Oberpf. Metropol-Theater Regensburg
Bemerkungen
zu
'Turandot'
B-Première
29.09.2011
'Höre,
o Volk von Peking'
Announcement Theater-Regensburg
Lyrisches Drama in drei Akten
Dichtung von Giuseppe Adami und Renato Simoni
Musik von Giacomo Puccini (1813 -1883)
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
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Musikalische Leitung: Tetsuro Ban
Inszenierung: Wolfgang Quetes
Bühne: Heinz Balthes
Kostüme: Manuel Vazquez
Ausstattungskoordinator: Manfred Kaderk
Die
schöne Prinzessin Turandot will nicht heiraten. Um sich den Männern zu
entziehen, hat sie ein grausames Gesetz erlassen: Jeder Freier, der um
sie wirbt, muss drei Rätsel lösen. Gelingt ihm dies nicht, muss er
sterben. So rächt sie sich für eine Vergewaltigung, die ihrer Vorfahrin
widerfahren ist, am ganzen männlichen Geschlecht. Als der fremde Prinz
Kalaf die Prinzessin erblickt, ist er so verzaubert von ihrer
Schönheit, dass ihn nichts davon abhalten kann, sich ebenfalls als
Bewerber vorzustellen. Zu Turandots Entsetzen kann er die Rätsel lösen.
Kalaf will sie jedoch nicht zur Heirat zwingen. Er will ihre Liebe
gewinnen. Nun ist es an ihm, ihr eine Rätselfrage aufzugeben: Wenn
Turandot bis zum nächsten Morgen seinen Namen erfahren hat, sei er
bereit zu sterben. Mit all ihrer Macht und Gewalt versucht Turandot den
Namen des Fremden herauszufinden. Schließlich schleppt ihre Wache die
Sklavin Liù herbei, die den Prinzen Kalaf liebt, seit er ihr einmal in
vergangenen Zeiten zugelächelt hat. Liù stellt sich der Prinzessin
entgegen. Sie sei die einzige, die den Namen des Fremden kenne.
Weder Folter noch Tod würden sie zwingen können, ihn preiszugeben. Auch
Turandot werde diese Kraft der Liebe kennenlernen. Mit dieser
Prophezeiung auf den Lippen ersticht sie sich. Und Liù wird Recht
behalten …
Giacomo Puccinis letzte und unvollendete Oper
aus dem Jahr 1924 geht in jeder Beziehung über ihre Vorgängerinnen
hinaus: Die exotische Szenerie Pekings regte den Komponisten zu seinem
üppigsten Klangfarbentableau an, in das er avancierte kompositorische
Mittel, wie Pentatonik, Bitonalität und rhythmische Verschiebungen,
einsetzte. Turandot ist eine faszinierende und für Puccini einmalige
Frauenfigur. Ihre Geschichte geht zurück auf die persische
Märchensammlung „1001 Tag“. Puccini lernte das Märchen 1911 in
Schillers dramatischer Fassung nach Gozzis „tragikomischer chinesischer
Fabel“ in Berlin kennen.
Besetzung
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Turandot,
eine chinesische Prinzessin |
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Maida Hundeling /
Antonia Cifrone |
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Altoum, Kaiser von China |
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Berthold Gronwald |
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Timur,
entthronter König der Tataren |
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Sung-Heon Ha / Ruben Gerson |
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Kalaf, sein Sohn |
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Stefano la Colla / Enrico Lee |
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Liù, eine Sklavin |
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Elvira Hasanagic /
Theodora Varga |
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Ping, Kanzler |
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Seymur Karimov |
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Pang, Marschall |
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Cameron Becker |
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Pong, Küchenmeister |
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Michael Berner |
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Ein Mandarin |
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Adam Kruzel |
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Opernchor, Kinderchor |
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'Schleifet das Messer!
Zwischen 1710 und 1712 erscheint in Frankreich ein fünfbändiges Werk
'Les Mille et un jours' ('1000 und ein 1 Tag'),
eine
Übersetzung orientalischer Märchen unter anderem das von der grausamen
Prinzessin Turandocte, die Francois Petis de la Croix verfasste, der
lange im Orient lebte, Dokumente sammelte, die er später als Dozent auf
einem Lehrstuhl für Arabische Sprache des Collège Royal de France in
umfangreichen Schriften herausbrachte.
Carlo Gozzi war ein italienischer Theaterdichter des mittleren und
ausgehenden 18. Jahrhunderts, der in Widerstreit zu Goldoni geriet.
Dieser löste seine Figuren aus dem Stehgreifspiel der Commedia
dell'arte des Carlo Gozzi heraus und gab ihnen feststehende Texte.
Goldoni wollte die Wirklichkeit zeigen, die Bürger mit ihren täglichen
Schwierigkeiten und nicht wie Gozzi nur die oberen Herrschaften
karikieren - die Französischen Revolution zeichnete sich auch bei
Goldoni ab wie in den Stücken von Beaumarchais mit seinem Figaro.
Aus dem Jahr 1762 stammt Gozzis fünfaktige 'Turandot', die ohne
Bühnentechnik und Zauberspiele wie in seinen anderen Stücke verwendet,
auskommt, verzichtet aber nicht auf die typischen Figuren der
italienischen Komödie wie Brighella, Truffaldino, Pantalone, denen auch
ein ortsgebundener Dialekt, typisch für die Commedia dell'Arte,
beigegeben wurde.
Die Ausgangsposition ist der grundsätzliche Männerhass der Turandot,
wobei sie sich eines positiven Gefühls schon beim ersten
Gegenübertreten mit dem Freier nicht erwehren kann.
Turandot
Doch fühl ich Abscheu vor dem männlichen Geschlecht,
So tiefen Abscheu, daß ich mich verteid'gen muß,
So wie ich kann und weiß, um immer fern zu bleiben'
Von diesem hassenswürdigen Geschlecht,
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und wenig später
Turandot
(verwirrt, für sich)
Hat dieser Mann allein
Die Kraft, in meinem Herzen Mitleid zu erwecken?
[...]
O quäl mich nicht ... weißt du .... ach,
schämen muss ich mich,
Es zu gestehn ... er hat in meiner Brust Gefühle,
Mir unbekannte, aufgeweckt ... bald heiß .....
bald kalt ...
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Kalaf findet
auf die Fragen schnell
die Lösungsworte : Die Sonne, Das Jahr, Das Grab
Turandot will am nächsten Tag noch weitere drei Fragen stellen, wird
aber vom Kaiser in ihre Schranken gewiesen, da das Gesetz erfüllt sei.
Nun stellt Kalaf seine Frage, er will von der Prinzessin wissen sie sein und seines Vaters Name ist.
Turandot erkennt, verloren zu haben, sie kennt nur die Rache
Das Herz in frohe Sicherheit und Ruh' zu wiegen
Und dich danach mit unerwartet jähem Schlag
Aus aller Freundlichkeit in alle Qual zu stürzen.
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Doch sie hat die Namen erfahren: Kalaf und Timur, zeigt sich aber einsichtig - und gibt nach
So bitte ich den Himmel um Vergebung, daß ich
Das männliche Geschlecht bis heute so beharrlich
Gehaßt und solche Grausamkeit an ihm verübt.
Du liebes Volk der Männer - hör: ich bin euch gut,
Euch allen bin ich gut. Und weil ich reuig bin,
Sollt ihr ein Zeichen der Vergebung mir nicht weigern!
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Anfänglich
mit großem Erfolg gespielt, geriet Gozzi in Vergessenheit, bis die
beginnende Romantik sich seiner erinnerte. Schon 1779 erschien eine
deutsche Übersetzung seiner Turandot - Ferdinand Raimund übernahm für
seinen 'Alpenkönig und Menschenfeind' die zauberbetonten Züge aus
Gozzis Vorlagen. Die Restauration nach dem Wiener Kongress von
1815 unterstützte diese Rückwendung zu alten Überlieferungen und Werten
als Basis für Theaterstücke, da zeitgenössische Themen der Zensur zum
Opfer fielen.
1802 zeigte Weimar die Turandot-Fassung Schillers, der sich auf die
frühe Übersetzung von 1779 stützte.
Er sieht die Frau als veräußerbares Ding - sie soll verheiratet werden,
widersetzt sich aber insoweit, als derjenige, der um sie wirbt, eine
Prüfung bestehen muss. Es ist bei Schiller zumindest so, dass der Frau
ein gewisses Recht auf Eigenbestimmung eingeräumt wird und nicht wie im
18. und 19. Jahrhundert - also zu seiner Zeit - die Frau in eine Ehe
abgegeben wurde - Vormundschaft ging vom Vater oder Bruder auf den
neuen Ehemann über - oder als alte Jungfer endete.
Kalaf löst die Rätsel, die Antworten lauten bei Schiller:
Das Jahr, Das Auge, Der Pflug.
Schillers 'Turandot'
spielte
das
ETA Hoffmann-Theater in Bamberg mit der Premiere am 9. April 2005 in
der Inszenierung von Heidi Mottl, das Staatstheater Darmstadt am 24.
September 2005 in der Regie von Axel Richter - man wollte auf das Stück
nicht verzichten.
Warum zögert der Mond?
Erst einhundert Jahre nach 1802 nahm sich ein deutscher 'Allrounder'
des Themas an - Karl Gustav Vollmoeller,
der sein 'Mirakel' mit Reinhardt als Regisseur verfilmte, der
beim 'Blauen Engel' beratend mitwirkte, der als Übersetzer, Dramatiker,
Coach hervortrat und nach Schiller eine eigene Fassung der 'Turandot'
schrieb, die 1913 in London und 1926 in Salzburg gezeigt wurde. die
begleitende Musik schrieb Furrucio Busoni, der dann das Sujet für eine
eigene Oper mit eigenem Text verwendete.
Am 19. August 1966 sendete das dritte Programm der BBC eine Aufnahme
von Busonis Oper 'Turandot' mit Pauline Tinsley in der Titelrolle. Alan
Blyth schrieb damals: 'Pauline Tinsley was a rich-voiced heroine'.
Frau Tinsley ist später international als Strauss'sche 'Elektra'
hervorgetreten und sang 1994 in der eindrucksvollen
Saskia-Kuhlmann-Inszenierung die Küsterin in Janaceks 'Jenufa' am
Oberpf. Metropol-Theater Regensburg. Laca war der damals gerade
aufkommende Christian Frantz, der in der Willy-
Decker-Inszenierung der diesjährigen Ruhrtriennale den Tristan sang.
Noch immer am Markt ist eine CD-Einspielung von Busonis 'Turandot'
zusammen mit seinem 'Arlecchino', die 1993 bei Virgin
Virgin Classics
herauskam - Opéra de Lyon - Dirigent Kent Nagano - mit Gabriele Sima und Falk Struckmann.
Die Titelrolle sang die Gattin des derzeitigen Regensburger Theaterdirektors, Mechthild Gessendorf.
Ernst Theo Richter (Arlecchino*)
Thomas Mohr (del Sarto*)
Wolfgang Holzmair (Cospicuo*, Tartagilia)
Stefan Dahlberg (Leandro*, Kalaf)
Mechthild Gessendorf (Turandot)
Franz-Joseph Selig (Altoum), and others
Orchestra & Chorus of l'Opéra de Lyon/Kent Nagano
Virgin Classics 7593132 2CDs
Fern in Honan steht mein Haus
Das Thema 'Turandot' beschäftigte auch Wolfgang Hildesheimer, der ein
Hörspiel schrieb, das am 29. Januar 1954 und am 28. Juli 1955 vom
Nordwestdeutschen Rundfunk Hamburg und ein Jahr später am 10. Oktober
1954 wie auch am 23. März 1955 vom Süddeutschen Rundfunk gesendet wurde.
Im Hamburg führte Gert Westphal Regie, die Musik stammte von Johannes
Aschenbrenner, in Stuttgart inszenierte Otto Kurth, die Musik
komponierte Rolf Unkel.
Hildesheimer verwendet die Titelfigur sowie deren Vater, setzt zwei
Sklavinnen und zwei Prinzen - einen echten einen falschen Prinzen von
Astrachan und einen Kanzler hinzu.
Turandot gibt hier keine Rätsel auf, sondern verwickelt die Bewerber in
Gespräche - sie siegte bisher - 19 tote Freier sind die Folge.
Der falsche Prinz - ein Abenteuer -
hier unterliegt sie im Dialog, geht auf das Volk zu und mischt sich mit ihm unter die Menschen.
Wohlan du todestrunkener Fremdling!
Im Sommer 1953 schrieb Bertold Brecht an einem Drama unter dem Titel:
'Turandot oder Der Kongress der Weißwäscher'.
In seinem Arbeitsjournal verzeichnet er am 20. 8.53:
buckow. TURANDOT. daneben die BUCKOWER ELEGIEN. der 17.juni hat die ganze existenz verfremdet.
am 12.9.53
'erkältet
allein zurück in buckow, da weißenseer haus halbleer und unheizbar,
gehe TURANDOT durch, skizziere chronik für courageaufführung kopenhagen'
und tags drauf , am 13.9.53
'wenn
ich mir TURANDOT jetzt ansehe - sie steht recht außerhalb der deutschen
literatur und wirkt, wie alleinstehende personen oft, unsolide. wäre
ich im ganzen ein komödienschreiber, was ich beinahe bin, aber eben nur
beinahe, dann stünde um solch ein Werk wenigstens die verwandtschaft,
und der clan könnte sich behaupten. mit der 'botschaft' deswerks
steht es auch nicht einfach, es ist ein wenig wie mit dem GEIZIGEN
molières in dieser hinsicht, er verspottet den geiz zu einer zeit, wo
das bürgertum das geld produktiv zu nutzen versteht, neuerdings. [...]'
Brecht bringt die Geschichte der 'Turandot' in Verbindung zu den
Vorgängen in der Weimarer Republik, die letztlich die Machtergreifung
Hitlers ermöglichten.
Dass er sich einmal mit 'Turandot' befassen würde, hatte er sich
bereits in den 30-er Jahren vorgenommen.
Er wollte nach der Vorlage des Gozzi-Stückes eine Fassung schreiben, in
der Carola Neher die Titelrolle übernehmen sollte, nachdem 1922 eine
'Turandot'-Produktion von Jewgeni Wachtangowa großes Aufsehen erregte.
Bei Brecht bleibt allerdings von der Gozzi-Vorlage und dem Märchen aus
1001 Nacht nicht mehr viel übrig. Erstellt eine Hitler-Figur - eine
Mischung aus Mackie Messer und Arturo Ui - im Stück heraus, die vom
Kaiser zum Kanzler ernannt wird.
Die Ähnlichkeit mit Hitler und Hindenburg ist unverkennbar.
In diesem Schlosse, vor vielen tausend Jahren
Wie sehr die 'Turandot' die literarische und musikalische Welt
interessierte, zeigt auch die Beschäftigung von Ferdinand Heinrich
Thieriot mit seiner Ouvertüre zu Friedrich Schillers 'Turandot' op. 43
wie auch der Schauspielmusik zu Schillers 'Turandot' von Carl Maria von
Weber oder die Oper von Kii-Ming Lo 'Turandot auf der Opernbühne' sowie
ein Singspiel in zwei Akten von Franz Danzi von 1816.
Puccini meinte, aus Charles Dickens' Roman 'Oliver Twist' die Fanny
bearbeiten zu sollen, deren Dramatisierung von Herbert Beerbohm-Tree er
in London 1919 in London gesehen hatte. Adami und Simoni begannen mit
der Arbeit, aber Puccini gefiel nicht, was die beiden ablieferten.
Man dachte an 'Cagliostro' - Lortzing hatte sich schon dafür interessiert.
Giovacchino Forzano, dessen Schauspiel 'Chrstopher Sly' gerade
uraufgeführt wurde, bedrängte Puccini, sein Werk zu vertonen - Puccini
wollte nicht, dafür komponierte Ermanno Wolf-Ferrari die Oper, die dann
später unter dem Titel 'Sly' - oder der wiedererweckte Schläfer' 1927
in Mailand zum ersten Mal herauskam.
Wie
sehr der eine auf den anderen wirkte, lässt sich auch daran
feststellen, dass Puccini Vollmoellers 'Turandot' von 1911 kennen
lernte und sich von dem Werk inspirieren ließ.
Er kam 1920 mit Adami und Simoni zusammen und man besprach die weitere
Vorgehensweise - Puccini studierte in Verbindung mit der Vorlage
fern-östliche Musik, was für ihn schon im Zusammenhang mit der 'Butterfly' ergeben hatte.
Gegenüber der Vorlage Gozzis werden bei Puccini die Commedia
Dell'Arte-Figuren eliminiert und durch die Minister Ping, Pang und Pong
ersetzt.
Aber es gab auch schon die Oper 'Turanda', von Puccinis Lehrer Arturo
Bazzini verfasst, die aber wenig Erfolg hatte.
Puccini störte weder Carl Maria von Weber, noch Busoni, noch Bazzini -
er hatte Gefallen gefunden an der sich ergebenden Läuterung der
Titelheldin und am Opfertod der der Liu - einer Figur, die ganz in das
Schema Puccinis wie Mimi und Butterfly passte.
Er hielt sich an Schiller, der ihm ja als Stoffgeber bei Verdi bekannt war.
Wohlan, so höre!
Das
Publikum sieht beim Aufgehen des Vorhangs einen weiß ausgelegten Raum -
Wände, Boden einheitlich - seitlich mannshohe Öffnungen in den Wänden,
ein quer über die Bühne gespanntes Seil trägt einen durchsichtigen
Schleier, der - wie man später sieht - heftig zum Mitspielen verwendet
wird.
In einer 'modischen
Inszenierung' ließe sich der Raum als ein Vorzimmer, als eine Vip -
Lounge auf einem Flughafen definieren, denn im zweiten Akt ist eine
Boeing 727 gelandet, wurde auf dem Vorfeld geparkt und durch die
hintere bordeigene Treppe entsteigt dem Flugzeug zuerst der Kaiser von
China und danach seine Tochter Turandot.

Es wird nämlich aus dem Schnürboden eine Treppe heruntergelassen, die eben dieser Konstruktion der B 727 ähnelt.
Bliebe man dabei, stimmte aber der Text nicht, denn seit einiger Zeit
gibt es in China kein Kaisersystem mehr.
So abstrahiert man hier, zeigt einen schmucklosen Raum, der
Zeremonienmeister, sprich Protokollführer, sprich Mandarin tritt
mit sonor klingendem Bass-Bariton singend
durch den Schleier-Vorhang und teilt mit, was in der Satzung steht: Turandot die Reine heiratet den Mann,
der die drei Rätsel löst, die ihm aufgibt.
Doch wer diese Probe sucht und nicht besteht besteht,
der soll fallen durch die Hand des Henkers.
Body Guards mit Schlagstöcken, sie halten den herbeiströmenden Chor in Schach.
Auch Timur, Bass und Liu, lyrischer Sopran wurden zu Boden geschlagen -
keiner hilft - doch da erscheint ein Mann, der mit tenoralem Schmelz
von sich gibt
Vater, mein Vater!
womit er den auf dem Boden liegenden, schön singenden, Bassisten meint.
Aus der Seite schreiten Vermummte, auf die vom Chor hingewiesen wird
Seht die Knechte des Henkers!
Timur berichtet, dass Liu sich rührend um ihn, den
König ohne Thron und Land
gekümmert habe.
Da tritt nach vorne ein muskelbewehrter Mann, in der Hand ein Beil, die
Menge fordert, sich im Kreis bewegend - gelegentlich musikalisch
schleppend, da man in Bezug auf das Tempo anderer Meinung ist, als der
Dirigent.
Schleifet das Messer!
denn immer wieder kommen Männer, die um die Prinzessin werben und somit
Nimmer mangelt es an Arbeit
bei Prinzessin Turandot!
Die Aufpasser gehen ab, da die Stimmung sich beruhigt und die Menge fragt nach vorne kommend
Warum zögert der Mond?
Da,
sehet den Schimmer sich mehren
pünktlich erscheint auf der rückwärtigen Projektionsfläche ein strahlender Vollkreis
Der Mond geht auf!
Der Henker schreitet forsch weit nach vorn, als habe er es auf den Dirigenten
abgesehen
-
doch, nein: Tetsuro Ban ist von 'Jensilein' verlängert worden, also
bitte Rücksicht, der Mann wird zum Taktschlagen auch ab 2012 gebraucht
- der Kinderchor singt dann, dass auf den Bergen im Ost der Kranich
sein Weh klagt.
Die Menge des
Volkes zieht sich in den Hintergrund der Bühne zurück, macht Platz für
das Vorbeiführen des neuesten Delinquenten, in reduziertem Licht
der schönen Prinz von Persien, der konnte die Rätsel nicht raten, drum muss er ohne Zögern bei Mondesaufgang sterben.
Rechtzeitig
vor ihrem Einsatz sind vom rechts Timur, Liu und Kalaf wieder
aufgetreten und bewundern eine vom Schnürboden herabgelassene
Glasscheibe, auf die die Silhouette eines Frauenkopfes gezeichnet ist.
Enthusiasmiert singt Kalaf
O du göttliches Wesen
Du Schönheit!
Du hehres Wunder!
Der Chor geht ab.
Kalaf will unbedingt um Turandot werben - Vater Timur ist entsetzt,
aber was soll er machen. Der Sohn, zudem noch Tenor, ist 'fallen in
love.' Der ist so aufgeregt, dass die Stimmführung leidet, allerdings
hat der Gute in den letzen paar Jahren so viele Partien gesungen, die
über seine Möglichkeiten gehen - außerdem, was soll's, es laufen so
viele unbeschäftigte Tenöre herum, sagt einer ab, steht an der nächsten
Ecke schon ein anderer, der sich unbedingt übernehmen will.
Es wäre doch gelacht, nicht Stimmen zu morden.
Auch die drei im Programmheft ohne Berufsangabe verzeichneten Herren
Ping, Pang und Pong - eigentlich sind es Minister - aber so albern wie
die drei sich aufführen, sind nicht einmal in Deutschland Minister,
können Kalaf nicht davon abhalten, sich auf das Glatteis der
'Prinzessin aus Eis' Turandot zu begeben.
Ein gewisses musikalisches Durcheinander entsteht beim Absingen der Strophen
Nimm dich in Acht, Verwegner!
und schon heißt es von hinten, außerhalb der Bühne
Was soll der Lärm?
Wer spricht da unten?
Trotz der Mahnung, sich ruhig zu verhalten, versuchen die Drei den
durch plötzliche Liebe betörten Kalaf lauthals zurückzuhalten,
argumentieren, tanzen Ringelreihen um ihn - aber alles vergebens - auch
Vater Timur mischt sich ein, Liu argumentiert
Hör mich an, o Herr!
worauf Kalaf tröstend antwortet
O weine nicht Liu!
Musikalisch schaukelt sich's auf und endet in Kalafs dreimaligem
Turandot!
Turandot!
Turandot!
wobei im Eifer des Gefechts und in Anbetracht der hohen Lage der Stelle, ein Endton auch schon mal wegkieksen kann.
Kalaf schlägt an die Projektionsfläche im Hintergrund, ohne diese zu
beschädigen - sicherheitshalber ertönt der eigentliche Klang des Gongs
aus dem Graben.
Alles wird rot angestrahlt - die drei Kasperer Ping, Pang und Pong
hampern noch umeinander - Ende des ersten Aktes.
Leere Bühne, halbhoher Schleiervorhang - davor drei quadratische Kuben, sitzhöhe.
Meister Ping ruft seine Mitstreiter
Holla, Pang!
Holla, Pong!
Es
wird Arbeitsteilung vereinbart, rät der Fremde richtig, dann bereitet
Pong die Hochzeit, rät er falsch, denn muss Pang das Begräbnis
einleiten.
Rote Laternen, weiße Laternen, Weihrauch und Opfer ....
Im Jahr der Maus war'n es sechs!
Im Jahr des Hundes waren's acht!
Und die drei waren bei allem auf das Leitmotiv 'jedem Henker sei es eine Augenweide, jedem Henker',
nicht als echte, wenn auch bessere Henkersknechte!
Minister des Henkers!
Da nehmen sie Platz auf den Sitzkuben und sinnieren über bessere Zeiten in schönen Landen, so wie Ping
Fern in Honan steht mein Haus
dahin
wollen sie zurück in ihr Bambusblütenreich, sie rollen ihre
Isoliermatten aus und legen sich zur Ruh* - kratzen sich am Bein - ein
Floh, eine Wanze - wer weiß, was der Regisseur sich da erarbeiten ließ,
nach dem Motto: 'Bietet an!'
Erinnert ihr euch noch des Königssohns
aus Samarkand?
Der Chor hinter der Szene erinnert an das Motiv:
.... schärft die Schneide,
Der Prinzessin sei es eine Augenweide!
Ping: Und aus Indien den schönen Sagarika?
Pang: Und den aus Birma?
Pong: Und das Prinzlein der Kirgisen?
Kopf ab! Kopf ab! Kopf ab!
Die Laternen auf den Sitzkuben, sie stehen dahinter und jammern
Es aus mit der Erde!
Addio ewiges China!
kommen über die Seite nach vorne und wedeln mit den Ärmeln ihrer
Kostüme, so dass die Zwangsjacken jedermann deutlich werden, in denen
sie stecken.
Und bei allem:
Es bleibt uns halt nichts übrig,
Als wieder mit dabei zu sein!
Ende erstes Bild, im zweiten Akt.
Das
zweite Bild im zweiten Akt, bei dem die Szene eben sehr an den hinteren
Ausgang einer B 727 erinnert, die ausklappbare Hecktreppe, die
gleichzeitig das Flugzeug abstützt - damit es nicht kippe, wenn die
Passagiere hinten einsteigen und sich das Gewicht entsprechend
verlagert.
Die Menge sieht aus dem
Bühnenhintergrund der Weisen Schar mit den Lösungen der Rätsel nach
vorne schreiten.
Der Mandarin - so eine Art Heerrufer - nimmt im Vordergrund Aufstellung.
Die Isoliermatten der drei Minister wurden eingerollt, der Schleiervorhang beiseite gezogen, die Sitzwürfel aufeinanderstapelt.
Hier nun schwebt eben die Treppe aus dem Schnürboden und Kaiser Altoum
steigt herab, strauchelt, man ist in Sorge, er könnte stürzen - aber
der Altmeister der Regensburger Bühne kennt sich mit Effekten aus, er
fängt sich im letzten Moment, so dass die herbeigeeilten Choristen
nicht einzugreifen brauchen.
Das Volk jubelt
Siebentausend Jahre soll herrschen unsere Kaiser
Und Berthold Gronwald erinnert sich als Kaiser von China
(von wackliger Altersstimme keine Spur, kraftvoll in ihm bequemer Lange, singt er):
Ein schlimmer Eid, den einst ich hab' geschworen,
zwingt mich auf's neu zum Schreckensamte.
Und dieses heilige Zepter trieft schon von Blut!
Ich will kein Blut mehr!
Jüngling hinweg
Kalaf weigert sich, er will bestehen diese Probe.
Der Kaiser bittet:
Lass mich sterben, ohne dass
auch dein junges Leben noch
meine Seele mir belaste.
Kalaf will nicht zurückstecken, er will bestehen diese Probe.
Der Kaiser insistiert:
Wolle nicht, dass noch einmal
die Welt erbebe vor Grauen.
Nichts zu machen, denn Kalaf besteht darauf
O Sohn des Himmels
lass mich bestehen diese Probe!
Der Kaiser resigniert
Wohlan, du todstrunkener Fremdling, es sei,
so vollende sich dein Schicksal
und nimmt auf den übereinander gestapelten Sitzkuben Platz,
abstrahierte Form eines komfortablen Thrones.
Siebentausend Jahre soll herrschen unsere Kaiser
Der 'Heerrufer' des Kaisers von China (der Mandarin)
stellt noch einmal die Satzung vor.
Da kommt sie, die Trägerin, der Titelrolle an diesem Abend, Maida Hundeling, die Treppe herab
In diesem Schlosse, vor vielen tausend Jahren
mit neuer Technik, jedenfalls gegenüber ihrer Wozzeckmarie vor einiger
Zeit, anders, die hohen Töne - weg vom Hals in die Maske. nicht
genäselt, nicht geschrien.
Wohl dreimal täglich Birgit Nilsson gehört?
Eine heilsame Medizin!
Anwendungen unbedingt fortsetzen!
Erstaunlich, sie steht diese mörderische Partie gut durch - vielleicht etwas früh.
Das kleine Haus schmeichelt nicht gerade und das Publikum ist
überrascht, eine solche höhensichere Stimme mit großer Strahlkraft hier
zu haben.
Für die Rätsel darf sich Turandot auch auf einen solchen Würfel setzen, zu Füßen des Kaisers.
Aufregung beim Chor, Kalaf hat auch das zweite Rätsel geraten und nun
die dritte Frage, die Musik zeichnet die Mutlosigkeit des Befragten
nach, Turandot sieht sich am Ziel, wieder ein Werber weniger.
Aber nein, er rät als des Rätsels Lösung den Namen der Prinzessin - 'Turandot' - und es ist richtig.
Die Minister hüpfen vor Freude als wäre ihre Partei über die 5
Prozentgrenze bei der Chinawahl gekommen.
Turandot bittet den Vater, sie nicht in die Arme eines Fremden zu
werfen - aber der Kaiser gibt zu bedenken, dass sein Wort heilig sei,
das er gegeben habe und schließlich habe Kalaf richtig geraten.
Der verlangt nun von Turandot, sie solle seinen Namen bis die Sonne
aufgeht, raten, dann wolle er gerne sterben.
Vorne rechts wedelt einer mit einer roten Fahne.
Man verlässt voller Sorge die Bühne - wie heißt der Mensch, der die Rätsel riet?
Dritter Akt
'Keiner schlafe' - ist die Devise dieser Nacht.
Auch Kalaf denkt über die Order nach, auch dass die Prinzessin in ihrem Schlosse nicht schlafe.
Die drei Minister kommen von links und bezirzen Kalaf, er solle ihnen
doch seinen Namen nennen, sie bieten
Oh, schöne Weiber! ...
O berauschende Formen
der prallen jungen Leiber!
dabei sind es die verkleideten Ministerkollegen mit umgehängten Busen.
Wozu Minister sich so hergeben, um ihren Posten zu behalten.
Das Volk schleppt Liu herein, sie kenne den Namen des Fremden, behauptet die Menge.
Turandot schreitet die wieder ausgefahrene Treppe herunter und fordert
Liu auf, den Namen zu nennen, die weigert sich und erklärt die Liebe
bringe sie zu solcher Tat, sticht sich lieber ganz vorn an der Rampe
einen Dolch ins Gewand als den Namen des Fremden preiszugeben.
Turandot, die
von Eis umgürtet
sitzt ungerührt auf ihrem Wäschepuff und steigt dann wieder die Treppe
bis zur Hälfte hinauf, wartet bis der versierte Chor abgegangen ist.
Da entschließt sich Kalaf, die Sache zu einem guten Ende zu führen - er will
dass du mich liebend umfängst.
Immer wenn es seelenvoll wird, lassen die Regisseure die Protagonisten zu Boden gehen.
Ich bin Kalaf, König Timurs Sohn.
Er küsst sie, das Eis schmilzt - und betört gibt sie selber den Namen bekannt, den sie gewählt hat.
Vater ich kenne den Namen dieses Fremden,
sein Name ist - Gemahl!
Auf das musikalische Motiv des
Doch mein Geheimnis wahrt mein Mund
singt der Chor sein jubelndes
O Sonne! - Leben! - Seligkeit
Fazit:
Große Oper ohne inszenatorischen Mätzchen.
Kühles Bühnenbild.
Phantasievoll-dezente Kostüme.
Man spielt das Stück, und dies
- nicht in einem U-Bahn-Schacht wie der 'Onegin' in Regensburg oder
- nicht in einer Kneipe wie bei der 'Manon' in Regensburg, wenn eine Wüste in Amerika vorgegeben ist oder auch
- nicht auf einem Paukboden
wie in Regensburg, wenn das Ufer der Schelde vom Dichter-Komponisten für den 'Lohengrin' eingeplant ist,
auch
- nicht in einer Kläranlage wie beim 'Tannhäuser' in Bayreuth oder
-
in einer Malerwerkstatt
die 'Meistersinger' im ersten Akt wie ebenfalls in dem oberfränkischen Opernhaus,
- sondern in einer nur auf Wände mit Öffnungen reduzierten Szene im Stile des
Dessauer Bauhauses.
- Kalaf läuft nicht mit einem Superman-Kostüm herum,
- Timur, der Unbehauste, zerrt nicht Koffer hinter sich her,
- Liu hängt nicht Wäsche auf die Schleier-Vorhangleine,
- Turandot widmet sich keiner Häkelarbeit,
- die drei Minister hacken nicht Holz,
- der Mandarin beschmiert nicht die Wände mit Wahlwerbung, die
- Kaiser Altoum dann wieder mit weißer Farbe übermalt -
und der Chor putzt keine Kloschüsseln, wie jene, die beim 'Giovanni' im
von Jens von Enzberg opernmäßig geleiteten Braunschweiger Staatstheater
völlig sinnlos auf der Bühne herumstehen.
Um
die Vorgänge auf der Bühne besser beschreiben zu können und den Inhalt
verständlich zu machen, wurden deutsche Texte eingefügt.
Es wäre soweit, dass sich eine Inszenierung an der Textgebung per Übertitel orientierte.
Leider ist diese
über die fabelhafte Göhring'sche
Übertitelungsanlage nicht zu entziffern sind, da das Licht auf der
Bühne die Schriftzeichen überstrahlt.
Um 'Missverständnisse zu vermeiden:
Ich verstehe diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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