Nachlese |
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01.12.04 |
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Ein Gespräch mit der ehemaligen Oberbürgermeisterin von Regensburg.
Brisanz erhält das Gespräch insofern, als Frau Meier ihre Meinung zu
einer Stadthalle am Donaumarkt unumwunden abgibt.
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Tacheles
Interview mit Regensburgs Oberbürgermeisterin
a.D.
Christa Meier
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Von 1990 bis 1997 war Christa Meier Regensburgs
Oberbürgermeisterin. Ihre Markenzeichen: freche Kurzhaarfrisur und
auffällige Ohrringe. Von einem Herzinfarkt im letzten Jahr hat sie
sich gut erholt. Sie wirkt lebhaft, wägt im Gespräch die Worte
sorgfältig ab, spult nichts Einstudiertes runter, mitunter wird sie
ganz spontan, vor allem beim Thema Bildungspolitik muss sie nicht
lange überlegen. Da hat sie Antworten parat. Nicht nur auf die
Interviewfragen. ’Nachbesserung’ hält sie für das Unwort der
SPD-Politik. Die Genossen in Berlin sollen lieber ein paar Tage
länger überlegen und dann erst vor die Mikros treten, meint sie.
Unbedingt erwähnen müssen wir, sagt sie, dass
sie in diesem Jahr seit 40 Jahren verheiratet ist. Mit ein und
demselben Mann, und das liebend gerne, das wäre heutzutage und in
Politikerkreisen durchaus etwas Besonderes.
Ausdrücklich weist sie auf Ihr Engagement zum
Erhalt der Altstadt hin, den Bau der Bayerwaldbrücke, den Abriss des
Klosters St. Klara und des Hotel Maximilian hat sie mit verhindert.
Zum Thema Stadthalle sind selbstverständlich
andere Positionen erlaubt, als die, die Christa Meier vertritt. Wer
dafür ist, darf dafür kämpfen, wer sie nicht will und nicht auf dem
Donaumarkt, muss aber ebenfalls seine Haltung darlegen dürfen.
Erste Oberbürgermeisterin Bayerns...
... Deutschlands! In Bayern ist der
Oberbürgermeister zugleich oberster Chef der Verwaltung, was in
anderen Bundesländern damals, 1990, noch nicht überall der Fall war.
Da gab es neben der politischen Spitze einen Oberstadtdirektor als
Verwaltungschef. Von daher kann man durchaus sagen, ich war die
erste Oberbürgermeisterin einer deutschen Großstadt.
...Landtagsabgeordnete, Stadträtin, Rektorin,
was war in Ihrem Leben die wichtigste Station?
Vom Herzen her bin ich Lehrerin. Der Umgang mit
Kindern, das liegt mir einfach, das kann ich, das mag ich. An
zweiter Stelle möchte ich nennen: Vorsitzende des Kulturpolitischen
Ausschusses im Bayerischen Landtag, auch da war ich übrigens die
erste Frau, die je in Bayern den Vorsitz eines Ausschusses
innehatte.
Auf welche Entscheidung während Ihrer
Oberbürgermeister-Zeit sind Sie besonders stolz? Welche würden Sie
gerne rückgängig machen?
Ich würde heute nicht mehr so blauäugig in
Koalitionsverhandlungen gehen wie 1990. Vielleicht hätte ich einen
festen Vertrag mit FDP und Grünen aushandeln und schriftlich
fixieren sollen. Der FDP-Vorsitzende starb überraschend und später
brach die Grünen-Fraktion auseinander. Es war sehr schwierig, zu
Entscheidungen zu kommen.
Trotzdem haben wir viele wichtige Dinge angestoßen, die heute gar
nicht mehr großartig auffallen, weil sie inzwischen
selbstverständlich geworden sind. Für junge Mütter haben wir
Krabbelstuben geschaffen. Viele Alleinerziehende, mit Kindern unter
drei Jahren, hätten ihren Arbeitsplatz aufgeben und Sozialhilfe
beantragen müssen, weil damals nicht die Möglichkeit bestand, deren
Kinder adäquat unterzubringen. Die CSU hat das damals heftigst
bekämpft und wollte sogar Aufsichtsbeschwerde einreichen. Dann das
Modell der Mittagsbereuung, das ist keine bayerische, sondern eine
Regensburger Erfindung. Gründung eines Kinderhauses, eine
wegweisende Idee aus meiner Amtszeit, (Einzel-)Kinder aus
verschiedenen Alterstufen, quasi in natürlicher Geschwisterreihe,
spielen und lernen zusammen. Schon 1989 habe ich darauf hingewiesen,
dass in Regensburg im Jahr 2010 fast ein Drittel der Bevölkerung
über 60 Jahre alt sein wird. Für unsere Seniorenpolitik wurden wir
vom Bund prämiert. Parallel dazu haben wir eine neue Verkehrs- und
Wohnungspolitik angestoßen, die in einer überalternden Gesellschaft
notwenig ist.
Wie hat sich
Regensburg seit Ihrer Abwahl 1996 verändert?
Regensburg kam mehr und mehr unter das Primat
der Wirtschaft. Ökonomie ist wichtig, aber daneben gibt es auch noch
etwas anderes. Eine Stadt ist nicht nur ein Betrieb, den man managt,
wo man Vorstand einer Aktiengesellschaft ist. Zur Stadtpolitik
gehört ein sorgsames Ausloten sozialer Bezüge, Anregen kultureller
Entwicklungen, einfach ein menschliches Miteinander, die Schaffung
einer soziokulturellen Atmosphäre, in der sich jeder wohl fühlen
kann. Auf die Dauer sind absolute Mehrheiten nicht förderlich, weil
man selbstherrlich wird. Man muss keine Kompromisse schließen, nicht
verhandeln, das ist dem politischen Klima nicht sonderlich
zuträglich. Leider ist die Altstadt in der Zwischenzeit sehr
verödet. Und die Verschuldung der Stadt hat sich seit 1996
verdoppelt, auf 300 Mio. Euro.
Warum haben Sie
das Thema Stadthalle in Ihrer Amtszeit nicht angepackt?
1984 bis 1990 gab es den Vorstoß von Herrn
Viehbacher, Gott hab ihn selig. Er stellte nur den Donaumarkt zur
Diskussion. Das Modell Steinerne Stadt wurde damals propagiert. Die
Regensburger wollten das nicht. In der Stichwahl 1990 ist Viehbacher
wegen des Donaumarkts unterlegen. Für mich war eine Stadthalle kein
vordringliches Thema, weil wir ganz andere Probleme hatten, z.B.
eine enorme Wohnungsnot. Große Entwicklungsmaßnahmen wie
Burgweinting 1 hatten Priorität, Schulsanierung und -ausbau,
Kindergartenbauten standen an. Eine Stadthalle war zwar
wünschenswert, aber das Versprechen, das alle Fraktionen erfüllen
wollten, war die Eishalle. Da musste ich anschieben noch und noch,
damit die Donauarena vorankam. 1990 war eine Stadthalle nicht
finanzierbar, vor allem nicht am Donaumarkt, weil die Leute mit
überwältigender Mehrheit diesen Standort ablehnten.
Ist denn heute
eine Stadthalle machbar?
Die Stadt Regensburg müsste im
Verwaltungshaushalt jährlich allein für diese Stadthalle 4 bis 5
Mio. Euro erwirtschaften. Das sind die Gelder für das
Betriebskostendefizit und die Raten an den privaten Investor, denn
niemand schenkt uns ja die Halle. Dieses Geld ist im Augenblick
schlicht nicht vorhanden.
SPD-Fraktionschef Wolbergs hat mittlerweile die
CSU-Position in Sachen Stadthalle eingenommen, ...
Leider.
... inwieweit steht die SPD da tatsächlich
hinter ihm?
Ich hatte das Gefühl, es wurde ganz klar in
eine Richtung mobilisiert, damals bei der Befragung der
Parteimitglieder im Frühjahr. Es wurde ein Meinungsbild eingeholt,
etwa 40:60 ging das aus. Ich glaube, ganz große Teile der
Regensburger SPD teilen Joachim Wolbergs Meinung nicht.
Welche Position
ist Ihre persönliche zu Donaumarkt und Stadthalle?
Eine Stadthalle ist wünschenswert, wenn wir sie
uns leisten können. Das wird zu entscheiden sein unter Abwägung
aller Gesichtspunkte, wo muss ich dafür an anderer Stelle sparen,
was kann ich dann im Bereich Kultur, Jugend, Senioren etc. nicht
mehr machen.
Der Donaumarkt ist dreimal durchgefallen. Vor
der Wahl 2002 hat Herr Schaidinger gesagt: Die Bürger werden
beteiligt, bevor wir eine Stadthalle bauen. Dieses Versprechen hat
er nicht gehalten. Die Bürgerinitiative hat sich nun deshalb
gegründet und nun tut man so, als ob sie Schuld hätte, dass Geld für
ein Bürgerbegehren ausgegeben werden muss. Warum wurde denn nicht
der Hartl-Vorschlag aufgegriffen, zeitgleich mit der Europawahl in
diesem Jahr darüber abstimmen zu lassen? Da wäre eine große
Beteiligung sicher gewesen.
Wie würden Sie
Ihr Verhältnis zu Joachim Wolbergs charakterisieren?
Gespalten. Ich kenne Joachim Wolbergs schon aus
seiner Schüler-Sprecher-Zeit, wir haben viele Wahlkämpfe (Kommunal-,
Landtags- und Bundestagswahl) gemeinsam ausgefochten, ich schätze
ihn als sehr intelligent ein, verstehe aber manche seiner
politischen Handlungen und Entscheidungen nicht.
In der öffentlichen Wahrnehmung heißen die
Oppositionsführer Hartl, Dünninger und Riepl. Macht die CSU eine
Stadtpolitik, die die SPD weitgehend mittragen kann?
Viele Sachfragen kann man gemeinsam
entscheiden, ja. In vielen Punkten beschließt man einstimmig. Der
Stadtrat soll ein kollegiales Gremium sein. Aber zum Beispiel
Stadthallenstandort oder neue Donaubrücken sind alles Dinge, die
Anfang der 70er schon diskutiert worden sind und noch mal in den
80ern. Die SPD hatte da eindeutig Position bezogen. Frage
Gaspreiserhöhung und über 20%ige Anhebung der Abwassergebühren, ich
wundere mich, dass man alles ohne Widerstand durch Ausschüsse und
Stadtrat gehen lässt. Ich habe ein anderes Verständnis von
Opposition. Eine Gruppierung, die nicht die Mehrheit hat, hat die
Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen. Das geschieht eindeutig
zu wenig.
Themenwechsel:
Wie beurteilen Sie als Rektorin die Hohlmeiersche Schulpolitik?
Es ist kein klares Konzept erkennbar.
Beschlüsse werden gefasst, verkündet und dann wieder zurückgenommen.
Ich halte es nicht für förderlich, Mechanismen aus dem
Wirtschaftsleben ins Schulwesen zu übertragen. Was Lehrer
verbittert, ist die Kurzatmigkeit der Reformen. Mal hü, mal hott.
Wir bräuchten kleinere Klassen und endlich auch die Ganztagsschule,
zumindest für einen Teil der Kinder. Viele, bei weitem nicht alle!,
wären da besser aufgehoben als in einem möglicherweise zerrütteten
Elternhaus und bekämen mit dem Catering eine gesündere Ernährung als
daheim. Die Schere geht immer weiter auseinander, es werden Kinder
eingeschult, die schon von zu Hause aus eine gute Vorbildung
mitbringen und Kinder, die sich nur in der Teletubbie-Sprache
unterhalten können. Der steigende Anteil ausländischer und
scheidungstraumatisierter Kinder etc., all diese Gesichtspunkte
finden in der bayerischen Bildungspolitik viel zu wenig
Berücksichtigung.
Was wünschen
Sie für die Zukunft?
Wenn ich höre, Condoleezza Rice wird
US-Außenministerin, dann sehe ich das mit gemischten Gefühlen und ob
nach dem Irak nicht auch noch der Iran von den Amerikanern ins
Visier genommen wird, ich bin skeptisch. Meine Hoffnung ist, Europa
schafft ein Äquivalent gegenüber den anderen Machtböcken und
etabliert eine dauerhafte Politik des Friedens.
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