1. http://www.goethe.de/kue/the/tst/de4694871.htm

    Zitat
    Schiller im Selbstversuch:
    wie deutsche Theater Bildung an Jugendliche vermitteln

    Klassiker wie Lessing, Goethe oder Schiller führen die Inszenierungshitlisten der deutschsprachigen Theater an. Oft gehören die Aufführungen zum Schulstoff und bescheren den Bühnen jugendliches Publikum. Doch der Bildungsauftrag der Theater erschöpft sich nicht in der Vermittlung kanonischer Stoffe. Theaterpädagogische Programme ermöglichen den Zugang zu Klassikern zunehmend im Selbstversuch.

    Am Schauspiel Hannover wirken Wendla, Moritz und Melchior in ihren Jeans wie einer heutigen Schulklasse entsprungen. Der Regisseur Nuran David Calis hat Frank Wedekinds 1906 uraufgeführte „Kindertragödie“ Frühlings Erwachen konsequent in die Gegenwart geholt. Auch der Präsidentensohn Ferdinand in Falk Richters Schiller-Inszenierung Kabale und Liebe an der Berliner Schaubühne könnte ohne weiteres als Zeitgenosse durchgehen: Er becirct die Musikantentochter Luise zwischen Videowänden. Oft sind die Zuschauer dieser Aufführungen kaum älter als die Protagonisten auf der Bühne: 13- bis 16-jährige Schüler, die für die Theater einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor darstellen.

    Klassiker als Bühnenhits

    Denn Klassiker, im mehr oder weniger modernen Gewand, sind die Bestseller auf deutschsprachigen Bühnen. Die Jahresstatistik des Deutschen Bühnenvereins für die Spielzeit 2006/2007 – die aktuellste, die derzeit vorliegt – beweist es schwarz auf weiß. Mit Johann Wolfgang Goethes Faust führt ein klassisches Standardwerk die Liste der meist gespielten Stücke an: Es wurde an 46 verschiedenen Bühnen inszeniert. Auf Platz Zwei folgt William Shakespeares Sommernachtstraum mit 28, danach Friedrich Schillers Kabale und Liebe mit 26 Inszenierungen. In den Vorjahren sah die Tendenz nicht viel anders aus. Sobald Theater speziell Stücke auf den Spielplan setzen, die im jeweiligen Bundesland zum Abiturstoff gehören, brauchen sie sich um die Auslastung kaum zu sorgen. Erfüllen die Theater damit einen klassischen Bildungsauftrag, der sich in anderen Medien und möglicherweise auch in den Schulen immer mehr verflüchtigt?

    Bildung als Reflexionspraxis

    In Konkurrenz zu den von ihm sehr geschätzten Lehrern sieht sich der Intendant des Hamburger Thalia Theaters Ulrich Khuon zwar nicht. Was aber den Bildungsauftrag betrifft, stimmt der Theaterleiter, dessen Haus von der Jury der Fachzeitschrift Theater heute bereits mehrfach zum „Theater des Jahres“ gewählt wurde, zu. Jedenfalls, so lange man „Bildung“ nicht als starren Werk-Kanon begreift, sondern als Möglichkeit, lustvoll Welt und Gesellschaft zu reflektieren: „Theater trägt dazu bei, dass man sich selbst besser versteht – und damit auch die anderen.“ Dass sich das Theater speziell zur Vermittlung klassischer bzw. nicht auf Anhieb leicht zugänglicher Stoffe eigne, liege an seinem ureigenen Charakter, die Lektüre gleichsam zu verlebendigen. Aus diesem Grund allerdings die Inszenierungsweise an vermeintlich leichter Konsumierbarkeit auszurichten, wäre die völlig falsche Strategie.

    Nicolas Stemanns Thalia-Inszenierung von Friedrich Schillers Jugendwerk Die Räuber zum Beispiel ist zwar in seiner Besetzung der Brüder Franz und Karl Moor mit einer Art Schiller-Boygroup durchaus modern, aber interpretatorisch zugleich anspruchsvoll. „Kunst hat das Recht, kompliziert zu sein“, stellt Khuon klar. „Aber umgekehrt hat der Zuschauer genauso das Recht, von uns zu erfahren, was wir uns dabei gedacht haben.“ Deshalb legt er von jeher großen Wert auf Vermittlungsprogramme und theaterpädagogische Angebote insbesondere für Jugendliche.

    Theaterpädagogische Begleitprogramme

    Tatsächlich ist die Theaterpädagogik – oft als Sprungbrett für den Inszenierungsbesuch – weiter auf dem Vormarsch: Publikumsgespräche, Workshops und eigene Jugendtheatergruppen gehören von Hamburg bis München zum Standard. Initiativen wie das vom Berliner Senat geförderte Projekt TUSCH (Theater und Schulen), in dem Theater jeweils die Patenschaft für eine bestimmte Schule übernehmen, stehen dabei exemplarisch für die Tendenz, den Bildungsauftrag eher durch theaterpraktische Selbsterfahrung einzulösen als durch Theorie in Deutschunterrichtsmanier. Wer Schiller oder Shakespeare einmal am eigenen Leib durchgespielt hat, versteht sie auch als Zuschauer besser, lautet die These dahinter. Im Maxim-Gorki-Theater stehen Jugendliche der Kreuzberger Rütli-Schule gemeinsam mit Profi-Schauspielern in Shakespeares „Romeo und Julia“ auf der Bühne.

    Schiller-Praxis in der Berliner Schaubühne

    Dieses Credo für mehr Praxis hatte sich Uta Plate schon längst auf die Fahnen geschrieben, als sie vor zehn Jahren an der Berliner Schaubühne als Theaterpädagogin begann. Ähnlich wie Khuon sieht sie den Bildungsauftrag der Theater weniger in der Vermittlung spezifischer Inhalte als vielmehr darin, in einem geschützten, nicht den üblichen Verwertbarkeitskriterien unterworfenen Raum über sich und die Gesellschaft nachdenken und ins Gespräch kommen zu können. Die Kenntnis der jeweiligen Klassiker kann sie dabei bei Gymnasiasten so wenig wie bei Hauptschülern voraussetzen. Plate konzipiert ihre Workshops daher als „Einstiege“ vor dem Theaterbesuch und weckt die Lust durch lebensnahe Aufgaben.

    Bei Kabale und Liebe etwa sollen die Schüler aufschreiben, welche äußeren Umstände sie selbst anstelle der Standesunterschiede bei Schiller heutzutage daran hindern könnten, mit einem bestimmten Jungen oder Mädchen zusammen zu sein. Wenn sie am Ende nicht nur den Klassiker, sondern durch ihn auch etwas von sich selbst verstanden haben, ist der Bildungsauftrag optimal erfüllt.

    Zitatende

    to top

     

    Kommentar

    Der
    Beitrag bedarf eines Kommentars:

    Seminare der Frau Plate an der Schaubühne in Berlin können kaum Erfolg haben, wenn diese Veranstaltungen nicht die betreffende Produktion behandeln. Dass die Teilnehmer – übrigens nicht nur Jugendliche, sondern auch Senioren – meinen, in einem Theaterraum durch ’Spielchen’ dem Stück und dem Autor nahe zu kommen, so ist dies leider ein Irrtum und es stellt sich bereits hier - bei der Einführungsseminaren - die Frage, ob die Schaubühne dem Bildungsauftrag gerecht wird oder ob da nicht schon in kleinem Rahmen Subventionen verschwendet werden.

    Dass Dramaturgen- bzw. Intendanten-Willkür die Werke entstellt, zeigt sich beispielsweise bei Schillers ’Kabale’, als an der Schaubühne die zentrale Rolle des Hofmarschalls von Kalb gestrichen ist.

    http://www.heerrufer.de/Kritik_
    'Kabale_und_Liebe_-_Schaubuehne_Berlin_01.11.09.htm


    Wenn Herr Khuon in dem Beitrag des Goehte-Instituts vorgibt:
    “Kunst hat das Recht, kompliziert zu sein“.
    “Aber umgekehrt hat der Zuschauer genauso das Recht, von uns zu erfahren, was wir uns dabei gedacht haben.“ – so wird nicht klar, warum an dem von ihm geführten DT Ferdinand von Walter wie Klettermaxe den ganzen Abend kopfüber / kopfunter die, die Bühne umstehenden,  Wände besteigen darf, vom Regisseur auf die Problematik des Absolutismus eines deutschen Fürsten zur Zeit Schillers aber nicht eingegangen wird.

    Es geht nur um Jokus, damit möglichst voll zahlendes Publikum ’a Freid hoat’, die Sitze belegt, um die Auslastung der Häuser zu sichern, zumal, wie ausgeführt wird, man die Kenntnis von Klassikern “bei Gymnasiasten so wenig wie bei Hauptschülern voraussetzen“ könne, die Häuser also nur mit Hampeleien zu füllen sind.

    Es ist höchst bedenklich, wie schützenswertes Kulturgut, ohne Hemmungen, nur des Gags wegen, zu Lasten des Steuerzahlers preisgegeben wird.

    Besonders bedenklich ist dies im Zusammenhang mit dem Stipendiatensponsoring für Bayreuth zu sehen.

    http://www.heerrufer.de/
    Kommentar_'Neues_vom_Tage'_15.05.2011.htm


    Außerdem muss auf die Leser-Kommentare im Online-Beitrag zu

    http://www.faz.net/artikel/C30794/
    krise-des-schauspiels-das-theater-schafft-sich-ab-30335734.html


    verwiesen.