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In Weimar wird am Hoftheater von Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach
am 17. März 1804 'Wilhelm Tell' von Friedrich Schiller uraufgeführt.
Goethe bereiste zwischen 1775 und 1797 dreimal die Innerschweiz und
teilte Schiller im Oktober 1797 mit, dass er gerade wieder die 'kleinen
Cantone' besuche und sich intensiv mit den Grundlagen der Geschichte um
den Rütli-Schwur beschäftige.
Die Gegend um den Vierwaldstättersee und die Gestalt des Wilhelm Tell
faszinierte ihn. Er beschaffte sich die Schweizer Chronik von Tschudi
und erwog zunächst, die Schweizer Befreiungssage selbst episch
umzusetzen, überließ den Stoff dann aber Schiller.
Von 1803 bis 1804 schrieb dieser das 'Telldrama' in fünf Aufzügen. In
den ersten vier Aufzügen blieb er dabei bis in die Einzelheiten der
Chronik von Tschudi treu. Obwohl er niemals in der Schweiz weilte,
zeigte auch er eine bemerkenswert genaue Ortskenntnis, da er sich als
Universalgelehrter und Historiker gut zu unterrichten wusste.
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Goebbels pries Schiller als nationalsozialistischen
Richtungsweiser und seinen 'Wilhelm Tell' in den ersten Jahren
des Dritten Reichs als 'Führerdrama' - die Theater spielten es
entsprechend häufig.
Die Nazis interpretierten die Hauptfiguren Tell und Stauffacher
als ideale Führerpersönlichkeiten, 'Tell'-Zitate fanden sich in
den meisten Lesebüchern.
Angriffe auf Goethe, er habe bei einer Vergiftung Schillers
mitgewirkt, kamen 1936 durch die Aussagen von Mathilde
Ludendorff mit Bezug auf Schillers 'Tell' in ihrem Buch 'Der
ungesühnte Frevel' auf.
Sie sah Schiller im 'Tell' sich dem Volkstum zuwenden und
meinte, bei ihm keine Abkehr vom jüdischen Machtanspruch der
Weltbeherrschung erkennen zu können.
Bei allem Hass auf jede Art von jüdischem Einfluss, fand sich
Goebbels damals doch genötigt, einzuschreiten.
Er gab bekannt, dass Derartiges zukünftig als unzulässig
angesehen würde, es führe sonst zwangsläufig dazu, dass man
immer etwas finden könne und wertvolle Werke der
Theaterliteratur nicht mehr aufführbar seien.
Vergehen gegen Schnüffeleien führten ohne Ansehen der Person
oder des gesellschaftlichen Ranges in Zukunft zu entsprechenden
Maßnahmen.
Dies zielte gegen die Aussagen von Mathilde Ludendorff, der er
dann auch die weitere Verbreitung ihres Buches untersagte.
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Schillers Motiv des gerechtfertigten Tyrannenmords, der Beifall
des deutschen Theaterpublikums an den 'unpassenden' Stellen
sowie auch mehrere Attentate auf Hitler führten dann jedoch zu
einer völligen Abkehr der Nazis von dem Tellmythos.
Die Änderung der Einstellung war drastisch.
Bormann schrieb am 3. Juni 1941 an Dr. Lammers, Leiter der
Reichskanzlei, auf Anweisung Hitlers dürfe das Stück im Theater
nicht mehr gezeigt und Schillers 'Wilhelm Tell' auch in den
Schulen nicht mehr behandelt werden.
Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung wie auch das Reichspropagandaministerium seien
entsprechend vertraulich zu informieren.
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Bereits 1829 - also gerade einmal 25 Jahre nach der Uraufführung
des Schauspiels - wurde der 'Tell' nach Schiller und der Musik
von Gioachino Rossini als Oper in Paris zum ersten Mal gegeben.
In Italien zeigte das Theater in Lucca die Oper als 'Guglielmo
Tell' am 17. September 1831 zum ersten Male mit großem Erfolg.
Dank der liberalen Herrschaft des Großherzogs Leopold II. der
Toscana ließen die Behörden das Libretto ohne jede Änderung zu.
In Mailand verlangte die habsburgische Zensur dagegen, den Ort
des Geschehens nach Schottland zu verlegen und das Stück mit 'Gugliemo
Vallace' zu betiteln.
War Rossinis Oper auch noch in der Zeit des beginnenden 20.
Jahrhunderts oft auf den Spielplänen, trat das Werk später immer
mehr in den Hintergrund - man konnte den Arnold kaum mehr
besetzen, der in der Originalfassung in seiner Arie 'O Mathilde'
einige 'hohe Cis' zu bewältigen hat.
Einer der wenigen Tenöre, die diese hohen Töne singen konnten,
war Leo Slezak.
Ein Gastspiel, von Breslau aus, wo er damals engagiert war, in
Wien führte zum Festengagement an die dortige Hofoper.
Der Vertrag wurde erst 1934 auf Wunsch des Sängers gelöst.
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2004 spielte man Schillers 'Tell' anlässlich seines
zweihundertjährigen Jubiläums erstmals auf einem Platz in der
Schweiz, der angeblich der Originalschauplatz des Rütli-Schwurs
gewesen sein soll.
Die Szenerie stammte von Günther Uecker.
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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