gesegnet und erhaben sei Er, auferlegt.

Wer die Armensteuer nicht entrichtet hat, aber von seiner Verpflichtung dazu überzeugt ist, [und] sagt, es ist eine Pflicht, die mir auferlegt wurde, aber sie aus Geiz nicht entrichtet hat, ist zwar nicht ungläubig [oder: lästert nicht Gott], hat aber gegen Gott, gesegnet und erhaben sei Er, eine große Sünde begangen. Er verdient es, dafür im Feuer der Hölle gemartert zu werden. Jenem Feuer, von dem es heißt, dass das irdene Feuer nur ein Siebzigstel des Feuers im Jenseits sei. Jenem Feuer, von dem es heißt, dass es tausend Jahre lang angefacht wurde, bis es rot wurde, dann noch einmal tausend Jahre, bis es weiß wurde, und dann noch einmal tausend Jahre, bis es schwarz wurde, ein finsteres Schwarz. Möge Gott, gesegnet und erhaben sei Er, uns vor ihm schützen und vor der Bestrafung im Grab. Die Armensteuer, meine Lieben, ist eine Notwendigkeit, die Gott der Erhabene jenen auferlegt hat, für die sie obligatorisch ist. Sie wird auf spezifische Arten von Vermögen erhoben.

Nicht auf alles wird Armensteuer erhoben. Sie wird fällig auf Kamele, Rinder und Schafe, nicht auf anderes Vieh, das [nicht] zum Zwecke des Handeltreibens gehalten wird. Nicht auf Esel und nicht auf Pferde wird Armensteuer erhoben, außer es wird damit Handel getrieben. Außerdem wird Armensteuer fällig auf Datteln, Oliven und Feldfrüchte, welche die Menschen als Nahrung zu sich nehmen, wie Weizen, Hafer, Linsen, Mais und Kichererbsen. Ebenso fällt die Armensteuer an auf Gold und Silber. Wer Besitzer eines Mindestvermögens [nisäb] an Gold ist, was etwa 85 Gramm reinen Goldes entspricht, und wer Besitzer eines Mindestvermögens an Silber ist, was etwa 600 Gramm reinen Silbers entspricht, und dieses Gold und dieses Silber ein Jahr lang in Besitz hat, so muss der Besitzer dieses Goldes und dieses Silbers die darauf anfallende Armensteuer entrichten, die sich auf ein Viertel des Zehntels beläuft, also 2,5 Prozent, und er muss dem nachkommen. Wenn du Papierwährung besitzt und dieses Geld den Wert von etwa 600 Gramm reinen Silbers hat und dieses Geld, dieser Betrag, den du hast, genau ein volles Mondjahr in deinem Besitz ist, so musst du auch darauf Armensteuer zahlen, ein Viertel des Zehntels, also 2,5 Prozent.

Auch im Handel ist die Armensteuer zu entrichten, wenn das Mindestvermögen erreicht wird und wenn es bei der Handelstätigkeit um den auf Gewinn ausgelegten Umtausch von Vermögenswerten geht. So ist am Ende des Mondjahres, am Ende des Jahres der Wert der Ware, die sich in deinem Besitz befindet, und der Wert des Vermögens, das du aus diesem Handel generiert hast und das du für die Handelstätigkeit nutzen willst, zu betrachten, der Wert von all diesem. Auf das Handelsvermögen ist ein Viertel des Zehntels an Armensteuer zu entrichten.

Dann gibt es noch eine Art von Armensteuer, die Armensteuer der Körper [Zakät al-Badan] oder die Armensteuer des Fastenbrechens [Zakät al-Fitr], deren Entrichtung in einen Teil des Monats Ramadan und einen Teil des Monats Shawwal fällt. Ab dem Zeitpunkt, an dem am letzten Tag des Ramadans die Sonne untergeht, muss die Armensteuer entrichtet werden, für sich selbst und für die, denen sie obliegt, wenn sie Muslime sind, wie die Ehefrau, die betagten Eltern und auch die kleinen Kinder. Dafür gibt es Bestimmungen.
Wir haben draußen eine Kiste und [für die Entrichtung der Armensteuer des Fastenbrechens] den Wert von fünf Euro festgelegt, der gesteigert werden kann. Wer die Armensteuer des Fastenbrechens entrichtet, kann diese fünf Euro überschreiten und kann damit für Gott, gesegnet und erhaben sei Er, spenden.

Das sind die Dinge, auf die die Armensteuer erhoben wird, meine Lieben.

Der Zeitraum, für den die Armensteuer zu entrichten ist, muss nicht zwangsläufig der Ramadan sein. Vielmehr wird jedes Vermögen für sich berechnet. Bei Gold und Silber ist die Bedingung, wie gesagt, das Verstreichen eines ganzen Mondjahres, eines arabischen Hidschra-Jahres, von dem eines vollständig verstreichen muss. Das muss aber nicht unbedingt im Ramadan [Monat des islamischen Mondjahres] sein. Wenn jemand seit dem Monat Ragab [Monat des islamischen Mondjahres] des vergangenen Jahres ein Mindestvermögen an Gold besitzt, so muss er die Armensteuer [nach Jahresfrist] entrichten und darf nicht sagen, ich warte, bis der Ramadan kommt, um die Armensteuer zu entrichten. Die verspätete Zahlung der Armensteuer ist eine unentschuldbare, schwere Sünde und ein großes Verbrechen.
Bei Gütern, für die das Verstreichen der Jahresfrist keine Bedingung dafür ist, dass die Armensteuer fällig wird, wie Datteln und Oliven beispielsweise, wird die Armensteuer mit Erreichen des richtigen Zustands [des Reifezustands] fällig. Das Verstreichen eines Jahres ist also nicht die Voraussetzung für die Entrichtung der Armensteuer auf Datteln, Oliven und auch auf Feldfrüchte.

Wir müssen darauf Acht geben, Brüder, dass wir das, was Gott, gesegnet und erhaben sei Er, uns von unserem Vermögen zu entrichten auferlegt hat, auch entrichten. Darüber hinaus müssen wir darauf achten, wie legitim der Inhalt von Rechtsgutachten ist, die einige Menschen zu dem, was Gott der Allmächtige offenbart hat, erstellen. Sie wollen damit den Menschen ungerechtfertigt Vermögen wegnehmen, diejenigen, die für das Eintreiben des als Armensteuer geleisteten Vermögens zuständig sind. Sie sagen, dass dem Muslim auferlegt wurde, die Armensteuer auf sein Haus zu zahlen, das er den Leuten vermietet, oder auf das Fahrzeug, das er vermietet, oder sie sagen, er muss die Armensteuer auf sein Ladengeschäft entrichten, das er vermietet. Das ist nicht das von Gott, gesegnet und erhaben sei Er, offenbarte Gesetz. Die Armensteuer ist fällig auf die genannten Vermögen. Sie wollen damit den Menschen das Vermögen wegnehmen. Sie sagen, wenn du ein Haus hast, dann musst du auf dieses Haus die Armensteuer entrichten, und wenn du einen Betrieb hast, dann musst du die Armensteuer auf die Maschinen des Betriebs entrichten, und auch wenn du einen Laden hast, dann sagen sie, du musst die Armensteuer auf dieses Geschäft entrichten. Dies ist nicht im von Gott offenbarten Gesetz, und wer die Armensteuer darauf entrichtet in der Absicht, dass dies Armensteuer sei, der hat zur Pflicht gemacht, was in Gottes Offenbahrung keine Pflicht ist, und eine Missetat begangen. Wie gesagt, wird die Armensteuer auf Waren, auf Handelswaren, auf das aus dieser Handelstätigkeit generierte Vermögen fällig. Wenn eine Person jedoch für Gott, den Erhabenen, im Ramadan spenden möchte, weil Ramadan der Monat der Wohltätigkeit und Aufwendung ist, dann sagen wir ihm, er gebe für Gott Almosen, aber nicht in der Absicht, eine Pflicht zu erfüllen, nicht, weil es Pflicht ist, denn die Armensteuer wird fällig auf die genannten Vermögen.

Darüber hinaus, meine Lieben, müsst ihr wissen, wem ihr eure Armensteuer gebt, denn möglicherweise gibt man seine Armensteuer einem Menschen und denkt, man hat seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Wenn dann der Tag des Jüngsten Gerichts kommt, und man ist die Armensteuer noch immer schuldig, weil man sie nicht demjenigen entrichtet hat, der einer der Personengruppen angehört, denen man sie zu entrichten verpflichtet ist. Diese sind im Buch Gottes, gesegnet und erhaben sei Er, genannt: »Die Almosen sind bestimmt für Arme und Bedürftige und die sich um sie kümmern [d. h. die sich um die Verteilung der Almosen kümmern]; die Leute, deren Herz gewonnen werden soll, für Sklavenfreikauf [Fortsetzung: »und für Schuldner, und für den Kampf (wörtlich: für den Weg Gottes) und für den 'Sohn des Weges' (den Reisenden)«] - als Pflicht von Seiten Gottes. Gott ist wissend, weise.«

Diese acht Personengruppen sind die, denen die Armensteuer aus dem Vermögen gegeben wird. Und ich mache euch darauf aufmerksam, dass das, was der Erhabene gesagt hat, »für den Weg Gottes«, nicht jede Wohltat meint. Das heißt, du darfst keine Armensteuer bezahlen, um ein Krankenhaus zu bauen oder eine Schule, selbst wenn dort Religionsunterricht gegeben wird. Du darfst auch keine Armensteuer zahlen, um ein Buch zu drucken oder einen Brunnen zu bohren oder etwas in der Art. Es gibt nämlich bestimmte Gruppen, und wir müssen lernen, diese Gruppen zu deuten: wer der Arme ist und wer der Bedürftige, und so weiter, bis alle acht Gruppen gedeutet sind. Dieses Wissen ist nötig, damit unsere Armensteuer richtig entrichtet wird und mit dem Gesetz, das durch Gott, gesegnet und erhaben sei Er, offenbart wurde, in Einklang steht. Und damit das Vermögen, das Gott, gesegnet und erhaben sei Er, uns übereignet hat, segensreich sein möge, hat Gott mich und euch zu denen gehören lassen, die sein Wort hören und seine guten Taten befolgen.

Ich sage das, was ich gesagt habe, und bitte Gott den Allmächtigen für mich und für euch um Vergebung. Lob sei Gott. Wir loben ihn. Vor den Übeln unseres Selbst und unseren schlechten Taten nehmen wir Zuflucht bei Gott. Und weiter: Diener Gottes, ich rate euch, Gott den Erhabenen zu fürchten.

Ich erinnere euch an das, was der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, gesagt hat: 'Kein Almosen verringert das Vermögen.' Denn der, der Almosen entrichtet, ob es nun ein Pflichtalmosen, wie die Armensteuer, oder ein freiwilliges Almosen [Sadaqa] ist, und scheine es auch so, also verringere sich dadurch sein Vermögen, wird doch im Jenseits eine großartige Belohnung dafür erhalten. Gott, gesegnet und erhaben sei Er, wird ihn vielleicht vor dem Höllenfeuer retten, selbst wenn er Gott, gesegnet und erhaben sei Er, nur eine halbe Dattel als Almosen gegeben hat. Hat nicht der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, gesagt: »Schützt euch vor dem Höllenfeuer, und sei es nur mit einer halben Dattel.«

Wenn er Gott, gesegnet und erhaben sei Er, [nur] eine halbe Dattel als Almosen gibt, so wird ihm Gott, gesegnet und erhaben sei Er, vielleicht seine großen und kleinen Sünden wegen dieses Almosens vergeben. Heute ist das Leiden von Muslimen kein Geheimnis, wie viele Arme es unter ihnen gibt, wie vielen von ihnen Katastrophen widerfahren sind, wie vielen Unglück widerfahren ist, das ihr Vermögen aufgezehrt hat, sie also kein Vermögen mehr übrighaben, ihr Vermögen verloren gegangen ist. Wenn also jemand Almosen für Gott den Erhabenen gibt, so wird ihm großes Wohl von Gott dem Allmächtigen zuteil.

Ich erinnere euch daran, meine Lieben, dass der Verein die Verteilung der Armensteuer an die Empfangsberechtigen übernommen hat. Er gibt die Armensteuer also nicht an irgendwen, sondern nur an die, die sie laut dem Gesetz, das von Gott, gesegnet und erhaben sei Er, offenbart wurde, zu erhalten berechtigt sind. Macht euch also sogleich daran, Gutes und Richtiges zu tun.
Es heißt im Hadith, dass ein Nichtmuslim eine Dattelpalme besaß, die sich zum Haus eines Gefährten des Gesandten Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, hinneigte. Die Kinder dieses Gefährten aßen von den Datteln dieser Palme, die sich zu ihnen herabneigte. Der Besitzer der Palme wurde darüber wütend, kam zum Gesandten Gottes und berichtete ihm von der Sache. Der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, sprach mit dem Gefährten, und dieser sagte ihm, »Gesandter Gottes, ich wusste davon nichts, und hätte ich es gewusst, hätte ich es ihnen verboten. Wir sind arme Leute.« Sie waren arm, und seine Kinder aßen von den Früchten dieses Baumes. Und der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, sagte: »Wer kauft diesen Baum, auf dass ihm im Paradies ein (Obst-)Garten zuteil werde?« Einer der Gefährten sagte: »Ich, Gesandter Gottes«, und so kaufte er diesen Baum von dieser Person für einen Obstgarten von ihm und schenkte ihn daraufhin diesem armen Gefährten. Danach begab er sich zu seiner Ehefrau und rief sie. Sie sagte ihm, »was ist mit dir?«, und er sagte ihr, »ich habe gerade den Obstgarten für einen Obstgarten im Paradies verkauft, den mir der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und schenke ihm Heil, versprochen hat«. Seine Frau sagte: »Ich schwöre bei Gott, du hast bei dem Verkauf gewonnen.«

Jene Menschen haben das Diesseits aus ihren Herzen gelöst. Möge uns Gott, gesegnet und erhaben sei Er, ihrem Vorbild folgen lassen.

Möge Gott, gesegnet und erhaben sei Er, den Kummer der Muslime zerstreuen und ihre Situation zum Besseren wenden.

Wisset, ihr Lieben, dass Gott euch einen großartigen Befehl gegeben hat. Er hat euch befohlen, für seinen edlen Propheten zu beten, ihm Frieden zu wünschen.
Er sagte: »Siehe, es sprechen Gott und seine Engel den Segen über den Propheten. Ihr, die ihr gläubig seid, sprecht über ihn den Segen, und grüßt mit dem Friedensgruß!«

Gott, schenke Muhammad Heil und der Familie Muhammads, wie Du Abraham und Abrahams Familie Heil geschenkt hast, und segne Muhammad und die Familie Muhammads, wie Du Abraham und Abrahams Familie gesegnet hast.

Zitatende

Constantin Schreiber - 'Inside Islam - Was in Deutschland Moscheen gepredigt wird'
Ullstein Buchverlage - Berlin - 2017 - Seite 45 – 55

 

Die Predigt zeigt eine für uns ganz andere Welt, in der die Gläubigen mit Absicht gehalten werden, da von der deutschen Gesellschaft ein schädlicher Einfluss ausgeht, weil das Virus der Freiheit ansteckend ist.
 
Auch im christlichen Gottesdienst werden Altes und Neues Testament zitiert, aber die Auslegung bezieht sich auf die Probleme unserer Zeit. und mahnt zu humanem Umgang und nicht zum Kampf gegen Andersgläubige.
Alle Predigten haben ein ähnliches Schema und die Männer, die einer solchen wöchentlichen Indoktrination ausgesetzt sind, können sich niemals in unsere freiheitliche Ordnung einfügen, da ihnen das ewige Höllenfeuer angedroht wird.
Die Terroranschläge in Frankreich und Deutschland kamen in den Gottesdiensten, die Constantin Schreiber besuchte, kaum zur Sprache, nur ein Imam erinnerte daran, dass das Töten von Menschen laut Koran verboten ist.
Aber sind Ungläubige, die Alkohol genießen und das verhasste Weihnachtsfest feiern überhaupt Menschen?
 
Ebensowenig werden in den Predigten Frauen, die ja die zweite Hälfte er Menschheit darstellen, erwähnt, und wenn doch, dann nur mit der Mahnung schamhaft zu sein. Der Imam der Isala Moschee sagte:
"Wenn ich ein schamloses Mädchen oder eine entblößte Frau sehe, bete ich zu Gott, dass er sie verhüllt. Ich bete zu Gott, dass er sie auf den rechten Weg führt."
Hierzu einige Zitate aus Rana Ahmad erschütterndem Buch:
'Frauen dürfen hier nicht träumen!'

Zitat

In dem Land, in dem ich aufgewachsen bin, ist der Körper einer Frau etwas, für das sie sich schämt. Etwas, das man nicht öffentlich zeigen darf, das aufreizt und nur Ärger bereitet. Seit ich in die Pubertät gekommen bin und meine Figur weiblicher geworden ist, verbringe ich viele Stunden vor dem Spiegel. Ich prüfe meinen Körper wie eine Wunde, mit einer Mischung aus Neugier und Ekel. Ich fühle mich dreckig dabei.

Zitatende

Rana Ahmad - 'Frauen dürfen hier nicht träumen - Mein Ausbruch aus Saudi Arabien, mein Weg in die Freiheit' - btb Verlag - München - Verlagsgruppe: Random House- 2017 - Seite 57

 

Zitat

In Saudi-Arabien ist der sexuelle Missbrauch von Frauen auch innerhalb der eigenen Familie weitverbreitet und wird nicht bestraft. Wie auch? Wir Mädchen werden in dem Bewusstsein erwachsen, unser Körper sei eine Projektionsfläche für Sünden, etwas, wofür wir uns als Frauen schämen müssen, das wir verhüllen, verstecken und möglichst unsichtbar werden lassen sollen. Wird unser Körper unsittlich berührt, tragen wir die alleinige Schuld daran. Alles Schöne an uns Frauen wird ins Sündhafte und Hässliche verkehrt, und die Konsequenz dieses Denkens ist, dass wir uns selbst hassen, uns für das schämen, was wir sind, und niemals auf die Idee kämen, in den Männern, die uns missbrauchen, das zu sehen, was sie sind: Täter. Wer mit dieser Art von Denken groß wird, es jeden Tag vorgelebt bekommt und als Normalität wahrnimmt, wird niemals auf die Idee kommen, sich nach einem solchen Vorfall an einen Arzt zu wenden oder zur Polizei zu gehen. Stattdessen schämt man sich, hasst sich noch mehr für den eigenen Körper, und man fühlt sich hilflos. In Saudi-Arabien herrscht ein System, in dem Frauen nur verlieren können, und viele Männer trotz ihrer Taten ungestraft davonkommen.

Zitatende

Rana Ahmad - 'Frauen dürfen hier nicht träumen - Mein Ausbruch aus Saudi Arabien, mein Weg in die Freiheit' - btb Verlag - München - Verlagsgruppe: Random House- 2017 - Seite 59

 

Zitat

Eine Familie, mit der meine Eltern befreundet sind, verheiratet ihre Tochter Amal zum Beispiel an einen saudischen Politiker, der sehr reich und einflussreich ist. Keinen stört es, dass Amal schon verheiratet ist und Kinder hat, Amal muss sich im Gegenteil glücklich schätzen, einen so angesehenen Ehemann gefunden zu haben. Die beiden schließen eine sogenannte Kurzehe, die Misyar-Ehe. Diese Art der Ehe, in der die Partner nicht zwingend zusammenleben müssen, ist in Saudi-Arabien immer üblicher geworden, auch, weil die Brautpreise und die Kosten für eine richtige Hochzeit immer unerschwinglicher werden. Sie erlaubt es auch unverheirateten Paaren, gemeinsam Wohnungen oder Hotelzimmer zu mieten, ohne einen Familienausweis vorzeigen zu müssen, wie es normalerweise Vorschrift ist. Viele Männer nutzen diese Art der Ehe dafür, ihre Ehefrauen mit unverheirateten Frauen zu betrügen, auch Prostitution findet unter dem Deckmantel der Misyar-Ehe statt. Natürlich ist diese Form der Kurzehe nur ein Privileg für den Mann, der neben seiner festen Ehefrau so ohne rechtliche Probleme oder Ärger mit der Religionspolizei ein Verhältnis mit einer anderen Frau haben kann.

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Rana Ahmad - 'Frauen dürfen hier nicht träumen - Mein Ausbruch aus Saudi Arabien, mein Weg in die Freiheit' - btb Verlag - München - Verlagsgruppe: Random House- 2017 - Seite 71 - 72

Zitat

In Saudi-Arabien gibt es kein öffentliches Leben, wie man es in Deutschland, Europa oder auch in liberaleren muslimisch geprägten Ländern wie dem Libanon kennt. Es gibt keine Bars, keine Clubs oder Cafés, keine Kinos. All das verbietet die Scharia.
[...]
Meine wichtigste Reise findet deshalb in meinem Zimmer statt, am Computer. Das Netz ist der einzige Ausweg aus meiner hermetischen Abriegelung, es ermöglicht mir im virtuellen Raum den Austausch mit Gleichgesinnten, der mir im realen Leben unmöglich ist.
[...]
Eines Abends liege ich mal wieder im Bett und surfe vor mich hin, auf meinem Computer läuft Musik von Enya, einer meiner Lieblingssängerinnen. Ich stoße auf einen Tweet von einem Account mit dem Namen Arab Atheist. Einer meiner Kontakte hat ihn geteilt. Der seltsame Name des Nutzers lässt mich stutzen. Was ist ein Atheist? Das Wort habe ich noch nie gehört. Ich gebe es in Google Translate ein.
[...]
... auch das arabische Wort, das mir das Übersetzungsprogramm für Atheist anzeigt, sagt mir nichts. Ich gebe es in die Googlesuchmaske ein und finde eine Definition, die sagt, ein Atheist sei jemand, der nicht an Gott glaube.
[...]
Auf die Abkehr vom Islam steht in Saudi-Arabien die Todesstrafe. Ich kenne andere Religionen, Christen, Juden, Buddhisten. Aber dass es Menschen geben soll, die gar nicht glauben, kann ich nicht begreifen. Es ist schlicht zu weit weg von dem, was mir mein Leben lang beigebracht und vorgelebt wurde, von den Grundlagen, auf die die Gesellschaft, in der ich lebe, aufgebaut ist. An diesem Abend traue ich mich nicht, weitere Texte über Atheisten zu lesen. Ich versuche einzuschlafen, aber es wird eine schlaflose Nacht, in der ich mich fast nur herumwälze. In der ich merke, dass mich das, was ich gerade eben erfahren habe, nicht loslassen wird, ehe ich herausfinde, wer diese Menschen sind.
[...]
An einem Abend im Juli holt mich mein Bruder einmal von der Arbeit ab. Mein Handyakku ist leer, und ich bitte einen Kollegen, den ich in der Lobby treffe, mir kurz sein Ladegerät zu leihen, damit ich meinem Bruder Bescheid sagen kann, dass ich schon auf ihn warte. Ich unterhalte mich gerade mit ihm und warte, dass das Handy endlich angeht, als Omen schon in die Lobby kommt. In seinem Blick steht alles, was ich wissen muss - er missbilligt es, dass ich mit einem männlichen Kollegen spreche, denn das ist mir nicht erlaubt. Er ist so zornig, dass er seinen Ärger nicht mal im Ansatz verbergen kann. Ich mache eine entschuldigende Geste in Richtung meines Kollegen und folge meinem Bruder wortlos nach draußen. Auf dem Weg nach Hause macht mir seine Wut Angst. Er sagt zwar kein Wort, rast aber über die Straße, den Blick verbissen nach vorne gerichtet. Er fährt bei Rot über die Ampel, sein Blick wird noch finsterer. Als wir zu Hause sind, erzählt er sofort alles meiner Mutter, und ich falle wieder einmal in Ungnade.

Spätestens jetzt weiß ich, dass Omen mir misstraut. Ich bekomme Angst, dass er herausfinden könnte, welche Bücher ich lese, mit welchen Menschen ich mich auf Twitter vernetze.
[...]
An einem dieser Freitagnachmittage muss er sich währenddessen in mein Zimmer geschlichen haben. Aber das finde ich erst später heraus. Er installiert Wanzen, um mich abzuhören. Durch sie muss er ein paar Tage später auch ein harmloses Telefonat mithören, das ich mit einem Kollegen führe. Ich lache wohl dabei. Es ist ein völlig unschuldiges Gespräch, deshalb vergesse ich es sofort wieder, auch heute erinnere ich mich nur vage daran. Doch mein Bruder scheint das anders wahrzunehmen. [...]

Sie rechtfertigen ihr Verhalten mit dem Koran und legen ihn so aus, dass er als Grundlage dafür herhalten muss, dass Männer sich immer im Recht wissen und Frauen dazu verdammen können, sich kontrollieren zu lassen und sich unterwerfen zu müssen.
Als ich auf dem Boden liege, tritt mein Bruder mich wie ein Stück Vieh, immer wieder, er schreit und schlägt wie losgelöst. Ich rufe nach meinen Eltern so laut ich kann. Ich habe Todesangst. Ich versuche, meinem Bruder klarzumachen, dass ich nichts mit Männern habe, aber ich kriege kaum ein Wort heraus zwischen seinen Tritten, ich liege auf dem Boden und kann mich nicht schützen vor seiner unbändigen Wut.
[...]
Meine Gedanken rasen. Ich spüre Panik in mir aufkommen, aber auch eine seltsame Ruhe. Benommen stehe ich auf, schaffe es, mit zitternden Beinen zu meinem Schreibtisch zu kommen. In der Schublade mit meinen Bastelsachen habe ich eine neue Rasierklinge. Es passiert instinktiv. Alles in mir sagt: So kannst du nicht leben. In diesem Moment ist für mich klar, dass ich lieber sterbe, als so weiterzuleben. Ich kann nicht mehr. Ich schaue mich noch einmal in meinem Zimmer um, ohne irgendetwas wahrzunehmen. Ich bin völlig benommen, gleichzeitig sehe ich ganz klar. Ich setze mich auf den Boden, mit dem Rücken zur Tür, damit niemand reinkommen kann. Ich bin wie in Trance, als ich ansetze. Meine rechte Hand hält die Klinge, ich drücke sie kraftvoll in die Pulsader meines linken Unterarms und ziehe sie senkrecht durch das Fleisch. Ich spüre keinen Schmerz. Es ist so, als würde ich einer anderen Person dabei zusehen, wie sie in einen Körper schneidet, der nicht mir gehört. Ich starre auf das Blut, das aus meinem Handgelenk fließt, es ist viel, und ich spüre, wie ich langsam matt werde. Ich bin fast glücklich, es fühlt sich an wie eine Erlösung.
[...]
Ich denke daran, was ich hinter mir gelassen habe. Ein Land, in dem Frauen nicht Autofahren dürfen, und in dem sich das gar nicht so ungeheuerlich anfühlt, weil sie so viele andere, wichtigere Dinge auch nicht tun dürfen, weil sie keine Rechte haben. Ein Land, in dem Frauen nicht nach der Freiheit greifen, weil sie ständig damit beschäftigt sind, sich vor Gewalt und verbalen Übergriffen zu schützen.
[...]
Während meines ersten Sommers in Deutschland erlebe ich viele Dinge zum allerersten Mal, und ich genieße diese Zeit in vollen Zügen. Überhaupt empfinde ich mein Leben als Frau hier nach und nach als Offenbarung. In meiner Heimat werden Frauen nicht mit ihren Vornamen angesprochen, sondern immer in Relation zu den Männern in ihrem Leben. Ist ein Mädchen noch nicht verheiratet, so nennt man sie »Tochter von« oder »Schwester von« und sagt dann den Namen ihres Vaters oder Bruders. Wenn sie einen Ehemann hat, so nennt man sie einfach »die Frau von«. In gewisser Weise spricht man jeder Frau also eine eigene Identität ab, sie existiert nur im Kontext der Männer in ihrem Leben, nicht als eigenständige Person mit einem Namen und einem Gesicht. Manchmal denke ich, dass ich erst in Deutschland beginne, erwachsen zu werden. Hier gehe ich ohne Amir zu den Behörden, ich richte mir ein eigenes Konto ein und treffe eigene Entscheidungen. Das erste Mal in meinem Leben fühle ich mich für alles, was ich tue, verantwortlich.
[...]
Ich freue mich auf das nächste Jahr, auf alles, was noch vor mir liegt. Ich möchte meine Wohnung einrichten, meine Deutschprüfung bestehen, und ich werde ab dem Sommer ein Studienkolleg besuchen, um meinen Abschluss nachzuholen.
Danach kann ich an einer deutschen Universität studieren, Physik natürlich.

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Rana Ahmad - 'Frauen dürfen hier nicht träumen - Mein Ausbruch aus Saudi Arabien, mein Weg in die Freiheit' - btb Verlag - München - Verlagsgruppe: Random House 2017 - Auszüge aus den Seite 134 - 314

Die erlittenen Grausamkeiten, das Elend von Flucht und Lager, der eiserne Wille zur Freiheit, das organisatorische Talent, mit dem sie Kontakte im Netz und in der Wirklichkeit geknüpft hat, verdienen höchste Anerkennung.
Möge das Studienkolleg ihr den Weg zu einem erfolgreichen Physikstudium und aussichtsreichen Praktikum am CERN den beruflichen Erfolg bringen, den sie wahrlich verdient.
 
Und wir schauen in Schockstarre aus ’political correctness’ und aus Angst vor dem Vorwurf der ’Volksverhetzung’ und Fremdenfeindlichkeit zu, wie sich derartige patriarchale Systeme in unserem Land festsetzen.
 
Halten wir uns für die Klügeren, in dem wir nachgeben, resignieren, uns zurückziehen, weil wir außer dem Stimmzettel keine anderen Möglichkeiten haben, uns bemerkbar zu machen?
 
Wie oft habe ich verärgerten Theaterbesuchern geraten:
Schreiben Sie an die Intendanz, an das zuständige Ministerium, an die Presse!“ - aber immer war ein trauriges Achselzucken die Antwort;
"Es nützt ja doch nichts!"
 
Mut macht da das Buch von Brigitte Witzer:
'Die Diktatur der Dummen - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben!'

 
Sie ruft zu eigener Meinung, kritischer Beobachtung, zur eigenen Lebensgeschichte, zur Begeisterung, zum Lernen und mutigem Diskutieren auf.
Deshalb möchte ich Ihnen sieben Zitate übermitteln und Sie zum Widerstand ermutigen, damit unser kultiviertes Leben und unsere Theaterkunst nicht untergehen.
 
Wehren Sie sich, es ist nie zu spät!


 



Zitat 1

Fernsehen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und kein »Unterschichtenfernsehen«. Dennoch wird es oft so genannt. Warum bloß? Sicherlich beschreibt es eine neue deutsche Lust am ja, woran? Am Proletenhaften, Vulgären? Die Quoten jedenfalls sind höher als der Anteil der Hartz-IV-Bezieher in dieser Republik. Schaut da eine wegbröckelnde Mittelschicht an, wohin sie nicht will, und frönt dabei dem Grusel? Ist es der Handel mit der Sehnsucht der Menschen nach Schönheit, Prominenz, Erfolg und vor allem nach Geld? Oder aber hat es damit zu tun, dass wir alle gern eine Vergleichsgruppe finden, der wir ein wenig überlegen sind?

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Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen  - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München  2018 - Seite 81


Zitat 2

Als der Club of Rome 1972 seine Prognose veröffentlichte, die er sehr weitsichtig 'Die Grenzen des Wachstums' hieß, war nicht absehbar, wie sehr die Forscher recht behalten würden.
[...]
1972 wirkte die Studie nahezu unerhört. Doch obwohl hinter dem Club of Rome auch Industrielle als Gründungsmitglieder standen, blieb eine direkte Wirkung aus. Es haben eben nicht alle erschrocken die Augenbrauen gehoben, sich zusammengerissen und umgelenkt. Warum bloß sind wir an wichtigen Gütern unseres Lebens und an den Folgen und Konsequenzen für diese Welt und andere Menschen ebenso desinteressiert wie bei der Studie des Club of Rome? Warum lernen wir eigentlich nicht dazu? Wie kommt es zu solchen Dummheiten vor dem Hintergrund eines von Humanismus getragenen Menschenbildes? Was macht uns so unempfindlich?

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen  - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München 2018 - Seite 81 – 82


Zitat 3

Mehr vom Falschen steht für ein Verhalten, das einen Moduswechsel nicht kennt oder übersieht - und am Alten beharrlich festhält. Noch mehr Gas geben im ersten Gang. Mehr vom Falschen heißt gesamtgesellschaftlich etwa mehr Technik, mehr ausbeutende Produktionen in fernen Ländern, mehr Rohstoffnutzung für Produkte, die wir gar nicht benötigen. Mehr Wachstum, obwohl uns die Menschenwürde außerhalb unseres Lebensumfelds zwischen Alltag und Urlaub abhandengekommen ist, immer billigere Medienangebote mit immer niedrigeren Schamgrenzen, die uns den Verlust der Menschenwürde auch vor der eigenen Haustür im Reality-TV klarmachen. Mehr vom Falschen bei der Bildung: mehr Gleichmacherei für Europa durch Bachelor-Studiengänge, aber definitiv weniger Geist in den Hochschulen.

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen  - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München  2018 - Seite 198


Zitat 4

Durch die Neurowissenschaften wissen wir, dass es dem Verstand oft genug an Gefühl fehlt.
Wenn die Emotionen aus unserem Leben herausdiskutiert werden, sind sie noch lange nicht weg. Wer eine Situation im üblichen Sinn versachlichen möchte, entzieht ihr meist die größte Kraft: die emotionale Befindlichkeit. Dabei lässt sich ganz wunderbar sachlich über Gefühle und von Gefühlen sprechen. Wir sind diesen nicht ausgeliefert, und es ist ohne Weiteres möglich, etwa der eigenen Wut nüchtern Ausdruck zu verleihen. Aber wer hat schon gelernt, seine Gefühle zu erkennen und ganz simpel zu regulieren? Wir haben es hier mit einem krassen Mangel zu tun, dem abgeholfen werden kann.

Das Gehirn entwickelt immer das, was trainiert wird und was uns begeistert. Begeisterung, so etwa der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther, ist Dünger fürs Gehirn. Begeisterung ist notwendig, damit die Synapsen zwischen den Nervenzellen glühen, sich austauschen und neue Wege bauen.

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen  - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München  2018 - Seite 208


Zitat 5

Forschung darf nicht angewiesen sein auf die Interessen der Industrie und damit zu einer Art Standortpolitik verkommen.

Bildung als Zulieferer von Menschenmaterial für die Wirtschaft: Als zentrales Kriterium muss auch hier wieder gelten, dass der Mensch das Maß der Dinge ist, nicht nur der wirtschaftliche Erfolg. Dieser ist zwar wichtig, aber aus der Balance geraten.
Ich halte es für notwendig, dass wir mit größtmöglicher Klarheit Prozesse wie Bologna oder Pisa nutzen, um sie umzulenken, und wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Schüler und Hochschüler sollen wachsen und sich entwickeln können; es geht nicht um Zurichtung für und saures Lernen hin zu etwas. 

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen  - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München  2018 - Seite 252


Zitat 6

Politiker sind, lassen Sie uns daran denken, nicht die Elite unserer Gesellschaft, sondern ein aus der Gesellschaft gewählter Durchschnitt. Es handelt sich also um »normale Menschen«, die sich fachlich, intellektuell oder politisch mit den Hauptaufgaben des Gemeinwesens zu befassen haben und darin, wie der Stand unserer Diktatur zeigt, nicht gerade Meisterschaft beweisen. Bestenfalls lässt sich diese Meisterschaft als generelle Zuarbeit zu Wachstumsgedanken, zu Vermarktwirtschaftlichung von Menschen und zur Aushöhlung von Bildung begreifen.

Ich halte es für notwendig, dass wir mit größtmöglicher Klarheit Prozesse wie Bologna oder Pisa nutzen, um sie umzulenken, und wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Schüler und Hochschüler sollen wachsen und sich entwickeln können; es geht nicht um Zurichtung für und saures Lernen hin zu etwas. 
[...]
Mehr Fachwissen:
Ich wünsche mir mehr Fachlichkeit als Auswahlkriterium für Ministerposten und andere Staatsämter statt Parteienproporz.

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag - München 2018 - Seite 254 - 255


Zitat 7

Unsere Gesellschaft ist zutiefst desorientiert, ..da weder Politiker noch Gurus, weder Helden noch Popstars können Hilfe bringen. Dafür bemühen sich die Einzelnen um Schadensbegrenzung. Wir versuchen im Wesentlichen, keine Opfer zu sein, sondern lehren unsere Kinder, wie sie als Täter besser (über-) -leben.

Genau hier liegt aber das Problem, hier lauert die Krankheit: Wir übernehmen keine Verantwortung für das, was geschieht, sondern wir bemühen uns, das Beste für uns daraus zu machen. Und immer dann, wenn wir damit befasst sind und uns die Orientierung fehlt, was wirklich dieses Beste im Sinne von Verantwortung, nicht von Täterschaft sein könnte, immer dann sind wir mittendrin in der Diktatur. Genau dann üben wir unbewusst und nolens volens eine Diktatur der Dummheit aus. Genau dann sind wir die Diktatoren und am Ende die Dummen zugleich.

Zitatende

Brigitte Witzer - 'Die Diktatur der Dummen - Wie unsere Gesellschaft verblödet, weil die Klügeren immer nachgeben' - Heyne Verlag – München 2018 - Seite 262

 

 


Prof. Dr. Brigitte Witzer

promovierte über das Thema 'Führung und Menschenbild'.
Seit 1998 arbeitet sie als Executive Coach mit Schwerpunkten: Macht, Politik und Persönlichkeit in Corporates.


https://www.witzer.de/

 



 

       Foto: Screenshot 3sat - 10.6.2019

Der Sender 3sat brachte in Kulturzeit einen Bericht über das Leben von aus Saudi-Arabien geflüchteten und in Deutschland lebenden Menschen.
Hier die Umschrift des gesendeten Textes:

Sprecher 1:
Global gejagt: Saudi-Arabien verfolgt Regimekritiker weltweit.
Es ist ein Aufreger ersten Ranges: Mitten in Deutschland werden Menschen von der saudischen Regierung verfolgt und entführt - und die Bundesregierung ist offenbar nicht in der Lage, die Menschen ausreichend zu schützen.
Meistens geht es um Frauen. Frauen, die aus Saudi-Arabien geflohen sind oder um Regimekritiker. Ihnen droht zuhause die Todesstrafe.
Das Königshaus verfügt über die finanziellen und technischen Mittel, die Menschen weltweit zu verfolgen und auszuspionieren.
In Deutschland werden alle saudischen Flüchtlinge in einem einzigen Flüchtlingslager untergebracht. Sie sitzen dort wie auf dem Präsentierteller.“

Sprecher 2:
“Diese Frau floh aus Saudi-Arabien. [...] Für uns heißt sie Miriam. Sie ist eine von dutzenden geflohener saudischer Frauen in Deutschland.
In ihrer Heimat haben die Behörden einen Haftbefehl für sie ausgestellt mit den Vorwürfen, sie sei ohne Einverständnis der Familie ins Ausland gereist und würde andere im Internet zur Ausreise ermutigen.
Miriam wird deswegen gesucht.
Auch in Deutschland, so schildert sie, werde sie verfolgt.“

Sprecherin:
“Einmal war ich auf dem Weg nachhause. Da bemerkte ich zwei Männer hinter mir laufen. Als ich vor meiner Haustür stehe, kommt einer von ihnen zu mir und sagt auf arabisch. Wir wissen, wer du bist. Du bist eine Saudi-Araberin. Alles, was du gemacht hast, wirst du bereuen.“

Sprecher 2:
“Die 25-Jährige setzte sich in Saudi-Arabien für Frauenrechte und gegen das Vormundschaftssystem ein. Jede Frau hat dort per Gesetz einen gesetzlichen Vormund. Für fast alles bedarf es der Erlaubnis des Mannes.
Aus Angst vor ihrer Familie und den Behörden flüchtete Miriam vor zwei Jahren nach Deutschland.
Doch in Freiheit, muss sie auch hier in Angst leben.“


Sprecherin:
“Das zweite Mal ging ich die Straße hinunter und da war plötzlich ein Auto hinter mir. Ich versteckte mich schnell hinter einem Baum. Zwei Männer stiegen aus. Ich hatte große Angst und lief schnell weiter. Da sind sie mir hinterher gefahren. In dem Moment wusste ich, die wollen nur mich.
Ich versteckte mich erneut hinter einem Baum bis dann zwei Frauen vorbeikamen. Ich rannte ihnen hinterher. Das war Glück, vielleicht aber habe ich das nächste Mal kein Glück mehr.“


Sprecher 2:
“Es folgten Drohungen über Twitter.
Es heißt: "Auch wenn die Entführung nicht geklappt hat, wird sie das nächste Mal erfolgreich sein."
Später gibt es sogar Morddrohungen.

Stefan Paintner leitet die Organisation 'Atheist Refugee Relief'.
   

       Foto: Screenshot 3sat - 10.6.2019

Diese hilft Menschen, die aus religiösen Gründen aus ihrem Heimatland fliehen.
Viele davon aus Saudi-Arabien.


Stefan Paintner:
“Das ist vor allem bei den Frauen das Problem, dass die hier beobachtet werden, die Familien in Saudi-Arabien sind sehr gut informiert, über das was die hier tun. Das können wir sehen, bei Drohungen, die sie bekommen. Meist per Whats up von der Familie.“

Sprecher 2:
“Auch Berichte von ganz konkreten Verfolgungen erreichen Stefan Paintner immer wieder.“

Stefan Paintner:
“Also wir hatten bei Frauen, die wir mal betreut haben, Videos gesehen auf deren Handy, dass Männer unten am Fenster stehen und hochgucken und dieselben Männer durch die Stadt folgen und das sind oft keine Saudis - und das sind - wir nehmen an, dass das andere Geflüchtete sind, die wahrscheinlich bezahlt werden, um eben Informationen zu liefern.“

Sprecher 2:
“Der 31-Jährige Informatiker Mohamed XXX kennt diese Einschüchterungsmethoden genau. Er wird darin vom Geheimdienst in Saudi-Arabien unterwiesen.
Er war damals als Regimekritiker inhaftiert und bekam ein Angebot:
Er kann das Land verlassen, wenn er andere saudische Flüchtlinge ausspioniert.
Zum Schein ging er drauf ein!
Auf dem Weg nach Deutschland erhielt er Anweisungen per SMS, wen er ausspionieren soll.
Wir notieren die Telefonnummer. Der Absender ist ein saudischer Sicherheitsbeamter. Als Mohammed darauf nicht mehr reagiert, wird auch er bedroht.“

Mohammed XXX:
“Nach meiner Ankunft in Deutschland, erhielt auch ich viele Drohnachrichten. Sie schrieben mir:
"Wir wissen, wo du bist. Und wir wissen alles über dich."
Zum Beispiel: Einmal war ich bei der Caritas.
Sie haben mir geschrieben:
"Was machst du da, bei der Caritas?"
Sie wollten damit zeigen: "Wir wissen genau, was du alles machst!
"

Sprecher 2:
Nach der Aufzeichnung des Interviews erhält Mohammed weitere Drohungen per SMS weil er mit uns geredet hat.

Zitat:
"Dies ist die letzte Warnung. Beim nächsten Mal folgen Taten! "
Zitatende

Saudische Flüchtlinge werden weltweit verfolgt.
Das kündigen Videos rund um den Erdball. Ins Netz gestellt von Flüchtenden, die auf saudischen Druck an der Weiterreise gehindert werden.
Ob auf den Philippinen, in Istanbul oder Bangkok - überall versucht Saudi-Arabien, um der Flüchtenden habhaft zu werden.
Warum? Das hat erklärt Rodnam Begum von 'Human Rights Watch'.


      
Foto: Screenshot 3sat - 10.6.2019

Rothna Begum
"Laut saudischer Verfassung sind alle Bürger der Regierung zu totaler Unterwürfigkeit verpflichtet.
Dafür wird den Männern absolute

 Kontrolle über die Frauen gewährt.
Wenn eine saudische Frau vor der Familie flieht, dann setzt die Familie alles daran, sie zurückzuholen. Denn würden sie es nicht tun, können die Menschen hinterfragen, warum sie dem König Unterwürfigkeit zusagen, und warum sie gewisse Rechte selbst nicht haben."


Sprecher 2:
Der Aktivist XXXX lebt in Magdeburg.
Auch er wird via Twitter mit dem Tod bedroht, denn er erklärt im Internet, wie man aus Saudi Arabien fliehen kann.


Sprecher 3
Viele saudische Geflüchtete haben mir mitgeteilt, dass die saudische Botschaft in Berlin in ihren Asylheimen anruft. Besonders in dem Heim in Halberstadt.
Die Botschaft ruft an und fragt, ob diese oder jene Frau im Heim ist, angeblich im Namen der Eltern.

Sprecher 2:
Wir fragen bei der saudischen Botschaft nach.
Keine Antwort.
Das sachsen-anhaltische Ministerium bestätigt uns jedoch auf Anfrage, dass es zu Anrufen gekommen ist. Nach Informationen wurden bereits Frauen aus Sicherheitsgründen von deutschen Behörden aus dem Heim geholt.

In Deutschland werden Asylbewerber bei der Erstaufnahme nach Nationalitäten auf die Bundesländer aufgeteilt.
So landen alle saudischen Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt.
Zunächst im Erstaufnahmelager in Halberstadt.

Stefan Paintner:
"Ich weiß nicht, warum alle Saudis in dieses eine Aufnahmelager kommen müssen. Würde man die in andere Lager verteilt unterbringen, würde es schon sehr viel schwieriger werden für die saudische Regierung!"

Sprecher 2:
Und so leben viele saudische Flüchtlinge weiterhin in Angst vor Verfolgung mitten in Deutschland.

   
Foto: Screenshot 3sat - 10.6.2019

Quintessenz

Wo sind die Grenzen im höchst gefährlichen Gelände zwischen Toleranz, Glaube und Fanatismus?
Wie viele Kriege wurden geführt im Namen der Götter oder eines Gottes.
Die Bibel und die Geschichtsbücher sind voll davon.
Die unterschiedliche Auslegung des Abendmahltextes trennt bis heute evangelischen von katholischen Christen, wenn man sich in Deutschland auch nicht mehr deswegen umbringt.
Aber in Nordirland schwelt der Hass und über die Nachfolge des Propheten Mohammed bekriegen sich die Sunniten und die Schiiten.
Wie wäre es, wenn die Menschen mal ihren Verstand einschalten würden, um ihre kulturellen Schätze zu behüten, statt dem Geschrei irgendwelcher Heilsbringer nachzulaufen.

ML Gilles

 



Schriftverkehr

Ankommt eine Depesche!

Zitat

Ergebnisse der Bundesvorstandsklausur
Datum: 03.06.2019 (17:16:45 UTC)
Von:
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
An: info@marie-1ouise-gil1es.de
Text (101 KB)

Berlin, 03.06.2019
An die Damen und Herren Mitglieder der CDU Deutschlands

Sehr geehrte Frau Ks. Prof. Gilles,
die Europawahl, die Wahlen zur Bremer Bürgerschaft und zehn Kommunalwahlen liegen hinter uns. Die Wählerinnen und Wähler haben uns einiges ins Aufgabenheft geschrieben.

Ich habe dem Bundesvorstand eine ehrliche und offene Analyse vorgetragen. Wir können - trotz der Freude über den Erfolg der CDU in Bremen - mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein. Dieses Ergebnis entspricht nicht unseren Ansprüchen als Volkspartei und auch nicht meinen persönlichen Ansprüchen als Vorsitzende. Wir haben in der Öffentlichkeit gerade einen schweren Stand. Dazu haben wir auch mit eigenen Fehlern selbst beigetragen.

Gestern erreichte uns alle die Nachricht, dass Andrea Nahles vom Partei- und Fraktionsvorsitz der SPD zurücktritt. Ich habe bereits gestern erklärt, dass ich diese Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis genommen habe. Auf der Klausurtagung unseres Bundesvorstandes gestern und heute haben wir nochmals einmütig unterstrichen: Für uns als CDU ist dies jetzt nicht die Stunde für parteitaktische Überlegungen. Wir stehen weiter zur Großen Koalition. Wir wollen mit guter Regierungspolitik unserem Land dienen. Die CDU trägt zur Verlässlichkeit und Handlungsfähigkeit Deutschlands bei. Dabei ist die Große Koalition für uns kein Selbstzweck. Der Koalitionsvertrag bildet die Grundlage für notwendige Weichenstellungen und die Vertretung deutscher Interessen in Europa und in der Welt. In diesem Sinne werden wir weiterhin unseren Beitrag zu einer stabilen und funktionierenden Regierungsarbeit leisten.

Dieses Verantwortungsgefühl prägte unsere Gespräche während der gesamten Klausurtagung. Die Diskussionen waren kontrovers und durchaus selbstkritisch angesichts der unbefriedigenden Wahlergebnisse. Deshalb haben wir leidenschaftlich und konstruktiv darüber gesprochen, wie die CDU sich in der aktuellen politischen Situation positionieren muss: Wir haben die Botschaft vieler Menschen an uns bei dieser Europawahl verstanden. Die CDU muss und wird sich noch stärker an Fragen der Gestaltung der Zukunft orientieren. Das betrifft Klimaschutz und Digitalisierung, Technologie und Innovation, die Zukunft der Mobilität, nachhaltigen Wohlstand und gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Gleichzeitig wissen wir, dass für viele Menschen, die uns gewählt haben, weiterhin die Themen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Sicherheit, Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und Verlässlichkeit des Staates sehr wichtig sind.

Über allem, was wir auf dieser Klausur diskutiert haben, stehen die beiden Fragen:
Wie wollen wir in 10 bis 20 Jahren leben? Und
wovon wollen wir in 10 bis 20 Jahren leben?

Deshalb haben wir bei unseren Beratungen Einigkeit über eine Vielzahl von Schritten erzielt, die wir nun gehen werden:

Digitalisierung

Digitalisierung ist dabei unsere Welt fundamental zu verändern. Obwohl es zahlreiche Ansätze, Konzepte und Kompetenzen gibt, fehlt es der Politik in Deutschland bisher an Dynamik und Durchsetzungskraft. Die CDU wird bis zum Parteitag im November 2019 in einer „Digitalcharta Deutschland" ihre Visionen, Leitprinzipien und Vorschläge für Teilhabe, öffentliche Dienstleistungen, Bildung und Wissenschaft, Gesundheit, Infrastruktur, Arbeitswelt, Wirtschaft, Sicherheit und Demokratie zusammenfassen.
Der Koalitionsvertrag sieht den zudem einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet vor. Wir haben die Erwartung an die Bundesregierung, dass sie bis Ende des Jahres darlegt, wie dieser Rechtsanspruch umgesetzt wird.

Klimaschutz

Die CDU steht zum Klimaschutzabkommen von Paris und den dort festgelegten Zielen. Und wir stehen für ein nachhaltig lebendes und wirtschaftendes Deutschland: Wir wollen eine nachhaltige Soziale Marktwirtschaft. Dazu wollen wir Ziele der Klimapolitik in unsere Wirtschafts- und Sozialpolitik integrieren. Dabei ist klar: Wir setzen auf Innovation, technologiebasierte Lösungen und Anreize; wir setzen auf Forschung und Entwicklung, um den Wegfall des Kohlestroms mit neuen Technologien zu kompensieren.

Da der Klimawandel eine globale Herausforderung ist, brauchen wir neben den nationalen auch europäische und internationale Lösungen, um die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren. Wir haben außerdem beschlossen, dass wir zum Kompromiss zum Kohleausstieg stehen. Und deshalb unterstützen wir im Sinne von vertretbarem Strukturwandel und sozialer Akzeptanz das geplante Maßnahmengesetz.

Zukunft der Mobilität

Wir werden die laufende Diskussion zur „Zukunft der Mobilität" weiterführen und dabei den politischen Wettstreit mit anderen politischen Parteien suchen. Wir werden unsere eigenen Antworten auf der Grundlage unserer Werte und Überzeugungen erarbeiten. Der Bundesvorstand wird in seiner Sitzung am 24. Juni 2019 ein entsprechendes Konzept debattieren und hierzu einen Beschluss fassen.

Energiesteuern, Energieabgaben und Umlagen

Das aktuelle System der Energiesteuern, Energieabgaben und Umlagen ist über die Jahre aus unterschiedlichen Anlässen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen entstanden. Es wirkt heute unsystematisch, sozial unausgewogen, wirtschaftlich belastend und mit Blick auf Klimazielsetzungen nicht zielführend genug. Deshalb wollen wir bis zum Herbst Vorschläge für ein modernes und wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabesystem vorlegen. Diese werden CDU, CSU, CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU und CSU unter Leitung von den Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU) und Georg Nüsslein (CSU) gemeinsam erarbeiten.

Heimat und gleichwertige Lebensverhältnisse

In Zeiten der Globalisierung steht uns im wahrsten Sinne des Wortes die Welt offen. Doch diese Offenheit braucht auch Anker und Orientierung. Unser Ziel ist, dass alle Menschen ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten können - und zwar an dem Ort ihrer Wahl. Sie sollen dort arbeiten und wohnen, ihre Kinder großziehen und alt werden können, wo sie es wollen. Heute stellen wir allerdings fest, dass dies nicht mehr uneingeschränkt möglich ist, weil sich Regionen sehr unterschiedlich entwickeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse" werden wir in diesem Sommer die Debatte führen.

Beteiligung

Die CDU verliert wie andere Großorganisationen auch seit Jahren an Bindekraft. Wir werden unseren Status als Volkspartei dauerhaft nur erhalten, wenn wir den Anschluss an die vielen verschiedenen Lebenswirklichkeiten der Menschen in unserem Land halten und wieder zurückgewinnen. Mit dem Beschluss „Meine CDU 2017" haben wir in der Vergangenheit bereits wichtige Schritte eingeleitet. Diesen Weg werden wir aufgreifen und weiter vorantreiben. Wir werden gemeinsam mit den Vereinigungen und Netzwerken Ansätze erarbeiten, wie wir bessere Angebote für unterschiedliche Zielgruppen machen. Daneben werden wir die Arbeit von Bundes- und Landespartei besser koordinieren. Bis zum Parteitag im November wird ein Konzept für die Personalentwicklung und Personalförderung in der Partei erarbeitet. Uns allen ist klar: Wir müssen besser werden in den sozialen Medien. Wir müssen besser werden, wenn es um echten Dialog und nicht um einseitige Kommunikation geht. Wir werden in Abstimmung mit Landesverbänden, allen Gliederungen und Vereinigungen neue Fähigkeiten aufbauen und ein Gesamtkonzept für gemeinsame schnelle Verbesserungen angehen. Die Federführung zum Bereich Beteiligung wird beim Generalsekretär liegen.

Europäischer Spitzenkandidatenprozess

Manfred Weber war Gast unserer Bundesvorstandsklausur. Im Bundesvorstand war ganz klar: Die CDU steht zum europäischen Spitzenkandidatenprozess und zur Stärkung des Europäischen Parlaments. Wir werden gemeinsam mit der gesamten EVP darauf hinarbeiten, dass Manfred Weber Präsident der Europäischen Kommission wird.
Die Vielzahl an Festlegungen aus unserer Klausurtagung zeigt sehr deutlich, dass wir die Zeit gestern und heute intensiv genutzt haben.

Vor allem aber zeigt das: Wir haben eine Menge zu tun. Und ich lade Sie ein, sich hierbei einzubringen und damit unsere CDU gut für die Zukunft aufzustellen.
Gerne nutze ich die Gelegenheit, Sie noch auf unsere diesjährige Aktionswoche „Von Schabbat zu Schabbat - gemeinsam gegen Antisemitismus" hinzuweisen. Zum zweiten Mal startet die CDU diese Aktionswoche. Sie findet in diesem Jahr von Freitag, dem 14. Juni, bis Freitag, dem 21. Juni 2019, statt.
Wir wollen auch dieses Jahr ein Zeichen setzen und dem ganzen Land zeigen, dass jüdisches Leben unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft ist und Antisemitismus immer auf den entschiedenen und entschlossenen Widerstand der CDU treffen wird. In diesem Jahr wollen wir die Aktionswoche auf alle Gliederungsebenen der Partei - vom Ortsverband bis zum Bundesvorstand - ausweiten. Auch die Vereinigungen und Sonderorganisationen sind herzlich eingeladen, sich wieder zu beteiligen. Für Ihre Aktionen vor Ort haben wir Ihnen Beispiele aus dem vergangenen Jahr und Ideen für dieses Jahr in einem Aktionsleitfaden zusammengestellt. Dieser beinhaltet Kontakt-Anschriften und Links zu jüdischen Einrichtungen sowie Hinweise zur Öffentlichkeitsarbeit und Musterpressemitteilungen. Sie finden ihn zusammen mit weiteren Hilfsmitteln z.B. Vorlagen für Social-Media-Kacheln hier
www.cduplus.cdu.de/schabbatschabbat.

Vor uns liegen arbeitsreiche Wochen und Monate. Ich freue mich auf diese Arbeit, denn unsere CDU ist diese Anstrengung in jeder Hinsicht wert. Gerne richte ich auch die Grüße unseres Generalsekretärs aus. Paul Ziemiak ist in der vergangenen Woche zum zweiten Mal Vater geworden. Als Familienpartei ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass er deshalb bei seiner Familie und nicht auf unserer Klausurtagung ist. Ich bin mit ihm aber in ständigem Kontakt und freue mich, wenn er demnächst wieder mit an Bord ist.
Mit freundlichen Grüßen

Annegret Kramp-Karrenbauer  Vorsitzende der CDU Deutschlands

Zitatende

Das Schreiben wurde wie folgt beantwortet:

Zitat

                                                                                 Ks. Prof.
                                                                                  
Marie-Louise Gilles
                                                                                  Dipl.- Kulturwissenschaftlerin
                                                                                  Fehrsweg 2
                                                                                  30655 Hannover
                                                                                  Tel./Fax 0511 — 56 26 37

                                                                                  
E-Mail info@marie-louise-gilles.de

Abs.: M.L. Gilles - Fehrsweg 2 - 30655 Hannover

Frau
Annegret Kramp-Karrenbauer
Vorsitzende der CDU Deutschlands
Klingelhöferstraße 8
10785 Berlin                                                                               08.06.2019


Sehr geehrte Frau Kramp-Karrenbauer,

besten Dank für die Zusendung des Rundschreibens mit der darin enthaltenen Äußerung:

'Wir haben eine Menge zu tun. Und ich lade Sie ein, sich hierbei einzubringen und damit unsere CDU gut für die Zukunft aufzustellen.’

Die von Ihnen aufgeführten Themenschwerpunkte Klimaschutz, Digitalisierung, Technologie, Innovation, Mobilität, Wohlstand, Arbeitsmarkt, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit sind hochnotwendige Arbeitfelder.

Mir, aber nicht nur mir, fehlt in der Aufstellung das Wichtigste, auf dem ein friedliches Zusammenleben beruht: Bildung und Kultur.

Unerträgliche Pöbeleien und Angriffe auf Lehrkräfte, Rettungspersonal und Polizei zeugen von einer Verrohung, der die Union tatenlos zugeschaut hat, als es eben immer noch als richtig gilt, das Bildungsbürgertum und die Hochkultur zu verunglimpfen.

Die deutschen Theater, so zahlreich wie nirgendwo in der Welt, überbieten sich mit Inszenierungen, die die Werke verschandeln, das gebildete Publikum vertreiben und die Jugend fehlleiten.

Eine junge Juristin, deren Dissertation mit 'summa cum laude' bewertet wurde, meinte nach einer Vorstellung von 'Galileo' - „Es reicht mir, ich habe keine Lust und meine Zeit ist mir zu schade, mir den ganzen Abend einen nackten, alten Man anzusehen.“

Meine Bemühungen als Mitglied der CDU, unsere Politiker auf diese Missstände, die auch noch aus Steuergeldern finanziert werden, hinzuweisen, wurden in Vorzimmern abgeblockt, von völlig fachfremdem Personal in den zuständigen Dienststellen überhaupt nicht verstanden und kamen sie bis zur maßgeblichen Person, von dieser beiseite geschoben, damit kein neuer Kriesgschauplatz eröffnet werde.

Ich erinnere an eine Dokumentation des BR-Fernsehens über das Abitur mit dem Titel: 'Abschluss ja, Bildung nein!'

Darum noch einmal die Bitte:
Bildung und Kultur müssen dringend in den Themenkatalog der Union aufgenommen werden.

Als Anlage erhalten Sie das von mir herausgegebene 'Kulturjournal' und das Beiblatt hierzu: 'Eine Mitteilung an meine Freunde' in seinen neuesten Ausgaben.

Mit den besten Wünschen bin ich
Marie-Louise Gilles

Zitatende

Eine weitere Mail befand sich im Posteingang:

 

Zitat

Liebe Frau Gilles,

muss eben mal kurz von  d  e  m  Parsifal in Mannheim berichten, der da unverändert seit 1957 auf dem Programm ist und immer ausverkauft ist. Wirklich sehens- und hörenswert.

Im Hotel unterhielt ich mich mit 2 Damen aus Basel, die regelmäßig zu diesem Parsifal anreisen (was ich sicher auch wieder tun werde).

Ich fragte nach der Intendantin des Opernhauses in Basel.
Antwort:
“Wir sind froh, dass wir sie losgeworden sind, die Inszenierungen waren immer schrecklich.“

Na, da scheint ja etwas Tolles auf uns zuzukommen bzw. es wird weiterhin so bleiben wie bisher.
Vielleicht gibt es wieder so eine Invasion der Austritte wie in der Anfangsspielzeit von A. Puhlmann - der übrigens jetzt Intendant in Mannheim ist.
In Stuttgart war er ja auch nach der kürzesten Zeit wieder entlassen.

Ich habe am 4.7. mit dem Holländer Abschied vom Ensemble in Hannover genommen, das bis jetzt ja wohl auch noch kein weiterführendes Engagement bekommen hat.
Also Arbeitsamt, alles von unseren Steuergeldern!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Zum Thema Zauberflöte an der Staatsoper Berlin:

Ich lehnte es schon im Vorfeld ab, mir diese Vorstellung anzusehen; dafür ist die ’alte’ Inszenierung so schön, alle sind begeistert.
Ich hatte 2 Freundinnen dabei, die auch unbedingt eine klassische Zauberflöte sehen wollten. Strahlend bedankten sie sich nach dem Schluss mit den Worten: “So etwas Tolles haben wir lange nicht gesehen.“

Hier in Hannover bin ich ja auch überhaupt nicht begeistert von der Inszenierung, das Haus ist nur deshalb meistens voll, weil so viele Kinder mitwirken, da kommen dann viele Freunde, Tanten, Omas und Opas in die Vorstellung. Ich aber nicht mehr.
So nun habe ich mal wieder’Dampf abgelassen’, musste sein.
Ich grüße Sie ganz herzlich und wünsche einen schönen Sommer. - RR

Zitatende

 

 

 




Kurz kommentiert

 Theater Regensburg Regensburg
'Vor Sonnenaufgang'

Otto Brahm, Präsident des Theatervereins Freie Bühne, der in Berlin gerade von Theaterkritikern neu gegründet worden war und sich der Aufführung sozialkritischer Dramen der Naturalisten verpflichtet hatte, spielte Stücke der Zeit. Das erste war 'Gespenster' von Ibsen. 1889 folgte die Uraufführung von Hauptmanns 'Vor Sonnenaufgang'. Brahm übernahm 1894 die Leitung des Deutschen Theaters und machte Hauptmann zu seinem Hausdichter.

Als Gerhart Hauptmann 1912 seinen 50. Geburtstag feierte, schrieb Otto  Brahm an ihn

Zitat

Seit diesem Herbsttag von 1889 habe ich fast ein jedes Deiner Werke auf die Bühne stellen dürfen, ich habe es hochhalten dürfen im Licht und es dem deutschen Publikum zuerst offenbaren, und dieses Tauf- und Ehrenamt empfinde ich als das größte Glück, das in meinem Berufsleben mir zuteil ward.

Zitatende

Journal Article

Otto Brahm

Oskar Seidlin

The German Quarterly

Vol. 36, No. 2 (Mar., 1963), pp. 131-140

 


Otto Brahm verschrieb sich ganz dem Naturalismus, einer Epoche in der Theatergeschichte, die von Frankreich und Russland (Stanislawski war ein Vorreiter des Stils in Russland, der sich dann in den USA im ’acting-theater’ verbreitete) ausging und in Deutschland im Populärjargon als ein „Wie-im-Leben“-Stil charakterisiert wurde.

Seine Berliner Bühnen führte er als Privattheater, die ohne Subventionen auskommen mussten.

Er spielte Stücke in einer Mischung aus besonders gängigen und beim Publikum beliebten Werken und solchen, die anfänglich Mühe hatte, sich durchzusetzen oder dann doch vom Spielplan genommen werden mussten, weil das Publikum ausblieb.

Er analysierte den Text eines neuen Stückes, um so die Aufführung ganz auf die spezifischen Eigenheiten auszurichten.

Die Schauspieler wurden angehalten, nicht – wie bisher üblich – zu deklamieren, sondern realistisch und psychologisch nachvollziehbar zu agieren.

Schauspieler zu einem natürlichen Spiel zu bringen, stellte sich als besonders schwierig dar, da Darsteller und auch Publikum bisher das große Pathos in Sprache und Gesten gewohnt war.

Sie hatten nun das star-mäßige Hervortreten zu unterlassen und die Gestaltung des Wortes und damit der Rolle aus der Handlung in Gebärde, Mimik, Maske, Haltung und Bewegung nach seinen Vorstellungen und Vorgaben als Regisseur zu übernehmen.

Er half in den ersten Jahren, bis sein Gestaltungsstil von allen übernommen wurde, seinen Schauspielern, indem er ihnen die Rollen vorspielte und damit so übertrieb, dass auch die im Pathos Festgefahrendsten erkannten, dass sie so nicht mehr in der Entwicklung des Ensembles weiter kommen würden.

Erinnert sei hier an eine Situation in Berlin, als Adele Sandrock an den geschlossenen Vorhang trat, durch das Guckloch in den Zuschauerraum spähte, Schnitzler, mit dem sie einmal eine Affäre hatte, entdeckte und ihr mit höchstem Pathos und rollendem 'R' ein entsetztes "Mein Gott, ist der alt geworden!" entfuhr.

Regensburg folgt nun einer Mode, in der Werke großer Könner seziert werden, bis alles Fleisch des Originals entfernt ist, nur noch das Gerippe übrig bleibt und dann dieses mit meist dürftiger, neuer Haut überzogen wird.

Man geht da den Weg des geringsten Widerstandes, indem das Erfolgreiche bestehen bleibt, das auch dem Publikum mit dem großen Namen in Verbindung gebracht wird, und ihm das Notwendige überstülpt.

Original Rollen


Zitat
Handelnde Menschen

KRAUSE, Bauerngutsbesitzer
FRAU KRAUSE, seine zweite Frau
HELENE, Krause's Tochter aus erster Ehe
MARTHA, Krause's Tochter aus erster Ehe
HOFFMANN, Ingenieur, verheirathet mit Martha
WILHELM KAHL, Neffe der Frau Krause
FRAU SPILLER, Gesellschafterin bei Frau Krause
ALFRED LOTH
DR. SCHIMMELPFENNIG
BEIBST, Arbeitsmann auf Krause's Gut.
GUSTE, Magd auf Krause's Gut
LIESE, Magd auf Krause's Gut
MARIE, Magd auf Krause's Gut
BAER, genannt Hopslabaer.
EDUARD, Hoffmann's Diener.
MIELE, Hausmädchen bei Frau Krause.
DIE KUTSCHENFRAU.
GOLISCH, genannt Gosch, Kuhjunge.


Zitatende

 


Die sogenannte 'Baseler Dramaturgie' findet sich auch bei der Regensburger 'Sonnenaufgang'-Produktion.

Hier ist das Original-Ensemble des Stückes bei der Erstaufführung auf sieben agierende Figuren abgespeckt.

 

Theater Regensburg

Zitat

Vor Sonnenaufgang

von Ewald Palmetshofer (*1978) nach Gerhart Hauptmann


Berlin, 20. Oktober 1889: Im Zuschauerraum der Freien Bühne am Lessing-Theater bricht ein tosender Tumult aus. Menschen schreien durcheinander, leisten sich wahre Wortschlachten und diskutieren sich die Köpfe heiß; ein im Parkett sitzender Arzt wirft aus Protest gar seine Geburtszange auf die Bühne.
Diese Aufregung war der Uraufführung des Sozial-Dramas „Vor Sonnenaufgang“ geschuldet. Der Skandal machte den jungen Dramatiker Gerhart Hauptmann über Nacht bekannt und etablierte den Naturalismus auf den deutschen Bühnen.

Nun hat sich ein ebenfalls junger Dramatiker daran gemacht, diesen Klassiker des deutschen Naturalismus zu überschreiben: Der bekannte und preisgekrönte Theaterautor Ewald Palmetshofer erhielt dafür den Auftrag vom Theater Basel. Der Stoff eignet sich bestens für eine Grundüberarbeitung, denn im Original steht die heute nicht mehr zeitgemäße Determinationslehre rund um das Thema Alkohol. Palmetshofer möchte den Stoff dem heutigen Zuschauer nahe bringen: Dafür dringt er zum Kern des Stückes durch und holt die Grundsituation der Familie Krause in die Gegenwart. Er konzentriert sich ganz auf die zwischenmenschliche Ebene.

Der Beginn des Stücks erinnert eher an eine Familiensoap mit den üblichen Neckereien zwischen den Mitgliedern, doch schnell wird klar, dass die verschiedenen Protagonisten in dieser heilen Stubenwelt alles andere als glücklich sind. Mit klarer und moderner Sprache zeigt sich eine Familienhölle, in der der Alkoholismus nur noch eine Begleiterscheinung ist, vielmehr steht das Thema Depression im Raum. Mit wissenschaftlicher Präzision nimmt Palmetshofer diese modernen Menschen ins Visier.

Alfred Loth besucht seinen ehemaligen Studienfreund Thomas Hoffmann, der auf die Niederkunft seiner Frau Martha wartet. Zwischen dem linken Journalisten und dem rechtspopulistischen Politiker entbrennt bald ein Streit, der exemplarisch für unsere auseinanderdriftende Gesellschaft steht. Während des Besuchs entspinnen sich auch zärtliche Gefühle zwischen Loth und Marthas jüngerer Schwester Helene.

Palmetshofer hält die Lupe nicht auf die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gesinnungen, sondern auf das, was darunter brodelt: Hoffmanns Hass auf und Angst vor Loth, der seine Karriere vernichten könnte, ist ebenso greifbar wie Loths feige, heimliche Flucht kurz vor der Totgeburt, als er vom Familienarzt vor der gesundheitlichen Lage der Familie gewarnt wird. Und doch geht am Ende unbarmherzig die Sonne auf und die Welt dreht sich weiter, so als wäre nichts geschehen.

Aufführungsdauer ca. 2 Stunden 45 Minuten, inkl. Pause

Besetzung

Zitatende

 


Bei der Uraufführung des sozialen Dramas 'Vor Sonnenaufgang' von Gerhart Hauptmann kam es 1889 nachweislich zu einem Theaterskandal, da zum ersten Mal in Deutschland ein soziales Drama auf naturalistische Weise präsentiert, also auf eine zurückhaltende Aufführungspraxis verzichtet, wurde.
Eine schwangere Frau konnte damals auf der Bühne nicht gezeigt werden. Die Rufe einer Gebärenden im Hintergrund erregten das Publikum. Über eine Geburt durfte in aller Öffentlichkeit nicht geredet werden.

Verbote und Zensur bestimmten das Leben im Deutschen Reich.
Die von Bismarck erlassenen Sozialistengesetze verhinderten das Aufkommen einer Opposition.
Der Kanzelparagraph verbot die Verbreitung von Meinungsäußerungen innerhalb einer Predigt.
Der Kulturkampf war in vollem Gange.


Die deutsche Gesellschaft befand sich in einem Umbruch, als durch die sich ausweitende Industrialisierung Menschen aus den Randgebieten in die Großstädte zogen, um der Verarmung auf dem Land zu entgehen. Die Konsequenz war hier Ghettobildung, Mietskasernen mit vielfachen Hinterhöfen, in denen die Menschen in viel zu kleinen Wohnungen hausten.
Aufgrund geringer Bildung war es ihnen auch kaum gegeben, sich sozial durch gut bezahlte Anstellungen abzusichern.
Armut und Mangel dann auch hier in den Städten.

Angelehnt hierzu die Determinationslehre, nach der der Mensch nicht selbstbestimmt und frei in seinen Entscheidungen und Möglichkeiten ist, sondern entscheidend geprägt und begrenzt durch die Faktoren Vererbung, Milieu und Erziehung wird.
 

Hauptmann greift auf aktuelle Ereignisse zurück, bindet den großen Bergarbeiterstreik von 1889 und die Verfolgung von Sozialdemokraten im Breslauer Sozialistenprozess von 1887 ein, zeigt an der Bauernfamilie Krause, die durch Kohlenfunde auf ihrem Landbesitz zu Vermögen kam, nun aber durch mangelnde Charakterstärke immer mehr ins Elend abdriftet.

Da gibt es den Alkoholismus, der nach der damaligen Auffassung auf die Nachfahren übertragen wird und zur Zerstörung der mittelbar betroffenen und sich im unmittelbaren Umfeld befindlichen Menschen, wie Angestellte, Hilfskräfte - früher Gesinde - beiträgt.
Nach Meinung des Theaters Regensburg - vertreten durch die Dramaturgin Zinsser-Krys - könne man das Stück in der Originalform mit allen Facetten des Lebens und dem Verfall einer Familie und ihrer menschlichen Umgebung in der damaligen Zeit nicht mehr spielen, weil man es nicht aktualisieren könne.

Hier liegt nun die Fehlbewertung der deutschen Theaterbetriebe, dass man Klassiker nur in aktualisierter Form spielen könne.
So kommt es zu den Abweichungen in der Gestaltung der Spielpläne, die Stücke nicht mehr in der Originalform ausweisen, sondern nur - oder fast ausschließlich - als 'nach Schiller', 'nach Kleist', 'nach Goethe' etc.

Das gilt natürlich nicht nur für das Schauspiel, sondern auch für das Musiktheater, bei dem dann in Regensburg die 'Aida' in der Stasizentrale in Berlin spielt oder die 'Manon' in einem U-Bahnhof oder in Hannover die 'Rusalka' in einem Sezierraum einer pathologischen Praxis.

Die Regensburger 'Vor Sonnenaufgang'-Produktion handelt nach den Vorgaben eines Seziermeisters Palmetshofer, der in Basel als Dramaturg sitzt und dem Meisterwerk des Gerhart Hauptmann die neue Haut über das Gerippe des Stückes zieht.

Die Reste des Hauptmann'schen Werkes werden von einem Herrn Teufel als Regisseur und einem Herrn Lindner als Bühnenbildner in Szene gesetzt.
 



Screenshot: Foto Theater Regensburg

 

Ein leerer Raum mit wenigen am Boden abgestellten Requisiten, der nur den inneren Zirkel der Familie zeigt, das übrige Personal - eben das Gesinde - nicht darstellt.

Es fehlt also das Aufzeigen der Gesamtsituation, so dass ein Gefälle innerhalb der Gesamtgesellschaft zwischen up and down - hier stellt sich die Frage, warum TV-Serien wie 'Das Haus am Eaton Place' oder 'Downton Abbey' so erfolgreich sind - nicht erkennbar wird.

Hierin liegt aber die Spannung innerhalb des Werkes - das Oben und Unten, das Links und Rechts.
Den Darstellern wird in dieser kastrierten Form des Hauptmann'schen Werkes die Möglichkeit genommen, die Rollen, die Figuren so wie sie eigentlich angelegt sind, von innen heraus zu gestalten.

 


“DIE UNVOLLENDETE REVOLUTION
Anmerkung zu einem ethischen Problem im sozialen Drama

Hofmannsthals Wort »Die Gestalt erledigt das Problem« gilt nicht für eine der umstrittensten Bühnenfiguren Gerhart Hauptmanns. Das ethische Problem, das sich in dieser recht genau nach der Realität gezeichneten Figur stellt, ist bis zum heutigen Tage in unserem sozialen Leben nicht gelöst worden, und es macht auch unseren Dramatikern weiterhin schwer zu schaffen.

Alfred Loth, nach Paul Fechter »der erste Volkswirtschaftler der deutschen Bühne«, versagt in der konkreten Situation, in die er gestellt ist, in zwiefacher Hinsicht: sachlich und ethisch. Er versagt sachlich, weil er die im Elend steckenden Grubenarbeiter im Stich läßt. Er versagt ethisch, weil er, im Wissenschaftsaberglauben seiner Zeit befangen, ein ihn liebendes Mädchen verläßt, die durch ihn sehend Gewordene in den Selbstmord treibt. Dem einzigen Menschen also, dem Loth wirklich helfen könnte, hilft er nicht. Loth will eine neue, bessere, humane Gesellschaft erkämpfen. Um dieser hohen Mission willen lehnt er es ab, sich mit dem leidenden Einzelmenschen abzugeben, ihm Opfer zu bringen.

Alfred Loth ist Fanatiker. Fanatiker als Bühnenfiguren zu verwenden, bleibt eine problematische, mißliche Sache. Gerhart Hauptmann wußte das. Er schrieb einmal: 'Fanatiker sind im Drama nur episodisch zu verwerten: ihr unbewegliches Wahnsystem ist bald heraus und die Standhaftigkeit, mit der es behauptet wird, ebenfalls: Darüber hinaus gibt es dann nichts, was dem Leben des Dramas noch förderlich sein könnte.' Trotz dieser von hohem Kunstverstand zeugenden Einsicht hat Hauptmann in seinem Drama »Vor Sonnenaufgang« einen Fanatiker zur Hauptfigur gemacht. Nimmt man zwei weitere dramaturgische Bemerkungen des Dichters hinzu so versteht man besser, warum Zuschauer und Kritiker seit der Uraufführung des Stückes vor nun mehr als siebzig Jahren die Figur des Alfred Loth immer wieder als problematisch oder unbefriedigend empfunden haben.

Die erste Bemerkung lautet: »Die Distanz, aus der man ein Drama sieht, darf sich während der Arbeit nicht verschieben«, die zweite: »Episodenfiguren können geschaut, Gestalten des engeren Dramas müssen gelebt sein.« Die Figur des Loth wurde gelebt.

Und hier nun liegt ein doppelter, ungelöster Widerspruch: der Fanatiker Loth, eigentlich nur als Episodenfigur geeignet, wurde Hauptfigur und war doch zugleich ein Teil dessen, was Gerhart Hauptmann in seiner Jugend gewesen war.

Aus der Biographie und Autobiographie des Dichters wissen wir, wie sehr die revolutionären Gedanken, die Alfred Loth äußert, von dem Jugendfreunde Carl und Gerhart Hauptmanns, dem späteren Rassenhygieniker Dr. Alfred Ploetz, proklamiert worden waren und wie stark sich der Junge Dichter mit ihnen verbunden gefühlt hatte. Zu den pangermanischen und utopisch-sozialistischen Ideen hatte Hauptmann Kontakt, schon als er das Drama zu schreiben begann.“

Zitatende

Kurt Lothar Tank - Jahrhundertfeier Gerhart Hauptmann - Stadt Köln 1962

 

Gezeigt wird nur die innere Rahmenkonstruktion, ohne die krassen Gegensätze der beiden Welten dem Publikum vorzuführen, wie sie sich eben am Ende des 20. Jahrhunderts darstellten.

Hierin liegt aber die Aufgabe eines Theaters, die Situation, das Elend, die Freude in der damaligen Zeit und der Situation zu präsentieren.

Das Original ins Heute zerren zu wollen, entspricht nicht dem Bildungsauftrag, somit ist das Thema hier verfehlt dargestellt und öffentliche Gelder sind verschwendet.

In dieser Form kann man 'Vor Sonnenaufgang' auch als Hörspiel senden.
Für ein Spiel in einer Szenerie mit Kostümen auf dem Theater besteht keine Notwendigkeit.

Die mangelnde Akzeptanz durch das Regensburger Publikum spricht für sich. Die Auslastung beträgt nur 70%. Bei der Vorstellung am 2. Juni 2019 befanden sich lediglich sieben Personen im dritten Rang, die allerdings auch nach der Pause.


 


 

Presseschau

'Lauter Verrisse'

München: 'Salome'

 

27. Juni 2019 22:19
Zitat
Musik - München

Petrenko und Petersen retten neue Münchner "Salome"

Direkt aus dem dpa-Newskanal

München (dpa) - Die Münchner Opernfestspiele sind am Donnerstagabend mit einer musikalisch in jeder Hinsicht überzeugenden Neuinszenierung von Richard Strauss' "Salome" eröffnet worden. Das Nationaltheater erbebte unter dem Jubel für Generalmusikdirektor Kirill Petrenko am Pult des Bayerischen Staatsorchesters, die bravouröse Sopranistin Marlis Petersen in der Titelrolle der Salome und Bariton Wolfgang Koch als Jochanaan.

Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski und sein Team wurden bei ihrem Bühnenauftritt von einem Buh-Orkan empfangen.

Petrenko schien zuerst mit angezogener Handbremse zu dirigieren, steigerte sich im Laufe des zweistündigen, pausenlosen Abends jedoch wieder zu großer Form und rettete die eher schwachbrüstige Inszenierung vor dem drohenden Absturz.
Dass der Abend letztlich doch festspielwürdig erschien, war vor allem auch Petersen zu verdanken, die in der extrem hohen, höllisch schweren Partie der Salome selbst dann überzeugte, als sie von ihrem Bühnenpartner Pavol Breslik als Narraboth an den Füßen über den Bühnenboden geschleift wurde.
Regisseur Warlikowski, dem unter anderem eine legendäre Inszenierung von Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin" an der Staatsoper zu hohem Renommee verhalf, hatte das biblische Geschehen um die judäische Prinzessin Salome, deren Liebe zum asketischen Propheten Jochanaan unerwidert bleibt und die deshalb seinen Kopf fordert, in die Bibliothek einer jüdischen Gemeinde verlegt, die ausweislich des Programmheftes wohl in einem Ghetto der 1920er oder 30er Jahre zu verorten war.
Das Bühnensetting trug insgesamt wenig zu einer weitergehenden Deutung des auf einer Dichtung von Oscar Wilde basierenden Opernstoffes bei. Letztlich blieb vom "Salome"-Mythos nur die Geschichte einer unglücklichen Liebe übrig. Warum die reizvolle "Femme fatale" in rotem Lulu-Kleidchen an dem rauchend vor sich hin schlurfenden Jochanaan Gefallen fand, blieb unklar.

Zitatende

 

Zitat

Neue Musikzeitung

"[...] Diesmal war der Vorhang zu einer bühnenhohen, halb verfallenen Bibliothek als Einheitsbühnenbild offen; ein im Stil „1900“ livrierter alter Diener arrangierte im Halbdunkel nicht erkennbare Dinge; dann ging der Vorhang zu – und als er sich wieder öffnete, saß eine gepflegt gekleidete Abendgesellschaft im Raum und hörte Gustav Mahlers „Kindertotenlied“-„Nun will die Sonn‘ so hell aufgehn“, gesungen von Kathleen Ferrier unter Bruno Walter, von unsichtbaren Lautsprechern hereinklingen – Interpretations- oder Horizont-Gewinn: Null – denn dem folgten bedrohliche Wummer-Schläge an eine entfernte Eingangstüre, woraufhin der Gutteil der Abendgesellschaft nach hinten in einen sich öffnenden, hellen Kachelraum flüchtete – uneindeutig-wirre Assoziationen: also doch Nazi-Terror? Anspielung auf ein Anne-Frank-Versteck? ein tödlicher „Dusch-Raum“? Doch nun griff GMD Kirill Petrenko zum Dirigentenstab - der einzige Gewinn des Abends.
Denn trotz Mitwirkung zweier Dramaturgen folgte szenisch ein derartig uneindeutig-wirrer Abend, dass die finale Buh-Ablehnung für das Team um Krzysztof Warlikowski viel zu schwach ausfiel. Die Beteiligten bestätigen sich anscheinend nur noch selbst und angesichts der arroganten Abwehrgesten der Ausstatterin Malgorzata Szezęśniak, die sich anmaßte, den Verstand des Publikums zu verspotten, bleibt zu hoffen, dass dies für lange Zeit das letzte Engagement an der Bayerischen Staatsoper war.
Warlikowski interessierte sich weder für die Gültigkeit des Werkes für Heute noch für die ihm innewohnende eindeutige Logik, sondern reihte neben- und aneinander: Herodes mit Kippa und Gebetschal als Rabbi-Typ, trotz seiner sybaritisch-hedonistischen Aussagen; Jochanaan ins sich in der Bühnenmitte öffnende, leere Schwimmbad-Geviert(?) hereinkriechend, von Narraboth eine Kippe bekommend, im Leisure-Schlabber-Look davon schlurfend, nach seiner Enthauptung aber am Ende müde im Raum sitzend und wieder eine rauchend; ein fescher Tod (Bravo: Peter Jolesch) als Partner Salomes im akzeptabel gestalteten „Tanz der sieben Schleier“, aber dann selbst tot daliegend; die multi-kulturell-orientalisch-exotische Hofhaltung als befremdlich geordnete Schabbat-Tafel mit siebenarmigen Kerzenhaltern; als einziges Gegengewicht eine bunt-orientalische Paradiesgarten-Video-Projektion mit Fabeltieren auf der Rückwand; detailrealistisch eine Narraboth liebende Pagin, die den wie tot daliegenden an die Bühnenseite schleift, der aber zum Finale erwacht und Pistolen(?) an alle verteilt, während der jetzt blutüberströmte Erste Nazarener alle mit seiner Pistole bedroht… weitere Wirrnisse ließen sich aufzählen – insgesamt: eine Aufführung zum Nimmer-Wiedersehen.
[...]"
Zitatende

28.06.2019 - Wolf-Dieter Peter - NMZ Regensburg
 


Zitat


Abendzeitung München

"[...] Bauchschmerzen bereitet die hinzuerfundene Rahmenhandlung. In einem szenischen Prolog erklingt ein Kindertotenlied von Gustav Mahler von einer Platte. Dazu machen sich im Warschauer Ghetto eingeschlossene Juden in einer Pantomime über antisemitische Vorurteile lustig, ehe sie die biblische Geschichte Salomes nachspielen. Am Ende bricht der Aufstand gegen die deutschen Besatzer aus, alle begehen kollektiven Selbstmord.

Das ist nur bei konzentriertem Hinsehen unmittelbar verständlich. Es erklärt aber viele Details wie die kreisenden letzten Zigaretten, den von den Toten auferstehenden Narraboth und den Auftritt eines blutbeschmierten Mannes kurz vor Schluss. Wer das Interview mit dem Regisseur im Programmheft liest und die Abbildungen betrachtet, dem geht über allerlei Merkwürdigkeiten wie das Schwimmbad und die beim als Danse macabre choreografierten Tanz der Sieben Schleier projizierten Miniaturen nachträglich ein Licht auf.
Die Shoah als dramaturgisches Vehikel
Wenn man den mehr als latenten Antisemitismus des Judenquintetts in Rechnung stellt und zugleich mitbedenkt, dass der Komponist einerseits als Aushängeschild des Nazi-Regimes fungierte, die Mutter seiner Schwiegertochter aber in Theresienstadt umkam, verlässt die Aufführung keineswegs den erweiterten Assoziationsraum dieser Oper und ihrer Wirkungsgeschichte. Und vom römisch besetzten Palästina mit dem Kollaborateur Herodes ist es nicht weit zum von den Deutschen besetzten Warschau und der heiklen Rolle der Judenräte im Ghetto.

Die Shoah als dramaturgisches Vehikel zu benutzten, bleibt ein Tabubruch. Wenn er den Zuschauer dazu bringt, sich mit der hierzulande sträflich ignorierten Tragödie des Warschauer Ghettos auseinanderzusetzen, kann das aufsteigende Unbehagen im einen oder anderen Fall auch produktiv werden. Ein Hauch von Nazi-Schick bleibt aber – wie schon in den umstrittenen Filmen von Pasolini, Joseph Losey und Liliana Cavani, auf die der Regisseur hier anspielt.

Luxuriöse Festspiel-Gleichgültigkeit löst der Abend jedenfalls nicht aus. Er verfolgt einen länger wie eine durchschnittliche Opernaufführung. Die heftigen Buhs für Warlikowski sind dafür ein Indiz. [...]"


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Robert Braunmüller - Abendzeitung - 28.06.2019, 17:09 Uhr
 

Zitat

Der Tagespiegel Berlin

"[...] Krzystzof Warlikowski, der „Salome“ zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele zu inszenieren versuchte, bessert eifrig nach, was Wilde und Strauss (die er für Stümper halten muss) versäumt hatten.

Hier tötet sich Narraboth, während er in einen Liebesclinch mit Salome verstrickt ist, mit orgastischem Knalleffekt. Und hat dann auch noch bis zum Ende der Oper postmortalen Sex, mit – Oscar Wilde würde die Nase rümpfen – einer anderen Frau.
Kurz: In München gab es die „Salome“, dank Kirill Petrenkos klanglich brillant durchlüfteter und rhythmisch fulminanter musikalischer Leitung, zwar zu hören, aber nicht zu sehen.

Stattdessen präsentierte der Regisseur – nein, keine eigene Geschichte, sondern ein so verkopftes wie verquastes Sammelsurium an Einfällen. So verlegte er die Handlung aus dem römisch besetzten Jerusalem in eine Warschauer Bibliothek zur Zeit der Besetzung Polens durch die Nazis. Na gut, könnte man sagen, wenigstens eine Art Konzept. Doch der Rückgriff aufs hundertfach abgenudelte Bühnenklischee „Besetzer = Nazis“ funktioniert schon deswegen nicht, weil wirklich nichts an dieser Oper etwas mit dem Thema „Besatzung“ zu tun hat. [...]"

Zitatende

Rainer Stephan - Der Tagsspiegel - 28.06.2019, 17:09 Uhr
 


BR-Klassik

Zitat

"[...] Der Regisseur hat ein Problem mit der Hauptfigur. Irgendwie kann man Krzysztof Warlikowski ja verstehen: Salome, diese männermordende und dazu auch noch schlecht erzogene, nur leider unverschämt gutaussehende femme fatale – ist diese Figur nicht eine Ausgeburt männlicher Projektionen? Doch, klar, ist sie. Warlikowski findet das gestrig. Deshalb verschiebt er den Fokus: weg von Salome und ihrer perversen Lust, hin zu ihrer Umwelt. Und die ist jüdisch. Schließlich haben wir es mit einem biblischen Stoff zu tun.

[...]
Denn auch wenn Regisseur Warlikowski noch so viele jüdische Kippas, Gebetsschals und Davidssterne aufbietet – irgendwann kommt Salomes Tanz. Und bei dieser unter Regisseuren gefürchteten Stelle kommt auch Warlikowski nicht am eigentlichen Kern vorbei. Und so lässt er Marlis Petersen, die die Salome mit großartiger Bühnenpräsenz als lässige 30er-Jahre-Schönheit spielt, einen erotischen Pas de deux mit einem totenschädeligen alten Mann tanzen. Am Schluss stehen dann die deutschen Besatzer vor der Tür, und alle Juden nehmen Zyankali. An der guten Absicht des Regisseurs gibt es keinen Zweifel. Nur bleibt die ganze Holocaust-Geschichte völlig unverbunden mit der erotischen Obsession, von der die Oper erzählt. Was Salomes sexuell aufgeladene Mordlust mit dem Mord an den europäischen Juden zu tun haben soll, bleibt uneingelöst. Und so geht diese Inszenierung trotz ihrer assoziativen Raffinesse auf interessante Weise daneben.
[...]"

Zitatende

28.06.2019 von Bernhard Neuhoff  - BR-Klassik


 


Zitat
Der neue Merker - Wien

"[....] Es ist erstaunlich, mit welcher Macht szenisch befremdliches Dünnbrettbohren das Erleben einer Salome-Aufführung beeinflussen kann. Lange wollte ich dem inhaltsarmen szenischen Gewusel auf die Spur kommen, suchte einen Ansatz: „Wenn ich doch nichts verstehe -bin ich oder ist das Sichtbare blöd?

Ca. 30 n. Chr., hebräische Potentaten, Galiläa, Palast, Zisterne? Nein, nichts Archaisches, sondern orthodox jüdisch bürgerliche Wohlanständigkeit um 1940 im Verfolgungsmodus (durch Nazis?).

Der hebräische Tetrarch (Herrscher) Herodes wird zum jüdischen Rabbi mit Tora und Kippa. Es gibt keine Hebräer (Abgrenzung zu Juden????). Aber es gibt durchgehend Abstruses in dunkel raumüberfüllender Monumental- Bibliothek in billigem Realitätsabklatsch, usw. – mal wieder ein Sammelsurium an krausem Hingeworfenen, offensichtlich in der Hoffnung, dass im Feuilleton schon irgendein intellektuelles „Gezeuch“ hineingedichtet wird. Billige Effekte für optisches Allerlei statt handlungsfördernder Affekte, die Effekten dramaturgische Wirkungsmacht geben, bestimmen.
Ärgerlich ist auch, dass tatsächlich recht altbacken interpretiert wird. Es ist billiger Boutiquen-Stil, wenn man lediglich ein „schräges“ Bühnenbild und unpassende Kostüme nimmt, um unwahr eine Neuinterpretation zu behaupten.
[....]
Die spekulative völlig verquere Effekthascherei wird z. B. deutlich, wenn Salome (S.12/13 Text – https://onlinemerker.com/salome-text-einziger-akt-hilfestellung)) Jochanaan anschmachtet: „Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, …“ Auf dem Rücken liegend, einige Meter von Jochanaan entfernt, muss sie sich dabei koital von Narraboth bespringen lassen – der danach tot zusammensackt – hat er sich also totgepimpert.
Ich fühle mich nicht bemüßigt, derartig leere Mengen (s. Mathematik: enthält nichts, gar nichts, noch mit mal eine O) detaillierter zu rezensieren. Die üblicherweise anzustrebende Synthese aus optisch und akustischem Vortrag ist hier gegensätzlich. Die Szene beschädigt die Wahrnehmung des musikalischen Impetus‘ in den wunderbar ausgearbeiteten akustischen Facetten.
[....]"
Zitatende

Tim Theo Tinn 28. Juni 2019 - 'Der neue Merker'

 

 

Was andere schrieben

In der Zeitschrift 'Oper und Tanz' ist in der Ausgabe 3/19  zu lesen:

Zitat
“[...] „Die Liebe zu den drei Orangen”

Mainz: ... In seiner Mainzer Neuinszenierung hebt der andorranische Regisseur Joan Anton Recht alle erdenklichen Grenzen auf. [...]

Fokus und Ideen wechseln so schnell und häufig, dass sich sogar das Banale nicht selbst verzerrt und der unstete Charakter der eigentlichen Handlung wird perfekt getroffen [...]"

Zitatende

.... meint Axel Zibulski in der FAZ vom 20.05.2019.



Zur 'Hochzeit des Figaro' in Wuppertal schreibt Lars von der Gönna in der WAZ vom 15.04.2019:

Zitat

“[...] Versuchen Sie mal, freihändig die Handlung von Mozarts „Figaro" zu erzählen: Spätestens im zweiten Akt fliegen selbst die Kundigen aus der Kurve! Umso staunenswerter das Kunststück, der voltenreichen Herzenskomödie - einst eine echte Skandaloper - auf komplett nackter Bühne derart klar, treffsicher, präzis Beine zu machen wie ( ... ) in Wuppertal geschehen. Dieser Abend ist ein Ereignis, ein Coup, ein Geschenk...
Dem Briten Joe Hill-Gibbins, reichlich Shakespeare-erfahren, glückt die Schürzenjagd mit einer spielerischen Leichtigkeit, die schon zur fiebrigen Ouvertüre verzaubert. [...]"

Zitatende

In der Märkischen Allgemeinen vom 8.05.2019 gibt Antje Rössler zum 'Fliegenden Holländer' folgenden Kommentar ab:

Zitat
“[...]
Am Cottbuser Theater ging ( ... ) eine Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers" über die Bühne. Die musikalische Leitung hat Alexander Merzyn... Schon mit der Ouvertüre holt der 36-Jährige zum großen Wurf aus. Er steigert den Orchesterklang in die Dramatik hinein und liefert aufwühlende Naturschilderungen des sturmgepeitschten Meeres. Jasmina Hadiahmetovic gibt mit der Produktion ihr Regie-Debüt in Cottbus... Das ganze Erlösungs-Gedöns schiebt Hadäiahmetovic in den Hintergrund, um eine eigentlich alltägliche Liebesgeschichte freizulegen ...
Die Regisseurin hadert mit Wagners Frauenbild und deutet die Rolle der Senta um. Nicht todessehnsüchtig und opferwillig, wie bei Wagner, ist diese Frau, sondern durchaus aktiv... Senta will den Mann ihrer Wahl und ein selbstbestimmtes Leben ...
Während die Regie zum Nachdenken anregt, ist die musikalische Leistung des Abends gegen Kritik gefeit. Dem Opernchor gebührt ein dickes Lob für seine Klangfülle und Präzision. Alexander Merzyn modelliert äußerst plastisch und lässt es in den Chorszenen richtig krachen; bei den kernigen Matrosenliedern brennt im Saal die Luft... [...]"
Zitatende

MICHAEL PITZ-GREWENIG kommentiert in der KREISZEITUNG am 06.05.2019

Zitat
“[...] 
„LA CLEMENZA DI TIT0”

Oldenburg: In einer Zeit, in der die Welt immer unsicherer erscheint, weil Staatsoberhäupter mit den Säbeln rasseln, zeigt das Oldenburgische Staatstheater in einer klugen Inszenierung von „La clemenza di Tito" ein Gegenmodell: Kaiser Tito hat aus der Geschichte gelernt und begnadigt nun anscheinend jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das vernünftig auf die Bühne zu bringen, ist nicht einfach ...

Regisseur Laurence Dale gelingt es, aus dieser Oper ein spannendes Kammerspiel vor imperialer Weltkulisse zu destillieren, das von der Interaktion eines macht- und liebesbesessenen Personals lebt.
Er liefert einen souveränen Mix aus ambitionierter Deutung und historisierender Werksicht...
Dass Dale diese Gratwanderung gelingt, ohne die ganze Oper zu modernisieren, das macht diese Inszenierung spannend bis zur letzten Note ...

[...]"

Zitatende

Und zu „DAS HOROSKOP DES KÖNIGS” in Bremen äußert sich Ute Schalz-Lurenze in der Kreiszeitung am 02.04.2019:

Zitat

Die Geschichte der Oper „Das Horoskop des Königs - L'Etoile" ist so krass wie absurd... Der Komponist dieser »komischen Oper« heißt Emmanuel Chabrier... 1877, als Chabrier „L'Etoile“ schrieb, war Napoleons Zeit schon vorbei, aber die Satire auf das Verhältnis von „oben« und »unten« mit der Anprangerung einer doppelten Moral bleibt zeitlos. Sie funktioniert allerdings nur, wenn ein Regisseur am Werk ist, der sich in vielen Sparten auskennt.

Und da konnte das Theater Bremen für seine bei der Premiere am Samstag zu Recht bejubelte Aufführung keinen Besseren finden als Tom Ryser, dessen reich differenzierte Handschrift zwischen Tanz, Theater, Oper und Zirkus die Bremer im David-Bowie-Musical „Lazarus« kennenlernen konnten...
[...]"

Zitatende



 

Kalenderblätter

 









Leo Slezak

... am 18. August 1873 geboren
                       /
Foto Eugen Veit Wien

 

Bis in seine letzten Tage schrieb er seinem Sohn Walter nach Hollywood. Der letzte Brief ist auf den 18. Mai 1946 datiert.
Walter Slezak hatte in Amerika Karriere gemacht, drehte Filme und verdiente gutes Geld, lebte auf einer eigenen Farm, während der Vater sich in seinem Haus am Tegernsee zu der Zeit am Ende des Zweiten Weltkrieges nur mühsam am Leben halten konnte.

Tochter Margarete war bei ihm und sein Schwiegersohn, der ihn mit dem Rollwagerl durch den Ort schob, wo er Lebensmittel zusammenschnorrte.

Er, der immer gut gelebt und gegessen hatte - auch um seine 1,95 Meter Körper-Gesamthöhe für die anstrengenden Rollen 'in Schwung' zu halten.

Als Statist begann er am Stadttheater in Brünn, sang die Chorstellen, die ihm im Gedächtnis geblieben waren, mit. Adolf Robinson, der in der Vorstellung des 'Bajazzo' den Tonio sang, wurde sein Lehrer.

Mit 19 Jahren debütierte er in Brünn als Lohengrin. Damals glückte noch nicht alles so, wie es sich der Lehrer vorstellte.

Schon sehr bald holte ihn die Lindenoper nach Berlin. Da hatte er nicht viel zu singen, wurde übersehen - allenfalls als Adolar in Webers 'Euryanthe' durfte er auftreten.
Breslau war die nächste Station, da kam er zum Einsatz und bei einem Gastspiel von Theodor Reichmann von der Wiener Staatsoper als Hans Sachs - sang Slezak den Walter von Stolzing.
Reichmann empfahl ihn dem Direktor der Wiener Staatsoper, Gustav Mahler, der ihn zu einem Gastspiel auf Anstellung einlud. Allein wie Wahl der Rollen, die man anbot, war schon eine Staatsangelegenheit.
Er suchte den Arnold in Rossinis 'Wilhelm Tell' aus, sang alles aus, auch die hohen Cis. Als zweite Rolle den Radames und als dritte den Stolzing, den er ja schon in Breslau gesungen hatte.

Der Erfolg war groß, die Anstellung sicher und so sang Leo Slezak - unterbrochen von vielen Gastspielen weltweit - bis zum Jahr 1934 an der Wiener Staatsoper.
Er verabschiedete sich dort mit dem Canio im 'Bajazzo', der Oper, in der er damals in Brünn als Statist Aufmerksamkeit bei Adolf Robinson erlangte.

Leo Slezak war ein humorvoller Mensch, der sich durch seine komödiantischen Talente sehr gut im neuen Medium Film zeigen konnte.

'Freut euch des Lebens'
'Die Vier Gesellen'
'Die Herren vom Maxim'
'Golowin geht durch die Stadt'
'Es war eine rauschende Ballnacht'
'Münchhausen'

Seine Bücher verstärkten noch seine Popularität, so dass viele Fans auch noch heute sich gern an den großen Sänger, Filmschauspieler und Autor erinnern.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44419897.html

Leo Slezak sang die großen Partien des Tenorfachs - deutsches Fach wie der Tamino oder das italienische Fach bis hin zum Otello.
Für das französische Fach ließ er sich speziell von Jean de Reske in Paris ausbilden.

Aufgrund dieser Vielfalt bei der Möglichkeit der Besetzung von Rollen, wurde Caruso gewarnt als Slezak in New York sein Engagement an der Metropolitan Opera antrat:
“Caruso hüte dich, Slezak kommt!“

Neben den großen Opernpartien sang Leo Slezak gerne und mit viel Erfolg weltweit vornehmlich aus seinem Repertoire das 'Deutsche Lied'.

   

 






Gottlob Frick

... am 18. August 1994  gestorben
                               /
Foto Eurodisc

Unter

https://www.capriccio-kulturforum.de/index.php?thread/1651-gottlob-frick/

…. gibt es eine Reihe von Einträgen, in denen unmittelbar an Gottlob Fricks Sängerleben Beteiligte ihre persönlichen Eindrücke weitergeben.

Stützt man sich nur auf Daten aus dem Netz, dann kann es passieren, dass folgender Eintrag übernommen wird:

"Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Gottlob Frick am 26. Januar 1985 im Rahmen eines Konzertes im Schießhaus in Heilbronn, in dem er die Hallenarie aus der Zauberflöte sang."

Richtig dagegen zitiert die Meinung von Karl Schumann mit:

"Das hochaufgerichtete, massige Mannsbild, das durch seine ernste Miene und seine nachtschwarze Stimme wirkt wie ein Dämon aus einem mythologischen Wald oder wie ein von Alfred Kubin gezeichneter Elementargeist zwischen Hochwald und Wolfsschlucht."

1906 als 13. Kind - 11 Brüder, 1 Schwester - einer Försterfamilie geboren, studierte er Gesang am Stuttgarter Konservatorium, das Geld hier verdiente er sich als Chorist an der dortigen Staatsoper.

Biografie

 

Zitat

Der jüngste Sohn eines armen Waldschützen hätte es sich in seinen kühnsten Träumen nicht einfallen lassen, daß er einmal der führende Wagnerbassist seiner Generation werden würde. In der Familie wurde viel gesungen. Schon mit sechzehn Jahren trat Frick dem örtlichen Gesangverein bei. Als es um die Berufswahl ging, schien den Eltern und ihm selbst ein technischer Beruf das Nächstliegende. So besuchte er drei Jahre lang die Gewerbeschule und wurde anschließend in einer Firma in Mühlacker in die Anfangsgründe des erstrebten Berufs eingewiesen. Die musikalische Betätigung wurde aber immer fortgesetzt. Einer der älteren Brüder hatte nach dem 1. Weltkrieg eine (aus sechs Brüdern der Familie gebildete) Blaskapelle gegründet, in der G. Frick das Tenorhorn blies. Dabei lernte er Notenlesen und Musizieren in einem Ensemble, worin sich der geborene Musikus schnell zurechtfand.

„Entdeckt“ wurde er durch einen Zufall: als ein Jagdpächter im Jahre 1926 die bei einer Treibjagd mitwirkenden Vater und Söhne Eugen und Gottlob Frick nach getanem Waidwerk einlud, wurde dabei gesungen. Vater und Söhne waren wie alle Brüder stimmgewaltige Bässe, aber die Stimme des zwanzigjährigen Gottlob trat so hervor, daß der anwesende Verwaltungsdirektor des Stuttgarter Landestheaters Otto Paul ihn zu einem Vorsingen einlud. Nur der Vortrag von „Am Brunnen vor dem Tore“ veranlaßte den Intendanten Albert Kehm, Frick sofort als „Eleven“ im Opernchor einzustellen, und nun hatte er in mehrfacher Hinsicht Glück: Er lernte im Chor der Stuttgarter Oper seine Kollegin Margaretha Beyen kennen, die in 65jähriger Ehe seine treueste Gefährtin und Beraterin wurde. Ausgezeichnete Lehrer führten ihn sowohl in die Gesangskunst – der Bariton Julius Neudörffer-Opitz (1871-1942) – wie in die szenische Darstellung – der Heldentenor Fritz Windgassen (1883-1963), der Vater Wolfgangs – ein. Die Stunden bezahlte Frick aus seiner kleinen Gage als Chorsänger.

In sieben Jahren lernte er als Mitglied des Opernchors das Opernrepertoire von der Pike auf kennen, eine der Voraussetzungen für die spätere glanzvolle Karriere. Noch Siegfried Wagner selbst engagierte ihn als Chorbaß für die Bayreuther Festspiele, wo er später Triumphe feiern sollte. Dem kontinuierlichen Aufbau der Laufbahn in Stuttgart schlossen sich erste Solistenjahre an mittleren Bühnen an – Coburg, Freiburg, Königsberg –, und in dem letzteren Opernhaus wurde er 1939 das zweite Mal entdeckt, von dem damals schon berühmten Dirigenten Karl Böhm, der zum großen Mentor Fricks wurde. Böhms unnachsichtiger Strenge, nur wenig gemildert durch seinen wienerischen Charme, verdankte er viel. Ein zweites Mal war es ihm vergönnt, Jahr für Jahr zu wachsen. Bei den Nationalsozialisten stand er nicht in besonderer Gunst: er ist weder in der Liste der „gottbegnadeten“ Künstler zu finden – die nicht zum Wehrdienst eingezogen wurden – noch in jener der Steuerprivilegierten, die 40 % ihrer Einnahmen nicht zu versteuern brauchten. Nach der Schließung der Theater im Jahre 1944 wurde er sogar noch zur Wehrmacht eingezogen; von Fronteinsätzen blieb er verschont. Als sich im Sommer 1945 Mitglieder des Dresdener Ensembles wieder zusammenfanden – unter der Leitung Joseph Keilberths – war Frick von vornherein eine der Säulen des neuen Ensembles. 1950 folgte er einem Ruf an die Berliner Staatsoper, 1953 begann die große internationale Karriere.
Zwanzig Jahre sang er in allen bedeutenden europäischen Musikzentren. Mit Wien, München und Hamburg verknüpften ihn langjährige Verträge, und für Neu-Bayreuth war er einer der wichtigsten Protagonisten. Der Londoner Covent Garden, die Mailänder Scala, die Grand Opera in Paris, die Opernbühnen in Brüssel und Amsterdam luden ihn ein, vor allem seine Wagnerrollen zu singen. In den Jahren zwischen 1950 und 1970 war er der erste Repräsentant des Wagner-Baßfachs. In Salzburg sang er unter Wilhelm Furtwängler den Caspar im Freischütz; der Dirigent nannte ihn den „schwärzesten Baß“.

1962 stand der frühere Waldhüterbub auf der Bühne der Metropolitan Opera in New York und wurde stürmisch gefeiert. Unter allen bedeutenden Dirigenten der Zeit hat er gesungen: neben Furtwängler und Böhm unter Herbert von Karajan, Ferenc Fricsay, Sir Thomas Beecham, Erich Kleiber, Sir Georg Solti, Bruno Walter, Leo Blech.

1970 begann er, sich von der Bühne zurückzuziehen, sang aber noch immer bei gelegentlichen Gastspielen. Er war schon fast 70, als er noch einmal den Parsifal-Gurnemanz gab.

Was war nun das Einmalige in Stimme und Darstellung dieses Sängers? Karl Schumann beschrieb dies am treffendsten: „Die Kraft einer Tuba war in seine Kehle gefahren“. Gleichzeitig zeigte sich die aus dem Gesang herrührende dramatische und komödiantische Ausdruckskraft, in den verschiedensten Rollen, unterstrichen durch seine massige und achtunggebietende Erscheinung. Die Majestas des Verdi-Philipp („Don Carlos“), des „Lohengrin“-Königs und des „Tannhäuser“-Landgrafen, die finstere Dämonie Hagens („Ring“), die grausame Tücke Osmins („Entführung“), die Erhabenheit Sarastros („Zauberflöte“), das ängstliche Beben Roccos („Fidelio“) standen ihm in gleicher Weise zu Gebote wie die drastische Komik des Baculus („Wildschütz“), die Aufgeblasenheit des Bürgermeisters van Bett („Zar und Zimmermann“), die etwas hausbackene Biederkeit des Meisters Staudinger („Waffenschmied“), die lyrische Wärme des Wasserfürsten Kühleborn („Undine“) und die joviale Durchtriebenheit des Kezal („Verkaufte Braut“). Beim „Freischütz“ wunderten sich seine Kollegen des öfteren über die Vertrautheit Fricks mit dem Jägermilieu.

Zwei Rollen, die viele gerne von ihm gehört hätten, sang er nicht: vom „Rosenkavalier“-Ochs sagte er, „ich fühle die Rolle nicht“, und auch auf den Hans Sachs verzichtete er, obwohl ihm mit seinem Stimmumfang – zweieinhalb Oktaven – keinerlei Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Riesenrolle entstanden wären. Dafür sang er einen bürgerstolzen Pogner. Gelegentlich leistete er sich Ausflüge in das zeitgenössische Repertoire (Heinrich Sutermeister, „Die Zauberinsel“, 1942, Joseph Haas, „Die Hochzeit des Jobs“, 1944, Carl Orff, „Die Kluge“, 1956), dies blieb aber Episode. Ganz feinhörige Musikkritiker wollen sogar aus seiner Aussprache die schwäbische Mundart herausgehört haben – wenn dies zutreffen sollte, wäre es nur ein weiteres Zeichen für die Heimatverbundenheit des Sängers, der auch während seiner Weltkarriere nie die Verbindung zu seinem Heimatdörfchen verloren hatte.

1957 erwarb er dort ein Waldgrundstück, auf dem er sein Landhaus „Waldfrieden“ baute. Von 1970 an wurde dieses Haus immer mehr zu seinem ständigen Wohnort. Selbstverständlich erwarb er dort auch eine Jagdpacht, in der er der erste Heger und Pfleger des Wilds war. Einem übervollen Lebenstag folgte ein harmonischer Lebensabend in der Stille und Abgeschiedenheit der heimatlichen Wälder.
Hohe Auszeichnungen wurden dem berühmten Sänger zuteil. Die Glücksfälle in seinem Leben dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der Künstler alles, was er zu bieten hatte – und das war in seinem Fach vielfach das Beste seiner Epoche –, in entsagungsreicher Arbeit selbst erworben hatte.

 
Zitatende

Quellen:

Mitteilungen von Edelgard Säuberlich und Ruth Wessel, Ölbronn-Dürrn


Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3, Seite 90-92



Jürgen Kesting, der allwissende Sängerkritiker schreibt:

 

Zitat

Eine der größten Leistungen Fricks auf Platten ist sein Osmin in der Aufnahme der 'Entführung' unter Sir Thomas Beecham. Zwar singt er die Musik des Haremswächters nicht so geschmeidig und elegant wie Kurt Moll, aber sein Portrait hat insgesamt mehr Gesicht, mehr Verve, mehr zappelnd-aufgeregte Boshaftigkeit.

Mit seinen Auftritten als Komtur in Giulinis Aufnahme des
'Don Giovanni' macht er den Atem stocken: Man hört in der Tat die dröhnende Stimme einer überlebensgroßen Statue.

Hingegen durchwandert seine Stimme in Klemperers Aufnahme der
'Zauberflöte' tonliches Niemandsland - der damals 58-Jährige war zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht in bester Form.

Wie souverän er die Arien singen konnte, verraten die Aufnahmen unter Schüchter und Grüber von 1954.

Rocco hat er unter Furtwängler und Klemperer gesungen, beide tadellos.

Seine Verdi-Aufnahmen, darunter der Philipp-Monolog, sind nicht idiomatisch, aber vokal imponierend.

In einer Klasse für sich einige seiner Wagner-Aufnahmen: Daland in der Konwitschny-Aufnahme mit Fischer-Dieskau in der Titelpartie und der unsicheren Senta von Marianne Schech; Landgraf unter demselben Dirigenten, Hopf als Tannhäuser, Grümmer als Elisabeth, Fischer-Dieskau als Wolfram und Wunderlich als Walther; König Heinrich in den Aufnahmen unter Schüchter und, vor allem, unter Kempe; Pogner unter Kempe, mit Frantz als Sachs, Grümmer als Eva, Unger als David (superb) und Schock als Walther; Hunding unter Solti und unter Furtwängler (1953); endlich Hagens Ruf in der Aufnahme unter Konwitschny, auch noch in späteren Solti-Aufnahme:

Es liegt eine Kraft, Energie, Sicherheit und Zuversicht diesem Singen, über die nur ein Meistersänger gebietet.

Zitatende

Jürgen Kesting - Die großen Sänger - Cormoran-Verlag 1993
 

 

 

 









...
Peter Hofmann
... am 22. August 1944 geboren
                                   /
Foto Sony


"Mei is der schee!"
so Damen und manche Herren in oberfränkischer Mundart in Bayreuth.

Er verpflichtete sich bei der Bundeswehr und diente als Zeitsoldat.
Nebenbei trieb er Sport und gewann etliche Wettbewerbe im Zehnkampf.

Dann das übliche Procedere beim Staat.
Er schied aus, bekam eine Übergangsversorgung und studierte mit dem Geld an der Musikschule in Karlsruhe Musik.

In Lübeck sang er 1972 den Tamino, er wechselte nach Wuppertal und 1976 nach Bayreuth. Dort ging es gleich an den Siegmund im Jahrhundert-Ring.

Man bedenke: Innerhalb von vier Jahren vom Tamino mit einer jungen, unfertigen Stimme zum Siegmund, dann 1978 Parsifal.
Weiter mit Lohengrin, Stolzing bis zum Tristan.

Mit Hilfe der Agenten führte er eine fremdgesteuerte Karriere, trat an den großen Häusern auf, hetzte von Termin zu Termin.

Er, der Blondgelockte mit sportlich trainiertem Körper, er war der neue Typ des Operntenors.

 

Zitat

“[...] Peter Hofmann, [...] bestätigt, dass er 1981 als Hoffnungsträger in diesem Fach gelten konnte. Ein sinnlich baritonales Timbre, ein wunderbares Legato, ein traumhaftes Decrescendo, die hohe Rollenidentifikation, und dazu ein toller Typ.
Leider war die Stimme nicht allzu belastbar und die Opernkarriere relativ kurz. Bei Bernstein gibt er alles, auch im dritten Akt besteht Hofmann tapfer im ekstatischen Orchesterklang.
[...]"
Zitatende

Dr. Ingobert Waltenberger

https://onlinemerker.com/
dvd-blu-ray-richard-wagner-tristan-und-isolde-peter-hoffmann-hildegard-behrens-leonard-bernsteins-halbszenische-auffuehrung-an-drei-abenden-1981/
 



Anfang der achtziger Jahre zeigten sich dann Abnutzungserscheinungen.
Stolzing in Zürich.
Wie man hörte, verletzte er sich ein Bein bei Proben.
Arbeitsunfall?
Absage! Kollo sprang ein.

Er hatte zu viel, zu früh gemacht!
Immer dasselbe. Das große Geld lockte und Theaterleitungen trieben an:
"Wann wollen Sie denn den Tristan singen?"
"Wenn Sie alt sind?"
"Jetzt noch sehen Sie aus, jetzt muss es sein! "

 

Zitat

"[...] Hofmann besaß früher einmal ein Schloss, er fuhr teure Autos, kassierte als Sigmund oder Lohengrin höchste Gagen. Er ist ein Beispiel dafür, wie tief der Fall sein kann, wenn man in guten Zeiten nicht aufpasst, wohin das Geld fließt. Als Ursache für die Verarmung nennt Hofmanns Bruder Fritz gegenüber „Bild“ zwei Gründe.

Wegen seiner Krankheit habe er seit 15 Jahren so gut wie nicht mehr arbeiten können. Dadurch seien die Ersparnisse aufgebraucht. Außerdem hätten ihn seine beiden Scheidungen um ein Vermögen gebracht, vor allem die mit der US-Sängerin Deborah Sasson, mit der er 1983 bis 1990 verheiratet war.
Hofmann hatte vor allem in wagnerischen Heldenrollen weltweit Erfolge gefeiert. 1982 begann er eine zweite Karriere als Rocksänger. 1990 übernahm er die Titelpartie in dem Hamburger Erfolgsmusical „Das Phantom der Oper“. Neun Jahre später wurde seine Parkinson-Erkrankung publik.
[...]"
Zitatende

24.07.2006, 00:00 Uhr
https://www.tagesspiegel.de/
gesellschaft/panorama/startenor-peter-hofmann-lebt-in-armut/733436.html

 

 

Zitat

Nach Parkinson-Krankheit Heldentenor Peter Hofmann gestorben

Er wurde als Parsifal in Bayreuth gefeiert, sang in den Metropolen der Welt und gab 300-mal das "Phantom der Oper". Der blondgelockte Tenor scheute sich nicht, auch Rockmusik zu singen. Nun ist Peter Hofmann im Alter von 66 Jahren gestorben - nach langer, schwerer Parkinson-Krankheit.

Er galt als "schönster Lohengrin aller Zeiten", wurde als Siegmund in der "Walküre" bejubelt, gastierte in der New Yorker "Met". Peter Hofmann, der als Jugendlicher mehrfach hessischer Zehnkampfmeister wurde, war mit seinen blonden Locken und seinem eindrucksvollen Körper ein Mann, dessen Charisma nicht auf die Welt der Oper beschränkt bleiben konnte. Also nahm er Alben namens "Rock Classics" auf, warb für American Express; der SPIEGEL nannte ihn 1984 einen "putzmunteren Springinsfeld zwischen abendländischem Tongut und kandiertem Pop".

Doch in den letzten Jahren war über Peter Hofmann weniger in den Feuilletons als in den bunten Seiten zu lesen - er erkrankte, wie im August 1999 bestätigt wurde, an Parkinson; es gab Berichte über finanzielle Nöte und Existenzangst. Im März 2007 heiratete er seine Lebensgefährtin Sabine Zimmerer, mit der er eine gemeinsame Tochter hatte. Aus Hofmanns erster Ehe stammen zwei Söhne.

Nun ist Hofmann im Alter von 66 Jahren in einem Klinikum im oberfränkischen Selb gestorben. "Ich denke, es war eine Erlösung für ihn", sagte sein Bruder Fritz Hofmann gegenüber der Nachrichtenagentur dapd. Der Künstler sei nicht an seiner langjährigen Parkinson-Erkrankung, sondern an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Ein Freund der Familie sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Er ist ganz friedlich eingeschlafen." Allerdings habe niemand mit seinem Tod gerechnet.

Peter Hofmann, 1944 im böhmischen Marienbad geboren und in Hessen aufgewachsen, begann seine Gesangskarriere als Gitarrist und Sänger einer Rock'n'Roll-Band.
1969 nahm er ein Gesangsstudium an der Musikhochschule Karlsruhe auf und debütierte bald am Lübecker Stadttheater.
1974 wechselte er nach Wuppertal, wo er erstmals den Siegmund in Wagners "Walküre" gab.

In dieser Rolle gelang ihm 1976 in einer Bayreuther Inszenierung vom "Ring des Nibelungen" der Durchbruch - er sang dort auch noch den Parsifal, den Lohengrin und den Walther von Stolzing in den "Meistersingern von Nürnberg".

Gegen Ende der achtziger Jahre wurde er für stimmliche Schwächen mehrfach scharf kritisiert, musste große Auftritte gar abbrechen - die "Welt" sprach von einer "Sängertragödie von beinahe griechischem Ausmaß". Doch als "Phantom der Oper" in der Hamburger Aufführung des Musicals genoss er wieder den Applaus des Publikums.

Nach Bekanntgabe seiner Parkinson-Krankheit ging er ab 1999 mit Anna-Maria Kaufmann noch auf eine siebenwöchige Tournee mit Liedern aus Webbers Stück. 2004 gab er das Ende seiner Karriere bekannt.

Zitatende

https://www.spiegel.de/kultur/musik/nach-parkinson-krankheit-heldentenor-peter-hofmann-gestorben-a-732018.html

 




Aufnahmen mit Peter  Hofmann
unter
https://www.jpc.de/s/peter+hofmann+tenor#product-8142576.htm

 











Helge Roswænge

                                               
 
…. am 29. August 1897 geboren /
Foto Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2009-a_0000029)

Er hatte etwas 'Vernünftiges' gelernt.
Nach dem Abitur studierte er Chemie und hätte nach dem Abschluss als Ingenieur in entsprechenden Fachfirmen arbeiten können.

Schon während des Studiums nahm er Musikunterricht und hatte damit begonnen, seine Stimme ausbilden zu lassen.

Während eines Urlaubs in Schwerin kam er mit dem dortigen Theater in Verbindung und fand Gefallen an dem Leben in Vorpommern. In Neustrelitz sang er 1921 den Don José in 'Carmen'. Nach Zwischenstationen 1922 bis 1924 in Altenburg, dann Basel und Köln kam er 1929 an die Staatsoper Berlin und 1930 an die Wiener Staatsoper, der er bis 1957 angehörte.

Zitat

"Seine Vielseitigkeit war ebenso legendär wie seine stimmliche Unverwüstlichkeit – eine Roswænge-Absage gehörte zu den allerseltensten Ereignissen. Er sang nicht nur die Standard-Puccini- und Verdi-Rollen, sondern auch Mozarts "Tamino" (…), auf der heldischen Seite reichte seine Spannweite bis zu "Radames" und "Otello" (für den Rundfunk) sowie zu "Lohengrin", "Stolzing" und "Parsifal". Vor allem aber war er Spezialist für die Rollen, denen seine Kollegen wegen der stimmlichen Schwierigkeiten aus dem Wege gingen – je häufiger und je höher Spitzentöne gefordert waren, desto wohler fühlte Roswænge sich, und auch vor Ausgefallenem machte er keine Umwege, sei es Aubers "Fra Diavolo" oder Berlioz' "Troyens". (…) Es bereitete ihm keine Kopfschmerzen, "Manrico" und "Radames", "Rodolfo" und "Bacchus" innerhalb einer Woche zu singen.


Zitatende

Jens Malte Fischer – 'Grosse Stimmen' - Verlag J. B. Metzeler, Stuttgart 1993, S. 200/201
 

Seine stimmlichen und rollengestalterischen Möglichkeiten reichten vom Tamino, Hüon, Florestan von 1932 bis 1939 bei den Salzburger Festspielen bis zum Parsifal in den Jahren 1934 und 1936 in Bayreuth.

1933 trat er, trotz der Tatsache, dass er Ausländer war, in Graz der NSDAP bei, wo er sich bereits 1934 für Propagandaveranstaltungen einspannen ließ. 1935 war er Gast bei Görings Hochzeit mit Emmy Sonnemann.

Gegenüber dem Preußischen Ministerpräsidenten und Reichsjägermeister kündigte Roswænge 1938 an, eine 'Oper im nationalsozialistischen Sinn herauszubringen', die auf der Erzählung 'Der Schwur von Alrekstad' basieren sollte. Die Oper wurde unter dem Titel 'Königsballade' mit Musik des Aachener Kapellmeisters Rudolf Wille 1939 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt, konnte sich jedoch nur kurz auf dem Spielplan halten.

Roswænge beteiligte sich auch später an NS-Kulturveranstaltungen, etwa bei Kameradschaftsabenden für Alte Kämpfer. 1944 wurde er von Hitler auf die Gottbegnadeten-Liste der unentbehrlichen Künstler gesetzt, was ihn vor einem Kriegseinsatz bewahrte.

Sein Haus in Berlin wurde 1945 von den Russen besetzt. Als Däne wurde er unter dem Vorwand, nach Dänemark abgeschoben zu werden, von den Besatzern in das Lager Krasnogorsk nach Moskau deportiert, von dort transportierte man ihn nach einigen Monaten über Leningrad nach Helsinki und dann nach Stockholm.

Als Kollaborateur mit Nazi-Deutschland fand er in seiner Heimat keinen Boden mehr für seine Kunst.

1946 brach er zu den Kanarischen Inseln auf, wo er sein 25-jähriges Bühnenjubiläum mit dem Turiddu in der 'Cavalleria rusticana' feierte. Er reiste weiter nach Vigo, kehrte zu seinem ursprünglichen Beruf zurück und entwickelte Schiffsanstrichfarben, die Algenbesatz verhindern sollten, sowie sein auf Kartoffelmehl basierendes HeRos-Brot. Seine Arbeit als Chemiker setzte er bis 1948 fort. Dann reiste er in die Schweiz und kehrte auf die Opernbühne zurück.

Dem Trend, Opern nur noch in ihrer Original-Sprache aufzuführen, folgte Roswænge nicht. Er sang alle Rollen (wie früher üblich) auf Deutsch, alle Texte neu lernen müssen, lehnte er ab und zog sich zurück.

Zu triumphalen Erfolgen wurden von vier Stehplatzbesuchern (!) der Wiener Staatsoper organisierte Gala-Konzerte (1958–1961) im Großen Musikvereinssaal zu Wien. Eines davon (1959) ist auch als Mitschnitt bei Preiser Records erschienen.

Es folgten noch Operetten-Tourneen, Fernsehauftritte, Lieder- und Arienabende (1963/64) in New York (Carnegie Hall), aber auch Auftritte in Opernaufführungen, wie beispielsweise 1963 bei den Freilichtspielen Tecklenburg, wo er den Canio in Leoncavallos 'Bajazzo' sang.

1962 veröffentlichte er ein weiteres Buch: 'Mach es besser mein Sohn!'.

Noch wenige Wochen vor seinem Tod trat er am Münchner Gärtnerplatz-Theater auf.

https://www.spiegel.de/sptv/reportage/a-204921.html

 









   Rudolf Schock
 
... 04. September 1914 geboren
 
                                                                  / Foto Sony


Er war nach Richard Tauber einer der populärsten Tenöre des mittleren und ausgehenden 20. Jahrhunderts.
1932 begann seine Karriere als Chorist am Theater in Duisburg.
1937 erster Solovertrag am Theater in Braunschweig.
Von 1939 war er als Soldat bis zum Ende des Krieges eingezogen.

1946 erhielt er einen Vertrag an das Opernhaus Hannover, wo ihn der Chef von Electrola - Walter Legge - als Hans in der ’Verkauften Braut’ hörte und ihn für Schallplattenaufnahmen verpflichtete.

1948 stieg er in eine für Tauber geplante Tournee durch Australien ein und konnte dann bis in die 50er Jahre hinein die Partien seines Fach, des lyrischen Tenors, singen: Ferrando, Belmonte, Tamino - der Ehrgeiz - ein Buffo will Lyrischer, ein Lyrischer will Held sein - führte ihn dann an Partien, für die seine Stimme nicht oder nur bedingt geeignet waren.

In Düsseldorf sang er so Mitte der 50er Jahre Karlos und dort auch Manrico.

Wieland Wagner hatte mit ihm in Hamburg Don José gemacht und ihn zu den Wagner Festspielen eingeladen. Dort sang er den Stolzing.
Ein Beispiel wie Intendanten bei der Beurteilung von Stimmen irren können.

Glücklicherweise konnte er schon Mitte der 50er zur Schallplatte ausweichen.
Dort spielte er - häufig mit Josef Metternich als Bariton-Partner - Partien ein, die er auf der Bühne nicht sang und die ihn verständlicherweise, da nur Takes aufgenommen wurden, nicht so sehr strapazierten wie ein durchgehaltener Life-Opern-Abend.

Sein foto- und telegenes Aussehen, sein selbstverständliches Spiel schufen ihm Möglichkeiten, sich in Eleganz und Natürlichkeit der Operette zu widmen, im Film aufzutreten und damit dem breiten Publikum bekannt zu werden, was durch geschicktes Management unterstützt wurde.

Nach einem Herzinfarkt, den er beim Joggen auf Sylt erlitt, widmete er sich publikumswirksam dem Breitensport - auf Wandertouren durch Deutschland, die mit Aufnahmen von Wanderliedern - häufig mit den Schaumburger Märchensängern - vermarktet wurden.

Rudolf Schocks Bruder war als Tenor im Chor des Theaters Regensburg engagiert.

Er machte hunderte von Aufnahmen, die in großer Zahl bei JPC erhältlich sind.

Ihre Suche nach "rudolf schock" ergab 244 Treffer

https://www.jpc.de/s/rudolf+schock

 

 








Richard Tucker
 
... 28. August 1913 geboren
 
                                                               
/ Foto Sony

Zitate

“[...] Wenn dem Verfasser die ebenso unleidliche wie unvermeidliche Frage gestellt werden sollte, wer der "größte" italienische Tenor nach dem Kriege war, so fiele die Entscheidung nicht für del Monaco, nicht für di Stefano, nicht für Corelli, nicht für Pavarotti, nicht für Domingo aus, sondern für den Amerikaner, der in der unteren New Yorker East Side aufgewachsen ist und als Kantor begonnen hatte …“ (Jürgen Kesting)

„Tucker hätte aus jeder Epoche herausgeragt wegen seiner konstanten Brillanz.“ (Sir Rudolf Bing)

„Ich habe es nie recht fassen können, wie phantastisch er seine stimmlichen Kräfte erhielt, wie sie sogar zu wachsen schienen.“ (Leontyne Price)
[...]"

Zitatende

 

       

Aus Bessarabien stammten die Eltern, die 1911 in die Vereinigten Staaten von Nordamerika einwanderten.

In Brooklyn aufgewachsen, sang er schon früh als Knabenalt in der Synagoge, bis Paul Althouse, der selber als Wagner-Tenor große Erfolge in Amerika hatte, sich der Ausbildung des inzwischen 27-Jährigen neben anderen Schülern wie Eleanor Steber, Astrid Varnay, and Léopold Simoneau annahm.

Durch die eigene Erfahrung konnte Althouse dem jungen Kollegen beibringen, wie man haushält und wie man die Stimme nicht durch Brüllen überfordert.

Dieses ökonomische Einsetzen der stimmlichen Möglichkeiten bewies eine lange Karriere mit den Fächern des italienischen Tenors.

1945 wollte die Met 'La Gioconda' wieder aufnehmen und suchte für die Rolle des Enzo einen Sänger. Bei einem Vorsingen konnte Tucker überzeugen und bekam die Rolle, die er auch zwei Jahre später neben Maria Callas in der Arena von Verona sang.

Toscanini nahm die 'Aida' auf Schallplatte auf, zeigte dabei dem noch unerfahrenen Sänger, wie man Text gestaltet und auf tenorale Mätzchen zugunsten der Wahrheit des Werkes verzichtet.

Damals litt er schon darunter, dass bei anderen Schallplattenaufnahmen sein Schwager Jan Peerce - auch von Toscanini - bevorzugt wurde. Auf lange Sicht musste das zu einer Entfremdung der beiden Tenöre in einer Familie führen.

Nach der Arbeit mit Toscanini begann eine Weltkarriere, die ihn auch nach Europa führte. 1960 debütierte er in London, Mailand und Wien.
Nach Deutschland kam er nie.
Die Behandlung der Juden seit 1933 hatte er Deutschland nie verziehen.

Anfänglich hatte er auch Ressentiments gegenüber Josef Metternich, der als einer der wenigen deutschen Sänger sehr früh nach dem Krieg an die Met verpflichtet wurde.

1955 sangen dann beide dort im 'Maskenball' - Richard Tucker den Richard, Josef Metternich den René. Zinka Milanow war Amelia und Roberta Peters der Page Oscar.

600 Vorstellungen sang er an der Met in dreißig großen Rollen. Mit seiner Tenorstimme, die besonders in hohen Lagen leuchtete, war er besonders im italienischen Fach führend.

Es gibt bei JPC viele Aufnahmen mit Richard Tucker, die das ganze italienische Repertoire eines Tenors umfassen.

Die Suche nach "richard tucker" ergab 528 Treffer.

 






Nicolai Ghiaurow

                                                   
... am  13. September 1929 geboren /

                                                                                  
Foto World Records

Nach einer internationale Karriere trat er im Oktober 2000, im Alter von 71 Jahren, beim 1. Herbert-von-Karajan-Gedächtniskonzert unter der Leitung von James Allen Gähres in Ulm auf, wo er gemeinsam mit Mirella Freni in Opernarien und Duetten von Cilea, Tschaikowsky und Verdi zu hören war.

1935 begann er als Knabensopran in seiner Heimatstadt Welingrad in den sonntäglichen Gottesdiensten, was aber mit Einsetzen der Pubertät sein Ende fand. Singen fand er nicht mehr so toll, lieber Klarinette oder Trompete blasen. Größer aber war das Schauspiel der Wunsch für die Zukunft.
Als Jugendlicher war er Cavaradossi in einer Sardou-'Tosca'-Schüleraufführung.

Nach dem Stimmbruch und während der Militärzeit sang er in einem Soldatenchor. Man entdeckte das Material und ein Bariton der Oper Sofia bestätigte die Möglichkeiten, unterrichtete ihn, beschränkte sich aber auf das Trainieren der Stimme, ohne Rollen abzuverlangen.
Eine bulgarische Kommission sandte ihn dann nach Moskau zum eigentlichen Studium.

Waarlam und Pimen im 'Boris' waren die Anfängerpartien in Moskau, dann aber schon der Ramphis in 'Aida' in Wien und der Mephisto in Gounods 'Margarete' in Bologna.

Es folgten 1958 das Moskauer Bolschoi-Theater, 1959 die Mailänder Scala, 1961 Verona, 1962 London und 1965 die New Yorker Metropolitan Opera.

1965 sang er bei den Salzburger Festspielen den Boris, mit dem er seine Paraderolle gefunden hatte.

Dann kam unter Klemperer der 'Giovanni', und gleich drauf als Mittdreißiger der Philipp an der Mailänder Scala neben Martti Talvela der Großinquisitor.

Mit seiner großdimensionierten Bassstimme und seinen starken Ausdrucksmöglichkeiten gestaltete er u.a. Massenets 'Don Quichotte', Gremin im 'Onegin', Pater Guardian in Verdis 'Forza', Banquo in Verdis 'Macbetto' und immer wieder den Boris - allein dreimal auf Schallplatte unter Karajan.

 









Erika Köth

                                                     
 ... am 15. September 1925 geboren
                                      /
Foto eurodisc

 

Das deutsche Fach einer Koloratursopranistin war ihre Domäne:
Konstanze, Königin der Nacht, Zerlina, Despina und in der Operette z.B. die Adele.
Dann kamen auch Rollen im italienischen Fach hinzu. Die ganz großen und auch stimmlich schweren Rollen wie die Norma, in die zur gleichen Zeit die Callas einstieg, ließ sie beiseite.

In Darmstadt geboren kam sie früh mit der Musik in Kontakt und nahm Gesangsunterricht. Der Krieg verhinderte einen schnellen Einstieg in den seriösen Sängerberuf, so blieben Auftritte in Bars oder bei Volksfesten.

1947 gewann sie einen Wettbewerb und wurde daraufhin an das Pfalztheater Kaiserslautern engagiert. Dann kam 1950 Karlsruhe, wo sie vom musikalischen Chef des Hauses - Otto Matzerath - sehr gefördert wurde.

Schon 1953 ging sie an die Bayerische Staatsoper, wo sie bis 1978 zum Ensemble gehörte.

Zu der Zeit gab es einen Wandel, da Erna Sack und Erna Berger ihre Karrieren beendeten und Erika Köth und Anneliese Rothenberger in dieses Vakuum vorstoßen konnten.

Parallel zum Engagement in München kamen Gastspiele in Wien und in Mailand hinzu. Berlin gab ihr einen Vertrag.
1955 Salzburger Festspiele, 1961 große Russland-Tournee.
Bei der Eröffnung der Deutschen Oper im September 1961 war sie beim 'Giovanni' innerhalb eines Starensembles mit dabei:

Don Giovanni – Dietrich Fischer Dieskau, Bariton
Komtur – Josef Greindl, Bass
Donna Anna – Elisabeth Grümmer, Sopran
Don Ottavio – Donald Grobe, Tenor
Donna Elvira – Pilar Lorengar, Sopran
Leporello – Walter Berry, Bass
Masetto – Ivan Sardi, Bass
Zerline – Erika Köth, Sopran

Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Leitung: Ferenc Fricsay


Ihr Koloratursopran von höchster technischer Virtuosität und Klangschönheit kam natürlich besonders in den reinen Koloraturpartien wie Zerbinetta, die Gilda, die Lucia, die Rosina zur Geltung. Später erweiterte sich dann das Repertoire.
So kam sie in der Bohème von der Muzetta zur Mimi. Später auch noch die Butterfly.

Auch auf der Leinwand konnte man sie bewundern, so in Robert A. Stemmles Schlagerstreifen 'Ein Herz voll Musik' (1955), in Karl Hartls 'Mozart' 1955, auch "Reich mir die Hand, mein Leben") mit Oskar Werner als Mozart hatte sie einen Gastauftritt mit ihrer Paraderolle der Königin der Nacht und in der von Helmut Weiss inszenierten musikalischen Romanze 'Mein ganzes Herz ist voll Musik' (1958) spielte sie an der Seite von Wolf Albach-Retty eine Frau, die ein seltsames Doppelleben führt.

Nach der Karriere als Sängerin war Erik Köth viele Jahre damit beschäftigt, ihr Wissen und Können an Jüngere weiterzugeben.
Sie lebte auf ihrem Weingut in der Pfalz bei Neustadt an der Weinstraße.

In vielen Aufnahmen ist die Gesangskultur von Erika Köth erhalten.

https://www.jpc.de/ff/erika+koeth/B6th

 


 



Richtigstellung

In der Ausgabe Nr. 25 hatten wir folgenden Hinweis gegeben:
Nur mit Vorbehalt darf man Ausführungen anderer verwenden, zumal dann, wenn man Fehler entdeckt, die das ganze Papier infrage stellen.

Hier nur prima vista einige Details:

Seite 5 - Hermann statt richtig Joseph Goebbels
Seite 86 und auch an anderem Ort - Christine Hamann statt richtig Brigitte
Seite 178 - Reichstagsbrand März 1933 statt richtig 27. auf den 28. Februar
                  1933
Seite 248 - 249 - Hans statt richtig Heinz Tietjen
Seite 289 – Fußnote, Franz Beider statt richtig Beidler
Seite 290 - Reaktion Cosima Wagners statt Winifred Wagners


Die Fehler fanden wir im Buch:


Ludwig Hertel, ’Zum Wagnerkult im Nationalsozialismus’
Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte – 2015 – Pro Business Verlag - Berlin


Es handelt sich also nicht um Irrtümer, die der verehrte Herr Kammersänger Bernd Weikl verursachte, sondern so im erwähnten Buch vorkommen.

Wir bitten ihn um Entschuldigung, falls sich hier ein falscher Eindruck ergeben konnte.


 



Deutschlandfunk


’Kultur heute’
16.6.2019

Zitat

Sprecherin
“Seit fast dreißig Jahren gibt es das Impulse-Theater-Festival, das zu den wichtigsten für die freie Theaterszene gehört.
In diesen 30 Jahren hat sich vieles geändert u.a. die Standorte aber auch das Theater selbst.
Heute müssen sich immer Bühnen- und Theatermacher mit Angriffen von rechts auseinandersetzen.
Beim Impulse-Festival, das in Köln, Düsseldorf und in Mühlheim an der Ruhr stattfindet,  bittet man deswegen dieses Jahr die Impulse-Akademie dem Thema Kunst unter Druck.
Schauspieler, Regisseure, Veranstalter diskutieren und tauschen ihre Erfahrungen aus.
Am ersten Tag sollte es um Strategien gegen den Rechtsruck gehen.
Christoph Ohrem berichet.“

Sprecher
“Welche Strategien kann man gegen den zunehmenden Druck von rechts entwickeln?
[...]
In Ländern mit stark autokratischen Tendenzen wie Ungarn können systemkritische Künstler drauf bauen, für ihre Arbeit subventioniert zu werden.
Sie müssen sich deshalb in meist sehr prekären Verhältnissen selbst organisieren, um überhaupt ein Publikum selbst anzusprechen.
Doch selbst in Ländern, in denen es Förderstrukturen noch gibt, finden Angriffe auf die Kunstfreiheit statt.
[...]
Neben der Benennung dieser allgemeinen strukturellen und schon länger bekannten Probleme wurden auch einige Fallbeispiele vorgestellt, wo vermehrt rechte Gruppierungen Aufführungen von Performances stören, die nicht ihrem Weltbild entsprechen.
Es wurde etwa diskutiert, dass die rechte identitäre Bewegung in Deutschland flashmobartig versuchte, die im öffentlichen Raum stattfindende Performance Gala-Global von Turbo Pascal in Berlin zu sabotieren, indem sie ein Banner entfalteten das die Nation als Heimat pries.“
[...]

Zitatende

Zitat

Sprecherin
“Alles nur Theater - Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts' -
so lautete der Titel einer Handreichung, die das Thema Theater und Druck von rechts thematisierte.

Auch auf der Hauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins wurde jetzt darüber gesprochen.

Seit gestern bis heute Nachmittag tauschten sich 250 Intendanten, Kulturpolitiker und Verwaltungsdirektoren aus, wie man mit Störaktionen von rechts Einflussnahmen auf Programme oder drohenden Etatkürzungen umgeht.

[...]

Ich habe kurz vor der Sendung mit Mark Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins gesprochen und ihn gefragt, wie hoch er die Gefahr einschätzt, dass nicht nur die AfD sich immer mehr in die Programmplanung der Bühnen einmischt, sondern überhaupt rechtsnationalistische Gruppen.“

Grandmontagne
“Ja, das ist erstmal eine Gefahr, die wir erstmal sehr ernst nehmen und die man vielleicht  garnicht so generell beantworten kann, aber wir verzeichnen an ganz verschiedenen Häusern seit längerem in Deutschland verschiedene Formen solcher Störungen.

Das tückische daran ist, dass sie sozusagen der Teil einer Gesamtstrategie sind, aber natürlich gehören auch ganz normale parlamentarische Anfragen. -es gehören aber auch dazu Strafanzeigen der juristische Schritte gegen künstlerische Aufführungen und insofern ist Wachsamkeit oberstes Gebot.“ [...]

Sprecherin
“Nun gab es auch schon unter Beteiligung des Deutschen Bühnenvereins im Februar eine Handreichung zum Umgang mit Druck von rechts.“

Zitatende

 https://www.deutschlandfunkkultur.de/kommentar-zur-handreichung-gegen-rechts-ideologisch.2159.de.html?dram:article_id=442554
 

Was konnte denn die Jahrestagung der Handreichung noch hinzufügen?

Grandmontagne
Na ja, das ist natürlich 'work-in-progress' - also was wir tun - erstmal bei der Jahreshauptversammlung treffen sich die Kolleginnen und Kollegen, tauschen sich aus.
Das ist schon mal sehr hilfreich, weil man mit manchen Fragen dann natürlich auch nicht mehr alleine da ist und über diesen Austausch hinaus überlegen wir als Verband - was ist unsere Rolle, wie können wir auch den Kolleginnen und den Kollegen auch helfen, wie können wir diese Erfahrungen denn abstrahieren, wie können wir Leitlinien daraus machen und gerade der Umgang eben auch mit Populismus - insbesondere auch von rechts - ist ein Thema, das sich weiter entwickelt. Bei den Rechten weiterentwickelt und auch bei uns weiterentwickelt.

Es geht ja darum verschiedene Weltbilder auch um gesellschaftliche Auseinandersetzungen und das ist nichts, was mit einem Leitfaden abgehandelt wäre, sondern das ist etwas, was sozusagen kontinuierlich weiter lebt und wo man auch tatsächlich für sich immer wieder neu überlegen muss, wie geht man damit um. [...]

Zitatende
 




Tagesthemen

Mailänder Scala am 03. August 1778 eröffnet

War ihr weltliche Musik und das Spiel der Menschen mit- oder gegeneinander wichtiger als die Musik in den Kirchen?
Man weiß es nicht, nahm aber zur Kenntnis, dass Maria-Theresia als Herrscherin über Österreich-Ungarn und die Lombardei bestimmte, die Kirche Santa Maria alla Scala in Mailand abreißen zu lassen, um an der Stelle ein Opernhaus zu errichten.

Giuseppe Piermarini erhielt den Auftrag und baute die neue Oper für Mailand in weniger als zwei Jahren.

Eröffnet wurde sie mit Antonio Salieris Oper ’L’Europa riconosciuta’.
Auch nach der großen Renovierung und wichtigen Umbaumaßnahmen spielte man am 7. Dezember 2004 wieder dieses Werk.

Im Krieg war das Haus 1943 schwer beschädigt worden, so dass ein Spielbetrieb nicht möglich war.

Man wollte in Mailand aber nicht auf die Oper verzichten, baute eiligst wieder auf und kehrte z.B. den Schutt der zerstörten Gebäudeteile in den Orchestergraben!!!
Der bei der Wiedereröffnung des Hauses am 11. Mai 1946 in Benutzung genommen, stellte sich das Haus als wenig brauchbar heraus, da der Schutt die Akustik beeinträchtigte.
Also musste umgebaut werden, was allerdings die Bevölkerung auf den Plan rief, die mit dem teilweisen Abriss des Gebäudes nicht einverstanden war. Trotzdem wurde entkernt und eine Neugestaltung in Angriff genommen.
Seit 07. Dezember 2004 spielt das Haus wieder
.

Erste Salzburger Festspiele

   ... am 22. August 1920

Es war der Tag für den ersten 'Jedermann' - Hugo von Hofmannsthal hatte ihn verfasst - auf der Basis des englischen Schauspiels.
Ehe es dazu kam, waren verständlicherweise verwaltungsrechtliche Verfahren zu beachten - glücklicherweise waren honorige Menschen der damaligen deutschen wie österreichischen Szene an der Gründung beteiligt.

1910 begann man mit Musikfesten und wollte nun das Programm um Schauspiele erweitern.

Schon 1917 schlug Max Reinhardt der Salzburger Verwaltung vor, die Stadt zu einem Zentrum der Kultur zu machen.

Hugo von Hofmannsthal gab dann 1919 einen eigenen Entwurf für ein Festspiel ab, der die Ideen von Reinhardt unterstützte und Richard Strauss als weiteren Promotor - ihm aus seiner Arbeit an 'Elektra' und 'Rosenkavalier' verbunden - einschaltete.
Franz Schalk kam als Dirigent, Alfred Roller als Bühnenbildner hinzu.

Seit mehr als 80 Jahren spielt man nun in Salzburg ein besonderes Sommertheater mit großer Vielfalt, Konzert, Oper, Schauspiel, das nur in der Hitler-Zeit Einschränkungen im Spielplan - Stücke jüdischer Autoren durften nicht gezeigt werden - hinnehmen musste.

Bayreuth führte damals wie heute nur Wagner auf, der sich mit seiner zweimal herausgegebenen Schrift, 'Das Judentum in der Musik' besonders hervorgetan und den Nazis damit hilfreich zur Seite gestanden hatte.

Dass Bayreuth so viel Wirbel um die paar jährlichen Vorstellungen im Juli und August macht, ist schwer nachzuvollziehen, sieht man dagegen die Menge der erstklassigen Produktionen, die in Salzburg gezeigt werden.

Hinzu kommt, dass man Wagner heute in jeder Kleinstadt spielt und BT damit völlig überflüssig ist.

'Das Rheingold' am 22. September 1869 uraufgeführt

In Tribschen ging es hoch her in diesem Sommer - gerade war Siegfried geboren worden, da bahnte sich in München eine Katastrophe an.

Der König von Bayern, dem Richard Wagner die Partitur von 'Rheingold' und 'Walküre' geschenkt hatte, befahl die Aufführung.
Was am 25. August 1869 zwei Tage vor der geplanten Hauptprobe der Uraufführung auf der Bühne des Hoftheaters in München zu sehen war:
Eine phantasielose Götterburg, der Regenbogen aus Sperrholz, keine Kostüme für die Rheintöchter - alles ''absurd, lächerlich, unmöglich'' erfuhr Wagner in Tribschen.

Telegramme gingen hin und her, Hans Richter der vorgesehen Dirigent drahtete, der König habe die Premiere zwar verschoben, aber  e r  sei gefeuert worden. Der König schlug um sich, ob der Kritik aus seiner Hofoper über die Unmöglichkeit der Vorbereitungen der Aufführung, das Theatergesindel müsse zur Unterwerfung gebracht werden. Franz Betz, der den Wotan singen sollte hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt, hatte aber gute Karten, denn sein Vertrag lief nur bis zum 31. August 1869 - so reiste er einfach ab.

Dafür eilte Wagner nach München.

Ein neuer Dirigent musste gefunden werden. Der vom Hofopernintendanten von Perfall vorgeschlagene Münsteraner Franz Wüllner, Chordirektor an der Hofoper, wurde von Wagner mit den Worten: "Hand weg von meiner Partitur! Das rat ich ihnen, Herr; sonst soll Sie der Teufel holen!" strikt abgelehnt.

Es kam dann doch nicht so schlimm wie befürchtet. Der Darmstädter Maschinenmeister Karl Brandt leistete unerhörte Dinge, die Wagner Gefallen an ihm finden ließ und er auf weitere Zusammenarbeit hoffte.

Die Zeitungen konnten das Werk, losgelöst aus dem 'Ring', kaum einordnen, die eine schrieb über die Rheintöchter-Szene, es handle sich um ein 'Huren-Aquarium' und die andere, die Verwendung von Rauch und Feuer sei nur dazu gut, die Zuschauer an den Brand der Dresdener Semper-Oper zu erinnern, die am Tag vorher in Flammen aufgegangen war.


 

 

Kommentar

Zitat

Premiere Fidelio, Oper Chemnitz, 25.05.2019

Bislang dachte man ja, einfältig wie man ist, dass im Mittelpunkt der Oper "Fidelio" die Titelfigur, also Leonore und die Absage an die Tyrannei stehen würden.
Robert Lehmeier hat uns mit seiner Inszenierung an der Oper Chemnitz die Augen geöffnet: Marzelline und die ewig Enttäuschten sind nämlich die Hauptpersonen!
Alle Dialoge wurden in dieser Fassung gestrichen und durch den Bericht einer alten Frau ersetzt, die aus dem Off zum Zuschauer in der Ich-Form spricht.
Schnell wird klar, dass es sich um Marzelline handelt, die – um auch von allem berichten zu können – bei allen Szenen, also auch in der Kerkerszene, anwesend ist. Ungläubig erfährt sie dort, dass Fidelio kein Mann ist, kann es aber immer noch nicht fassen.

Erst in der anschließenden Szene vor dem Vorhang, während die Ouvertüre Leonore III zauberhaft aus dem Orchestergraben kommt, begegnen sich Fidelio und Marzelline. Fidelio entledigt sich der Wärteruniform und nun muss auch Marzelline erkennen, dass es sich wahrhaftig um eine Frau handelt. Ein inniger Kuss beendet diese Szene.

Robert Lehmeier zeigt uns Leonore/Fidelio auch keineswegs als die zum äußersten Entschlossene, sondern als eine ewig Zweifelnde.
Florestan singt zwar "Mein Weib, mein Weib an meiner Brust", aber so viel Nähe wird vom Regisseur zu keinem Zeitpunkt zugelassen, denn Florestan ist auch in dieser zentralen Kerkerszene mehr an seinen Tagebüchern und Memoiren als an seiner Frau interessiert.

Dass er knapp dem Tod entronnen ist, hat er offenbar gar nicht mitbekommen...

Noch unsinniger wird das letzte Bild: Don Fernando und Florestan tragen von Anfang an die blauen Anzüge der Politikerkaste, Pizarro kauert unter einem Gartentisch.

Der ganze Chor ist mit Perücken, Gestik und Kleidung zu Doubeln von Angela Merkel mutiert. Quasi nur für die Kameras legt Fernando seinem Freund noch einmal die Handschellen an, damit diese dann medienwirksam von Leonore gelöst werden können.

"Wer ein solches Weib errungen" ist dann auch mehr als Metapher gedacht denn als Loblied auf Leonore, denn Florestan hat erkennbar nur seine künftige Karriere im Blick.

Vielleicht wird aus Marzelline und Leonore am Ende doch noch ein Paar?

Robert Lehmeier hinterlässt ein ratloses Publikum.

Musikalisch könnte der Kontrast kaum größer sein. GMD Guillermo Garcia Calvo führt gekonnt und spannungsreich durch die Partitur.

Pauliina Linnosaari ist stimmlich eine überragende Leonore.

Viktor Antipenko als Florestan lohnt, dass man überhaupt aus der Pause noch einmal zurückkehrt.

Guibee Yang spielt sich als Marzelline die Seele aus dem Leib und Siyabonga Maqungo als Jaquino hat einen wunderbaren Tenor, aber leider aus Konzentration auf seine richtigen Töne die Grillwürstchen (Namensfest des Königs = Gartenparty) anbrennen lassen, was zu einer Überlagerung der Sinne führte:

Die Ohren freuten sich und die Nase wurde gerümpft und das bei geschlossenen Augen, weil man so viel Unfug auf der Bühne nicht immer ertragen kann. Von den weiteren Darstellern sind vor allem die beiden Gefangenen Edward Randall und André Eckert lobend hervorzuheben.

Ab 08.09.2019 steht Fidelio wieder auf dem Spielplan der Oper Chemnitz. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild!

Matthias Ries-Wolff, Chemnitz


Zitatende

 



 



Auszug aus der NMZ - Ausgabe Juli – August 2019 - Seite 26
 


Zitat
Ohne Musik wär’ alles nichts

Überlegungen zum Musikunterricht - von Carl Parma

Selten wurde eine Institution so häufig und mit so viel Inbrunst totgesagt wie das Gymnasium.

Aber allen Reformen und Unkenrufen zum Trotz lässt sich vermelden:
’alive and well’.

In ihrer 200-jährigen Geschichte war diese Schulform unweigerlich immer wieder Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen: ursprünglich von Humboldt - der selbst nie eine Schule besuchte - als „zweckfreie" Form der Selbstbildung erdacht, wurde sie alsbald zur Kaderschmiede des preußischen Beamtenapparates und kann sich heute mit etwa 50 Prozent eines Jahrgangs getrost als "Hauptschule der Nation" bezeichnen, von der mithin auch eine immer deutlichere Praxisausrichtung gefordert wird.

Eine solche Entwicklung kann natürlich nicht ohne Folgen für Bildungsidee und Lerninhalte einer Schulform sein.
[…]
Diese kulturelle Sensibilisierungs- und Orientierungsfunktion als Teil einer ästhetischen Bildung ist eine der großen Chancen für das Fach Musik. Sie mit der musikalischen Praxis wieder deutlicher zu verklammern sollte das Ziel musikpädagogischer Bemühungen sein, denn ohne sinnliche Anschauung ist alles nichts. Und so ließe sich ganz im Geiste Kestenbergs die historisch einmalige Tradition eines durchgehenden Musikunterrichts für alle (!) ins 21. Jahrhundert übersetzen. Angesichts der unsteten Weltläufe vielleicht nicht die schlechteste Idee.

Zitatende
 

 

 




Bemerkungen zur Neuinszenierung 'Tannhäuser'
am 'Theater für Oberfranken' ab 25. Juli 2019

Richard Wagners Elternhaus war geprägt von Literatur, Musik und Malerei. bleibende Eindrücke hieraus paarten sich mit seinen Talenten.

Der nach dem frühen Tod des Vaters Friedrich Wagner als Stiefvater die Erziehung der Kinder übernehmende Ludwig Geyer, der “[...] als Schauspieler des sogenannten Charakterfaches [...] bei dem neu errichteten Dresdener Hoftheater eine vorteilhafte, ehrende und dauernde Anstellung .[...]” (Richard Wagner - 'Mein Leben' - nachfolgend unter 'ML' veröffentlicht, hier S. 10) erhielt, machte sich einen Namen und beeinflusste durch diese seine Tätigkeit die Erziehung Richard Wagners entscheidend. Hinzu kam, dass er in diesem Umfeld ständig mit dem Theater, der Musik und auch mit Dichtungen in Berührung kam, zumal Ludwig Geyer, dem “[...] auch dichterisches Talent [...] zueigen war; nach manchen in oft sehr zierlichen Versen verfassten Gelegenheitsstücken [...] auch mehrere Lustspiele.[...]” schrieb, “[...] von denen eines, der Bethlehemitische Kindermord, in gereimten Alexandrinern, häufig gegeben ward, gedruckt erschien und von Goethe freundlichst gelobt wurde. .[...]” (ML S. 10)

Die frühe Erziehung Richard Wagners wurde auch von der übrigen Familie geprägt, zumal Geschwister selber eine Theaterlaufbahn einschlugen und damit für ihn der Umgang mit der Bühne weiter vertieft wurde, oder die Schwestern in die angesehene Buchhändler-Familie Brockhaus und Avenarius einheirateten, oder eine Ehe mit Sängern eingingen.

Im Familienkreise wurden Theateraufführungen “[...] zu gegenseitiger Überraschung oft mit großen Vorbereitungen [...] ” veranstaltet und er “[...] in einer Parodie der Grillparzerischen Sappho, in welcher ich selbst im Chor der Gassenbuben vor dem Triumpfwagen Phaons mitwirkte.[...]” (ML S. 19)
Richard Wagner suchte sich “[...] diese Erinnerungen [...]“ durch ein schönes Puppentheater aufzufrischen und er beabsichtigte die Familie “[...] durch eine glänzende Aufführung auf diesem Theater zu überraschen.[...]” So ging er “[...] an die Abfassung eines Ritterstückes, dessen Rollen ich mit meinen Puppen einstudieren wollte [...]”. (ML S. 19)

In der Schule erweckte er Aufsehen und er wurde - durch seine philologischen Kenntnisse – bevorzugt gefördert und sein Lehrer Sillig “[...] erlaubte mir, ihn öfter zu besuchen und ihm meine Arbeiten, die in metrischen Übersetzungen sowie in eigenen Gedichten bestanden, mitzuteilen.[...]” (ML S. 21) Besonderen Eindruck machte Richard Wagner bei den Deklamationsübungen, dass der Lehrer “[...] den damals 12-jährigen Knaben veranlasste, nicht nur Hektors Abschied aus der Ilias, sondern selbst den berühmten Monolog des Hamlet vom Katheder herab zu rezitieren. [...]” (ML S. 21)

Die ersten Anfänge einer dichterischen Tätigkeit zeigten sich beim Abfassen eines Gedichtes auf den Tod eines Mitschülers, das zur Trauerfeier gedruckt und in “[...] zahlreichen Exemplaren verteilt wurde.[...]” (ML S. 22)
Allerdings gab es zwangsläufig - aufgrund des Alters und der nicht vorhandenen Erfahrung - auch Fehlschläge und schlechte Leistungen in der Schule, die ihn aber nicht entmutigten, sondern im Gegenteil, aus dieser Empfindung heraus begann der Fünfzehnjährige mit der Abfassung einer Dichtung “[...] zu welchem Shakespeare hauptsächlich durch »Hamlet«, »Macbeth« und »Lear«, Goethe durch »Götz von Berlichingen« beigetragen hatten.[...]”
(ML S. 32)

Er verwendete alles und “[...] weder was aus Rittergeschichten mir bekannt war, noch was aus Lear und Macbeth mir vertraut geworden, hatte ich ungenutzt gelassen, um mein Drama mit reichsten Situationen auszustatten.[...]”
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass er bereits damals eine Vertonung des Stückes plante und er meinte, dass das “[...] Werk erst richtig beurteilt werden könnte, wenn es mit der Musik versehen sein würde, welche ich dazu zu schreiben beschlossen hatte.[....]”. (ML S. 34)

Bereits sehr früh kommt diese Arbeitsmethode zur Anwendung, als Richard Wagner die Einheit von Text und Musik bereits im ersten schöpferischen Vorgang verwirklicht.

Nicht mehr feststellbar ist der genaue Zeitpunkt, ab dem sich Richard Wagner mit dem 'Tannhäuser' beschäftigte.

Nach seinem bis dahin beruflich beschwerlichen Weg von Leipzig 1833 nach Würzburg als Chorleiter, 1835 nach Magdeburg als Dirigent und auch als solcher 1837 nach Königsberg und Riga hoffte er nun als 'Rienzi'-Textdichter und -Komponist ab 1839 in Paris endlich den Erfolg zu haben, der Meyerbeer - kürzlich gerade mit 'Robert der Teufel' und den 'Hugenotten' - fortwährend gegeben war.

Ihm las er den Text seines 'Rienzi' vor, Meyerbeer wiederum machte freundliche Miene zu allem und versprach, sich für Wagner bei der Pariser Großen Oper einzusetzen.

In Paris, das er voll Überschwang ob der nun von Meyerbeer zugesagten Unterstützung am 17. September 1839 erreichte, erhielt er anfänglich finanzielle Zuwendungen von Eduard Avenarius, ab 5. März 1840 dann sein Schwager - er heiratete Wagners Schwester Cecilie - der in Paris die Filiale von Buchhandlung und Verlag Brockhaus & Avenarius leitete. Er scharte hier junge Deutsche um sich, die sich in dieser vorrevolutionären Zeit in Paris aufhielten. Zum Bekanntenkreis gehörten Heinrich Heine und Heinrich Laube.

Als Cecilie ihrem Mann Eduard nach Paris folgte, gab es bald Unstimmigkeiten, denn die Schwester wollte es nicht akzeptieren, dass Bruder Richard - trotz der 350 Francs, die er schon schuldete - immer wieder um Geld bat, statt sich eine feste Anstellung zu beschaffen, und nicht  in der Stadt umherzulaufen, um den 'Rienzi' anzubieten.

Während der Pariser Zeit von eben diesem 17.9.1839 bis zum 7.4.1842 lernte er durch die Buchgeschäfte des Schwagers Heine, Anders und Lehrs kennen. Der Philologe Samuel Lehrs, eigentlich Samuel Levi, geboren 1806 in Königsberg in Preußen, gest. 13.4.1843 in Paris, war durch Gottfried Engelbert Anders, .“[...] einem an der Bibliothèque royale für die Abteilung der Musik angestellten Deutschen [...]” (ML S.180) mit Richard Wagner bekannt gemacht worden.

Anders schaffte “[...] den Philologen Lehrs herbei und verschaffte mir dadurch eine Bekanntschaft, welche bald zu einem der schönsten Freundschaftsverhältnisse meines Lebens führte.” [...] “Wir wurden bald so vertraut, dass ich ihn fast alle Abende regelmäßig mit Anders bei mir eintreten sah.[...]” (ML S. 181 / 182)

1841 brachte Lehrs Richard Wagner einen Beitrag in den Jahresheften der Königsberger Deutschen Gesellschaft “[...] in welchem Lukas den Wartburgkrieg’ kritisch näher behandelte [...]” als Lektüre.
Hier noch kann Richard Wagner den Stoff nicht näher für sich einordnen, allerdings kommt er auf diese Weise mit einer Zeit näher in Kontakt, denn “[...] zeigte er mir doch das deutsche Mittelalter in seiner prägnanten Farbe, von der ich bis dahin keine Ahnung erhalten hatte.[...]” (ML S. 315)

Aus seiner Zeit in Leipzig wusste er um 'Die Serapionsbrüder' von E.T.A. Hoffmann mit der Erzählung 'Der Kampf der Sänger' die 1819 im Verlag seines Schwagers Brockhaus herauskam.
Dieser Text  von Hoffmann enthielt schon die Figuren aus seiner späteren großen romantischen Oper.

Am Hofe des Landgrafen Hermann von Thüringen fanden sich um das Jahr 1208 zu einem Wettsingen ein: Walther von der Vogelweide, Reinmar von Zweter, Heinrich Schreiber, Johannes Bitterolff,  aus der Schweiz Wolfram von Eschenbach und Heinrich von Ofterdingen aus dem dann Wagners
'Tannhäuser' wird.
 

Heinrich Heine hatte 1837 im dritten Band von seinem 'Salon' den Text 'Der Tannhäuser - Eine Legende' veröffentlicht - im ersten Band fand Wagner den Text vom 'Holländer' -  wobei Heine behauptete, eine neuere Fassung des Tannhäuserliedes zu besitzen. Eine gewagte Aussage, denn das Thema war auch bei Arnim, bei Brentano in seinem 'Wunderhorn' und durch die Sagen der Brüder Grimm in die Öffentlichkeit gelangt, aus der Ludwig Bechstein 1835 für seinen 'Sagenschatz des Thüringer Landes' die Sage vom Venusberg übernahm, die Heine dann mit der Figur der Venus weiterführte.


Zitat
Ihr guten Christen laßt Euch nicht
Von Satans List umgarnen!
Ich sing’ Euch das Tannhäuserlied
Um eure Seelen zu warnen.

Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,
Wollt’ Lieb’ und Lust gewinnen,
Da zog er in den Venusberg,
Blieb sieben Jahre drinnen.

Frau Venus, meine schöne Frau,
Leb wohl, mein holdes Leben!
Ich will nicht länger bleiben bey dir,
Du sollst mir Urlaub geben
.
Zitatende

Heinrich Heine - 'Der Tannhäuser' - Hoffmann und Campe - 1844 - S. 113


 


Die Lektüre der beiden Stränge Tannhäuser - alias Heinrich von Ofterdingen mit dem Sängerkrieg - und die Texte um den Venusberg führte Wagner ab 1842 zusammen. Während der Reise von Paris nach Dresden am 7. April 1842 sieht er den Rhein und später die Landschaft um Eisenach.


Zitat
Meine direkte Reise nach Dresden führte durch das thüringische Thal, aus dem man die Wartburg auf der Höhe erblickt.“
Zitatende

[Sämtliche Schriften und Dichtungen: Vierter Band, S. 473. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 2057 (vgl. Wagner-SuD Bd. 4, S. 273)
 


Hier die Hörselberge mit der Wartburg und das Tal unterhalb der Burg als perfekte Szenerie für seine neue Oper.

Am 9. Juni 1842 fährt er mit Minna und Mutter nach Teplitz-Schönau, um sich vor den Vorbereitungen für die geplante 'Rienzi'-Uraufführung in Dresden zu erholen.

Er macht Ausflüge in die Umgebung und auf dem Schreckenstein bei Aussig beginnt er mit der Niederschrift der ersten Skizzen seiner neuen Oper 'Der Venusberg'.

Danach
20. Oktober 1842 Uraufführung 'Rienzi'
02. Januar 1843 Uraufführung 'Der fliegende Holländer'
02. Februar 1843 Ernennung zum Königlich Sächsischen Hofkapellmeister
22. Mai 1843 Fertigstellung des Textbuches 'Tannhäuser'.

Während des Jahres 1844 entsteht die musikalische Ausarbeitung des Werkes, am 29. Dezember 1844 sind alle drei Aufzüge für das Orchester skizziert.
Die Monate des Frühjahrs und des Sommers 1845 sind ausgefüllt mit der Instrumentation und Fertigstellung der Partitur.
 


Zitat
"[...] So begann denn nun, als mit September unsere Sänger alle wieder eingetroffen waren, das Studium des »Tannhäuser«, welches mich bald wieder ernst und immer ernster stimmte. Die Proben gediehen bald bis dahin, daß die Aufführung, soweit sie durch musikalische Studien vorzubereiten war, in nahe Aussicht gerückt wurde. [...]"
Zitatende

[Richard Wagner: Mein Leben: Zweiter Teil: 1842-1850, S. 194. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 31476 (vgl. Wagner-Leben, S. 316)]

 


Nach der Uraufführung der Ur-Fassung des 'Tannhäuer' am 19. Oktober 1845 - hier endete die Rolle der Venus zum großen Verdruss der Wilhelmine Schröder-Devrient, die für diese Rolle vorgesehen war und sie dann auch sang - im ersten Aufzug nach dem

Nie wird Vergebung dir zuteil, -
Kehr wieder, schließt sich dir das Heil!

Es könne doch nicht sein, meinte sie, dass eine Hauptfigur nur am Anfang einer Oper zu sehen und zu hören sei.
Wagner änderte daraufhin diese Ur-Fassung und gab der Venus im dritten Aufzug für die nächsten Aufführungen einen weiteren Auftritt

VENUS
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?
Und findest nirgends du Erbarmen,
suchst Liebe nun in meinen Armen?

 

Dass dieser nochmalige Auftritt eine zusätzliche Schwierigkeit aufzeigt, lässt sich leicht nachvollziehen, wenn die Sängerin nach dem ersten Teil des ersten Aufzuges abgeht, dann den Rest des ersten Aufzuges, die Pause zum zweiten Aufzug, den zweiten Aufzug, die Pause zum dritten Aufzug und zweidrittel des dritten Aufzuges – insgesamt drei Stunden warten muss, bis sie noch einmal aufzutreten hat.
Zum Ende der Oper ließ Wagner nun den Sarg der verstorbenen Elisabeth auf die Bühne tragen, um für das Publikum sichtbar zu machen, dass hier ein Sühneopfer für den sündigen Tannhäuser dargeboten wurde.

 

Von hier an betritt der Trauerzug die Tiefe des Tales, die älteren Pilger voran; den offenen Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger geleiten ihn zur Seite, Grafen und Edle folgen


Das Werk hielt sich in dieser Dresdener Fassung mit diesem geänderten Schluss des 3. Aufzugs bis 1848 am Spielplan in Dresden, die weitere Verbreitung aber gestaltete sich als schwierig.
Wagner selbst griff ein, versuchte aufzuklären und schrieb 1852 einen Text 'Über die Aufführung des Tannhäuser' und ließ Bühnenbildentwürfe an die Theater schicken.

Wie problematisch die Besetzung der 'Tannhäuser'-Rollen schon damals war, zeigt der Ausschnitt eines Briefes von Wagner an Franz Liszt aus Zürich vom 29 Mai 1852.
 


Zitat
"[...] Nun aber zur Hauptsache! d.i. - das große Adagio des zweiten Finales!! Als ich in Dresden nach der ersten Vorstellung des Tannhäuser den Strich in diesem Adagio machte, war ich in der vollsten Verzweiflung, und strich in meinem Herzen überhaupt all meine Hoffnungen auf den Tannhäuser durch, weil ich sah, daß Tichatschek ihn nicht begreifen konnte und somit noch weniger ihn darzustellen vermochte! Daß ich diesen Strich machen mußte, hieß für mich soviel als überhaupt der Absicht, meinen Tannhäuser zu einem innigen Verständnisse zu bringen, entsagen! - Ich bitte Dich, liebster freund, sieh Dir die gestrichene Stelle einmal genau an, und überzeuge Dich von Dem, was sie enthält! Nachdem zuvor Alles um Elisabeth, die Mittlerin, sich gruppirte, sie den Mittelpunkt einnahm und Alle nur auf sie hören oder ihr nachsprechen und singen, stürzt Tannhäuser, der sich seines furchtbaren frevels inne wird, in die furchtbarste Zerknirschung zusammen, und - als er wieder worte des Ausdruckes findet, die ihm zunächst noch versagen, weil er wie bewußtlos am boden liegt, - wird er plötzlich zur einzigen hauptperson, und Alles gruppirt sich nun so um ihn, wie zuvor um Elisabeth. Alles übrige tritt zurück, Alles begleitet gewissermaaßen nur ihn, wenn er singt:

»Zum heil den sündigen zu führen,
die gottgesandte nahte mir:
doch ach! sie frevelnd zu berühren
hob ich den lästerblick zu ihr!
O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den engel meines heil's gesandt:
erbarm' dich mein, der ach! so tief in sünden,
schmachvoll des Himmels mittlerin verkannt!«

In diesem Verse und in diesem Gesang liegt die ganze bedeutung der Katastrophe des Tannhäuser, ja, das ganze wesen des Tannhäuser, was ihn mir zu einer so ergreifenden Erscheinung machte, liegt einzig hierin ausgesprochen. Sein ganzer Schmerz, seine blutige bußfahrt, alles quillt aus dem Sinne dieser Strophen: ohne sie hier, und gerade hier, so vernommen zu haben, wie sie vernommen werden müssen, bleibt der ganze Tannhäuser unbegreiflich, eine willkürliche, schwankende - erbärmliche figur. (der anfang seiner erzählung im letzten akte kommt zu spät, um das zu ersetzen, was hier wie ein Gewitter in unser Gemüth dringen muß!) Nicht nur der Schluß des 2ten Aktes, sondern der ganze dritte Akt, ja – in einem gewissen Sinne - das ganze Drama, wird nur nach seinem wahren inhalte wirksam, wenn der Mittelpunkt des ganzen Drama's, um den sich dieses wie um seinen Kern entwickelt, in jener stelle deutlich und klar zur erscheinung kommt. - Und diese Stelle, den schlüssel zu meinem ganzen Werke, mußte ich in Dresden streichen, - warum? - weil es sich hierbei gerade herausstellte, daß Tichatschek keine Ahnung von seiner Aufgabe als dramatischer Darsteller hatte, sondern die ganze partie nur als - stimmbegabter Sänger aufgefaßt hatte. Grade hieran zeigte es sich aber, wie ohnmächtig der wahrhaften dramatischen Aufgabe gegenüber der bloße besitz materieller Mittel macht, denn diese ließen den Sänger da im stich, wo er einzig nur auf sie sich angewiesen fühlte. Weil Tichatschek diese stelle (schon vermöge seines unnatürlich kleinen Oberschädels!) nicht verstehen und ihren inhalt nicht darstellen konnte, konnte er sie auch nicht - singen! Die Stimme verließ ihn da, wo er nur mit der kraft einer ganzen Menschennatur hätte wirken können, die sich - unbekümmert ob durch Gesang oder sonst wie? - aus sich heraus stürzt, um im Ausdrucke eines übermannenden gefühles sich zu entladen. Freund Tichatschek, der mit gutmüthigem Schafsgesichte verwundert in die Lampen hineinblickte, und dazu (mit weicher, zärtlicher Stimme) den achten part eines Vokaloctettes sang, konnte auf »erbarm' dich mein« die Note A nicht herausbringen!! Ich hab' nicht den 100sten theil von seiner stimme, bringe dieß A aber ganz famos heraus! Natürlich will dieß »A« aber nicht »gesungen« werden, sondern mit allen nerven der brust muß es hervorgeschleudert werden, wie ein schwert, mit dem sich Tannhäuser ermorden will. - Alles parlamentiren hierüber mit meinem Dresdener Tenor war unnütz: er wußte nicht worauf es hier ankäme, und behauptete immer nur, die stelle würde ihm schwer, er spüre es zu sehr in der kehle! - Nun, da schonte ich denn seine kehle, und strich die stelle, weil so - wie Tichatschek sie vortrug - kein mensch errathen konnte, was hier vorgehe; jeder hörte hier nur den Tannhäuser eine »Mittelstimme« singen, die an und für sich - als notenreihe - nicht weiter in das ohr fällt; die musikalische umgebung wurde zur hauptsache - und das ganze erschien so als eine länge, die füglich gekürzt werden konnte, was ich schon deswegen that, weil ich mir nicht die pein machen konnte sie - so vorgetragen - anzuhören. - Aber - das erkläre ich nun: keine Aufführung des Tannhäuser entspricht meiner Absicht, sobald diese Stelle weggelassen werden muß! Um ihretwillen willige ich zur Noth dann in den Sprung im Allegro des Finales, wo das ausbleibt, was eigentlich die fortsetzung jener Stelle ist, nämlich: wo Elisabeth das H-dur-thema als canto fermo aufnimmt, und Tannhäuser dazu in wilder Verzweiflung seine leidenschaftlichen Ergüsse losläßt. Sollte mir eine Vorstellung dieser Oper einst ganz genügen, so müßte Tannhäuser auch diese stelle so vortragen, daß sie - nicht als Länge erschiene. -
Fragst Du mich nun, was zu thun sei? soll man einem geringeren Sänger Das zumuthen können, was ein Tichatschek nicht herausbrachte? - Darauf sage ich Dir, daß gerade Tichatschek, bei der obstination seines wesens und der kleinheit seines Gehirnes, trotz seiner stimme überhaupt Vieles nicht herausbrachte, was viel unbemittelteren Sängern möglich war, wenn sie eben begreifen konnten, um was es sich handelt. In der Tannhäuserprobe, der ich in Weimar beiwohnte, hat der ganz invalide Götze stellen herausgebracht, und intentionen verständlich gemacht, die mir Tichatschek stets schuldig blieb. Dieser hat nämlich nur glanz oder milde in seiner stimme, nicht aber einen einzigen wahren Schmerzensaccent. Der hiesige Sänger des fliegenden Holländers hat mir bei weitem mehr geleistet, als der Dresdener und Berliner, trotzdem jene bessere stimmen hatten. - Versuche Du's nun auch mit Herrn Beck, und macht ihm dazu klar, um was es sich handelt. - Gelingt diese Stelle, so wird das Weimarer publikum erst sehen, was hier los ist! - (Noch eine technische bemerkung hierzu: - wenn in dieser Stelle der Sänger seiner sache sicher wird, so laß ihm das tempo frei, alle müssen mit ihm gehen, - er herrscht allein!)
Soll eine Aufführung des Tannh. ganz vollendet sein, so müßte auch der letzte Schluß der Oper vollständig so gegeben werden, wie er in der neuen Ausgabe des Klavierauszuges steht, mit dem Gesange der jüngeren Pilger. -
Doch nun genug hiervon! Dir wird der Kopf schon warm geworden sein! [...]"


Zitatende

[Sämtliche Briefe: Bd. 4: Briefe Mai 1851 bis September 1852, S. 648. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 10378 (vgl. Wagner-SB Bd. 4, S. 380)]

Anmerkung: Die orthografischen Fehler der Originalschrift wurden nicht verbessert.


 


Erst 1849 wurde der 'Tannhäuser' an einer Bühne außerhalb Dresdens aufgeführt. Franz Liszt dirigierte das Werk in Weimar, 1853 brachte Kassel das Werk unter der Leitung von Louis Spohr.

Es folgten 1855 Hannover und Karlsruhe (hier Leitung Eduard Devrient) und München.
Dann 1856 Berlin und 1857 und 1859 Wien.

1861 kam es dann zur Aufführung des 'Tannhäuser' in Paris, die von Napoléon III. befohlen worden war.
 


Zitat
Nach einer Rheinreise mit Minna, zu der Wagners Beziehungen höchst wechselvoll, aber doch fast immer bitter egoistisch sind, fährt er wieder nach Paris, wo die sehr einflußreiche Gattin des österreichischen Botschafters, die Fürstin Metternich, Kaiser Napoleon III. dazu gebracht hat, eine Aufführung des „Tannhäuser" in der Großen Oper anzuordnen. Deren Direktion unterrichtet Wagner, daß jedes hier gespielte Werk ein Ballett zu enthalten habe. Wagner fügt sich zähneknirschend und erweitert die Anfangsszene im unterirdischen Liebesreich der Venus zu einem „Bacchanal" (anstatt vielleicht den Einzug der Gäste auf die Wartburg im zweiten Akt zu einer großen höfischen Tanzszene auszubauen). Er ließ Albert Niemann, den besten deutschen Heldentenor jener Zeit, kommen, der die Titelrolle verkörpern sollte. Die Vorkommnisse um die Aufführungen im März 1861 sind als beschämendes Kapitel in die Operngeschichte eingegangen. Der von langer Hand vorbereitete Skandal machte es dem Dirigenten - es war der gleiche Kapellmeister Dietsch, dem man seinerzeit Wagners Textbuch zum „Fliegenden Holländer" zur Vertonung übergeben hatte - fast unmöglich, das Werk zu Ende zu führen. War es eine nationalistische Kundgebung? Ein Protest gegen „moderne" Musik? Eine Kundgebung gegen das eigene Regime, das diese Aufführungen angeordnet hatte? Oder einfach die Abneigung gegen ein Werk, das es sich erlaubte, das vorgeschriebene Ballett in die erste halbe Stunde zu verlegen, bevor die „vornehmen" Mitglieder des Jockey-Clubs zu Ende diniert hatten und im Theater erschienen waren? Die Sänger kämpften weiter, Niemann allerdings schleuderte einmal, auf dem Höhepunkt des Sturms, seinen Hut ins Parkett, was zu verdoppeltem Toben Anlaß gab. Nach drei derart schmachvollen Abenden zog Wagner das Werk zurück und reiste ab.
Zitatende

Kurt Pahlen - Die große Geschichte der Musik -
in Zusammenarbeit mit Rosemarie König, Cormoran Verlag

 


Ein Werk, das den Vorstellungen in seiner 1845-ger-Fassung aus Dresden dem Pariser Theaterleuten schon bei der Planung der Produktion nicht gefiel.
Es musste geändert werden, die Theaterdirektion und das Publikum erwarteten ein großes Ballett.
 


Zitat
"Wirklich reizte mich sogar die Aufgabe, hier einer unverkennbaren Schwäche meiner früheren Partitur abzuhelfen, und ich entwarf einen ausführlichen Plan, nach welchem diese Scene im Venusberge zu einer großen Bedeutung erhoben werden sollte. Diesen Plan wies nun der Direktor entschieden zurück und entdeckte mir offen, es handele sich bei der Aufführung einer Oper nicht allein um ein Ballet, sondern namentlich darum, daß dieses Ballet in der Mitte des Theaterabends getanzt werde; denn erst um diese Zeit träten diejenigen Abonnenten, denen das Ballet fast ausschließlich angehöre, in ihre Logen, da sie erst sehr spät zu diniren pflegten; ein im Anfange ausgeführtes Ballet könne diesen daher nicht genügen, weil sie eben nie im ersten Akte zugegen wären. Diese und ähnliche Erklärungen wurden mir später auch vom Staatsminister selbst wiederholt, und von der Erfüllung der darin ausgesprochenen Bedingungen jede Möglichkeit eines guten Erfolges so bestimmt abhängig dargestellt, daß ich bereits auf das ganze Unternehmen verzichten zu müssen glaubte."

Zitatende

[Sämtliche Schriften und Dichtungen: Siebenter Band, S. 222. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 3290 (vgl. Wagner-SuD Bd. 7, S. 141)]

 


Welche Mühe Richard Wagner zusätzlich hatte, Albert Niemann, dem Pariser 'Tannhäuser' die Rolle zu erklären und ihm die Angst vor der Rolle zu nehmen, zeigt ein Brief an ihn:
 


Zitat

An Albert Niemann in Paris
Paris, Donnerstag, 21. Februar 1861

Ich bitte, lesen Sie die letzte Seite zu erst, und nach Belieben oder Stimmung lesen Sie dann von vorn, oder auch gar nicht!

[...]
Jetzt handelt es sich aber zunächst noch um diesen Pariser Tannhäuser. Was ich in diesem Bezug auf dem Herzen habe, kann ich Ihnen nicht verschweigen. -
Zeigten Sie mir zwar gleich im Beginn an, dass Sie nicht gesonnen wären, Motivirungen Ihrer Auffassung meinerseits anzunehmen, so hoffte ich doch von Ihrer gesunden künstlerischen Empfänglichkeit, zur Verständigung über verschiedene Einzelheiten mit Ihnen zu gelangen. Trotz dem Sie sich in dieser Hinsicht sehr spröde erwiesen, durfte ich doch Hoffnung fassen, im Einzelnen hie und da einen Fingerzeig von Ihnen beachtet zu wissen. Ich ersehe nun, dass Sie, nach einem halbjährigen Zusammenwirken schliesslich einzig es darauf absehen, die von mir Ihrerseits erwartete Leistung ganz und gar auf das Niveau Ihrer bisherigen Leistungen in dieser Rolle zurückzuführen, und es scheint, dass Sie einzig hierin Beruhigung sich verschaffen zu können glauben. Meine warme Anerkennung auch dieser Leistung, soweit ich bisher auf sie schliessen konnte, habe ich Ihnen widerholt herzlich ausgedrückt, und Sie würden mir das höchste Unrecht thun, wenn Sie an der Aufrichtigkeit selbst meiner schmeichelhaftesten Versicherungen im Geringsten zweifeln wollten. Demohngeachtet habe ich erkannt, dass Ihre bisherige Leistung noch keine durchaus vollkommene war: sie war das Product eines immensen Talentes auf der Grundlage einer ersten jugendlichen Conzeption: diesem die Weihe der vollen künstlerischen Reife zu geben, war die Aufgabe, welche Ihnen während des langen Studium's dahier unter Mitwirkung des Autors vorbehalten war. Es war Ihnen vorbehalten, namentlich dem ersten und zweiten Acte noch die durchgängig richtige Auffassung zu geben, an Ihre Gesangsbildung, namentlich wo es auf Weiche ankommt, die vollendende Feile zu legen, und den glänzenden einzelnen Momenten die ergänzende Verbindung zu verschaffen. Ich hoffe, Sie erwidern mir hierauf nicht in dem, gerade Ihnen so übel stehenden Theaterjargon von Effecten und Knallstellen: ich würde Sie darauf gänzlich ohne Antwort lassen müssen. Einigermaassen auf diesen Sinn eingehend, halte ich jetzt aber für nöthig Ihnen Folgendes zu sagen.
Dass es Ihnen möglich war, in Deutschland nur den dritten Act zu geben, deckt ganz von Selbst den schwachen Punkt Ihrer bisherigen Leistung auf. Selbst die allermittelmässigsten Sänger haben mit diesem dritten Akte noch verhältnissmässig zu effectuiren gewusst: das macht sich eben von selbst, wie früher die Wahnsinnsscene des Masaniello, wo auch jeder Tenorist nach etwas aussah. Ich sage dagegen, dass ich Ihnen diesen ganzen dritten Act schenke, wenn Sie mir das Finale des zweiten ordentlich bringen. Hier liegt die dramatische Catastrophe, und hier der Punkt, wo Tannhäuser das höchste Interesse in Anspruch nehmen und behaupten muss: fällt diess weg, so bleibt der glückende 3e Act nur noch ein Comödiantenstückchen, auf das ich gar nichts gebe, - und dann - ist es allerdings ganz richtig, wenn man die beiden ersten Acte sogleich ganz auslässt. Das wollen wir aber hier nicht! Und deswegen bleibe ich dabei: das Finale des II Actes vollständig, und zwar so bedeutend als Sie irgend können! Berufen Sie sich nicht darauf, dass ich die Adagio-Stelle Tichatscheck gestrichen habe: hätte ich Sie damals schon gehabt, so seien Sie versichert, dass ich sie nicht gekürzt hätte. Glauben Sie auch nicht, dass ich Tichatscheck die Stelle genommen hätte, weil sie etwa seine Stimme fatiguirt habe: im Gegentheil, was die blosse Stimme betrifft hätte Tich. mir noch sechs solche Stellen gebracht, denn je mehr und länger er im Zeuge war, desto ergiebiger und ausdauernder ward sein Organ, so dass ich Klagen, wie ich sie jetzt fortwährend von Ihnen, dem wahren Hercules an Kraft und Begabtheit höre, von Seiten Tichatschecks durchaus ungewohnt bin: weshalb ich ihnen denn auch keine rechte Beachtung beimessen kann.
Der Fehler, der damals in Dresden diese so wichtige Stelle verdarb, war folgender: - ein Blick in die Partitur zeigt Ihnen, dass ich mit Tannh. zugleich das ganze Sänger-Ensemble mit fortsingen liess; diess deckte der Maassen, dass das Solo des Tannhäuser wie eine blosse Mittelstimme wirkte, die allerdings vielleicht sich dann noch hervorstechend gezeigt haben würde, wenn Tichatscheck der eigentliche tragische Schmerz im Ausdruck zur Disposition gestanden hätte: dass hier aber seine schwache Seite lag, wissen wir. Auf den glücklichen Einfall, das Ensemble auszulassen, und Tannh. allein singen zu lassen, kam ich damals noch nicht, sondern erst neuerdings bin ich auf diese richtige Wendung verfallen. Damals blieb mir nichts übrig, als die Stelle zu streichen, weil sie - mit dem Ensemblegesang vermischt, unklar blieb, und somit als eine ausdruckslose Länge erschien. Jetzt - wird auch Tichatscheck mit seinen alten Kräften die Stelle (als Solo) wieder singen. - Nun, die Bedeutung dieser Stelle haben Sie sehr wohl erkannt, und wissen nicht nur, welche grosse Wirkung daraus an und für sich zu ziehen ist, sondern auch von welcher Wichtigkeit sie für das ganze Tannhäuser-Interesse ist. Nur für Ihre Stimme sind Sie besorgt, und Ihre Aengstlichkeit vermehrt sich. Diess zu wiederlegen und Sie zu ermuthigen, erzählte ich Ihnen soeben noch einmal den ganzen Vorgang, und den Grund, warum ich sie damals strich, und jetzt sie auch für Tichatscheck wiederherstelle.
Lassen Sie also diese Furcht fahren, und sehen Sie der Sache muthiger in's Auge. Denken Sie nicht an den dritten Act: der ist Ihnen sicher! Denken Sie nur an diess zweite Finale, und werfen Sie sich so ganz mit Leib und Seele hinein, als ob Sie nach diesem Finale nicht eine Note mehr zu singen hätten. Der Gewinn ist dann ein sicherer: im entscheidendsten Punkt der Oper, da - wo Alles aufs Äusserste gesteigert ist, und der geringste Laut mit athemloser Spannung aufgenommen wird, da - hier ist es, wo die Entscheidung des ganzen Abends fällt! Glauben Sie mir, und vertrauen Sie nur diess eine mal noch auf mich! Sie sollen in Ihrem Leben nie wieder von mir hören!! - Haben Sie das »pitié pour moi!« so herausgebracht, wie Sie es schon wiederholt mir zum Angehör gegeben haben, wie Sie's können und sollen, weil Sie's können, nämlich so, dass Einem die Haare zu Berge stehen und Allen das Herz erbebt, so ist Alles, Alles gewonnen, die unmittelbare Wirkung unermesslich, und Alles was folgt ist - Kinderspiel, denn der ungeheure Glaube ist dann da, den Sie selbst mit einem manquirenden Ton im 3en Acte, wenn er eintreten sollte, nicht mehr umzustossen im Stande sind. Lassen Sie aber das Hauptinteresse des zweiten Actschlusses (also in der Catastrophe) für Ihre Person fahren, so wird Ihnen der dritte Act nur noch als eine glänzende Episode angerechnet werden, die Leistung als Ganzes wird - instinctiv - aber als verfehlt gelten. (Erwidern Sie mir nicht mit Ihren bisherigen Erfolgen an den 2en u. 3en Theatern Deutschlands: dass Sie dort eben nur den 3en Act geben konnten, spricht für meine Ansicht!)
Nochmals: - Singen Sie das 2e Finale, als ob Sie den Abend damit enden sollten - und, seien Sie versichert - gerade dann werden Sie erst den dritten Act mir ganz zu Dank singen. Mit einem Worte: Sie sind mir im dritten Acte viel zu frisch, zu sinnlich kräftig, und vergebens habe ich bis jetzt noch auf die Nüançen gewartet, die ich verlange. Ich will in diesem Auftritt keine sensuelle Stimmkraft-Äusserung: Alles in Ihrer Wiedergabe ist noch viel zu materiell. Ich müsste, um mit Ihnen Schritt zu gehen, mein ganzes Orchester bei Ihrem Auftritte um-instrumentiren.
Alles ist hier auf eine gespenstische Tonlosigkeit berechnet, die allmählich sich nur bis zum Ausdruck rührender Weichheit erhebt. Die ganze Erzählung bis zur Ankunft in Rom wird von Ihnen zu sinnlich kräftig gegeben: so erzählt kein so eben vom Wahnsinn zu einer lichten viertel-Stunde erweckter, ein Wesen, dem der Begegnende scheu ausweicht, der seit Monaten kaum Nahrung zu sich nahm, und dessen Leben nur noch durch das Flämmchen einer wahnsinnigen Sehnsucht wach erhalten wird. Der päpstliche Bannspruch hat in Ihrem Munde eine Energie, die allerdings von niederschmetternder Wirkung ist: Sollte diese Energie, ihrem materiellen Gehalte nach, um einiges geschwächt sein, so würde die richtige Wirkung dadurch aber durchaus nicht verloren gehen, sondern, von dem gehörigen rhetorischen Vortrage hauptsächlich gestützt, erst recht noch die geeignete Wirkung machen. Nun, fern von mir sei es, hier gerade etwas anders zu wünschen; nur sagen wollte ich Ihnen, dass Sie um dieser Stelle willen nicht jene im 2en Finale opfern sollen. Und beweisen will ich Ihnen, dass mein Tannhäuser im 3en Acte etwas heiser selbst sein sollte, diess gerade gar kein Unglück sei, während ich es, im richtigen Sinne für ein Unglück halte, wenn Tannh. im 3en Acte durch materielle Hülfsmittel ein Interesse erst wieder herzustellen gezwungen wäre, welches er im entscheidenden 2en Acte verloren haben sollte. - Hören Sie noch was ich Ihnen über diesen dritten Act zu sagen habe. Während Sie alle Ihre früher gewohnten Spielmaniren, wenigstens stellenweise, in den Proben bisher immer stark marcirt, ja meist sogar drastisch ausgeführt haben, bin ich betrübt, Einiges, was ich Ihnen angegeben, noch nie genügend von Ihnen ausgeführt gesehen zu haben. Ich weiss nicht, werden Sie den Auftritt am Stabe so ausführen, wie ich Sie gebeten, oder nicht? Ich wiederhole Ihnen daher nochmals:
führen Sie die Begleitung der Hörner bestimmt und plastisch aus: auf der letzten Note wie zusammenknickend. Ausserdem keinen Schritt. Diess wiederholt sich 4 mal: das letzte mal macht es die grauenhafteste Wirkung, wenn er dann sagt -: »Doch such' ich wen, der mir den Weg zum Venusberg zeige.« Verstehen Sie diess recht! Diess allein giebt Ihnen den ganzen Ton für den Auftritt an. »Schweig' mir von Rom!« nicht grell genug: - den ersten Theil der Erzählung haben Sie zu viel Kraft in der Stimme: nichts anders als rührende Weichheit - ohne alle Bitterkeit. Den zweimaligen Schluss in F-dur verfehlen Sie dadurch dass Sie nicht einen ganz regelmässigen Fall in das Diminuendo - p - etc. ausführen.

»Um die Thräne zu versüssen,
die einst mein Engel mir geweint«

»Um meines Engels Thränen zu versüssen!«

Da Sie so viel auf Effect halten, glauben Sie mir, Sie erzielen diesen hier nur durch das p, durch rührende, schmelzende Weichheit.
Auch die Stelle im 1sten Acte, wo Sie die Phrase des Pilgerchores aufnehmen, ist zu hart, zu unmittelbar expressiv: weicher; zum Schluss wie in Thränen erstickend. -
Sie sehen, mein Freund, ich gebe es noch nicht auf, Sie zu einiger Beachtung meiner Rathschläge zu bewegen. Meine ungeheure Meinung von dem, was Sie leisten, und zu leisten fähig sind, verfolgt Sie, vielleicht bis zur Belästigung für Sie. - Ihre jetzige Aufregung ist mir erklärlich: ohne diese tiefe Erregung, und sogar momentane Entmuthigung - kein rechter Siegeseifer, kein wahres Bewusstsein einer grossen Aufgabe. - Aber hüten wir uns diesen Zustand anhalten zu lassen, ja, ihm die Macht über unsre Kraft zu überlassen. Wer - zum Teufel! soll endlich kühn und wagend sein, wenn nicht Sie, mit einer Ausstattung der Natur, wie ich sie bisher nur geträumt, nicht aber für möglich gehalten habe? Mein Schicksal führt mir Sie zu - und im Momente des Erkennens soll ich Sie durch Einbildungen von Schwäche verlieren? Sie sahen mich bereit Ihnen Opfer zu bringen. Ich bedeute Ihnen mit grosser Zuversicht, Sie thaten Unrecht, den neuen Vers im Sängerkrieg nicht zu wagen: ein grosser Glanz, ein sehr nöthiges Moment geht dadurch verloren. Die Stelle im 2en Finale kann ich aber unmöglich Ihrer momentanen Muthlosigkeit opfern! Auch Ihnen, dem jungen, rüstigen Heros würde es eigenthümlich bedünken, wenn Sie nach Deutschland zurück kehren, und dort vom alten Tichatscheck die Wirkung dieser Stelle erfahren sollten: denn - dieser singt sie jetzt.
Muth, Muth, Freund! Lassen Sie sich nicht von der Weichlichkeit packen, die Ihnen so übel steht! Führen Sie die Stelle in der Generalprobe mit aller Macht aus, und sehen wir dann den Effect auf Ihren dritten Act.
Es ist diess die letzte Bitte, die ich als Autor an Sie ergehen lassen werde. Sie haben mir genug zu verstehen gegeben, und für meine fernere Zukunft - ich gestehe Ihnen diess - mich sehr schmerzlich auf Sie verzichten lassen. -

11 1/2 Uhr.
So weit war ich, als Ihr Brief so eben an mich gelangte.  Ich sehe bis auf welchen Punkt Sie angekommen sind. Sie sprechen gegen mich eine Sprache, die ich wirklich nur verstehe, wenn ich mich in die aller ersten Zeiten meiner mühvollen Laufbahn zurückversetze.
Ich glaube Ihnen aber sagen zu können, dass Sie im Irrthum sind, wenn Sie von einer Blamage sprechen, der Sie sich ausgesetzt haben, und verwundre mich, wer Ihnen Boulevard-Gespräche zu Gehör gebracht haben soll.
Zögernd frage ich mich, ob dieser Brief Ihnen noch etwas taugen, oder ob er nur verschlimmern könne. Ich will jedoch nicht plötzlich von meiner letzten Kunsthoffnung scheiden.
Sie erfahren durch eben diesen Brief, welche ungeheure Meinung ich von Ihnen habe, und dieses sichere Innewerden muss Sie vor einem oberflächlichen Misverständnisse des Geistes, in dem ich mich an Sie wende, bewahren.
In Einem Punkte nehme ich jedoch meine obigen Versicherungen zurück. Ich erkläre mich nämlich bereit, Ihnen die Stelle, um die es sich handelt, zu streichen. -
Gewinnen Sie Ruhe! Schonen Sie sich, und - wenn Ihnen diess möglich sein sollte - gewinnen Sie eine Meinung von mir, die mir künftig etwas mehr Achtung Ihrer Seits zuwendet, als Sie mir in dem Tone Ihrer heutigen Zeilen bezeigen. -
Seien Sie ruhig!
Mit aufrichtigster Anerkennung
Ihr
Rich. Wagner."

Zitatende

[Sämtliche Briefe: Bd. 13: Briefe des Jahres 1861, S. 70. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 16235 (vgl. Wagner-SB Bd. 13, S. 60)]
 


Wagner änderte den ersten Aufzug, die Szene Venus-Tannhäuser wurde erheblich erweitert, er baute ein großes Ballett als Bacchanal in den ersten Aufzug ein.

Am 24. September 1860 begannen die Proben in der Großen Oper in Paris. Doch Wagner erkrankte, musste das Bett hüten, die Proben wurden unterbrochen und erst am 20. November 1860 fortgeführt.
 


Zitat
"Fürst Metternich lud mich eines Tages ein, dem neuen Staatsminister, Grafen Walewsky, von ihm mich vorstellen zu lassen; dies geschah mit einiger Feierlichkeit, welche sich namentlich in der an mich gerichteten sehr persuasiven Rede des Grafen kundgab, als dieser mich davon zu überzeugen suchte, daß man durchaus meine Fortune wünsche und mir den größten Sukzeß zu bereiten gedenke: ich habe dies, so schloß er, in meinen Händen, sobald ich mich dazu entschlösse, dem zweiten Akte meiner Oper ein Ballett einzufügen; es solle sich hierbei nicht etwa um ein geringes handeln: es wurden mir die allerberühmtesten Tänzerinnen von Petersburg und London vorgeschlagen, unter denen ich nur wählen sollte; ihr Engagement sei sofort beschlossen, sobald ich ihrer Mitwirkung meinen Erfolg anvertrauen wollte."
Zitatende
[Richard Wagner: Mein Leben: Dritter Teil: 1850-1861, S. 407. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 32209 (vgl. Wagner-Leben, S. 643

 

Er ließ sich nicht beirren, und warf sich auf die Ausführung der großen und exzentrischen Tanzszenen des ersten Aufzuges.

Die Stimmung verfinsterte sich, die Theaterleitung wollte für das Ballett im ersten Aufzug nicht 'einen Sou' bezahlen. Er musste einsehen, dass das ganze Unternehmen unter keinem guten Stern stand, zumal Niemann, der einen Teil seiner Gage in die Bestechung der Klaque gesteckt hatte, erfuhr, dass dieses Geld verloren sei, denn Wagners Tannhäuser würde in jedem Falle untergehen. Hierauf verfiel Niemann in eine tiefe Depression.

Der belgische Instrumentenbauer Adolphe Sax, der mit der Leitung der Bühnenmusik offiziell betraut war, bot ihm zur Ergänzung des Orchesters sein Saxaphon permanent an.

Der für die Leitung des Orchesters verpflichtete Dirigent war unfähig. Die Sänger wurden zunehmend verunsichert, selbst die armen Mädchen des Balletts fanden den Takt zu ihren trivialen Pas nicht mehr; und so glaubte er endlich mit der Erklärung einschreiten zu müssen, dass die Oper eines anderen Dirigenten bedürfe, sowie dass im Notfall er sich selbst anböte, seine Stelle zu vertreten.

Dies wurde vom Orchester, die ihren Chef verunglimpft sahen, abgelehnt, obwohl sie dessen Schwächen kannten.

Die Presse wütete wegen der Arroganz, so dass der Kaiser der Franzosen eingriff und Wagner aufforderte, derartige Attacken zu unterlassen, es schade ihm selbst im Endeffekt.

Der Erfolg war, dass alles sich gegen ihn verschwor. Die Herrschaften vom Pariser Jockey-Club waren – wie erwartet und Richard Wagner vorausgesagt - anfänglich garnicht anwesend. Die kamen, nachdem sie außer Haus zu Abend gegessen hatten, erst zum zweiten Aufzug, weil sie gewöhnt waren, dass dann ihre 'Mäuse' auftraten und entsprechend bejubelt werden konnten.

Der Skandal war - selbst für Pariser Verhältnisse - enorm, Wagner zog die Partitur zurück.


Zitat
"Die hierbei gewonnenen Eindrücke wirkten auf meine Freunde erschütternd; Bülow umarmte nach der Vorstellung schluchzend Minna; diese selbst war den Beleidigungen ihrer Nachbarn, die sie in der Eigenschaft meiner Frau erkannt hatten, nicht entgangen; unser treues Dienstmädchen, die Schwäbin Therese, war von einem wütenden Tumultuanten verhöhnt worden, da sie aber merkte, daß dieser Deutsch verstand, hatte sie ihn mit einem kräftigen »Schweinhund« für einige Zeit zur Ruhe zu bringen vermocht; Kietz war sprachlos geworden, und Chandons »Fleur du jardin« verkümmerte in der Vorratskammer."

Zitatende
 
[Richard Wagner: Mein Leben: Dritter Teil: 1850-1861, S. 422. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 32224 (vgl. Wagner-Leben, S. 649-650)]

 

Und im Graben stand einer, den der bei der Aufführung anwesende Hans von Bülow als "eines der schäbigsten Rindviehe" bezeichnete, in den ihm umtosenden Geschrei, Geheule und Gepfeife, der die Vorstellung nicht abbrach, das Orchester trotz des Tumultes bis zum letzten Akkord dirigierte.

Sohn Siegfried Wagner bereitete das Werk für die Saison 1930 in Bayreuth vor.
Als er für die zweite Aufführung seines 'Schmied von Marienburg' am 23. Juni 1929 nach Braunschweig reiste, hatte er mit dem Rollenstudium für 'Tannhäuser' begonnen.

 


Zitat
Wir stehen schon mitten in der Arbeit für 1930 und ich hoffe, dass unser Tannhäuser unser Publikum zufriedenstellen wird. Das schwierigste Werk meines Vaters.
Zitatende

Peter Pachl - 'Siegfried Wagner - Genie im Schatten' - 1988 - Langen-Müller-Verlag -
Seite 414


 


Schon 1927 wollte er den Tannhäuser in Bayreuth zeigen, wobei er sich für die Pariser Fassung entschied.

Später äußerte er sich in einem Gespräch, das auch im Rundfunk gesendet wurde, wie folgt:
 


Zitat

"Dieses Werk lag meinem Vater am meisten am Herzen, und er selbst erlebte eigentlich nie eine Aufführung, die ihn ganz befriedigte. Vor allem war für die damaligen Ballettbegriffe das große Bacchanal eine ungelöste Aufgabe. Als er dem Pariser Ballettmeister seine Idee klarlegte, antwortete dieser, er verstehe zwar, was der Meister wolle, aber das sei unmöglich. [...]

Über die neue Fassung des Tannhäuser herrscht merkwürdigerweise auch jetzt noch vielfach Unklarheit. Man nennt die 1. Fassung den deutschen Tannhäuser, die zweite den französischen, und meint Deutscher zu sein, wenn man der ersten Fassung den Vorzug gibt, - und begründet es damit, die 2. Ausgabe sei eine Konzession für Paris.

Wenn ein Mann wie mein Vater überhaupt fähig gewesen wäre, Konzessionen zu machen, um sich beim Publikum und Presse einzuschmeicheln, hätte er doch den dringenden Wunsch des eleganten Logenpublikums erfüllt und im 2. Akt das unumgänglich nötige Ballett eingefügt, ohne das jene nicht leben zu können glauben.

Was meinen Vater zu der zweiten großen Fassung der Venusbergszene bewog, war nicht die Große Oper, sondern die Erkenntnis, daß er damals, als er den Tannhäuser komponierte, für eine Szene wie diese, für eine Heraufbeschwörung der Antike, technisch noch nicht reif war.

Zu dieser Heraufbeschwörung mußte er die Tristantechnik sich erworben haben, Ich möchte sagen, es fehlten auf der Palette die tizianisch-rubensschen Farben. Allerdings kann man mit Recht sagen, dadurch seien gewissermaßen zwei Stile im Tannhäuser vereinigt, der üppige Rubensstil und der strenge Holbeinstil des übrigen Werkes. Doch dies ist zu rechtfertigen aus der Dichtung. Frau Venus und ihr phantastisches Reich will andere Farben als das ruhige, harmlose Wartburgtal, und so ist diese scheinbare Stilverworrenheit aus dem Dichterischen bedingt und gerechtfertigt.

Kleinere Bühnen allerdings, das gebe ich zu, tun leichter, die erste Fassung auszuführen. Denn das große Bacchanal erfordert ein großes Ballett, wie es sich nur die großen Bühnen leisten können.
Und er hatte hinzugefügt: »Was den Grundcharakter unserer Aufführungen anbelangt, so werden wir unseren Grundsätzen treu bleiben. Das Gute aller neuen Errungenschaften haben wir stets berücksichtigt und in Anwendung gebracht.

Für gewisse hypermoderne Moden ist Bayreuth nicht da, das widerspräche dem Stile der Werke, die ja nicht kubistisch-expressionistisch-dadaistisch gedichtet und komponiert sind."


Zitatende

Peter Pachl - 'Siegfried Wagner - Genie im Schatten' - 1988 - Langen-Müller-Verlag - Seite 415

 




 


Bemerkungen zu 'Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg'

oder

'Ringelpiez in Oberfranken'
 


Grundsatzfeststellung

“Die Entwicklung des Theaters nach ’45 meint sich vorwärts gerichtet,
beschäftigt sich aber keineswegs mit der Vertiefung des Verständnisses,
sondern erhebt die Verflachung, die plumpe Oberflächlichkeit und zurzeit nur noch die Gaudi um jeden Preis zur Maxime.

Hauptsache es wird geklatscht und gejohlt,
dann ist für die Theaterleitung die Produktion ein Erfolg.

Damit unterscheidet sich eine Aufführung in Bayreuth nicht von der
an einer Dorfbühne in Intertupfing.


Marie-Louise Gilles

 


Einige
Bemerkungen aus den Medien
 

Zitat

Jenseits von allen Regieeinfällen – manche flüsterten in den Pausen „Mätzchen“ – ist es natürlich kompliziert, wenn man ganz nonchalant beim „Tannhäuser“ komplett auf das religiöse Motiv (nein, die kinoplakative Golgatha-Malerei lassen wir nicht gelten) und eben die Liebe verzichtet. Im ersten, rasanten Akt geht das noch, an seinem Ende und spätestens im zweiten nicht mehr.

Ab da beginnen sich Fragen aufzutürmen, die Kratzer nicht mehr auflösen kann: Warum sind die Pilger die Bayreuther Festspielgesellschaft? Ist das Festspielhaus Rom? Wer erteilt dann Tannhäuser (k)eine Erlösung? Wir alle? Katharina? Richard, er selbst? Was genau will Elisabeth von Tannhäuser? Rache? Liebe jedenfalls ist da nicht.
Über welchen Liebeskitsch aber empört sich Tannhäuser im Sängerkrieg?
Und dann: Was hat Venus auf der Wartburg zu suchen?

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Die Welt - Stand: 09:06 Uhr | Lesedauer: 5 Minuten - Von Peter Huth , Bayreuth
 



Zitat


Buhs gibt es - eher ungewöhnlich - auch für den russischen Star-Dirigenten Waleri Gergijew bei seinem Bayreuth-Debüt. Er hatte das Orchester zuvor sehr zügig, manchmal etwas ungestüm, geführt. Möglich, dass das Bayreuther Publikum ihm auch etwas übel nimmt, dass er sich dem Grünen Hügel in diesem Sommer nicht exklusiv verschrieben hat, sondern auch noch Verdis „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen dirigiert.

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https://www.focus.de/kultur/kunst/premiere-der-festspiele-begeisterter-jubel-wuetende-buhs-bayreuths-neuer-tannhaeuser-eckt-an_id_10963731.html
 

Zitat

Die Story beginnt mit einem Video, Luftaufnahme der Wartburg, dann im Drohnenflug über Thüringens Wälder. Ein alter Citroën-Bus taucht auf, ein Varieté-Theater auf Tour, eine ziemlich bunte Truppe, ziemlich gut drauf. Venus leitet die Companie. Mit an Bord sind eine schwarze, prachtvolle Drag-Queen, ein Kleinwüchsiger mit Trommel und ein trauriger Clown namens Tannhäuser.

Drei Sätze aus den Flugblättern des jungen Richard Wagner haben sie sich auf die Fahnen geschrieben, drei Sätze aus der Zeit, als der Hofkapellmeister ein steckbrieflich gesuchter, anarchistischer Barrikadenkämpfer war:

"Frei im Wollen, frei im Thun, frei im Genießen." Und so leben sie auch, anarchische Spontis, unangepasst, kreativ – aber auch kriminell und gewalttätig: Als ihre Dieberei in einem Burger King auffliegt, fährt Venus einen Polizisten um, der sich ihrem Bus in den Weg stellt.

Das alles passiert während der Ouvertüre. Und in rasantem Tempo geht's weiter: Tannhäuser will dieses Leben nicht mehr mitmachen. Schließlich war er früher mal ernsthafter Künstler, sogar Wagner-Tenor. Also sagt er sich von Venus und ihrer Sponti-Truppe los. Der Pilgerchor, als exakte Kopie des Festspielpublikums, führt ihn nach Bayreuth auf den Grünen Hügel. Tannhäusers Sängerkollegen überreden ihn, wieder bei der Hochkultur mitzumachen.

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26.07.2019 von Bernhard Neuhoff in BR-Klassik

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Jürgen Liebing erklärt nach der Premiere im Deutschlandfunk Kultur, dass er eher zu den Kritikern dieser Aufführung gehöre.

In dieser Inszenierung wird das Festspielhaus selbst zur Wartburg, wie Liebing berichtet. Und der Zwerg Oskar Matzerath aus dem Roman „Die Blechtrommel“ von Günter Grass entert gemeinsam mit einer Drag-Queen dieses Festspielhaus – und am Ende stürmt sogar die Polizei die Bühne, sprich das Festspielhaus, sprich die Wartburg. Dabei wird viel mit Videos gearbeitet. Dazu erklärt Jürgen Liebing: „Es ist ein bisschen trashig.“

Und gerade diese Präsenz der Videoprojektionen stellt für unseren Kritiker einen weiteren Minuspunkt dar. Es mache ihn einfach misstrauisch, wenn nicht auf die Kraft der Musik und auf die Mittel der Oper vertraut und stattdessen mit Videos gearbeitet werde, sagt Jürgen Liebing.

Dabei beschreibt er Situationen, in denen das Publikum die Musik verlacht hat. Selten habe er so oft Gelächter gehört wie in dieser Aufführung – und das in eigentlich unpassenden, melancholischen Momenten. Das habe ihn sehr gestört, sehr geärgert.

Die Gesangsleistungen der vier Protagonisten hingegen waren alle wunderbar, wie Liebing berichtet, „aber das größte Problem bei dieser Aufführung ist der Orchestergraben“. Dirigent Waleri Gergijew wisse gar nichts mit „Tannhäuser“ anzufangen, eine Darbietung ohne jeglichen Esprit.

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Deutschlandfunk - Fazit | Beitrag vom 25.07.2019
 


Zitat
Bayreuther Festspiele

Wagner-Klamauk, der kaum berührt:
Tannhäuser als Horrorclown

Die Selbstbespiegelung des wagnerianischen Festspielwesens bleibt Fragment. Denn der Kastenwagen strandet auf einem Autofriedhof.
Le Gateau Chocolat verrät die Revolution und macht als Luxusdesigner Karriere. Er ist der einzige, der es schafft. Elisabeth gibt sich dem als Clown verkleideten Wolfram hin und begeht Selbstmord, während Venus ewig jung, ewig unverdrossen weiter Plakate klebt und Tannhäuser sich in seine Romerzählung versenkt. Bei allem Klamauk hatte man ja fast vergessen, dass die Geschichte nicht gut ausgeht.

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https://www.abendblatt.de/kultur-live/kritiken/article226592975/Tannhaeuser-als-Horrorclown-Wagner-Klamauk-der-kaum-beruehrt.html
 



 

Zittat

Tannhäuser wird von Ronald McDonald zum Horrorclown

Die Lusthölle der Venus ist ein alter Citroën-Kastenwagen, mit dem ein politisches Kleinkunstkollektiv dank der Videokunst von Manuel Braun über die Lande fährt, um im Sinne von Ahnvater Richard Wagner für die Freiheit von Denken, Handeln und Genießen zu agitieren, ein Reiseabenteuer, ein unendlicher Kreativtrip.

Venus sitzt am Steuer, Tannhäuser ist der Ronald McDonald der Truppe, aber für die früheren Kollegen von der Wartburg wird er zum Horrorclown. Zum Venus-Team gehören die Drag-Queen Le Gateau Chocolat und der kleine Trommler Oskar (Manni Laudenbach). Bereits das inszenierte Vorspiel endet in einer Katastrophe. Beim Versuch, in einer Hamburger-Filiale die Zeche zu prellen, überfährt Venus einen Wachmann.

[…]

Vielleicht liegt die fehlende Tiefenschärfe aber auch am Dirigat. Der vielbeschäftigte berühmte Maestro Valery Gergiev absolviert sein Bayreuth-Debüt erstaunlich routiniert. Geheimnisse, Untiefen darf man hier nicht erwarten, auch keine rauschhaften, pulsierenden Steigerungen. Man würde ja denken, ein Dirigent vom Kaliber eines Gergiev käme den Ultra-Wagnerianern gelegen, doch die buhen ihn nach Kräften aus.

Monika Willer

26.07.2019 - 10:41 Uhr

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https://www.wp.de/region/sauer-und-siegerland/bayreuther-festspiele/tannhaeuser-die-lusthoelle-der-venus-ist-ein-alter-citroen-id226593115.html
 



 

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«Schande»: Travestiekünstler kritisiert Bayreuther Publikum


Einen Tag nach der geglückten «Tannhäuser»-Premiere bei den Bayreuther Festspielen geht der schwarze Travestiekünstier «Le Gateau Chocolat» mit dem Publikum ins Gericht. «Dass ich der EINZIGE Charakter war; Le Gateau Chocolat als Le Gateau Chocolat (keine Sprech- oder Singrolle), der auf dieser Bühne ausgebuht wurde, sagt viel darüber aus, wer ihr (immer noch) seid», schrieb er am Freitag auf Englisch auf Twitter und Facebook. Dem Regie-Team sei es wichtig gewesen, die «queere Identität» des Künstlers zu bewahren und zu zeigen. Es sei eine Identität, die «offensichtlich vielen von Euch fremd ist».

Er erinnerte in seinem Post an Grace Bumbry, die «schwarze Venus». Die schwarze Opernsängerin stand 1961 in Bayreuth auf der Bühne. «Ich stand gestern nacht auf ihren Schultern», schrieb der Künstler auf Facebook. «Um stolz das weiterzutragen, was wirklich keine Provokation sein sollte.» Er richtete seinen Post an das «liebe Bayreuth» und fragte zum Schluss: «Die Frage ist also, «Pilger», was genau buht Ihr da aus? Welch elende Schande. »
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https://www.frankenpost.de/region/feuilleton/Elende-Schande-Travestiekuenstler-kritisiert-Bayreuther-Publikum;art6787,6831259,E::Nachrichten;pic64598,6275680

 

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Tannhäuser: Bayreuth wird Gayreuth
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https://www.neuepresse.de/Nachrichten/Kultur[EJebersicht/Tannhaeuser-BayreutherFestsojele-Premjere

 

Zitat

"Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen: Selten so gelacht!


Weniger beglückend das Bayreuth-Debüt von Valery Gergiev - aktuell Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Er hat meines Erachtens in dem akustisch so heiklen Orchestergraben einfach zu wenig an Details gearbeitet, weshalb es mehrfach zu Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Graben kam: Er scheiterte sozusagen an den spezifischen Anforderungen des Ortes und kassierte völlig zurecht kräftige Buhs. Das Bayreuther Festspielorchester schlug sich (zumal bei der Hitze) heldenhaft in dem versenkten und überdeckten Orchestergraben, während der Mann am Pult definitiv kein klares Konzept hatte.

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https://www.mdr.de/kultur/tannhaeuser-bavreuther-festspiele-100.html

 

 


20. Juli 2019

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Katharina Wagner: 

„Wie man es macht, ist es falsch“

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Empfehlung:

Wenn man es nicht kann, soll man es lassen!

 


 


 

Letzte Meldungen

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12.07.2019
Der frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin sieht sich nicht als Wegbereiter der AfD-Wahlerfolge.

Dem Magazin „Cicero“ sagte Sarrazin, er habe in seinen Büchern wichtige gesellschaftliche Fragen aufgegriffen. Hätte sich die SPD damals auch um diese Fragen gekümmert, dann wäre sie noch immer die größte Arbeiterpartei. Zur Gründung der AfD wäre es wahrscheinlich gar nicht gekommen, meinte er.
[…]
Gleichzeitig stellte er sich in die Tradition der sozialdemokratischen Kanzler Brandt und Schmidt. Sarrazin betonte, als er 1973 in die SPD eingetreten sei, habe die Regierung Brandt einen generellen Gastarbeiter-Zuzugsstopp beschlossen. Schmidt wiederum habe in seinen Büchern vor kulturfremder Masseneinwanderung aus dem islamischen Raum gewarnt.
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Nach Urteil des Schiedsgerichts
5 Gründe, warum die SPD Sarrazin nicht ausschließen sollte

Soll die SPD sich zu allem anderen jetzt auch noch eine neue Sarrazin-Diskussion ans Bein binden? Das würde der Partei inhaltlich kein bisschen weiterhelfen, meint Arno Orzessek. Zudem sei Sarrazins Position zwar angreifbar, aber nicht verfassungswidrig.


Erstens...

... steckt die SPD in Richtungskämpfen. Sie hat genug damit zu tun, zu sich selbst zu finden und politische Konzepte zu entwickeln, die ihre Zukunft sichern. Der Ausschluss von Thilo Sarrazin bringt sie inhaltlich in keinem Punkt weiter.


Zweitens...
... sind Sarrazins Thesen zum Islam und zu den Muslimen provokant und angreifbar, aber nicht verfassungswidrig. Sarrazin als indiskutablen Rassisten auszuschließen, verengt den Blick für manche Probleme. Denn Argumente, die nach Sarrazin riechen, werden umso stärker tabuisiert.


Drittens...
... ist Sarrazin überall als das schwarze Schaf unter den Sozialdemokraten berühmt. Und daran ändert sich auch nichts mehr, ob Sarrazin nun Mitglied oder Ex-Mitglied der SPD ist. Etwaige Image-Schäden lassen sich durch Ausschluss im dritten Anlauf nicht mehr reparieren.


Viertens...
...will der Trotzkopf Sarrazin gegen den Ausschluss Berufung einlegen und im Zweifel das Bundesverfassungsgericht anrufen. Es wäre, Sarrazin hat selbst nachgezählt, ein Gang durch sechs Instanzen. Die SPD bekäme jahrelang
eine Publicity, die auf Wähler wenig anziehend wirkt.


Fünftens...
...kann die SPD den Zahlenfetischisten Sarrazin gut gebrauchen: Er kann ausrechnen, wie lange die Partei überlebt, falls es weiter so bergab geht wie zuletzt. Sollte die Spanne kürzer sein als Sarrazins geplanter Gang durch die Instanzen, bleibt sowieso nur der gemeinsame Untergang. Wozu dann noch Ausschluss?
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https://www.deutschlandfunk.de/sarrazin-spd-koennte-mit-meinen-thesen-noch-immer-groesste.1939.de.html?drn:news_id=1027035

 





Schlussbemerkung

Diese Mitteilung, die Nr. 26, ist recht politisch geraten und das kann uns nicht wundern in Anbetracht der zu lösenden Probleme:

- Klimawandel
- Gewässerverschmutzung, Luftverschmutzung, Tierquälerei
- Überbevölkerung
- Flüchtlingselend
- Bildungsnotstand
- Verrohung
- Kriege
- religiöser Fanatismus
- Korruption

Noch gibt es in Deutschland friedliche Gegenden, wo wir in Wohlstand leben und uns an unserer reichen Musikkultur erfreuen können.

Klassische Orchesterkonzerte und Kammermusik sind gut besucht, oft ausverkauft.
Berühmte Instrumentalisten, aber auch der aufstrebende Nachwuchs werden gefördert und ihnen wird applaudiert.

Jedes Schloss, jeder Klosterhof und manch ländliche Scheune hat ihr Festival.

Opern open air - wie im Park hinter dem Rathaus in Hannover.
Binnen Stunden sind die Plätze verkauft und tausende lauschen auf Decken und
Kissen.

Auf der Bühne ein Minimum an Ausstattung.
Ein Sessel, ein Tisch - eine Marienfigur.

Und in den festen Opernhäusern ein Bombast an dreidimensionalen Bühnenaufbauten, die in den meisten Fällen nichts mit dem Stück zu tun haben, für deren Installation die Häuser aber tagelang geschlossen werden müssen.

In Vorführungen von Performances – nicht mehr nur mehr der alternativen Szene – werden Werke der Klassik in ’neuen’ Theaterformen versucht.

Hier baut man auf ein unbedarftes Publikum, das die Stücke nicht kennt und dem man jeden Schmarrn vorsetzen kann.

Siehe Hannover mit
'Freischütz', 'Aida', Verkaufte Braut' und jetzt in Bayreuth der 'Tannhäuser'.

Schlimm wird es aber, wenn klassische Werke angeblich neu interpretiert - in Wirklichkeit - verfälscht - werden, man das Publikum betrügt, bis es nicht mehr ins Theater geht.
Die Kosten der leeren Häuser aber zu Lasten der Steuerzahler weiterlaufen.

Natürlich soll die Kunst frei sein, aber im Artikel fünf setzt das kluge deutsche Grundgesetz über das Recht der Meinungsäußerung, Medienfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit durch Absatz 2 Grenzen, die von Intendanten und Regisseuren viel zu oft verletzt werden, wenn heißt:

'Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetzte, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.'

Eine Inszenierung ist nun mal eine Meinungsäußerung des Regisseurs und der Theaterleitung.

Sie fällt damit unter das Recht der freien Meinung, wenn sie nicht gegen sonstige Bestimmungen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung verstößt.

ML Gilles

 

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