Wieder aufgenommen an der Komischen
Oper in Berlin - Kupfer's Carmen-Version von 1991.
Eine Strichfassung, mit welcher in zwei Stunden ohne Pause dem
Publikum Merimées Story vermittelt werden kann - ohne dass in
irgendeiner Weise Langeweile aufkommt, was nicht bei jeder Salome
mit 1 1/2 Stunden Spielzeit der Fall ist.
Harry Kupfer nimmt alle Szenen einer Koloritbeschreibung heraus - es fehlt z.B.:
Nr. 2: Szene und Chor: "Diese Menge, im Gedränge ..."
Nr. 3: Chor der Straßenjungen: "Schnell herbeigestürmt, wie's Wetter
..."
Nr. 6: Szene: "Carmen, sieh, wir alle folgen dir ..."
Nr. 13: Chor: "Ein Hoch, ein hoch dem Torero ... "
Nr. 19: Sextett und Chor: "Nur mutig die Schlucht hinab ..."
Nr. 25: Chor: "Nur zwei Cuartos ..."
Damit reduziert sich der Handlungsablauf weitgehend auf die Soli mit
den wichtigsten Choraussagen, wobei die Rezitative bzw. Dialoge auf
jeweils nur wenige verbindenden Worte zusammengestrichen sind.
Das Stück bekommt damit mehr Dichte, die Gefahr einer Larmoyanz
durch sentimentale Überbetonung gerade bei den Textstellen wird
vermieden.
Entsprechend der Tradition der Komischen Oper wird ein deutscher
Text gesungen - eine eigene Fassung der Komischen Oper basierend auf
der Übertragung der Originalfassung durch Walter Felsenstein.
Ulrike Helzl singt die Carmen, mit in allen Lagen bis hinauf zum As
bruchlos geführter Stimme, das hohe H am Ende der Seguidilla zeigt
dann die Grenze.
Die Bruststimme weich, natürlich,
ohne Drücker und ohne ordinär zu klingen. Das Legato ist noch
verbesserungsbedürftig. Nicht nachvollziehbar die dynamischen
Schwankungen in der Habanera. Die Textverständlichkeit könnte - wie
auch bei allen anderen SängerInnen besser sein.
Neben ihr als Michaela,
Sinéad
Mulhern. Sehr zurückgenommen gegenüber der früheren Besetzung mit
Sabine Paßow. Hier eine schon von der Natur her verschreckte
Lyrische. Ein deutliches Vibrato, die Höhe nicht allzu wohl
'behütet'.
Kess und lebendig im Spiel Frasquita und Mercedes durch
Valentina Farcas und
Susanne Kreusch - erstere mit einem leuchtendem hohen C.
Douglas Nasrawi als Don José - ein kraftvoll, stämmiger Tenor - beim
hohen B in der Blumenarie gelingt ein Diminuendo - groß von Wuchs
mit leidenschaftlichem Spiel, überzeugend in der Darstellung.
Geradezu jovial der Escamillo von Andrzej Dobber, die permanten
Tötungsabsichten nimmt man ihm nicht ab. Ein groß gewachsener
Bariton, der wohl meint: 'He, Leute was wollt ihr denn' und so klingt die
Stimme auch nicht kernig aggressiv, sondern gemütlich weich ohne
Höhenprobleme.
Brillant die beiden Schmuggler: Hagen Matzeit als Dancairo und
Thomas Ebenstein als Remendado.
Die Chorsolisten der Komischen Oper - wohl das einzige große
Ensemble - das nicht schleppt, sondern in jeder Hinsicht voll
agiert.
Die Leitung durch Jin Wang gelang etwas sehr schwungvoll, was
Unstimmigkeiten innerhalb des Grabens zur Folge hatte. Auch das
Schmugglerquintett geriet da leicht aus den Fugen.
Kupfers Version der Carmen ist eine sehr interessante Lösung, die
durch die Straffung sehr gewinnt und nicht - gerade im dritten Akt -
überdehnt wird.
Der Wegfall der Dialoge hat zudem noch einen Vorteil, denn was
gestrichen ist, kann auch nicht schlecht oder falsch verstanden
werden.
DH
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