'Nun weiß es die Welt!'
 

 
     


                  Theater Regensburg
                    Molière
                   'Der Menschenfeind'
                    aus dem Französischen
                      von Hans Magnus Enzensberger

                      Einführungsvortrag mit Rolf Ronzier
                     

                          13.01.2007

 

 
     

 
   
 
 


"Dann nehm' ich meine kleine Zigarette
  und blas' die Wölkchen vor mich hin ..."


So schnell ging es diesmal nicht, mit dem Griff zur Zigarette an diesem 13. Januar des Jahres 2008.

Er - Rolf Ronzier - musste warten, bevor er sich einhüllen durfte in blauen Dunst, hielt er doch noch am Ende des Einführungsvortrages zum ’Menschenfeind’ ein flammendes und publikumswirksames Plädoyer für die im Regensburger Haidplatztheater anstehende Produktion von Thomas Bernhards ’Die Macht der Gewohnheit’.

Der Schauspieldramaturg gab geistvoll, humorig und ohne den erhobenem Soziologen-Zeigefinger, Auskunft über Enzensberger, Molière und die Begleitumstände der Produktion von ’Der Menschenfeind’.

Er und nicht ’sie’ referierte – wie kommentierte ein Intendant anlässlich der Regensburger konzertanten Produktion der ’Hugenotten’, als ’sie’ mit Billigung des Direktors des Oberpfälzer Metropol-Theaters Regensburg mit überschlagenen Beinen moderierend auf dem Podium saß – “schaut aus wie a zerzaust’s Christkindl.“

Champagner spiele in Molières Werk eine entscheidende Rolle, in einem Werk, das einen zweiten Autor in Hans-Magnus Enzensberger habe, dem es gelungen sei, eine wirkungsvolle Übersetzung der Molièr’schen Urfassung zu erstellen, wobei er das Geschehen in die Gegenwart verlegt, alle Motive, die Charaktere und auch die Zeilenzahl aber beibehalten habe.

Die bearbeitende Übersetzung sei 1979 als Auftragswerk für Berlin erfolgt, Zadek habe damals die Version, die Enzensberger mit der Bonner Republik und dem deutschen Herbst in Verbindung brachte, ungeheuren Erfolg inszenierte und sehr oft sei das Stück nachgespielt worden.
http://www.google.de/search?hl=de&q=%22musterland+-+m%C3%B6rdergrube%22+%2B+enzensberger&meta=

Der originale 'Menschenfeind' Molières sei 1968 in Regensburg zum letzen Mal zu sehen gewesen, danach der 'Tartuffe' im Jahre 1971 – und sonst nichts mehr, was einer Kulturschande gleich käme, gemessen an dem, wie aktuell doch Molière zu jeder Zeit gewesen sei und noch ist.

Die Enzensberger-Fassung sei schon ein Jahr nach der Uraufführung nach Regensburg gekommen – ein Lob der damaligen Dramaturgie, so schnell reagiert zu haben, ein neues Stück auf den Spielplan zu setzen. Das Ganze sei aber auch schon fast 30 Jahre her.

Enzensberger “ich bin keiner von uns“ sei als einen 'Alt-Linker' einzustufen, sei als ein Verfechter der alten Rechtschreibregeln bekannt und ein starker Raucher, dem werde in Regensburg Rechnung getragen als Abbildungen vom Autor, wie schon bei Arthur Miller, Thomas Beckett im Programmheft veröffentlich würden.

Gute Literatur benötige keine Unterstützung, es sei aber angebracht, auf die Aktualitäten in diesem Falle hinzuweisen, um Einwänden entgegenzuwirken, Molière läge weit zurück und das alle ginge die heutige Gesellschaft nichts mehr an. Dass das Thema interessant sei, merkten auch Jürgen Gosch und Botho Strauß und so machten sich darüber her, eine eigene Fassung zu erstellen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Moli%C3%A8re
Moliere sei der erste Theaterdichter gewesen, der psychologische, moralische, soziale Themen und Missstände behandelte. Menschliche Schwächen und soziale Aspekte der Gesellschaft - damals wie heute aktuell- , verlegt aus einer dem Hof nahen stehenden Gesellschaft in die heutige upper-middle class – eine gehobene Schicht, die sich selber als wichtig erkläre.

 

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Alceste – ein ekelhafter Chauvinist - trage einige Züge von Enzensberger. Auch dieser ein leidenschaftlicher Kritiker der Gesellschaft, besessen von einer fanatischen Wahrheitsliebe, gegen die Lüge, gegen Heuchelei, gegen gekünsteltes Verhalten, gegen Geschwätzigkeit, gegen Begünstigungen, gegen Oberflächlichkeit, lehne jede Art von Diplomatie ab, sei hitzköpfig und sei gegen alles, was die Gesellschaft ausmache.

Damit treibe er es auf die Spitze, stoße seinen Mitmenschen vor den Kopf, und verscherze es sich so mit allen – wie er es praktiziere, sei wohl als eine Art von Masochismus zu bezeichnen, letztlich werde er zur lächerlichen Figur.
Bei  Enzensberger sei der Alceste der 'Gutmensch' - er wie er stellten die Kritik an der Gesellschaft in den Vordergrund.

Célimène – Geliebte von Alceste - ein Flittchen mit Niveau, ein ausgekochtes, abgefeimtes Biest - passe gar nicht in die Tugendvorstellungen des Alceste – sie genieße im Gegensatz zu ihm die Geselligkeit, das gesellschaftliche Leben mit allem was dazu gehöre, wie Spott und Klatsch, Intrige – sie flirte mit vielen Partnern, stelle sich gut mit zahlreichen einflussreichen Verehrern, pflege Freundschaften oder auch Techtelmechtel aus opportunistischen Beweggründen, so auch zu zwei Partygästen, dem Acaste – strahlend vor selbstzufriedener Eitelkeit und dem Clitandre, Modefatzke in schrillem Kostüm - sie seien Salonlöwen, Partyhengste, eingebildete, aufdringliche Typen.

Beide würden von Célimène der koketten, schlagfertigen Salondame – trotz aller Hoffnungen, die sie den beiden - sogar in schriftlicher – Form mache - auf Distanz gehalten und bei all ihrer Emanzipiertheit - was zur Zeit von Molière etwas gänzlich revolutionäres war - weiß Célimène sehr wohl, sich mit ihrer klugen, offenen Art einzubringen und den völlig in seiner Art zu ihr konträren Alceste zu gewinnen.

Auch Oronte – aus verletzter Eitelkeit ein gefährlicher Gegenspieler von Alceste, buhlt um die Gunst des Schwierigen - wird von Célimène in das Spiel eingebunden – es kommt zu einer Konfrontation zwischen den beiden Verehrern Célimènes wegen der Beurteilung eines Gedichtes, das von Alceste in Form und Inhalt abgelehnt wird.

Arsinoé eine heuchlerische Ziege auch auf der Party, gefürchtet wegen ihrer herben Art, auch weil sie Tugendhaftigkeit vortäusche, die aber nach Meinung der Gäste gar nicht gegeben sei, wolle auch Alceste für sich gewinnen, da dieser in Bezug auf den hohen moralischen Anspruch viel mehr ihren Vorstellungen von einem Mann als der von Célimène entspreche. Sie versuche daher die Gegenspielerin durch verletzende Wortspielereien zu diskreditieren, damit auszustechen. Bemäntelt werde das Gespräch mit dem Titel: ’Freundschaftsdienst’.


Eine Intrige folge der nächsten üblen Nachrede, alle würden hineingezogen - Alceste wolle Célimène am Ende das ganze verzeihen, wenn sie ihm in die Einsamkeit, das heißt durch Ausstieg aus der Gesellschaft, folge.
Die Antwort könne man sich ja vorstellen.

Das Stück, häufig auch als Tragödie dargeboten, habe kein happy end - zumindest nicht, was die beiden Hauptfiguren angehe.
Gedanken hätten sich viele über Molière und seinen 'Menschenfeind' gemacht - so auch Goethe "Molière ist so groß, daß man immer von neuem erstaunt, wenn man ihn wiederliest, seine Stücke grenzen ans Tragische" - ob es sich nun um eine Komödie oder eine Tragödie handele.

Zwei weitere Mitspieler Éliante und Philinte stünden quasi außerhalb der Handlung, sie kennten die menschlichen Schwächen und akzeptierten sie und arrangierten sich mit ihnen, seien also im Gegensatz zu dem Hauptpaar die Menschenfreundlichen.

Nach der koketten Célimène und der prüden Arsinoé sei Éliante die Aufrichtige, die eigentlich besser zu Alceste passe und die der Meinung sei, ein Mann liebe auch die Schwächen an einer Frau, wenn er richtig verliebt sei.

Mit Philinte bilde sie das einzig glückliche Paar, auf die Werbung von Alceste fällt Éliante nicht herein, zumal es sich hier nur um einen Racheakt von Alceste an Célimène handele.

Jung besetzt der Philinte - 'normalerweise' als ein väterlicher Freund von Alceste vorgestellt - sei er der Vertreter der praktischen Vernunft, besonnen, wirke besänftigend und ausgleichend auf Alceste.
 

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Habe Molière anfänglich in seinen Stücken die Meinung vertreten, man solle sich der Gesellschaft anpassen, brachten die späteren Werke - 'Tartuffe', 'Don Juan' und 'Menschenfeind' die Umkehr, die Infragestellung der Anpassung. Das Publikum habe dies nicht honoriert - es sei ausgeblieben und Molière musste sich nolens volens eines Bessern - eben der Verträglichkeit - besinnen.

Molière habe die Komödie zu der Tragödie gleichwertigen Gattung erhoben und dies sei der große Verdienst des großen Meisters.
Der Lächerlichkeit preis gebe er Dinge, die dem gesunden Menschenverstand widersprächen und in seinen Komödien, zum Beispiel die Rechthaberei des Alceste, des Moralisten, des verzweifelten Idealisten.
Lächerlich sei alles, was extrem der Vernunft ermangele und utopische Verhaltensregeln aufzeige.

Und gerade das Spielen des Alceste berge Leiden - er, Michael Haake, habe sich über Weihnachten 2007 schwer getan, im Erarbeiten der Rolle.
Mal sei er beim Aufsagen des Textes heiser geworden - eigentlich wollte er doch nicht so schreien - dann habe er es wieder im Rücken gehabt - das Vergnügen läge so doch wohl im Publikum, auf der anderen Seite der Kulissen.
Bei allem sei Alceste wie ein Stehaufmännchen, das immer wieder neu anfange, so schlimm könne es also mit dem Leiden auch nicht sein.

Rüdiger Burbach, der Regisseur aus Zürich arbeite zum ersten Mal in RBG, wolle die Liebes- und Machtspiele zeigen, das Hin- und Hergerissensein des Alceste zwischen Verstand und Herz, wobei ihn die komischen, denn die tragischen Momente am Spiel reizten.
Das Stück sei in einem Garten mit aufblasbaren Plastikmöbeln und Luftballons angesiedelt, die Aufgeblasenheit dieser Gesellschaft zeigend. Und nicht in einem Salon, sondern im Garten, so dass neben den Solopaaren vorne, die übrigen Gruppen dezent den Hintergrund beleben könnten.

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Schlusswort mit drei Thesen des Dramaturgen:

1. Wenn Sie als Menschenfeind das Theater verlassen, dann haben wir das Ziel verfehlt -

2. wenn Sie Menschenfeinde besser verstehen, haben wir das Ziel knapp verfehlt -

3. und wenn Sie Menschenfreund geworden sind, dann empfehlen sie uns weiter!
 

 

 

 
 

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Ich verstehe diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthält diese private Homepage auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach
Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.
In die Texte baue ich gelegentlich Fehler ein,
um Kommentare herauszufordern.
Dieter Hansing

 

 

 
 
 
     

 

 

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