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04.01.2010 - dradio.de

 

 

 

Thema des Tages

19. April

Wilhelm August Iffland


   ... am 19. April 1759 geboren

Er war ein Charakterspieler mit großer Ausstrahlung, sein Franz Moor in der Uraufführung der 'Räuber' 1782 in Mannheim zeigte schlagartig, wie viel darstellerisches Potential in ihm steckte.

In Hannover geboren, wechselte er nach Gotha zu Ekhof - und, als das Theater dort aufgelöst wurde, konnte er ein Engagement in Mannheim bei Dalberg finden.

Hier wurde er schnell zu einem der bedeutendsten Mitglieder dieser renommierten Bühne.

Über Saarbrücken ging er 1796 nach Berlin.
1811 erfolgte die Ernennung zum Direktor der dortigen Schauspiele durch den preußischen König, Friedrich Wilhelm III.
1814 starb Iffland in Berlin.

 

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In Mannheim bestätigte sich auch sein Talent, der Bühne mit eigenen Werken zum Erfolg zu verhelfen.

Mit Schiller am gleich Haus - 1784 wurden dessen 'Kabale' und Ifflands 'Verbrechen aus Ehrsucht' fast zur gleichen Zeit uraufgeführt - zeigten sich hier die Unterschiede in den Werken der beiden Dramatiker.

Iffland stellte den Geist des Gegensatz-Überbrückens in den Vordergrund durch Mäßigung und Versöhnungsbereitschaft - was auch dem Wunsch der Schauspieler entsprach, durch Anpassungsbestrebungen  zur Gesellschaft zu gehören, während Schiller tragische Klüfte aufzeigte, denen damals weder die Darsteller, noch das  Publikum ohne Schwierigkeiten folgen konnten.

 

Zitat

Schiller gab in einem seiner Briefe an Goethe ein sehr tiefes und richtiges Urteil über Iffland ab: „In solchen närrischen Originalen (gemeint ist der taube Apotheker) ist es eigentlich, wo mich Iffland immer entzückt hat, denn das Naturell tut hier so viel, alles scheint augenblicklicher Einfall und Genialität, daher ist es unbegreiflich, und man wird zugleich erfreut und außer sich gesetzt. Hingegen in edlen, ernsten und empfindungsvollen Rollen bewundre ich mehr seine Geschicklichkeit, seinen Verstand, seinen Kalkül und Besonnenheit. Hier ist er mir immer bedeutend, planvoll und beschäftigt und spannt die Aufmerksamkeit und das Nachdenken, aber ich kann nicht sagen, dass er mich in solchen Rollen eigentlich entzückt oder hingerissen hätte, wie von weit weniger vollkommenen Schauspielern geschehen ist. Daher würde er mir für die Tragödie kaum eine poetische Stimmung geben können."
In der Tat, das Gebiet der Tragödie blieb ihm fremd und unerreichbar. Obwohl Iffland diese seine Unfähigkeit erkannte, ließ ihn sein Ehrgeiz nicht die Grenzen einhalten. Er strebte, in der tragischen Darstellung etwas Neues und Ungewöhnliches zu schaffen. Unverhältnismäßig langes Auseinanderziehen der Verse, zahlreiche künstliche Pausen, raffinierte Nuancen, neue Akzente, die den Sinn der Situation störten, Übertreibungen jeder Art waren die Mittel, zu denen Iffland bei der Interpretation tragischer Rollen, wie Wallenstein, Franz Moor, Shylock, Teil u. a. griff.

Um zu verstehen, wie Iffland tragische Rollen spielte, genügt es, einen kleinen Ausschnitt aus der l o b e n d e n Kritik seiner Darstellung des Shylock zu hören.
Der Kritiker ruft aus: „Eine durchweg vortreffliche und glänzende Darstellung! Nicht allein wieder die höchste Trefflichkeit in Ausführung aller Nuancen der Rolle, in Benutzung jedes Momentes, wo nur irgend etwas Bedeutendes angebracht werden konnte; eine Kunst, in der Herr Iffland ein so unübertrefflicher Meister ist; das Trippeln im Kreise, Herumdrehen, wenn er innerlich beunruhigt war, das windschiefe Kompliment, das Zerknittern der Mütze im vierten Akt . . . In der Szene mit seinem Glaubensgenossen Tubal war er ganz Jude. Der Versbau des Originals war ganz gestört und in Prosa aufgelöst(!), aber dieser Auflösung verdanken wir so viele humoristische Scherze, so viel echt jüdische Worte und Wendungen(!), dass wir darüber keineswegs rechten mögen." Iffland hatte somit den Shylock in einen alltäglichen Juden verwandelt unter reichster Anwendung aller Details einer Gattungscharakteristik.
In der Rolle des Franz Moor bemühte sich Iffland 'das jugendliche, hemmungslose Draufgängertum und die Verwegenheit, mit der Schiller diese Gestalt ausstattete, zu mildern, versah sie mit kalter, satanischer Berechnung und zeigte feine, psychologische Nuancen. Damit erreichte lffland auch hier wieder eine größere Lebendigkeit der Gestalt auf Kosten ihrer tragischen Kraft.
Ifflands Spiel war in allen Details sehr fein durchdacht. Eduard Devrient führt folgendes Urteil eines zeitgenössischen Kritikers über Ifflands Spiel an: „Jede seiner Stellungen ist malerisch, jede Miene, jede Bewegung überdacht und wahr. Nie entwischt ihm ein falscher Akzent, nie übersieht er eine Nuance seines Charakters. Er ist immer mit ganzer Seele bei seinem Spiele, verliert nie den Faden seiner Rolle, und sein Ausdruck ist der vollkommenste Kommentar dessen, was er spricht. Auch herrscht durchaus eine gewisse Ruhe und Würde in seinem Spiele, die ihn selbst in leidenschaftlichen Szenen nicht verlässt, und mit dem Zerfetzen der Leidenschaft, worein gewisse Schauspieler ihre Stärke setzen, einen auffallenden Kontrast macht. Nur - darf ich es sagen -

scheint mir Iffland mit mehr Kunst als Empfindung zu spielen und erregt daher mehr Bewunderung als hinreißende Sympathie."
Während Schröder seine Rollen zwanglos und oft sogar unbeachtet zu spielen begann und sie erst allmählich steigerte, bemühte sich Iffland schon bei seinem ersten Erscheinen auf der Bühne, auf das Publikum eine starke Wirkung auszuüben. Eduard Devrient ist sogar der Ansicht, dass Iffland auf der Bühne mit allen Kräften danach strebte, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu konzentrieren und durch sein stummes Spiel von seinen Partnern abzulenken. Der Äußerung des damaligen Kritikers Böttiger kann man entnehmen, dass Iffland jedes Mittel recht war, wenn es nur das Publikum verblüffte. „Oft lässt Iffland eine Stelle fallen, wo man Nachdruck erwartet hätte und überrascht durch Hervorhebung einer andern, die man ohne den Lichtstrahl, den der Künstler darauf zu leiten versteht, kaum im Halbdunkel erblickt haben würde." Diese Züge schreibt Devrient Ifflands schauspielerischem Ehrgeiz zu und seiner Absicht, das durch seine Gastspiele ständig wechselnde Publikum in Erstaunen zu versetzen. Devrient sieht in Iffland den Beginn des für die deutsche Bühne so verhängnisvollen „Virtuosentums".
Wir sind der Meinung, dass die angeführten Züge in Ifflands Spiel nicht so sehr ein Produkt seines persönlichen Ehrgeizes, als vielmehr Ausdruck eines bestimmten Stils sind. Seine lebhafte Pantomime wird durch das Bestreben eines ununterbrochenen Spiels, eines „Lebens in der Gestalt" und durch seine Tendenz der Feinheit darstellerischer Zeichnung hervorgerufen. Dasselbe gilt auch von seinen „Überraschungen", die von einigen Kritikern verzeichnet werden, denn ein glücklich gefundenes szenisches Detail ist immer überraschend.
Die Kunst Ifflands war eine Entartung des von Schröder geschaffenen Stils. Während Schröder eine große Lebenswahrheit erreichte und sich in seiner Kunst das Typische mit dem Individuellen harmonisch verband, zeigte Ifflands Kunst die Tendenz eines Absinkens zum Naturalismus. Wenn es dazu selbst auch nicht gekommen war, so nur deshalb, weil diese Tendenz noch durch die Ästhetik der

Aufklärung mit ihrem Bestreben der „Veredlung" der Bühnengestalt aufgefangen wurde. So war Ifflands Stil letzthin eklektisch und affektiert.
Kein europäischer Schauspieler hat ein so reichhaltiges Bildmaterial über seine Arbeit hinterlassen wie Iffland. Die Brüder Henschel stellten rund 500 Zeichnungen und Kupferstiche her, die Iffland in den verschiedensten Rollen festhalten und seinen künstlerischen Stil wunderbar demonstrieren.
Trotz alledem ist Ifflands Bedeutung in der Geschichte der deutschen Schauspielkunst gewaltig. In seiner ganzen Tätigkeit gab er das Vorbild für eine durchdachte, analytische Rollenarbeit, für die Wichtigkeit szenischer Details und das Herausarbeiten eines realistischen Äußeren. Seiner Kunst fehlten jedoch die breiten Verallgemeinerungen, und seine Bühnengestalten waren in ihrer ideellen Zeichnung eingeengt. Aber das ist nicht seine Schuld, sondern die Schuld seiner Epoche, deren Geistesrichtung Iffland so klar widerspiegelt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich die Schauspielkunst in Deutschland ausschließlich unter dem Einfluss der Iffland-Schule. Schiller gibt in seinem Brief an Körner folgende Charakteristik der künstlerischen Linie des Berliner Theaters: „Die Unzelmann spielt diese Rolle (Maria Stuart) mit Zartheit und großem Verstand, ihre Deklamation ist schön und sinnvoll, aber man möchte ihr noch etwas mehr Schwung und einen mehr tragischen Stil wünschen. Das Vorurteil des beliebten Natürlichen beherrscht sie noch zu sehr, ihr Vortrag nähert sich dem Konversationston, und alles wurde mir zu wirklich in ihrem Munde; das ist  I f f l a n d s  Schule, und es mag in Berlin allgemeiner Ton sein."

Zitatende

S. Troizkij -`'Die Anfänge der realistischen Schauspielkunst - 1949 -
Verlag Bruno Henschel und Sohn Berlin

 

 

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Der so genannte Iffland-Ring ist ein Schmuckstück, das nach der Überlieferung vom jeweiligen Träger testamentarisch dem jeweils größten Schauspieler deutscher Sprache vermacht werden soll.

Der bisherige Träger - Bruno Ganz - soll verfügt haben, dass nach seinem Tod, Gert Voss den Ring hätte erhalten sollen. Da Voss aber am 13. Juli 2014 starb, muss nun eine Änderung des Testamentes erfolgen und Bruno Ganz eine neue Festlegung treffen.
Was er auch tat, indem er den Ring Jens Harzer vermacht hat.

 

 

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Dieter Hansing