Damals in Regensburg

15.01.2005 
 
      15.01.05

Carmen -
Eine Version

Komische Oper Berlin


 

Wieder aufgenommen an der Komischen Oper in Berlin - Kupfer's Carmen-Version von 1991.
Eine Strichfassung, mit welcher in zwei Stunden ohne Pause dem Publikum Merimées Story vermittelt werden kann - ohne dass in irgendeiner Weise Langeweile aufkommt, was nicht bei jeder Salome mit 1 1/2 Stunden Spielzeit der Fall ist.

Harry Kupfer nimmt alle Szenen einer Koloritbeschreibung heraus - es fehlt z.B.:
Nr. 2: Szene und Chor: "Diese Menge, im Gedränge ..."
Nr. 3: Chor der Straßenjungen: "Schnell herbeigestürmt, wie's Wetter ..."
Nr. 6: Szene: "Carmen, sieh, wir alle folgen dir ..."
Nr. 13: Chor: "Ein Hoch, ein hoch dem Torero ... "
Nr. 19: Sextett und Chor: "Nur mutig die Schlucht hinab ..."
Nr. 25: Chor: "Nur zwei Cuartos ..."

Damit reduziert sich der Handlungsablauf weitgehend auf die Soli mit den wichtigsten Choraussagen, wobei die Rezitative bzw. Dialoge auf jeweils nur wenige verbindenden Worte zusammengestrichen sind.
Das Stück bekommt damit mehr Dichte, die Gefahr einer Larmoyanz durch sentimentale Überbetonung gerade bei den Textstellen wird vermieden.

Entsprechend der Tradition der Komischen Oper wird ein deutscher Text gesungen - eine eigene Fassung der Komischen Oper basierend auf der Übertragung der Originalfassung durch Walter Felsenstein.

Ulrike Helzl singt die Carmen, mit in allen Lagen bis hinauf zum As bruchlos geführter Stimme, das hohe H am Ende der Seguidilla zeigt dann die Grenze.
Die Bruststimme weich, natürlich, ohne Drücker und ohne ordinär zu klingen. Das Legato ist noch verbesserungsbedürftig. Nicht nachvollziehbar die dynamischen Schwankungen in der Habanera. Die Textverständlichkeit könnte - wie auch bei allen anderen SängerInnen besser sein.

Neben ihr als Michaela, Sinéad Mulhern. Sehr zurückgenommen gegenüber der früheren Besetzung mit Sabine Paßow. Hier eine schon von der Natur her verschreckte Lyrische. Ein deutliches Vibrato, die Höhe nicht allzu wohl 'behütet'.
Kess und lebendig im Spiel Frasquita und Mercedes durch Valentina Farcas und Susanne Kreusch - erstere mit einem leuchtendem hohen C.

Douglas Nasrawi als Don José - ein kraftvoll, stämmiger Tenor - beim hohen B in der Blumenarie gelingt ein Diminuendo - groß von Wuchs mit leidenschaftlichem Spiel, überzeugend in der Darstellung.
Geradezu jovial der Escamillo von Andrzej Dobber, die permanten Tötungsabsichten nimmt man ihm nicht ab. Ein groß gewachsener Bariton, der wohl meint: 'He, Leute was wollt ihr denn' und so klingt die Stimme auch nicht kernig aggressiv, sondern gemütlich weich ohne Höhenprobleme.

Brillant die beiden Schmuggler: Hagen Matzeit als Dancairo und Thomas Ebenstein als Remendado.

Die Chorsolisten der Komischen Oper - wohl das einzige große Ensemble - das nicht schleppt, sondern in jeder Hinsicht voll agiert.

Die Leitung durch Jin Wang gelang etwas sehr schwungvoll, was Unstimmigkeiten innerhalb des Grabens zur Folge hatte. Auch das Schmugglerquintett geriet da leicht aus den Fugen.

Kupfers Version der Carmen ist eine sehr interessante Lösung, die durch die Straffung sehr gewinnt und nicht - gerade im dritten Akt - überdehnt wird.
Der Wegfall der Dialoge hat zudem noch einen Vorteil, denn was gestrichen ist, kann auch nicht schlecht oder falsch verstanden werden.

DH
 
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               Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach
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Dieter Hansing