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"Schuld
sind die,
wo Krieg anstiften,
sie kehren das Unterste zuoberst" |
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Theater Regensburg |
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04.06.05
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Es ist Krieg in Deutschland. 30 Jahre
lang.
Katholiken gegen Protestanten, Schweden nimmt teil, will sich den
Zugang über die Ostsee auf den europäischen Kontinent sichern, Frankreich versucht, den Einfluss
Habsburgs zu reduzieren, dazu noch Fürsten gegen Kaiser und die
Soldaten, die kaum und spät ihren Sold bekommen, gegen die Bauern.
Mitten drin eine Marketenderin, eine Fränkin aus Bamberg mit drei
Kindern von drei verschiedenen Männern, die mit ihrem Planwagen, in
dem sie allerlei Waren transportiert, mal in Polen, mal in Schweden,
mal in Deutschland durch die Lande zieht und Geschäfte macht.
1941, bei der Uraufführung in Zürich war Therese Giehse die Mutter
Courage, wie auch an den Kammerspielen 1950 in München.
1958 in
Düsseldorf Elisabeth Flickenschildt, Gisela May am BE 1978, Kirsten Dene 1981 in Bochum, 1985 Eva Mathes am Schauspielhaus Hamburg.
Die großen Frauendarstellerinnen in dieser Rolle des mit dem Krieg
umherziehenden und durch den Krieg Geschäfte machenden und sich und
zunächst auch ihre Kinder ernährenden Marktweibs.
Die unvergessene Helene Weigel - von
1949 bis 1971 Intendantin
des Berliner Ensembles - hier
als 'Mutter Courage' in der Inszenierung von Bertolt Brecht und
Erich Engel in der
Brecht versuchte, durch Textverschärfungen zu vermeiden, dass die Courage
wie bei der Uraufführung in Zürich das Mitleid des Publikums erregt,
als die
Weigel in Berlin die Courage als zornig darstellte.
Dieser Zorn war aber nicht der Zorn der Courage, sondern der Zorn
der Schauspielerin über die Courage. |
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"Nach Brecht soll der Zuseher sich nicht mit den
Personen identifizieren, sondern er soll sich distanzieren. Das
epische Theater will den Zuschauer in eine kritische Distanz zu dem
auf der Bühne Dargestellten halten, will ihm keine allgemeingültigen
Lösungen vorexerzieren, sondern zum Nachdenken anleiten. Er soll
nicht kulinarisches Theater genießen, sondern beim Geschehen
mitdenken. Ein solches Verhalten entspricht dem eines Menschen, der
weiß, dass er Natur und Geschichte durch seine Hände verändern kann.
Das epische Theater bildet die Welt nur modellhaft ab, legt sie dem
Zuschauer vor, damit er selbst eingreifen und die gewonnenen
Einsichten bei seiner gesellschaftlich - praktischen Tätigkeit
anwenden kann." (elihu 9.4.05)
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Die beiden den Planwagen ziehenden
Söhne Eilif und Schweizerkas kommen wie auch die stumme Tochter
Kattrin durch ihre Tugenden Kühnheit, Redlichkeit und Mitleid ums
Leben - die sich mal um die Kinder mal um ihr Geschäft kümmernde Mutter überlebt, nimmt den
Planwagen und zieht ihn eigenhändig dem ihr Leben spendenden Krieg
hinterher.
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Bertolt Brecht
'Mutter Courage
und ihre Kinder'
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Regie |
Hanfried
Schüttler |
Bühne |
Konrad Kulke |
Kostüme |
Uschi Haug |
Musik |
Joseph L.
Trafton |
Licht |
Hubert Goertz |
Dramaturgie |
Rolf
Ronzier |
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MC:
(S.69, Suhrkamp)
"Ich laß mir den Krieg von euch nicht madig machen.
Es heißt, er vertilgt die Schwachen,
aber die sind hin im Frieden.
Nur, der Krieg nährt seine Leut besser." |
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Die Darsteller
04.06.2005 |
Anna Fierling |
Doris Dubiel |
Eilif |
Oliver Severin |
Schweizerkas
Ein junger Bauer |
Valentin Stroh |
Kattrin |
Anna Dörnte |
Der Koch |
Peter Heeg |
Feldprediger |
Martin Hofer |
Werber
Der Zeugmeister
Der 1. Soldat |
Stefan Bräuler |
Feldwebel
Mann m. d. Binde |
Michael Haake |
Feldhauptmann
Der Schreiber
Der Fähnrich |
Michael
Heuberger |
Der alte
Obrist
Ein Bauer |
Heinz
Müller |
Yvette
Poitier
Die Bauersfrau |
Simone
Haering |
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Bertolt Brecht
anlässlich der Inszenierung von 1949:
Was eine Aufführung von 'Mutter Courage und ihre Kinder'
hauptsächlich zeigen soll:
"Daß die großen Geschäfte in den Kriegen nicht von den kleinen
Leuten gemacht werden. Daß der Krieg, der eine Fortführung der
Geschäfte mit andren Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich
macht, auch für ihre Besitzer. daß für die Bekämpfung des Krieges
kein Opfer zu groß ist." |
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In seinem kleinen 'Organon für das
Theater' von 1949 mit Nachträgen von 1952 bis 1954 gibt Brecht als
wichtigste Aufgaben des Theaters 'Unterhaltung' und 'Vergnügen' - in
Verbindung mit Lehr- und Publikationsstätten vor,
"... dass ein
bestimmtes Lernen das wichtigste Vergnügen unseres Zeitalters ist,
so dass es in unserm Theater eine große Stellung einnehmen muss."
Wüsste Brecht: keine Dult, kein Bockbieranstich beim Kneitinger,
nichts los in der Stadt Regensburg und die 2010-Bewerber und
Weltkulturerbe-Aspiranten verschmähen Brechts 'Mutter Courage'.
Der Regensburger Abend zeigte, dass im Gegensatz zur Aussage von
Brecht:
"Das Volk ist alles, bloß nicht tümlich" - hier es wohl
lieber 'volks-tümelt'.
Einer kommt und räumt ab, dort inszeniert er den 'Brandner Kaspar',
hier tobte er vor 10 Jahren als König kopfüber und kopfunter
unablässig auf Bobechè's Thron herum. Die Leute jubelten.
Will man das hier im Schauspiel?
Das Ensemble hatte mehr Publikum verdient - selbst wenn nicht alles
so brechtisch war, wie es der wissende Zuschauer gewöhnt ist.
Hanfried Schüttlers erster Brecht - es müht sich über ganze
Passagen.
Das Stücke habe mehr Tempo durch die Einbettung der Songs in die
Handlung - ist nicht zu bemerken.
Schüttler arrangiert, lässt die Darsteller laufen und die Rollen
nach eigenen Überlegungen gestalten - wohl gemäß der bekannten
Aufforderung: "... bietet an."
Doris Dubiel als 'Hyäne des Schlachtfeldes' noch unfrei,
traut ihren Fähigkeiten noch nicht - hält sich mit den Händen in den
Hosentaschen oder in die Hüften gestützt an sich selber fest.
Kein Mut zur Pause z.B. bei den Ergriffenheits-Momenten - schnell
weiter, weg mit der Betroffenheit, die im Publikum aufkommen könnte.
Nur immer die rasche Resolute, am Ende - "Ich muss wieder in den
Handel kommen" - ohne ihr Wagerl abgehend, weil das hier nun -
anders als üblich - als Leichenwagen für ihre Kinder dienen muss.
Wann überzeugt sie wieder wie damals als 'Tödin' in Taboris 'Mein Kampf'?
Überraschend Martin Hofer als Feldprediger, wenn er
zurücknehmen kann und nicht immer nur 'Held' sein muss.
Anna Dörnte - stumm als Kattrin - beredt im Spiel und zum
Publikum, zum Beispiel: den Hut der Yvette probierend und die
Herausgabe der Stöckelschuhe verweigernd.
Simone Haering, Luxusnutte - fein korsagiert, keine
Liebesdienerin zwischen 1618 und 1648, turtelt mit dem gekonnt
tateligen Obristen Heinz Müller. Da reicht das Outfit nicht,
es muss mehr Nitribit sein, jedenfalls keine 'Raub'-Rosa, über die
einer der 2010-Berater "Tränen lachte".
Lachhaft - und mit dem sollte 2010 gewonnen werden.
Oliver Severin und Valentin Stroh, die tugendhaften
und damit dem Tod geweihten Söhne, im Schatten der Damen und so kaum
wahrnehmbar.
Peter Heeg, Michael Haake
und der sonst in der Stadt
noch überall präsente Michael Heuberger -
hier Beiwerk.
Konrad Kulke, mit doch bisher Inszenierungen prägenden
Bildern, verliert sich in, das Publikum verwirrende, Plastikbahnen
am Boden und vom Schnürboden.
Uschi Haugs Kostüme - darin Fremdkörper.
Bei der Premiere im Zuschauerraum gähnende Leere - wie sollen diese
Bürger ins Theater geholt werden?
Jede Menge Spielstätten machen's nicht.
Ablenkungsmanöver, die nur verzetteln und den Betrieb übermäßig
belasten.
Nachwort:
"In einer Regionenkonkurrenz kommt es darauf an, dass man
tatsächlich das Beste gibt.
Kultur für alle, Kultur als Standortfaktor, als Leuchtfeuer für
ökonomische Absichten.
Alles spielt zusammen, weil die Eliten, die auch die Wirtschaft
bewegen auch zugleich Kultureliten sind.
Wenn man Eliten anlocken will, wenn sie kommen sollen, wenn sie
tätig werden sollen, als Investoren, als Migrationsströme der Eliten
auf der Welt, dann muss man ihnen attraktives kulturelles Umfeld
bieten".
(Dr. Christoph Stölzl, CDU, in einer Pressekonferenz mit
Ministerpräsident Roland Koch zum Thema einer Verteilung von Kosten
im Bereich der Kultur der Städte.)
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DH |
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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten
Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich
diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach
meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Dieter Hansing
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