Theater Regensburg
Bemerkungen
eines Vollzahlers zur szenischen Umsetzung von
Hendrik Ibsen
'Ein Volksfeind'
Repertoirevorstellung 13. Dezember 2013
Announcement Theater Regensburg
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Der aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Dietrich Eckart versuchte sich
1899
als fast Mittelloser in Berlin als Theaterautor - wurde von Georg von Hülsen unterstützt - scheiterte aber doch zunächst.
Erst 1914 gelang im ein Erfolg mit einer arisch-christlichen Nachdichtung des 'Peer Gynt'.
Für den Neumarkter Dietrich Eckart - zehn Jahre nach seinem Tod, im Jahre 1923, wurde er in NS-Huldigungsschreiben als 'Wegbereiter des Dritten Reichs' bezeichnet und der seriöse Hitler-Biograph Konrad Heiden sah 1936 Eckart als 'Gründer Hitlers'. Man veranstaltete
1938 Morgenfeiern in den deutschen Theater
zum 70. Geburtstag und in der Zeitschrift 'Bausteine zum deutschen Nationaltheater' stufte man Eckarts
Tragödie in fünf Aufzügen 'Lorenzaccio'
als eindeutig nationalsozialistisch ein und nahm das Stück
in die Spielpläne der deutschen Theater auf.
Hitler fand
über Eckarts Peer Gynt unmittelbaren Zugang zu Ibsen.
Am 19.2.1942 referierte der 'Führer' ihn dann beim Abendessen in der Wolfschanze:
'Nach dem Ersten Weltkrieg war mein
erster Besuch
mit Dietrich Eckart im
staatlichen Schauspielhaus: 'Peer
Gynt'.
Berlin hat immer die 'Eckartsche
Aufführung, während in München lange
Zeit eine Judenübersetzung zugrunde
gelegen hat.'
Henry Picker:
'Hitlers Tischgespräche' - Seite
108/109
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Und Dr. Joseph Goebbels notierte:
14. Dezember 1925
Wieder lustiges Schneetreiben.
In Elberfeld nichts Neues.
Heute Abend gehe ich mit Kaufmann
zum Theater.
'Peer Gynt'
19. Januar 1930
Morgens zur n.s. Bühne.
'Der Volksfeind'
Nicht hervorragend. Rohde spielte
die Hauptrolle.
Zu affektiert.
Dazu hat Ibsen heute viel Gift und
Galle verloren
Er kommt mir geradezu zahm vor.
Das Schicksal des Erkaltens.
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Schon im Kaiserreich hatte Ibsen
seine Anhänger. Als 1878 'Die
Stützen der Gesellschaft' an fünf
Berliner Theatern gespielt wurde,
war eine deutliche Wirkung auf die
junge Gesellschaft zu bemerken.
Zwei Jahre später zeigte Flensburg
den versöhnlichen Schluss von
'Nora', das Residenztheater im
München irritierte das Publikum mit
Noras Türenknallen und ihrem Abgang
in die Freiheit - wie in der
Originalfassung vorgegeben.
Zum Aufführungsverbot kam es bei
'Gespenster' - Ibsen polarisierte.
Von 1917 bis 1924 wurde er mehr
als 6.000 Mal aufgeführt, wobei hier
auch die Vorstellungen in den USA
mitgezählt wurden.
1934 dann spielte den Norweger das Schauspielhaus
in Hamburg.
Sein Intendant, Karl Wüstenhagen,
sah in den deutschen Theatern mit Ibsen das Heraufkommen einer
neuen Zeit mit ihrem 'Dritten
Reich', was er aus dem 1921
erschienen Text von Rolf Engert
'Henrik Ibsen als Verkünder des
dritten Reichs' übernahm.
Wurden 'Gespenster' und 'Nora'
während des Dritten Reichs weniger
bis garnicht gebracht - weil zu
der Zeit nicht durchschlagskräftig
genug - kam der 'Volksfeind' immer
wieder auf die Bühnen.
Hier wurde dann darauf geachtet,
dass gegen Liberalismus und
Parlamentarismus in den
Inszenierungen deutlich der Finger
erhoben und Dr. Stockmann für das
Publikum zum aufrichtigen und sympathischen Mitmenschen wurde.
Der im
Reichspropagandaministerium tätige Reichsdramaturg Dr. Rainer Schlösser
war der
stärkste Verfechter der Werke Ibsens in der Zeit des
Nationalsozialismus.
Der wurde als nordisch-germanischer Dichter eingruppiert und vertrat -
nach deren Meinung - damit die Rassenideen der Nazis mit seiner Kritik am norwegischen Staat der Zeit - also in der zweiten Hälfe des 19.
Jahrhunderts.
Später wurde er in ein Aufbegehren gegen den
Liberalismus und die Verkrampfungen der demokratischen Abläufe während
der Weimarer Republik und deren Parlament in die damalige Gegenwart
übertragen.
Es kam zu Textänderungen, um die Worte des Dichters noch mehr an das
Nazi-System heranzurücken. Da ersetzte 1933 das Rose-Theater in Berlin
die
'kompakte Majorität'
mit dem Begriff 'Marxismus' und Dr. Stockmann bezeichnete sich selbst als
'Faschist'. Die Rolle des Badearztes wurde herausgehoben und in die Nähe
eines 'Führers' gebracht.
Das Kölner Schauspiel strich unter dem Regisseur Ernst Geis alles, was
Ibsen dem Badearzt an komischen Zügen mitgab und machte ihn zum Helden
und zum Repräsentanten der Wahrheit - ganz im Sinne dessen, dass der
Starke am mächtigsten allein ist.
Dass des Norwegers
Werke im Dritten Reich hierdurch besondern Anklang fanden, ist nicht
weiter verwunderlich und dass in einer Arbeit neueren Datums von
Steven F. Sage 'Ibsen and Hitler: The Playwright, the Plagiarist, and
the Plot for the Third Reich' von einer These ausgegangen wird, Hitler habe Ibsen für sich in Anspruch genommen und
der Diktator sei nun und nur durch diese Festlegung endlich zu verstehen.
Ob Hitler Ibsens
Dramaturgie adaptierte und glaubte, jede Planung und Durchführung seiner Vorhaben
sei von vorn herein mit Ibsen in Gleichklang gebracht, ist allerdings nur schwer zu
belegen.
Bei hunderten von Abhandlungen über den 'Führer', soll nun ausgerechnet Ibsen der Schlüssel zum
Reichskanzler sein?!
Ohne Ibsen - kein Hitler?
In Inszenierungen vom 'Volksfeind'
wird nicht
auf Mätzchen verzichtet, die Stimmung 'im
Volk' machen - hier zeigt sich
wieder, wie der Stand des Publikum
in der heutigen Zeit ist und mit
welchen Gags 'zum vor Lachen auf die
Schenkel klopfen' gebracht werden
kann. Das Kichern die Leute in den Reihen,
das Drehen einer Zigarette für die
Zeit nach der Vorstellung - das
Nuckeln aus
mitgebrachten Pullen dokumentiert,
mit welchem Interesse am Thema das
Theater konsumiert wird.
Erinnert sei hier an die Aussagen
der Theaterpädagogin der Schaubühne
- Frau Plate - in einem Gespräch mit
dem Goetheinstitut, wonach sie davon
ausgeht, die Leute - ob Abiturient
oder Volksschüler - keine Ahnung von
Klassikern
haben.
Um so mehr sind die Theater
aufgefordert, die Stücke so zu geben,
dass die Intentionen des Autors
vermittelt werden, auch um die
Probleme der damaligen Zeit - sei es
nun der Entstehung des Stückes oder
der Zeit, in der es spielt -
aufzuzeigen, als der Begriff Umwelt
nur am Rande Erwähnung fand.
Ein Aufdecken von verdrecktem
Heilwasser, was gesundheitlichen
Schäden führt, kann heute kaum mehr
unter den Teppich gekehrt werden,
auch wenn - wie damals - die Medien
von der einen oder der anderen Seite
eingeschaltet und mit Statements
'Pro und Contra' eingespannt werden.
Jede Art von 'Juxerei' - was ein
Zuschauer aus der vierten Reihe beim
Verlassen des Zuschauerraums der
Schaubühne am 17.
November 2013 mit 'Nichts als
Klamotte' bezeichnete - verbietet
sich.
Bei den Mühen um die Umwelt ist es
auch nicht zu vertreten, Dr.
Stockmann in einer verheutigenden
Präsentation des Stückes noch als
'Strudelkopf' erscheinen zu lassen -
wie Ibsen ihn damals sah.
Das Bewusstsein der Weltbevölkerung
hat sich geändert - also muss dem
beim Inszenieren Rechnung getragen
werden, dass Dr.
Stockmann nicht veralbert
dargestellt wird - wie an Ostermeier
Berliner Schaubühne.
Dies ist allenfalls zulässig, zeigt
man das Stück an den Anfängen der
grünen Bewegung, als Frau Bernbacher
noch mit Dackel im Parlament
erschien und man Probleme bei einer
Tasse Tee ausdiskutierte.
Die Demokratie wurde zur Zeit der
Entstehung des Stückes in Frage
gestellt wie auch in der Zeit des
Nationalsozialismus, Parlamente,
Volksbefragungen waren nicht
erwünscht, man verfügte über einen, der das
Sagen hatte. Das Volk wollte
garnicht unbedingt beteiligt werden
- sah sich außen vor.
Billing: Wie
auch immer, man muss in jedem Fall
seine Stimme abgeben.
Horster: Auch
wenn man keine Ahnung hat?
Billing: Die
Gesellschaft ist wie ein Schiff,
alle Mann müssen ans Ruder.
Seit langer Zeit gibt es Parlamente.
Hier sei aber an die Aussagen eines Herrn der
Regensburger SPD erinnert, der
meinte, er sei nun Stadtrat und
entscheide so, wie er es für richtig
halte.
Wo bleibt da die Gesellschaft?
Wenn ich also das Stück schon
'verheutige' und am Theater Regensburg spiele,
dann verzichte ich doch nicht auf
eine Szenerie, mit der die
Langfristplanung von Bauten in der
Stadt aufgezeigt werden könnten.
Bildmaterial und Aussagen in der
lokalen Presse gäbe es hierfür
genug.
Damals_in_Regensburg_13.12.2006_Kommentar_'RKK_am_Donaumarkt'.htm
Oder was ist mit den
Ersatzbrücken für 'die Steinerne'?
http://www.donauanlieger.de/Brueckenproblematik.htm
Schon in der ersten Szene wird
deutlich, dass man sich über die
Meinung von Dr. Tomas Stockmann
bezüglich der Lage der
Kureinrichtungen hinwegsetzte -
Katrin: Also
hattest du doch Recht gehabt.
Die
entscheidende
Aussage:
Dr. Tomas Stockmann gegenüber seinem
Bruder Peter Stockmann, dem
Bürgermeister:
Du hast damals
durchgesetzt, dass das Bad und das
Wasserwerk an der Stelle gebaut
werden, wo sie jetzt stehen. Und das
ist genau der Punkt, diese verdammte
Fehlentscheidung willst du nicht
eingestehen.
So musste es zu den Problemen
kommen, dass die Badeanlage im
Bereich der Industrieabwässer
hauptsächlich durch die Gerberei von
Morton Kill, dem Pflegevater von
Katrin Stockmann, gebaut wurde, nun
die 'Heilwässer' verunreinigt sind
und den Badegästen aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr
angeboten werden können.
Bürgermeister Peter Stockmann hatte
also seinerzeit
bei der Planung und der Erstellung der Badeanlage
für einen anderen Standort
entschieden -
aus niederen Beweggründen, weil er
um seine Autorität zu Gunsten der
Stadt besorgt ist, will er jetzt
verhindern, dass die Wahrheit über
diese damalige Fehlentscheidung
publik wird.
Eifersüchteleien zwischen den
Brüdern, wer nun die Idee für die
Kuranlage hatte, wer sie - wenn auch
an falschem Ort - durchsetzte
und wie sie nun 'gesund' erhalten
werden soll, kommen hinzu.
Im Stück sieht sich Dr. Stockmann
mit seiner Wahrheit - die
Verseuchung des Kurbad-Geländes
aufgedeckt zu haben -
allein. Die lokale Presse wendet
sich von ihm ab, wirtschaftliche
Gründe müssen für das Verhalten
herhalten, das Problem soll nicht
öffentlich behandelt werden. Aber:
Es wissen
schon zu viele davon.
Stiefvater Morton Kill kauft am Ende mit dem
Geld, das für Katrin als Erbschaft
vorgesehen ist, die - in ihrem
ins
bodenlose gefallenen
-
Immobilien-Werte auf. Er übergibt
das Aktien-Paket Dr. Tomas
Stockmann, dem nun die Badeanlage
gehört.
Während Ostermeier das Stück in aufwändiger Bühneneinrichtung mit musikalischen Musik-Einsprengseln von Malte Beckenbach und Daniel Freitag spielen lässt,
Dr. Stockmann
während der Volksversammlung mit Farbbeuteln und deren Inhalten traktiert wird und schließlich Dr. Stockmann die von den Wänden abgewaschene Farbe Hovstad ins Gesicht schüttet - und mit dieser Inszenierung weltweit gastiert - reduziert Regensburg die Szene auf eine,
auf die Drehbühne positionierten, Scheibe - Frau Wiedamann von der MZ hielt dies in ihrem Artikel vom 8.4.2013 für einen genialen Einfall, man könne so die Darsteller 'auf unterschiedlichen Höhen oder Augenhöhe agieren' lassen. Dies mache 'einen wesentlichen Anteil an dem Zauber, den diese Inszenierung entwickelt' aus.
Reduktion heißt hier in Wirklichkeit das Zauberwort, Auftritte, Abgänge über den Rand der sich drehenden und manchmal kippenden Scheibe, die hier die Welt darstellt, das Essen wird auf der Hand serviert, Bebauungspläne werden auf dem Boden ausgelegt, Zeitungen fallen in Paketen oder als Einzelexemplare vom Schnürboden herunter, unter denen sich dann Bürgermeister Stockmann verstecken kann, wenn die Bündel nicht gerade als Sitzfläche dienen, versinnbildlichen die Redaktionsstube.
Der unter der Scheibe hervortretende Nebel (wenn der Regisseur nichts mehr weiß, nimmt er gerne Trockeneis) wird als 'wunderbarer Einfall' beschrieben und das Ausleuchten des Zuschauerraumes stellt 'ein schönes, erheiterndes und beeindruckendes Erlebnis' dar, so die MZ vom 8.4.2013.
Der
'Einbau' des Publikums bei der Versammlung im vierten Akt wurde schon 1933 praktiziert - so eingetragen im Textheft der Aufführung vermerkt in 'Der Angriff' vom 12. September 1933 nach Heinz-Dieter Heinrichs Schrift von 1965 'Theater und Drama' - 'Das Rose-Theater - Ein volkstümliches Familientheater in Berlin 1906 - 1944'.
Ostermeiers Schaubühne machte es in der am 17.11.2013 besuchten Vorstellung nach - und Regensburg nun auch.
Ostermeier stellt einige Protagonisten
für die imaginäre Bürgerversammlung auf die seitlichen Stufen des
Auditoriums - jeweils links und
rechts - und lässt so mittels ins
Publikum eingestreuten
Ensemblemitgliedern, die abgesprochene Texte zurufen, den
Eindruck entstehen, die Menschen im Zuschauerraum beteiligten sich an der Entwicklung des Stückes.
Das Spektakuläre ist dann das Farbbeutel-Bombardement von Dr. Stockmann auf der Bühne durch
'ausgewählte Zuschauer'.
Regensburg lässt Wahlkarten
verteilen, mit denen eine Abstimmung
Pro und Contra Dr. Stockmann im
Publikum erfolgen soll. Da das
Vorzeigen der Stimmkarten nur so nebenbei abgefragt wird, der Moderator seine
eigene Karte hochhält, kommt er zu
dem 'einstimmigen Ergebnis', das
Publikum habe 'Dr. Stockmann zum
Volksfeind' erklärt.
Die Leute im Regensburger Parkett, im ersten und zweiten Rang - der dritte blieb 'mangels Masse' zu - fühlt sich 'verschaukelt',
lässt die Stimmkarten achtlos fallen
oder nimmt sie mit heim, um den nächsten Einkauf drauf zu
notieren.
Fazit:
Es ist zu bedauern, dass diese Textfassung des Theater Regensburg der Öffentlichkeit nicht zugängig ist - oder doch?
Es wäre nämlich interessant, diese
mit dem Original
zu vergleichen und um sich damit auseinanderzusetzen, wie mit der Problematik von Umwelt, Kosten-Nutzen-Rechnungen für öffentliche Bauten - auch wie Stadthallen etc. - umgegangen wird - damals wie heute.
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